(Und bevor jetzt wieder die Pawlow'schen Reflexe greifen - der Mann beschreibt nur, er bewertet nicht)Jorge_ hat geschrieben:Heute benutzen die Priester keine Soutane mehr.
Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Re: Papst Franz I.
Re: Papst Franz I.
Ohne auch nur eine einzige "Regel der Religion" in Zweifel zu ziehen, stellt sich doch folgende Frage: Besteht das Wesen des Christentums darin, einen Satz "Regeln der Religion" zu befolgen?Jean-Louis hat geschrieben:Die Menschen, die das Christentum ernst nehmen, werden als Fundamentalisten abgetan. Wer die Regeln der Religion beachtet ("Tu dies, tu das"), riskiere sein Leben zu "verkorksen".
Falls ja, dann hätte Jesus sich doch die Auseinandersetzungen mit den Pharisäern sparen können, denn die waren doch die sprichwörtlichen Meister im peinlich genauen Aufstellen und Beachten von "Regeln der Religion". Und das, was in dem von Jorge übersetzten Textstück an Kritik an den "restaurationischen Grüppchen" enthalten ist -- von der Unfähigkeit, Barmherzigkeit zu begreifen, über mangelnde Freiheit und Abdriften in Heuchelei und Doppelleben --, entspricht doch weitgehend einfach der Kritik, die Jesus an den Pharisäern übt.
Dieser Text beschreibt im übrigen genau das, was ich auch an mehreren jungen Erwachsenen beobachtet habe, wobei es für das Ergebnis keine Rolle spielt, ob sie einmal der Kirche angehörten oder z.B. einem überstrengen evangelikalen Milieu. Irgendwann haben sie gemerkt, dass sie dem inneren Zwang und den Anforderungen von außen nicht mehr gewachsen waren, dass sie das fast unvermeidliche Doppelleben nicht mehr durchhalten konnten, dass sie trotz unermüdlicher Anstrengungen, die Regeln einzuhalten, Christus, den Sinn des Lebens verloren haben, und sie sind eines Tages regelrecht "explodiert". Man hatte ihnen ein Zerrbild des Christentums -- Pharisäer zwo punkt null -- vermittelt, und es wird Jahre dauern, bis sie auf Fragen des Glaubens wieder ansprechbar sind. Falls überhaupt.Ja, es gibt vermehrt kleine restaurationistische Grüppchen; ich nenne sie Fundamentalisten. Wie Sie richtig beschreiben, sagen sie inmitten dieser vielen Ungewissheiten zu den jungen Leuten: „Tu dies und tu das!“ Ein Bursche oder ein Mädchen von siebzehn oder achtzehn Jahren begeistert sich dafür, wird weiter und weiter in eine starre Regelwelt hineingeführt, und in Wahrheit verkorkst man ihnen das Leben. Mit dreißig explodieren sie dann. Weil man sie nicht gelehrt hat, die tausendundeinen Krisen des Lebens zu bewältigen, einschließlich der tausendundeinen Fehler, die man hat, und der tausendundeinen Ungerechtigkeiten, die man begeht. So fehlt ihnen die Basis, um beispielsweise die Barmherzigkeit Gottes zu erkennen oder zu begreifen. Diese sehr rigide Art der Religiosität maskiert sich mit doktrinellen Lehren, die vorgeblich Begründungen liefern, aber in Wirklichkeit berauben sie die Leute ihrer Freiheit und lassen sie nicht wachsen. Ein Großteil endet im Doppelleben.
P.S. Es gibt einige christlich geführte Kliniken, die auf die Behandlung der auf diese Art schwer geschädigten, "verkorksten" Menschen spezialisiert sind, z.B. die "Klinik Hohe Mark" in Oberursel/Taunus.
Re: Papst Franz I.
Jean-Louis hat geschrieben:Zusammen fassend muss man seiner Sichtweise vorwerfen, dass psychologische, soziologische, oder kulturelle Kontexte überbewertet werden auf Kosten der Lehre oder der theologisch fundierten Tradition, z.B. in der Zölibatsfrage. Das ist gefährlicher Relativismus und eine Form des von Pius X verurteilten Modernismus. Dazu schien er, zu jener Zeit wenigstens, ein Gegner traditionell orientierter Gruppen zu sein. Die argentinischen Wisikis und Schüllers scheint er nicht kritisiert zu haben. Die Menschen, die das Christentum ernst nehmen, werden als Fundamentalisten abgetan. Wer die Regeln der Religion beachtet ("Tu dies, tu das"), riskiere sein Leben zu "verkorksen". Dabei ist natürlich genau das Gegenteil der Fall. Weiter: Anstatt die Menge im Luna-Park zu segnen, lässt er sich von den Leuten segnen. Absurd, oder arbeiten an einem veränderten, revolutionären Priesterbild? Er vergrault Seminaristen, die in der Kirche ihre Heimat suchen, mit den kirchenkritischen und liberalen scheint er weniger Probleme zu haben. Dabei sollten die persönliche Frömmigkeit und die Treue zum Lehramt doch wohl oberste Priorität bei den Priesteramtskandidaten haben.
Man muss gar nichts vorwerfen, Du tust das. Meines Erachtens kommst Du zu diesen Schlüssen aufgrund einer Hermeneutik des Misstrauens, d.h. Du betreibst hier textliche Eisegese, um Deine eigene Skepsis bewahrheitet zu sehen. Dazu kommt noch die Anmaßung, andere belehren zu wollen, wie ihr Selbstverständnis auszusehen hat.
Re: Papst Franz I.
Der Heilige Vater in seiner letzten Rede als Kardinal Bergoglio:
Wann hat man denn zum letzten Mal einen Modernisten von der Notwendigkeit der Rettung der Seelen reden hören? Je mehr ich von diesem Papst lese, desto zuversichtlicher werde ich.Letztlich gebe es nur zwei Kirchenbilder, betonte Bergoglio am Ende seiner Rede: die Kirche, die Gottes Wort hört und es treu verkündet, und eine "verweltlichte Kirche, die in sich, von sich und für sich lebt". In diesem Licht müsse man "mögliche Veränderungen und Reformen sehen, die notwendig sind für die Rettung der Seelen".
http://www.kath.net/news/474
- Robert Ketelhohn
- Beiträge: 26022
- Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
- Wohnort: Velten in der Mark
- Kontaktdaten:
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Du scheinst einen andern Text gelesen zu haben. Oder erwartetest du eine sumblime theologische Reflexion? – Das wäre in diesem Kontext wohl ganz deplaciert. Auf die „theologisch fundierte Tradition“ beruft Bergoglio sich aber sehr wohl.Jean-Louis hat geschrieben:dass psychologische, soziologische, oder kulturelle Kontexte überbewertet werden auf Kosten der Lehre oder der theologisch fundierten Tradition, z.B. in der Zölibatsfrage.
