Evagrios Pontikos hat geschrieben:Neu konsekrieren? Warum dann die Aufbewahrung im Tabernakel? Das widerspricht sich!
Eine Frage, die Du nicht mir stellen mußt.
Ich sehe aber nicht notwendigerweise einen Widerspruch. Die Tabernakel waren ja - als Sakramentnischen oder Sakramentshäuser - Teil des Kirchenraums. Wenn nun Elemente nach der Messe aufbewahrt werden sollten, boten sie sich an. Eine Benutzung der Tabernakel zum Aufbewahren der
reliqua heißt aber nicht notwendigerweise, daß diese auch weiterhin im Sinne der Realpräsenz verstanden wurden. Eine Verehrung der Gaben außerhalb der Messe wurde durch Luther ja ohnehin abgelehnt. Und wenn Wigand schreibt, daß neu konsekriert werden müsse, läßt das den Schluß zu, daß eine Aufbewahrung nicht
per se so gedeutet werden kann, als wäre man von einer andauernden Realpräsenz ausgegangen.
Auch kann Luthers Praxis im Blick auf das Abhobeln der Kommunionbank und des Verbrennens von Kleidungsstücken, die ja deutlich redet und von ihm nicht kommentiert wurde, nicht so einfach abgetan werden, wie Du es versuchst.*
Bitte! Ich habe das nicht 'einfach abgetan', sondern eine Erklärungsoption dafür angeboten, die ich für schlüssig halte.
An dieser Stelle muss ich nun eine Zwischenfrage einfügen. Du sagst, dass kein Gnesiolutheraner die bleibende Realpräsenz vertreten hätte. Wie ist es dann mit Johann Hachenburg*?
Jetzt drehen wir uns im Kreis. Auch das Beispiel Hachenburgs bewegt sich ja im Kontext der Diskussion, wie die eucharistischen Gaben nach der Kommunion bis zum Verzehr am Ende oder kurz nach Ende des Gottesdienstes zu behandeln seien. Wir haben nun schon des langen und breiten diskutiert, daß Luther im Gegensatz zu den Philippisten der Meinung war, daß auch die bei der Kommunion übriggebliebenen Gaben als Leib und Blut Christi anzusehen seien, bis sie am Ende (oder direkt nach dem Ende des Gottesdienstes) von den Anwesenden verzehrt würden. Luther bestand auf dieser Praxis - darauf weist auch Hachenburg zurecht hin.
Es gibt aber nun weder hier bei Hachenburg noch in den Wolferinusbriefen oder sonstwo irgendeinen Anhaltspunkt, den Geltungsbereich der gemachten Aussagen auf einen Zeitpunkt auszudehnen, der jenseits dieser vorausgesetzten
sumptio am Ende oder kurz nach Ende des Gottesdienstes liegt. Ich gehe davon aus, daß sich der Verweis auf das vielleicht erst nach Tagen entdeckte Brotstück auf dem Boden nicht bei Hachenburg findet, sondern von Dir hier eingefügt wurde. Das generelle Problem, das ich bei Diestelmann habe, ist sein fortwährender Versuch, die Betonung der Realpräsenz, die Luther und die Gnesiolutheraner für den Bereich des
usus angenommen haben, auf den zeitlichen Bereich außerhalb dieses unstrittigen
usus ausdehnen zu wollen. Daß Luther diesen usus bis zum Ende des Gottesdienstes und die dann erfolgende
sumptio durch die Anwesenden definierte, ist doch ebenso unstrittig.
Aber mehr eben auch nicht. Der Argumentation, wenn die Realpräsenz bis zu diesem Punkte bestehe, dann
müsse sie
notwendigerweise auch dauerhaft danach bestehen, ist im frühen Luthertum so nicht zu finden. Wenn man sich überhaupt einmal der Frage zuwandte, wie die Gaben zu behandeln seien, wenn die oben thematisierte
sumptio am Ende des Gottesdienstes nicht stattfinde (Belege bei Tom Hardt) ist auch unter den Gnesiolutheranern die Ansicht vertreten worden, daß es dann zu einer
exsecratio komme oder kommen könne, daß also eine Realpräsenz dann nicht mehr mit Sicherheit angenommen werden könne.
Daraus folgt auch die Praxis, die Elemente nicht mehr zur Verehrung oder für später folgende Gottesdienste aufzubewahren. Einzige Ausnahme bildet ganz offenbar die altkirchliche Praxis der Krankenkommunion als
extensio des
usus.
Alle anderen Annahmen sehe ich als Extrapolationen, die durch die Quellen nicht gedeckt sind.
(Natürlich kann man für sich persönlich daraus ableiten, an eine dauerhafte Realpräsenz zu glauben. Das ist völlig legitim. Aber man sollte nicht soweit gehen, dies in die Quellen hineinzulesen.)