Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Ostkirchliche Themen.
azs
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Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von azs »

Im Zuge der jetzigen "ökumenischen Hochphase" unter Papst Benedikt XVI, mal angenommen es würde wirklich eine Einigung bzw. enge Annäherung geben: Wie könnte eine gegenseitige Befruchtung der orthodoxen und katholischen Kirche aussehen? Was könnte man gegenseitig voneinander lernen in Sachen Liturgie oder Spiritualität? Ist es überhaupt gut voneinander zu lernen, oder sollten die jeweiligen Dinge getrennt bleiben? Wären gegenseitige Einflüsse gut oder schlecht?

Gespannt auf Meinungen,
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Bernado
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von Bernado »

azs hat geschrieben:Im Zuge der jetzigen "ökumenischen Hochphase" unter Papst Benedikt XVI, mal angenommen es würde wirklich eine Einigung bzw. enge Annäherung geben: Wie könnte eine gegenseitige Befruchtung der orthodoxen und katholischen Kirche aussehen? Was könnte man gegenseitig voneinander lernen in Sachen Liturgie oder Spiritualität? Ist es überhaupt gut voneinander zu lernen, oder sollten die jeweiligen Dinge getrennt bleiben? Wären gegenseitige Einflüsse gut oder schlecht?
Was man voneinander lernen könnte, wäre, daß das, was beim jeweiligen Gegenüber "anders" ist, deshalb nicht zwangsläufig "falsch" sein muß. Und es wäre sicher reizvoll, in die eigene Tradition zu gehen um zu schauen, ob es da nicht auch verschüttete Spuren dieses "anderen" gibt. Vielleicht könnte man darauf (also auf der eigenen Grundlage) aufbauend, sogar das eine oder andere verloren gegangene wieder etwas stärker hervorholen - freilich ohne in Archäologismus zu verfallen.

Eine darüber hinausgehende Angleichung im Sinne eines Systems kommunizierender Röhren (alles für alle auf gleichem Stand) würde ich für wenig glücklich halten. Orthodoxe, die sich neoscholastischen Fingerübungen hingeben, oder Katholiken, die hingebungsvoll Ikonen schreiben, mag ich mir nur als Ausnahmeerscheinungen vorstellen. Die Individualitäten der Kirchen sind (wenn die gegenseitigen Anathemata erst einmal wirklich überwunden sind), ein wertvoller Besitz.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

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Lutheraner
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von Lutheraner »

azs hat geschrieben:Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?
Es gibt nur eine Kirche.

(Ich schreibe das mal stellvertretend für unsere katholischen Mitschreiber, die den Thread-Titel wohl überlesen haben)
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obsculta
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von obsculta »

Lutheraner hat geschrieben:
azs hat geschrieben:Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?
Es gibt nur eine Kirche.

(Ich schreibe das mal stellvertretend für unsere katholischen Mitschreiber, die den Thread-Titel wohl überlesen haben)

Er hat Humor!
Luthi,schreib mal bitte wieder [Punkt] :ja:

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Niels
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von Niels »

obsculta hat geschrieben:
Wat is mit 14H,sieht man Dich da?
Das wäre erfreulich. :ja: :daumen-rauf:
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Bernado
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von Bernado »

Lutheraner hat geschrieben:
azs hat geschrieben:Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?
Es gibt nur eine Kirche.

(Ich schreibe das mal stellvertretend für unsere katholischen Mitschreiber, die den Thread-Titel wohl überlesen haben)
Neinnein - ich zumindest habe das nicht überlesen. Aber wir befinden uns hier auf orthodoxem Terrain, und da gilt, was Kardinal Joseph Ratzinger im Jahr 2000 geschrieben und Papst Johannes Paul II. unterschrieben hat:
Dominus Jesus Abschnitt 17 hat geschrieben:Es gibt also eine einzige Kirche Christi, die in der katholischen Kirche subsistiert und vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird. Die Kirchen, die zwar nicht in vollkommener Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, aber durch engste Bande, wie die apostolische Sukzession und die gültige Eucharistie, mit ihr verbunden bleiben, sind echte Teilkirchen. Deshalb ist die Kirche Christi auch in diesen Kirchen gegenwärtig und wirksam, obwohl ihnen die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche fehlt, insofern sie die katholische Lehre vom Primat nicht annehmen, den der Bischof von Rom nach Gottes Willen objektiv innehat und über die ganze Kirche ausübt.
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Nassos
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von Nassos »