Das ist völlig absurd und, offen gesagt, höchstgradig unverschämt. Ja, im Kern ist das eine häretische Aussage, die dich von der Kirche trennt.Jean-Louis hat geschrieben:Das ist gefährlicher Relativismus und eine Form des von Pius X verurteilten Modernismus.
»Scheint«, ja ja. Das saugst du dir aus den Fingern.Jean-Louis hat geschrieben:Dazu schien er, zu jener Zeit wenigstens, ein Gegner traditionell orientierter Gruppen zu sein. Die argentinischen Wisikis und Schüllers scheint er nicht kritisiert zu haben.
Ich fürchte, du habest tatsächlich nicht begriffen, was das „Christentum“ und was die Kirche ist. Bitte lies einmal bei Paulo nach, wozu das Gesetz dient.Jean-Louis hat geschrieben:Die Menschen, die das Christentum ernst nehmen, werden als Fundamentalisten abgetan. Wer die Regeln der Religion beachtet ("Tu dies, tu das"), riskiere sein Leben zu "verkorksen". Dabei ist natürlich genau das Gegenteil der Fall.
Bergoglio schildert doch genau, wie es zu dieser Szene kam, in der für ihn gebetet wurde. Es ist nicht entfernt erkennbar, was daran anstößig sein sollte.Jean-Louis hat geschrieben:Weiter: Anstatt die Menge im Luna-Park zu segnen, lässt er sich von den Leuten segnen. Absurd, oder arbeiten an einem veränderten, revolutionären Priesterbild?
»Scheint«, ja ja. Was dir so alles scheint. Du greifst dir wieder Schmutz aus der Luft und wirfst damit.Jean-Louis hat geschrieben:Er vergrault Seminaristen, die in der Kirche ihre Heimat suchen, mit den kirchenkritischen und liberalen scheint er weniger Probleme zu haben.
Paraguay. Bischof. Laisiert. – Und? – Stimmt doch. Darum hat er doch so viele Schlampen ins Bett bekommen und wurde endlich zum Präsidenten gewählt. Inzwischen freilich, wie es bei solchen Typen oft vorkommt, seines Amts auch schon wieder enthoben.Jean-Louis hat geschrieben:Der bolivianische Präsident, ein abgefallener Priester (Bischof?) sei ein brillanter Typ
So ist es.Ralf hat geschrieben:Meines Erachtens kommst Du zu diesen Schlüssen aufgrund einer Hermeneutik des Misstrauens
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.
Re: Papst Franz I.
Depositum fidei, Tradition, Fortschrittslehre
Bergoglio scheint hier die Fortschrittsregel aus dem Commonitorium des hl. Vinzenz von Lérins, Kap. 29, zitieren zu wollen. Der Satzanfang (bis „dass“) entspricht der textlich vereinfachten Fassung dieser Stelle, wie sie im Leseoffizium der argentinischen Ausgabe des Breviers steht. Woher der restliche Wortlaut stammt, weiß ich nicht, scheint für mich wie eine sinngemäße Wiedergabe mit eigenen Worten.
Der deutschsprachige Text der Lesehore (Freitag der 27. Woche im Jahreskreis) liegt mir nicht vor, vielleicht kann den ja jemand raussuchen. In der Übersetzung von Ulrich Uhl lautet der Text des hl. Vinzenz: „Daher ist kein Zweifel, daß dies die gesetzliche und rechtmäßige Regel des Fortschritts, dies die bestimmte und schönste Ordnung des Wachstums ist, wenn die Zahl der Jahre bei den älter Werdenden nur immer diejenigen Teile und Formen entwickelt, welche die Weisheit des Schöpfers schon in den Kleinen vorhergebildet hatte.“
Da ich Bergoglios Wortlaut so nirgends finden konnte und Vinzenz auch nicht ausdrücklich als Quelle genannt wird, habe ich den Zitattext selbst ins Deutsche übertragen, also so, wie es ein Leser versteht, der das Buch auf Spanisch liest.
*) Anmerkung zu dem Zitat:Card. Jorge Bergoglio hat geschrieben:Auch für mich liegt die Essenz der Überlieferung im Zeugnis der Väter. In unserem Fall sind das die Apostel. Im 3. und 4. Jahrhundert fand die theologische Ausformulierung der offenbarten und überlieferten Glaubenswahrheiten statt, die unverhandelbar sind: das überkommene Erbe. Das schließt nicht aus, dass im Verlauf der Geschichte durch Studium und Forschung erhellende Einsichten über diese Wahrheiten gewonnen werden: Wie ist Jesus, wie ist die Kirche beschaffen, welches Verhalten ist wahrhaft christlich, wie legt man die Gebote aus – all das wird mit jeder Erklärung reichhaltiger. Es gibt Dinge, über die man verschiedener Meinung sein kann, aber – noch einmal – das ererbte Glaubensgut steht nicht zur Verhandlung. Der Inhalt eines religiösen Glaubens kann durch menschliches Denken tiefer durchdrungen werden, aber wenn diese Vertiefung mit dem überlieferten Erbe kollidiert, ist es Häresie.Abraham Skorka hat geschrieben:(...) Ein chassidischer Rabbi pflegte zu sagen: „Ich tue genau dasselbe, was mein Vater tat, habe in der Essenz dieselben Werte. Aber mein Vater war mein Vater und ich bin ich. Seine Lebenserfahrung nutzt mir zum Teil, nur zum Teil.“
Wohl präzisieren und verfeinern die Religionen mancherlei Ausdrucksweisen im Laufe der Zeit, das ist allerdings ein sehr langsamer Prozess, weil uns ein heiliges Band an das empfangene Erbe bindet. Dieser Respekt ist so groß, dass wir darauf achten müssen, keinen Fehler zu machen, indem wir allzu schnell gehen. Ein mittelalterlicher Theologe definierte den Fortschritt im Verständnis des überkommenen Erbes, der empfangenen Offenbarung folgendermaßen: „Die rechtmäßige Regel allen Fortschritts und die richtige Norm jeden Wachstums besteht darin, dass das überkommene Erbe sich durch die Zeitalter hindurch festigt, sich mit dem Lauf der Jahre entwickelt und mit dem Fortgang der Zeiten wächst.“ *)
Vom ererbten Glauben her Antworten auf die neuen Fragen von heute zu geben, braucht Zeit; das gilt umso mehr, wenn sie Gewissensthemen betreffen. Als ich klein war, wurde das Haus einer Familie mit Geschiedenen im Normalfall nicht betreten, schon gar nicht, wenn der Betreffende erneut geheiratet hatte. Heute ruft selbst der Papst diejenigen, die in einer neuen Verbindung leben, dazu auf, am Leben der Kirche teilzunehmen. Er bittet sie zu beten, in den Pfarrgemeinden mitzuarbeiten und sich an karitativen Werken zu beteiligen. Durch die Tatsache, dass sie sich von einem Gebot entfernt haben, wird ihre Taufe nicht ausgelöscht.
Ich gebe zu, dass das Tempo mit der Geschwindigkeit der gesellschaftlichen Veränderungen nicht mithalten kann. Aber die heiligen Führer, also diejenigen, die die Stimme Gottes suchen, müssen sich die notwendige Zeit nehmen, um nach und nach die Antworten zu finden. Auch besteht die Gefahr der Vermischung mit anderen Interessen ökonomischer, kultureller oder geopolitischer Art. Man muss das zu unterscheiden wissen.
Bergoglio scheint hier die Fortschrittsregel aus dem Commonitorium des hl. Vinzenz von Lérins, Kap. 29, zitieren zu wollen. Der Satzanfang (bis „dass“) entspricht der textlich vereinfachten Fassung dieser Stelle, wie sie im Leseoffizium der argentinischen Ausgabe des Breviers steht. Woher der restliche Wortlaut stammt, weiß ich nicht, scheint für mich wie eine sinngemäße Wiedergabe mit eigenen Worten.
Der deutschsprachige Text der Lesehore (Freitag der 27. Woche im Jahreskreis) liegt mir nicht vor, vielleicht kann den ja jemand raussuchen. In der Übersetzung von Ulrich Uhl lautet der Text des hl. Vinzenz: „Daher ist kein Zweifel, daß dies die gesetzliche und rechtmäßige Regel des Fortschritts, dies die bestimmte und schönste Ordnung des Wachstums ist, wenn die Zahl der Jahre bei den älter Werdenden nur immer diejenigen Teile und Formen entwickelt, welche die Weisheit des Schöpfers schon in den Kleinen vorhergebildet hatte.“
Da ich Bergoglios Wortlaut so nirgends finden konnte und Vinzenz auch nicht ausdrücklich als Quelle genannt wird, habe ich den Zitattext selbst ins Deutsche übertragen, also so, wie es ein Leser versteht, der das Buch auf Spanisch liest.
"El humor obscurece la verdad, endurece el corazón, y entorpece el entendimiento."
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Jorge_ hat geschrieben: ...
Ich werde, wenn es erlaubt ist, nach und nach einige Zitate aus den Texten posten, die ich schon übersetzt habe.
...
Jorge, ist es in Ordnung, wenn ich das eine oder andere Zitat ausdrucke und es einem Freund von mir gebe-mit Quellenhinweis versteht sich - ?
carpe diem - Nutze den Tag !
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Die Rede von Kardinal Bergoglio während des Konklave:
(Quelle)Ich habe Bezug genommen auf die Evangelisierung. Sie ist der Daseinsgrund der Kirche. Es ist die «süße, tröstende Freude, das Evangelium zu verkünden» (Paul VI.). Es ist Jesus Christus selbst, der uns von innen her dazu antreibt.
1. Evangelisierung setzt apostolischen Eifer voraus. Sie setzt in der Kirche kühne Redefreiheit voraus, damit sie aus sich selbst herausgeht. Sie ist aufgerufen, aus sich selbst herauszugehen und an die Ränder zu gehen. Nicht nur an die geografischen Ränder, sondern an die Grenzen der menschlichen Existenz: die des Mysteriums der Sünde, die des Schmerzes, die der Ungerechtigkeit, die der Ignoranz, die der fehlenden religiösen Praxis, die des Denkens, die jeglichen Elends.
2. Wenn die Kirche nicht aus sich selbst herausgeht, um das Evangelium zu verkünden, kreist sie um sich selbst. Dann wird sie krank (vgl. die gekrümmte Frau im Evangelium). Die Übel, die sich im Laufe der Zeit in den kirchlichen Institutionen entwickeln, haben ihre Wurzel in dieser Selbstbezogenheit. Es ist ein Geist des theologischen Narzissmus.
In der Offenbarung sagt Jesus, dass er an der Tür steht und anklopft. In dem Bibeltext geht es offensichtlich darum, dass er von außen klopft, um hereinzukommen ... Aber ich denke an die Male, wenn Jesus von innen klopft, damit wir ihn herauskommen lassen. Die egozentrische Kirche beansprucht Jesus für sich drinnen und lässt ihn nicht nach außen treten.
3. Die um sich selbst kreisende Kirche glaubt - ohne dass es ihr bewusst wäre - dass sie eigenes Licht hat. Sie hört auf, das «Geheimnis des Lichts» zu sein, und dann gibt sie jenem schrecklichen Übel der «geistlichen Mondänität» Raum (nach Worten de Lubacs das schlimmste Übel, was der Kirche passieren kann). Diese (Kirche) lebt, damit die einen die anderen beweihräuchern. Vereinfacht gesagt: Es gibt zwei Kirchenbilder: die verkündende Kirche, die aus sich selbst hinausgeht, die das «Wort Gottes ehrfürchtig vernimmt und getreu verkündet»; und die mondäne Kirche, die in sich, von sich und für sich lebt.
Dies muss ein Licht auf die möglichen Veränderungen und Reformen werfen, die notwendig sind für die Rettung der Seelen.
Re: Papst Franz I.
Wandel als Umkehr
Card. Jorge Bergoglio hat geschrieben:Der Blick in die Geschichte zeigt, dass die religiösen Formen des Katholizismus beachtlichen Wandlungen unterworfen waren. Denken wir zum Beispiel an den Kirchenstaat, wo weltliche Macht mit der geistlichen Gewalt verbunden war. Das war eine Deformierung des Christentums, es entsprach nicht dem, was Jesus wollte und was Gott will. Wenn es in der Religion also im Laufe der Geschichte eine so deutliche Evolution gab, warum sollten wir nicht annehmen, dass sie sich auch in Zukunft der Kultur ihrer Zeit anpasst? Der Dialog zwischen Religion und Kultur hat eine Schlüsselstellung, das sagt schon das 2. Vatikanische Konzil. Von Anfang an ist von der Kirche kontinuierliche Umkehr gefordert – Ecclesia semper reformanda – und dieser Wandel nimmt im Laufe der Zeit verschiedenartige Formen an, ohne Verfälschung des Dogmas. In Zukunft wird sie unterschiedliche Wege der Anpassung an neue Epochen gehen, so wie sie schon jetzt unterschiedliche Modelle aus den Jahren des Regalismus, des Jurisdiktionalismus, des Absolutismus kennt.
Zuletzt geändert von Jorge_ am Donnerstag 28. März 2013, 21:32, insgesamt 1-mal geändert.
"El humor obscurece la verdad, endurece el corazón, y entorpece el entendimiento."