Bub,

auf orthodoxem Terrain gilt das o.g. des Bischofs von Rom eben nicht. :/

Ist aber hier Wurscht, der Titel bezieht sich ja auf den hypothetischen Fall der erfolgten Vereinigung.
In diesem Fall, lieber Lutheraner, wäre Kirche = Kirchen. Jede Ortskirche ist das Ganze dessen zu dem sie wiederum gehört.
Bernado hat geschrieben:Eine darüber hinausgehende Angleichung im Sinne eines Systems kommunizierender Röhren (alles für alle auf gleichem Stand) würde ich für wenig glücklich halten. Orthodoxe, die sich neoscholastischen Fingerübungen hingeben, oder Katholiken, die hingebungsvoll Ikonen schreiben, mag ich mir nur als Ausnahmeerscheinungen vorstellen. Die Individualitäten der Kirchen sind (wenn die gegenseitigen Anathemata erst einmal wirklich überwunden sind), ein wertvoller Besitz.
Das wäre dann Vielfalt in der Einheit und vollkommen in Ordnung.

Gruß,
Nassos
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Bernado
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von Bernado »

Nassos hat geschrieben:Bub, auf orthodoxem Terrain gilt das o.g. des Bischofs von Rom eben nicht. :/
Ach so, du meinst, wenn der römische Papst sagt, daß die Orthodoxen Teilkirchen Kirchen sind, dann sind sie erst recht keine?

Soll mir auch recht sein.
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Nassos
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von Nassos »

Mensch Bernado,

jetzt tu doch nicht so beleidigt, es ist ja nicht so, dass ich hier was neues erzählt hätte. :/
Es geht um den Primatsanspruch. Dass das hier eben nicht so reinpasst weißt du doch (und dass ich nicht polemisiere).

Gruß,
Nassos
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Miserere Nobis Domine
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Was wäre denn mit der Scholastik im Falle der Wiederherstellung der Einheit? Wie viel Scholastik dürfte es im Patriarchat von Rom noch geben?

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Bernado
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von Bernado »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:Was wäre denn mit der Scholastik im Falle der Wiederherstellung der Einheit? Wie viel Scholastik dürfte es im Patriarchat von Rom noch geben?
''Von euch aus oder von uns aus?
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Nietenolaf
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von Nietenolaf »

Wenn man sehen will, wie man sich gegenseitig "befruchten" kann, braucht man bloß die Geschichte der Russischen Kirche ab ca. dem 17. Jahrhundert bis Anfang des 20. Jahrhunderts betrachten. Da gab es regelrechte Know-How-Transfers vom Westen nach Osten. Man sieht es in allen kirchlichen Bereichen, angefangen von der Homiletik bis hin zur Ikonographie, oder überhaupt in der ganzen theologischen Ausbildung. Diese Einflüsse waren natürlich nicht nur positiv. Aber generell habe ich ja nichts gegen eine gesunde Prise Scholastik*. Oh, und das jüngere kirchliche Schrifttum, speziell die berühmten Grundlagen der Sozialkonzeption der ROK, sind ja wohl schön "scholastisch" bzw. beruhen auf Vorbildern aus der röm.-kath. Kirche, das kann man ja nicht leugnen.

* Ich las vor einer Weile ein vom Umfang her enormes Werk über Augustinus, verfaßt vom hl. Neumärtyrer Ioann (Popow). Es war mehr als anstrengend. Dutzende Seiten ohne Absätze, ohne klare Strukturen. Größtenteils die ungefilterte Niederschrift eines teilweise chaotischen Gedankenflusses. Das ist nur eines von vielen Beispielen, das durch scholastische Methoden zugänglicher würde.
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Ralf

Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von Ralf »

Wenn das Fehlen klarer Strukturen und ein chaotischer Gedankenfluß charakteristisch für Scholastik sind, dann bin ich ein großer Scholastiker. :D

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holzi
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von holzi »

Ralf hat geschrieben:Wenn das Fehlen klarer Strukturen und ein chaotischer Gedankenfluß charakteristisch für Scholastik sind, dann bin ich ein großer Scholastiker. :D
Da hast du den Nietenolaf aber falsch missverstanden: Durch scholastische Prinzipien könnte ein socher chaotischer Gedankenfluss strukturiert und gebändigt werden.

azs
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von azs »

Lutheraner hat geschrieben:
azs hat geschrieben:Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?
Es gibt nur eine Kirche.