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Das war vor dem Konklave.Raphael hat geschrieben:Die Rede von Kardinal Bergoglio während des Konklave:
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Mut zum Dienen
Micha 6,8, zitiert in der Herder-Übersetzung. In der EÜ lautet die Stelle: „Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott.“ Da Bergoglio im Anschluss auf die Demut eingeht, passt die Herder-Übersetzung hier besser.Abraham Skorka hat geschrieben:Als der Prophet Michäas klarstellen wollte, was einen frommen Menschen ausmacht, sagte er: „Recht tun und die Güte lieben und in Demut wandern mit deinem Gott.“
Abraham Skorka hat geschrieben:Ganz genau.Card. Jorge Bergoglio hat geschrieben:Ich bin ganz und gar einverstanden, was die Demut angeht. Ich verwende auch gern das Wort „Sanftmut“ (mansuetudo), was nicht Schwäche heißt. Ein religiöser Führer kann sehr stark sein, sehr fest, aber ohne Aggressivität. Jesus sagt, wer herrscht, muss wie ein Diener sein. Meiner Ansicht nach gilt dieser Gedanke für den religiösen Menschen jedweden Bekenntnisses. Wahre religiöse Führungsstärke verleiht der Dienst. Wenn er aufhört zu dienen, verwandelt sich der religiöse Mensch in einen bloßen Manager, einen NGO-Mitarbeiter. Der religiöse Führer nimmt Anteil, leidet, dient seinen Brüdern.
"El humor obscurece la verdad, endurece el corazón, y entorpece el entendimiento."
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Cool! Extrem vielen Dank, Jorge!!
PigRace

PigRace
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Da schließe ich mich einfach mal an.PigRace hat geschrieben:Cool! Extrem vielen Dank, Jorge!!![]()
PigRace

Re: Papst Franz I.
„Wende dich nicht ab vom Fleisch deines Bruders“
EÜ: [Ein Fasten, wie ich es liebe, ist] (...) „dich deinen Verwandten nicht zu entziehen.“
Herder: „(...) dich deinen Mitmenschen nicht entziehen.“
Elberfelder: [Ist nicht dieses ein Fasten, an dem ich Gefallen habe:] (...) „daß du (...) deinem Fleische dich nicht entziehst.“
In meiner spanischen Bibel (Paulinas) lautet der Halbvers: "no escabullirte ante el que es tu propia carne", d.h. wörtlich „dass du nicht wegrennst vor dem, der dein eigenes Fleisch ist.“
(2) Vgl. Mt 25,34-36. Die Obdachlosen und Gefangenen fehlen hier; bei den Kranken heißt es natürlich eigtl. „besucht“.
(1) Vgl. Jes 58,7d.Card. Jorge Bergoglio hat geschrieben:Im Christentum nehmen wir diesen Vers – jüdisches Erbe – von Jesaja: „Wende dich nicht ab vom Fleisch deines Bruders.“ (1)
Den Schlüssel finden wir im Gleichnis vom Endgericht, wenn der König einige zu seiner Rechten und andere zur Linken Aufstellung nehmen lässt (die Guten und die Bösen). Zu denen auf der rechten Seite sagt er: „Kommt, ihr Gesegneten des Vaters, denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war nackt, und ihr habt mich bekleidet; ich war krank, und ihr habt mich behandelt.“ (2) Sie fragen ihn, wann sie das denn getan hätten, und er antwortet ihnen, was immer sie für einen der Geringsten seines Reiches getan haben, hätten sie ihm getan. Die anderen, die das nicht getan haben, werden verurteilt.
Im Christentum ist die Haltung gegenüber der Armut und dem Armen – wesenhaft – eine reale Verpflichtung. Und ich möchte noch etwas hinzufügen: Diese Verpflichtung verlangt körperliches Nahesein, Leib an Leib. Du legst kein Zeugnis ab mit dem, was nur über wohltätige Organisationen vermittelt wird, was hilft, weil es einen Multiplikationseffekt hat; aber das genügt nicht, es entbindet nicht von der Pflicht, Kontakt mit dem Bedürftigen herzustellen. Den Kranken muss man pflegen – auch wenn es Widerwillen, Abscheu auslöst –, den Gefangenen besuchen ...
Mich kostet es schreckliche Überwindung, in ein Gefängnis zu gehen, weil das sehr hart ist, was man da zu sehen bekommt. Aber ich gehe trotzdem, denn der Herr will mich Körper an Körper beim Bedürftigen, bei dem Armen, bei dem von Schmerzen gepeinigten Menschen.
Die erste Hinwendung zur Armut ist die konkrete, wohltätige Hilfe: „Hast du Hunger? Hier, nimm, da hast du etwas zu essen.“ Aber die Hilfe darf an dieser Stelle nicht stehen bleiben, sie muss Wege aus dem Elend aufzeigen, hin zur Integration in die Gemeinschaft. Der Arme soll kein ewig marginalisierter Außenseiter bleiben. Wir können es nicht akzeptieren, wenn der Subtext lautet: „Wir, denen es gut geht, geben etwas ab an den, dem es schlecht geht, aber er soll bloß da bleiben, wo er ist, weit weg von uns.“ Das ist nicht christlich. Es ist unverzichtbar, ihn so schnell wie möglich in unsere Gemeinschaft aufzunehmen, mithilfe von Bildung, Erziehung, Berufsschulen usw. So, dass er weiter kommt.
(...)
Man soll den Armen nicht mit Ekel behandeln, man soll ihm in die Augen schauen. Manchmal ist das unbequem, aber wir müssen uns darum kümmern, was wir um uns herum erleben. Die große Gefahr – oder Versuchung – bei der Armenhilfe besteht darin, in einen protegierenden Paternalismus zu verfallen, der uns letztlich nicht wachsen lässt. Die Pflicht der Christen ist es, den Besitzlosesten, den am meisten Entbehrenden, in ihre eigene Gemeinschaft aufzunehmen. So gut es geht, aber in irgendeiner Weise muss man ihn integrieren.
EÜ: [Ein Fasten, wie ich es liebe, ist] (...) „dich deinen Verwandten nicht zu entziehen.“
Herder: „(...) dich deinen Mitmenschen nicht entziehen.“
Elberfelder: [Ist nicht dieses ein Fasten, an dem ich Gefallen habe:] (...) „daß du (...) deinem Fleische dich nicht entziehst.“
In meiner spanischen Bibel (Paulinas) lautet der Halbvers: "no escabullirte ante el que es tu propia carne", d.h. wörtlich „dass du nicht wegrennst vor dem, der dein eigenes Fleisch ist.“
(2) Vgl. Mt 25,34-36. Die Obdachlosen und Gefangenen fehlen hier; bei den Kranken heißt es natürlich eigtl. „besucht“.
"El humor obscurece la verdad, endurece el corazón, y entorpece el entendimiento."
Re: Papst Franz I.
„Wende dich nicht ab vom Fleisch deines Bruders“ (2)
Hinweis: Der Bahnhof Constitución ist einer der beiden Hauptbahnhöfe von Buenos Aires, mit einer riesigen Vorhalle. Bergoglio hatte dort im Juli 2010 eine Messe gehalten und in seiner Predigt die mafiösen Strukturen und die Korruption in der Hauptstadt angeprangert, wo Menschenhandel, Zwangsprostitution und unmenschliche Arbeitsbedingungen in illegalen Betrieben an der Tagesordnung sind und teils von korrupten Behörden gedeckt werden. Opfer sind vor allem illegale Einwanderer oder von Schleusern aus Bolivien oder Paraguay geschmuggelte Sklavenarbeiter(innen). In diesem Zusammenhang hatte der Kardinal Buenos Aires als „Sklavenfabrik“ und „Fleischwolf“ bezeichnet, was durch die Presse ging und von regierungsamtlicher Seite kritisiert wurde. Hintergrund sind verschiedene in der Presse kolportierte Fälle, in denen sich solche Arbeiter wegen Übermüdung, fehlender Arbeitsschutzvorkehrungen etc. an Fleisch- und Gemüseschneidemaschinen teils schwer verletzt hatten (Beispiele in dieser Akte aus einem Verfahren der Arbeitsverwaltung Bs. As. aus 2011).
Hinweis: Der Bahnhof Constitución ist einer der beiden Hauptbahnhöfe von Buenos Aires, mit einer riesigen Vorhalle. Bergoglio hatte dort im Juli 2010 eine Messe gehalten und in seiner Predigt die mafiösen Strukturen und die Korruption in der Hauptstadt angeprangert, wo Menschenhandel, Zwangsprostitution und unmenschliche Arbeitsbedingungen in illegalen Betrieben an der Tagesordnung sind und teils von korrupten Behörden gedeckt werden. Opfer sind vor allem illegale Einwanderer oder von Schleusern aus Bolivien oder Paraguay geschmuggelte Sklavenarbeiter(innen). In diesem Zusammenhang hatte der Kardinal Buenos Aires als „Sklavenfabrik“ und „Fleischwolf“ bezeichnet, was durch die Presse ging und von regierungsamtlicher Seite kritisiert wurde. Hintergrund sind verschiedene in der Presse kolportierte Fälle, in denen sich solche Arbeiter wegen Übermüdung, fehlender Arbeitsschutzvorkehrungen etc. an Fleisch- und Gemüseschneidemaschinen teils schwer verletzt hatten (Beispiele in dieser Akte aus einem Verfahren der Arbeitsverwaltung Bs. As. aus 2011).
(1) Dazu sei mir (Jorge_) ein frei assoziierter Verweis auf Thomas von Kempen gestattet: „Schäme dich nicht, um der Liebe Jesu Christi willen andern zu dienen und für arm in dieser Welt angesehen zu werden.“ (Andachtsübungen I,7,1)Card. Jorge Bergoglio hat geschrieben:Die Übersetzung, die ich [erg.: auch] benutze, ist „Schäme dich nicht vor dem Fleisch deines Bruders.“ (1)Abraham Skorka hat geschrieben:Wie sagte Jesaja: „Wende dich nicht ab vom Fleisch deines Bruders.“Card. Jorge Bergoglio hat geschrieben:Wegen Aktionen wie diesen beschuldigt man uns, wir würden uns in Dinge einmischen, die uns angeblich nichts angehen. Vor kurzem habe ich beispielsweise im Bahnhof Constitución eine Messe für die Opfer des Menschenhandels zelebriert: Sklavenarbeiter in illegalen Werkstätten, die Ausbeutung der Papiersammler, die als Drogenkuriere missbrauchten Kinder, die Mädchen in der Zwangsprostitution. Am Ende war das eine große Protestkundgebung, an der auch Leute teilnahmen, die gar nicht katholisch sind, die meinen Glauben nicht teilen, die aber die Liebe zum Bruder, zum Nächsten teilen.
Ich mische mich nicht in die Politik ein, sondern ich versetze mich in das Fleisch meines Bruders, den sie in den Fleischwolf gesteckt haben, in so eine Sklavenarbeiterfabrik. Es ist auch wahr, dass manche so etwas ausnutzen, um Strukturen politischer Art durchzudrücken; deshalb muss man sich gut überlegen, wie man in diesen Angelegenheiten vorgeht.
Die religiöse Beziehung [i.e.: zur Welt, zum Mitmenschen] verlangt Entscheidung [i.e.: Verbindlichkeit, Einsatz], nicht Flucht.
Es gab eine Zeit, da war in der katholischen Spiritualität die fuga mundi verbreitet, die Weltflucht. Heute ist die Vorstellung eine ganz andere: Es ist notwendig, sich auf die Welt einzulassen, jedoch immer ausgehend von der religiösen Erfahrung.
Sie haben eben gesagt, wenn ein bestimmtes Phänomen in einer Religion auftaucht, tritt es auch in der anderen in Erscheinung. Es ist ein ernstes Problem, wenn das Geistliche zur Ideologie verkürzt wird, wenn es die Kraft der eigentlichen religiösen Erfahrung verliert und die dadurch entstandene Lücke mit weltanschaulichen Ideen aufgefüllt wird. Die andere Gefahr ist die, wohltätige Werke um der Wohltätigkeit selbst willen zu tun, wie eine NGO zu agieren, statt an der religiösen Erfahrung teilzuhaben. Es gibt religiöse Gemeinschaften, die unbewusst Gefahr laufen, in Richtung einer Wohltätigkeitsvereinigung abzudriften. Es geht aber nicht einfach darum, dies oder jenes zu machen, um dem Nächsten zu helfen. Wie betest du? Wie hilfst du deiner Gemeinschaft, damit sie in die Gotteserfahrung eintritt? Das sind die Schlüsselfragen.
"El humor obscurece la verdad, endurece el corazón, y entorpece el entendimiento."
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Das zweite Zitat ist ein tolles Beispiel dafür, wie man aus dem Kontext gerissene Äußerungen durch falsche Einordnung und minimal geänderte Nuancen in eine andere Richtung lenken kann. Die m.E. verfälschende Abwandlung besteht hier allein darin, dass Bergoglio eindeutig sagt:civilisation hat geschrieben:Aussage des damaligen Kardinals Bergoglio und jetztigen Papst Franziskus zum Relativismus:
Quelle: http://www.kath.net/news/469„Jener Relativismus der es, unter dem Deckmantel des Respekts für Unterschiede, allen erlaubt, den Konflikt zu vermeiden, der mit dem reifen Mut verbunden ist, Werte und Prinzipien hochzuhalten. Der Relativismus ist seltsamerweise absolutistisch und totalitär. Niemand darf von seinem Relativismus abweichen. Im Grunde genommen heißt das ‚halt den Mund’ oder ‚misch dich nicht ein’. (25. Mai 212)
Die Schlüsselfragen der Kirche
„Es gibt religiöse Gemeinschaften, die unbewusst Gefahr laufen, sich in eine Nicht- Regierungsorganisation zu verwandeln. Es geht nicht darum, dies oder jenes zu tun, um dem Nächsten zu helfen. Wie betest Du? Wie hilfst Du Deiner Gemeinschaft, damit sie Gott erfährt? Das sind die Schlüsselfragen.“ (Gott und die Erde)
Das "nur" fehlt hier. Alle anderen Textabweichungen sind völlig in Ordnung und legitime Übersetzungsvarianten, weil sie den Sinn der Aussage nicht berühren.Es geht nicht nur darum, dies oder jenes zu tun, ...