(Ich schreibe das mal stellvertretend für unsere katholischen Mitschreiber, die den Thread-Titel wohl überlesen haben)
Ich hab eine Zeit lang überlegt wie ich das fomuliere, hab mich jetzt dazu entschieden. Immerhin geht es ja um orthodox und katholisch. Ich hätte auch "katholische Kirche" im Sinne von "allgemein" schreiben können, aber man das dann wieder erklärt hat....es wissen ja alle was gemeint ist :blinker:.

Mich würde mal interessieren, was orthodoxe Christgläubige am Katholizismus mögen und umgekehrt!
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Florianklaus
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von Florianklaus »

Mir gefällt an der Orthodoxie der Respekt vor der liturgischen Tradition.

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Nietenolaf
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von Nietenolaf »

Florianklaus hat geschrieben:Mir gefällt an der Orthodoxie der Respekt vor der liturgischen Tradition.
Es gibt kein bloßes "Festhalten" an der liturgischen Tradition, sondern dahinter steckt der Respekt vor und das Festhalten am apostolischen Glauben, welcher erst die "liturgische Tradition" macht.

(Und nebenbei fürchte ich, manche unserer Laien könnten sich eine "Befruchtung" durch die Sitzbänke in den Kirchen wünschen...)
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Nassos
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von Nassos »

Das Stichwort "Liturgie" war enorm wichtig. Wir definieren uns eigentlich nicht so sehr über Dogmatik, sondern über die Göttliche Liturgie. Das ist für uns Kirche.

An der römisch-katholischen Kirche gefällt mir persönlich am meisten die übermäßige Liebe zur Alleheiligen Gottesgebärerin und das unbedingte Festhalten an der Trinität (jetzt mal unabhängig von den auch hier existierenden Differenzen).
Speziell wegen ersterem hatte ich - als Gegensatz zu den Strängen "filioque" und "Papsttum" - den Strang eröffnet, um sich hier auch mal über etwas Gemeinsames zu unterhalten.

Das hatte mir damals geholfen, auch mal aus der Sakristei heraus zu schauen.
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azs
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von azs »

Also mir gefällt besonders die Mystik in der Orthodoxie, sei es in der Liturgie, im monastischen Leben, im Starzentum oder allgemein in der tiefen Frömmigkeit der Gläubigen. Irgendwie hat sich die Orthodoxie was bewahrt, was die moderne katholische Kirche aufgegeben hat. Deswegen fand ich die Orthodoxie schon immer anziehend. Auch die Ikonen und das Herzensgebet haben neben mir wohl auch vielen vielen anderen römisch-katholischen Christgläubigen einen Schatz beschert. Von den grandiosen Marienhymnen und der orthodoxen Choräle wollen wir jetzt mal gar nicht sprechen ;D .

Über die verschiedenen Lehrmeinungen hinaus gibt es viel schönes in der Orthodoxie, was mich persönlich sehr bereichert hat. Die Ernsthaftigkeit und die strenge Hütung des Glaubens vor dem Modernismus ist wohl etwas, was in der heutigen Zeit sehr viel Strahlkraft für den Westen hat. Aber von der Einheit mit unserem Heiligen Vater und unserem Heiligen Ritus nach dem Missale Romanum von Papst Pius V. aus dem Jahre 1570 in der Fassung von Papst Johannes XXIII. von 1962 würde ich mich trotzdem niemals trennen wollen :breitgrins: .

Wie gehts eigentlich den Orthodoxen mit den alten katholischen Riten? Was denken sie über diese?
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cantus planus
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von cantus planus »

Die innige Verbindung von Kirche und Mönchtum ist ohnehin eine große Stärke der Orthodoxie. Leider hat sich die römische Kirche dieser Stütze mit dem II. Vaticanum ja selbst beraubt, als sie die weitgehende Exemtion der Klöster der Vorrangstellung der Diözesanbischöfe opferte. :traurigtaps:
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‎Tradition ist das Leben des Heiligen Geistes in der Kirche. — Vladimir Lossky

azs
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von azs »

Was ist Exemtion?
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Linus
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von Linus »

"Unabhängigkeit" will sagen: der Ortsbischof darf nicht mitreden, bei Problemen etc zieht Rom direkt. (Was im Falle des Stiftes Admont beispielsweise dazu führte, daß der Abt dem Ortsbischof mehrmals untersagt hatte, die Messe in seinen Pfarren zu feiern ;) )
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
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ad-fontes
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von ad-fontes »

Bernado hat geschrieben:sogar das eine oder andere verloren gegangene wieder etwas stärker hervorholen - freilich ohne in Archäologismus zu verfallen.
Ab wann wird es archäologistisch?