(in meiner Übersetzung: "Es geht aber nicht einfach darum, dies oder jenes zu machen, ...")
Indem die Tagespost (von der kath.net die Aufstellung dieser Bergoglio-Zitate übernommen hat) das Zitat dann zusammen mit dem anderen, ganz unzweideutigen Ausspruch unter die Überschrift "Relativismus" stellt, wirkt es aber so, als wollte Bergoglio übertriebenen Sozialaktivismus als "relativistisch" kritisieren und gegen religiöse Aktivitäten (wie Liturgie etc.) ausspielen. Das ist im Kontext aber gar nicht der Fall, im Gegenteil fasst Bergoglia gerade dieses Engagement für den Nächsten als einen primären Ort der Gottesbegegnung auf.
Außerdem ist von Relativismus in dem Zusammenhang überhaupt nicht die Rede. Hier empfinde ich das geradezu als eine Realsatire, zeigt es doch, wie "relativistisch" Zitate journalistisch eingesetzt werden können.
Auf Relativismus und v.a. Entweltlichung kommt er im selben Kapitel, aus dem auch diese Abschnitte stammten ("Über die Zukunft der Religionen"), später aber dann doch noch zu sprechen, dazu die nächsten Zitate in ein paar Minuten.

"El humor obscurece la verdad, endurece el corazón, y entorpece el entendimiento."
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Zukunft der Religion (1): Spirituelle Suche als Motor
Card. Jorge Bergoglio hat geschrieben:Es gibt einen Satz des heiligen Augustinus, der geht in dieselbe Richtung wie das, was Sie sagen, Rabbi. Er lautet: „Herr, du hast uns für dich geschaffen, und unser Herz ist unruhig, bis es ruht in dir.“ [Conf. I,1] Das Wichtigste an diesem Satz ist das Wort unruhig. Wenn man sich besinnt und sich bemüht, aufrichtig zu sein mit dem, was man fühlt, offenbart sich ein ruheloses, tiefes Verlangen nach dem Transzendenten, nach einer Begegnung mit IHM, wie Sie gesagt haben. Aber noch während wir die Begegnung erleben, beginnt eine neue Suche, und so wiederholt es sich immerfort, jedes Mal vertieft.Abraham Skorka hat geschrieben:Die Religion wird immer eine Zukunft haben, denn sie ist Ausdruck der tiefen Sinnsuche des Lebens, Folge eines Aktes der Introspektion und einer Begegnung mit IHM.
(...)
Diese Unruhe beschreiben wir gern als Atem Gottes, den wir in uns tragen, als Abdruck, den er in uns hinterließ. Oftmals geschieht das sogar bei Menschen, die noch nichts von Gott gehört haben oder in ihrer Vergangenheit antireligiöse oder immanentistische Positionen vertraten. Plötzlich begegnen sie etwas, was sie transzendiert.
Solange diese Unruhe existiert, wird auch die Religion existieren, wird es Formen geben, an Gott wieder anzuknüpfen. Das Wort ‚Re-ligion’ kommt ja genau daher: suchend eine Anbindung (Ligatur) annehmen, ein Band knüpfen zum Herrn. Eine rein ritualistische Religion ohne solche Inhalte ist zum Sterben verurteilt, denn sie füllt dich mit Riten an, lässt das Herz jedoch leer. Ich bin mit Ihnen der Meinung, dass die Religion überdauern wird, denn diese Unruhe ist Teil der menschlichen Natur. Man wird abwarten müssen, wie sie sich in der Zukunft manifestiert.
Zuletzt geändert von Jorge_ am Samstag 30. März 2013, 18:48, insgesamt 1-mal geändert.
"El humor obscurece la verdad, endurece el corazón, y entorpece el entendimiento."
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Zukunft der Religion (2): Heilige wie Mutter Teresa oder Franziskus als geistliche Reformatoren
(2) Gemeint sind offenbar erbliche geistliche Ämter, Pfründewirtschaft o. Ä.
(1) Offb. ein Satz oder Gedanke aus dem Essay „Was die Deutschen lasen, während ihre Klassiker schrieben“ (1932), genaue Quelle konnte ich nicht ermitteln.Card. Jorge Bergoglio hat geschrieben:Ich weiß, dass die Religionen schlimmere Zeiten erlebt haben als die heutige, und trotzdem gingen sie nicht unter. Heute haben wir vielleicht einen zahlenmäßigen Mangel an Gläubigen zu verzeichnen, aber es gab Zeiten, da herrschte ein Mangel an Tugend. Es gab korrupte Epochen in der Kirchengeschichte. Ich denke zum Beispiel an die Zeiten des Majorats (2), an die kirchlichen Benefizien mancher Kleriker, die sich ihr Leben als Hauslehrer der Kinder reicher Familien absicherten. Sie taten nichts und waren verweltlicht.Abraham Skorka hat geschrieben:(...) Ich weiß nicht, wie die Religion der Zukunft sein wird, aber ich bin davon überzeugt, dass es davon abhängt, was wir – die Menschen von heute – tun. Walter Benjamin sagte einmal: „Ich weiß nicht, ob das Buch, das ich gerade schreibe, jetzt erfolgreich sein wird, aber vielleicht schlägt es ja auch erst in hundert Jahren ein.“ (1)
Es gab sehr schwierige Epochen, und trotzdem ist die Religion auferstanden. Plötzlich tauchen Figuren wie Theresia von Kalkutta auf, die die ganze Vorstellung von der Würde der Person revolutionieren und ihre Zeit darauf verschwenden (denn in gewissem Sinne ist das ja ‚verlorene Zeit’), Menschen beim Sterben zu helfen. Solche Aktionen schaffen Mystik und erneuern die Religiosität.
Die wahren Erneuerer in der Geschichte der katholischen Kirche sind die Heiligen. Sie sind die wahren Reformatoren, die verändern, verwandeln, vorantreiben und den geistlichen Weg wiedererstehen lassen. Ein anderes Beispiel, Franz von Assisi: Er schenkte der Christenheit eine ganze Konzeption der Armut im Kontrast zum Luxus, zum Stolz und zur Nichtigkeit (Vanitas) der weltlichen und kirchlichen Mächte jener Zeit. Er brachte eine Mystik der Armut, der Entäußerung auf den Weg und hat damit die Geschichte verändert.
(2) Gemeint sind offenbar erbliche geistliche Ämter, Pfründewirtschaft o. Ä.
"El humor obscurece la verdad, endurece el corazón, y entorpece el entendimiento."
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Zukunft der Religion (3): Rigurismus als Gegenbewegung zu Glaubenskrise und Paganisierung, die kleine Herde, Neuevangelisierung
Anmerkung zum Benedikt-Zitat:
Bergoglio, der hier wie häufig in dem Buch aus dem Gedächtnis zitiert, bezieht sich wahrscheinlich auf folgende Passage aus Papst Benedikts Predigt in Aparecida von 2007:
Card. Jorge Bergoglio hat geschrieben:Es gibt Sektoren innerhalb der Religionen, die durch Betonung des Vorschriftsmäßigen das Menschliche vernachlässigen; sie verkürzen die Religion darauf, was man morgens, mittags und abends zu beten hat und was dem passiert, der das nicht tut. Das führt zu einem geistlichen Mobbing der Anhänger und viele spirituell Schwächere lassen sich davon in den Bann ziehen, was zu einem Verlust an Freiheit führen kann. Ein anderes Merkmal dieser Sektoren besteht darin, dass sie sich stets auf der Suche nach der Macht bewegen.
Was speziell Buenos Aires angeht, kann man die Stadt als heidnisch bezeichnen, was nicht abwertend gemeint ist, sondern als Tatsachenfeststellung. Sie hat viele Götter, die sie anbetet, und angesichts dieser Paganisierung bewegt man sich auf ein Phänomen zu, wie Sie es angesprochen haben.
Man sucht das Authentische, aber wenn das nur bedeutet: Vorschriften, Erfüllen von Regeln, dann verfällt man ins andere Extrem, einen Purismus, der ebensowenig religiös ist. Es stimmt, die hedonistische, konsumistische, narzißtische Kultur dringt nach und nach in den Katholizismus ein. Sie wirkt ansteckend auf uns, und auf bestimmte Weise relativiert sie das religiöse Leben, paganisiert es, macht es weltlich. Darin besteht der wahre Glaubensverlust, den ich am meisten fürchte.
Ich war immer der Meinung, die Christenheit ist eine kleine Herde, wie Jesus im Evangelium sagt. Wenn die christliche Gemeinschaft groß werden will, zeitliche Herrschaft anstrebt, läuft sie Gefahr, das Wesen der Religion zu verlieren. Das ist es, was ich fürchte.
Vielleicht muss man heute sagen, dass es weniger Gläubige gibt; aber die innere Unruhe bleibt groß, es gibt eine ernsthafte religiöse Suche.
Es gibt auch ein Suchen nach Gott in Bewegungen der Volksfrömmigkeit, also volkstümlichen Formen, das Religiöse zu leben. Zum Beispiel die Jugendwallfahrt nach Luján. Für viele ist diese Wallfahrt die einzige Gelegenheit, bei der sie eine Kirche betreten: Sechzig Prozent entschließen sich aus eigener Initiative zur Teilnahme, gehen nicht bei irgendeiner Pfarrei mit. Es ist ein Funke volkstümlicher Frömmigkeit, der sie zur Teilnahme bewegt, und das ist ein religiöses Phänomen, das man nicht außer Acht lassen darf.
Es mag weniger Kirchenbesucher geben, da ist eine Reinigung im Gange, was die Entschiedenheit betrifft. Das religiöse Suchen hat aber nicht aufgehört, es ist weiter stark, bisweilen etwas desorientiert, außerhalb der institutionellen Strukturen. Die größte Herausforderung für einen religiösen Führer ist es meiner Ansicht nach, diese Kraft in die richtigen Bahnen zu lenken. Evangelisierung ist das Schlüsselwort, nicht aber Proselytismus, ein Begriff, der heute Gott sei Dank aus dem pastoralen Wortschatz getilgt ist. Papst Benedikt XVI. hat dazu sehr schöne Worte gefunden: „Die Kirche ist ein Angebot, das durch Anziehung ans Ziel gelangt, nicht durch Proselytismus.“ Diese Anziehung funktioniert über das Zeugnis.
Anmerkung zum Benedikt-Zitat:
Bergoglio, der hier wie häufig in dem Buch aus dem Gedächtnis zitiert, bezieht sich wahrscheinlich auf folgende Passage aus Papst Benedikts Predigt in Aparecida von 2007:
Wie die Formulierung nahelegt, denkt er vermutlich auch an die Ansprache Benedikts ein Jahr darauf beim Ad-limina-Besuch der kasachischen und zentralasiatischen Bischöfe (Meldung von Radio Vatikan):Benedikt XVI. hat geschrieben:Die Kirche betreibt keinen Proselytismus. Sie entwickelt sich vielmehr durch „Anziehung“: Wie Christus mit der Kraft seiner Liebe, die im Opfer am Kreuz gipfelt, „alle an sich zieht“, so erfüllt die Kirche ihre Sendung in dem Maß, in dem sie, mit Christus vereint, jedes Werk in geistlicher und konkreter Übereinstimmung mit der Liebe ihres Herrn erfüllt.
(Predigt von Benedikt XVI. zur Eröffnung der Generalkonferenz von Aparecida am 13. Mai 2007)
Benedikt XVI. hat geschrieben:Es scheint mir (..) nützlich hervorzuheben, daß die Kirche den katholischen Glauben nicht aufdrängt, sondern frei anbietet, denn sie weiß sehr wohl, daß die Bekehrung die geheimnisvolle Frucht des Wirkens des Heiligen Geistes ist. Der Glaube ist Geschenk und Werk Gottes. Gerade deshalb ist jede Form von Proselytismus verboten, die jemanden mit unangebrachten betrügerischen Mitteln dazu zwingt oder verleitet und anlockt, den Glauben anzunehmen (vgl. II. Vatikanisches Konzil, Missionsdekret Ad gentes, 13). Ein Mensch kann sich dem Glauben nach reifer und verantwortlicher Überlegung öffnen und muß diese innere Eingebung frei verwirklichen können.
(Ansprache von Benedikt XVI. an die zentralasiatischen Bischöfe vom 8. Okt. 2008)
"El humor obscurece la verdad, endurece el corazón, y entorpece el entendimiento."
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Sorry, übersehen.Pit hat geschrieben:Jorge, ist es in Ordnung, (...) - mit Quellenhinweis versteht sich - ?
Die Quellenangabe lautet schlicht: Jorge Mario Bergoglio / Abraham Skorka, Sobre la tierra y el cielo. Bs. As. Dez. 2010.
"El humor obscurece la verdad, endurece el corazón, y entorpece el entendimiento."
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Gemeinde, Strukturen, Subsidiarität, Zentralismus
Card. Jorge Bergoglio hat geschrieben:Rabbi, Sie haben auch die Parochialisierung angesprochen. Das ist ein Schlüsseltrend: die Tendenz hin zu kleinen Gemeinschaften als Ort religiöser Zugehörigkeit. Sie bedient ein Bedürfnis nach Identität, das nicht nur religiöser, sondern auch kultureller und sozialer Art ist: Ich komme aus diesem Stadtviertel, bin Anhänger dieses Sportvereins, gehöre zu dieser Familie, zu dieser religiösen Gemeinschaft ... Damit habe ich einen Ort der Zugehörigkeit, erkenne mich wieder in meiner Identität.