Wenn der hl. Joseph aus dem Canon gestrichen wird?

Wenn der 1. Mai wieder zum Hochfest der Apostel Phillipus und Jacobus wird?

Oder erst wenn, die römische Kirche Allerheiligen wieder mit den Ostkirchen gemeinsam am 1. Sonntag nach Pfingsten feiert?


Oder bereits dann, wenn man "Joseph" statt "Josef" und "Jacobus" statt "Jakobus" schreibt?


Wenn Wiederherstellung eines früheren Zustandes aufgrund romantischer Verklärung einer Epoche gefordert wird und nicht aufgrund theologisch-liturgischer Argumente (norma patruum), würde ich sagen. Archäologismus sehe ich aber mehr als Kampfbegriff der "Gegenseite", trifft oft aber nicht den wunden Punkt: Eklektizismus, der als Reform verkauft wird.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

azs
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von azs »

Linus hat geschrieben:"Unabhängigkeit" will sagen: der Ortsbischof darf nicht mitreden, bei Problemen etc zieht Rom direkt. (Was im Falle des Stiftes Admont beispielsweise dazu führte, daß der Abt dem Ortsbischof mehrmals untersagt hatte, die Messe in seinen Pfarren zu feiern ;) )
:daumen-rauf: grazie
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songul
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von songul »

azs hat geschrieben: ....

Über die verschiedenen Lehrmeinungen hinaus gibt es viel schönes in der Orthodoxie, was mich persönlich sehr bereichert hat. Die Ernsthaftigkeit und die strenge Hütung des Glaubens vor dem Modernismus ist wohl etwas, was in der heutigen Zeit sehr viel Strahlkraft für den Westen hat. Aber von der Einheit mit unserem Heiligen Vater und unserem Heiligen Ritus nach dem Missale Romanum von Papst Pius V. aus dem Jahre 1570 in der Fassung von Papst Johannes XXIII. von 1962 würde ich mich trotzdem niemals trennen wollen :breitgrins: .

Wie gehts eigentlich den Orthodoxen mit den alten katholischen Riten? Was denken sie über diese?
Ich würde mal sagen, dass die meisten Orthodoxen sich mit den anderen Liturgien kaum auskennen.
Jedenfalls gehen mehr Heterodoxe in orth. Liturgie als umgekehrt. Hat wohl was mit dem Erscheinungsbild der modernen Messen oder Gottesdiensten zu tun mit denen man nichts anfangen kann.
Was es aber gibt, jedenfalls von seiten von westlichen Orthodoxen ( in der Regel Konvertiten), ist eine Rückbesinnung auf westliche Liturgien aus gemeinsamer Zeit; also vor dem Schisma.
Die sind ja ganz ähnlich wie heute noch die Tridentinische- oder die Sarum- Messe und das wiederum hat auch das Intresse für die alte Messe der Katholiken und Anglikaner geweckt und somit auch für den Choral und anderes. Aber das ist nur eine kleine Minderheit in westlichen Ländern.
Sonst ist das Interesse in orthodoxen Ländern an westlichen Kirchen nicht eben gross; wohl auch deshalb weil es in der Historie doch immer wieder Reibungspunkte gegeben hat und man sich nicht wirklich vorstellen kann was vor allem nach dem II. Vaticanum noch so viel Befruchtendes sein kann.
Dinge wie Orgeln in griechischen Kirchen in USA kann man allenfalls als ein Zugeständnis an lokale Gebräuche verstehen als dass das wirklich im Sinne von einer Befruchtung zu sehen ist.
Die "Befruchtung" wird eher eine in Form von Lockerungen an die Moderne sein, wie sie vor allem schon in der griechischen, antiochenischen und finnischen Kirche vereinzelt praktiziert wird und wo man sich klar erkennbar an westliche Vorbilder gehalten hat.
Andere Kirchen tun sich da sehr schwer und es kommt oft zu einer sehr unverhohlenen Opposition.

Ich denke, dass die allgemeine Annäherung beiderseits uns erst noch bevorsteht und man erst später sagen kann wer, wen und wie befruchten wird.

LG Songul

Miserere Nobis Domine
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Nietenolaf hat geschrieben: (Und nebenbei fürchte ich, manche unserer Laien könnten sich eine "Befruchtung" durch die Sitzbänke in den Kirchen wünschen...)[/color]
Konstantinopel hat ja schon Bänke, oder zumindest Stühle... wenn die doch noch in die Ukraine expandieren, wird auch das Moskauer Patriarchat bestuhlen müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben.

songul hat geschrieben:Jedenfalls gehen mehr Heterodoxe in orth. Liturgie als umgekehrt.
Das dürfte an der Zusammensetzung der Bevölkerung in Deutschland liegen.

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Nassos
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von Nassos »

Ich gehe davon aus, dass sehr viel Unwissenheit mitspielt seitens der Orthodoxen (über die Orthodoxie).
Das Wissen hat sehr in den 400 Jahren gelitten, als das Genos zu Analphabeten degenerierte. Wir verdanken dem Klerus, dass wir unsere Herkunft in dieser schrecklich langen Zeit des ausgeschalteten Lichts nicht vergessen haben.
Nach Abzug der Osmanen kamen dann Missionare aus dem Westen und "befruchteten" die Leute mit ihren Ansichten.

Ich nehme an, dass es daran liegt, dass viele Orthodoxe an das Forensische Element der Rechtfertigung glauben, sich die Hölle als feurigen Schlund vorstellen etc...

Meine Ansicht ist, dass sich eher der Westen befruchten lassen kann. Das ist sicherlich nicht herablassend gemeint. Ich habe auch den Eindruck, dass es eher ein Interesse (Sehnsucht?) der "Westler" an der Orthodoxie gibt, als umgekehrt. Das mag aber auch daran liegen, dass ich als Orthodoxer in Deutschland lebe.

Was der Osten als Kirchenlehre übernehmen kann, weiß ich nicht, beschränken sich doch die Kirchenväter aus westlicher Sicht auf die ersten paar Jahrhunderte...

Gruß,
Nassos
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Miserere Nobis Domine
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Nassos,

Gibt es denn viele Orthodoxe, die an die forensische Rechtfertigung glauben? Ich habe den Eindruck, daran glauben heute fast nur noch die Angehörigen evangelikaler Freikirchen.

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Nassos
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von Nassos »

Daran glauben ist übertrieben ausgedrückt.
Sie haben dieses Bild vermittelt bekommen und haben diese ungefähre Vorstellung.

Das darfst Du aber nicht auf die selbe Stufe stellen wie die bewusst daran Glaubenden.
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songul
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von songul »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben: ...
songul hat geschrieben:Jedenfalls gehen mehr Heterodoxe in orth. Liturgie als umgekehrt.
Das dürfte an der Zusammensetzung der Bevölkerung in Deutschland liegen.
Wohl kaum.
Eher schon, dass Orthodoxe nicht unbedingt der Meinung sind - wenn sie denn überhaupt in die Kirche gehen - in eine andere gehen müssten als die Ihrige.
Gemischt-konfessionale Ehen mal ausgenommen.
Die modernen Gottesdienste hierzulande beindrucken, gemessen an der Göttlichen Liturgie, die meisten nicht wirklich.

Miserere Nobis Domine
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

songul,

Zum einen kenne ich hier in Deutschland viele Staatsbürger der Länder T. und S. im Patriarchat von A., die ganz gerne mal in die römische Kirche gehen, wenn die orthodoxe Kirche ihres eigenen Patriarchats gerade keine Gottesdienste hat oder nicht in der Nähe ist. Da gehen sie dann auch lieber hin als zu den Griechen, weil es bei den Katholiken ja auf Deutsch ist...

Zum anderen ist das Interesse der Mehrheit an der Minderheit schon statistisch grösser als dasjenige der Mehrheit an der Minderheit. Und es gibt auch gewisse Selbstbehauptungstendenzen von Minderheiten. Wenn ich zum Beispiel die Ukraine betrachte: Da gibt es recht viele Orthodoxe, auch praktizierende, die sich einfach aus Neugier mal andere Kirchen anschauen. Andersgläubige, insbesondere Angehörige protestantischer Freikirchen, fürchten aber die orthodoxen Kirchen wie der Teufel das Weihwasser.

Was ich nicht kenne, sind Orthodoxe, die in andere Kirchen gehen, weil dort die Gottesdienste so schön sind... ich kenne aber Orthodoxe, die die Tridentinische Messe gesehen haben und sehr loben.

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Nassos
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Re: Gegenseitige Befruchtung der Kirchen?

Beitrag von Nassos »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:Zum anderen ist das Interesse der Mehrheit an der Minderheit schon statistisch grösser als dasjenige der Mehrheit an der Minderheit.
Glaube keiner Statistik, die Du nicht selber erstellt hast... :panisch: :breitgrins: :pfeif:
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