Der Ursprung des Christentums ist in diesem Sinne „parochial“. Liest man die Apostelgeschichte des heiligen Lukas, wird man gewahr, dass das Christentum zunächst eine massenhafte Ausbreitung erfuhr. Bei den ersten Predigten des Petrus wurden zweitausend Menschen getauft, und die organisierten sich dann anschließend in kleinen Gemeinden.
Das Problem entsteht, wenn eine Gemeinde kein eigenes Leben hat und von den Strukturen der übergeordneten Ebene aufgesogen, unter sie subsumiert wird. Und das, was der Gemeinde Leben verleiht, ist genau dieses Zugehörigkeitsgefühl.
"El humor obscurece la verdad, endurece el corazón, y entorpece el entendimiento."
Re: Papst Franz I.
Caritas und Vanitas
Die Anekdote von der goldenen RolexCard. Jorge Bergoglio hat geschrieben:Christliche Caritas ist Liebe zu Gott und zum Nächsten. Sie kann mit Wohltätigkeit beginnen, aber sie darf nicht bei der Organisation von Benefizveranstaltungen stehen bleiben. Es gibt Beispiele, die man karitative Werke nennt, die aber in Wirklichkeit Gesellschaftsereignisse sind. Die Macher solcher Aktivitäten tun das, um sich selbst gut zu fühlen. Liebe beinhaltet aber immer ein Aus-Sich-Herausgehen, einen Akt der Selbstentäußerung. Die geliebte Person verlangt, dass ich mich in ihren Dienst stelle.
Card. Jorge Bergoglio hat geschrieben:Einmal, als ich schon Bischof war, bekam ich eine Einladung zu einem Wohltätigkeitsdinner der Caritas. Unter den Gästen war, wie man so sagt, die Crème de la Crème. Ich entschied mich, nicht hinzugehen. An dem Tag war auch der damalige Präsident unter den Eingeladenen. Bei diesem Essen wurden Sachen versteigert, und nach dem ersten Gang versteigerte man eine goldene Rolex. Eine echte Schande, ein demütigendes Schauspiel, ein Missbrauch der Nächstenliebe. Da suchte man jemanden, der seinen mondänen Spaß („Vanitas“) hat mit dieser Uhr, um mit dem Erlös die Armen zu speisen.Abraham Skorka hat geschrieben:Nein.Card. Jorge Bergoglio hat geschrieben:Aber es gibt eben auch Karikaturen von Nächstenliebe. Habe ich Ihnen die Anekdote von der goldenen Rolex schon erzählt?
Glücklicherweise werden solche Dinge bei der Caritas heute nicht mehr gemacht. Heute beteiligt sie sich dauerhaft an der Förderung von Schulen, verfügt über Heime für alleinerziehende Mütter und Obdachlose von der Straße, und betreibt eine Armenbäckerei an der Avenida Rivadavia, Ecke Calle Uruguay, wo auch handwerkliche Produkte verkauft werden, die Jugendliche in den Berufsschulen und Ausbildungswerkstätten hergestellt haben. Das ist Förderung der Armen um ihrer selbst willen.
Manchmal werden im Namen der Nächstenliebe Dinge getan, die nicht karitativ sind, das ist wie die Karikatur einer guten Absicht. Es gibt kein karitatives Handeln ohne Liebe, und wenn mit der Hilfe für Bedürftige mondäner Glanz („Vanitas“) erzeugt wird, dann geht es nicht um Liebe, dann ist das schlichtes Theater und leerer Schein.
"El humor obscurece la verdad, endurece el corazón, y entorpece el entendimiento."
-
- Beiträge: 2466
- Registriert: Dienstag 4. Dezember 2012, 11:16
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Jorge, ich bin Ihnen sehr dankbar für die vielen Übersetzungen.
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Gespräch mit Nichtgläubigen
Card. Jorge Bergoglio hat geschrieben:Wenn ich Nichtgläubigen begegne, tausche ich mich mit ihnen über menschliche Fragen aus, stelle aber nicht gleich die Frage nach Gott an den Anfang. Außer, wenn sie mich darauf ansprechen. Dann erzähle ich ihnen, warum ich glaube.
Der menschliche Bereich bietet so reichhaltigen Gesprächsstoff, um sich auszutauschen, um ihn abzuarbeiten. Wir können uns ruhigen Gewissens gegenseitig bereichern, in unseren Reichtümern ergänzen. Da ich gläubig bin, weiß ich, dass diese Reichtümer eine Gabe Gottes sind. Ich weiß auch, dass der andere, der Nichtgläubige, das nicht weiß.
Ich benutze die Situation nicht, um den Nichtgläubigen zu rekrutieren, das wäre Proselytismus. Ich respektiere ihn und zeige mich so, wie ich bin. Wenn man sich gegenseitig besser kennen lernt, wachsen Wertschätzung, Sympathie, Freundschaft. Ich habe keinerlei Tabus und würde niemandem sagen, sein Leben sei verurteilt. Denn ich bin überzeugt, ich habe kein Recht dazu, ein Urteil über die Redlichkeit dieser Person zu fällen. Schon gar nicht, wenn sie menschliche Tugenden zeigt, also jene, die menschliche Größe beweisen und mir gut tun.
Überhaupt kenne ich mehr Agnostiker als wirkliche Atheisten. Der Erste ist mehr ein Zweifelnder, der Zweite ein überzeugter Nichtgläubiger. Wir müssen die Botschaft der Bibel ernst nehmen: Jeder Mensch ist ein Abbild Gottes, ob er nun gläubig ist oder nicht. Schon allein aus diesem Grund besitzt er vielerlei Tugenden, Vorzüge, Größen. Und falls er Niederungen hat, wie auch ich sie habe, können wir uns darüber austauschen und uns gegenseitig helfen, sie zu überwinden.
"El humor obscurece la verdad, endurece el corazón, y entorpece el entendimiento."
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Gott und die Andersgläubigen
Card. Jorge Bergoglio hat geschrieben:Gott lässt sich im Herzen eines jeden Menschen vernehmen. Er respektiert auch die unterschiedlichen Kulturen der Völker. Jedes Volk nimmt diese Vision von Gott auf, übersetzt sie im Einklang mit seiner Kultur und verarbeitet sie nach und nach immer weiter, reinigt sie, gibt ihr ein System. Manche Kulturen sind in ihren Erklärungen eher primitiv, [andere elaboriert]. Aber Gott öffnet sich allen Völkern, ruft alle, fordert alle heraus, damit sie ihn suchen und durch die Schöpfung hindurch entdecken.
In unserem Fall, also im Judentum und im Christentum, gibt es eine personale Offenbarung. Er selbst kommt uns entgegen, offenbart sich, markiert den Weg und begleitet uns, teilt uns seinen Namen mit, führt uns durch die Propheten. Wir Christen glauben, dass er sich letztendlich zeigt und für uns hingibt in Jesus Christus.
Auf der anderen Seite gab es im Verlauf der Geschichte Bedingungen, die Spaltungen hervorgerufen und zur Bildung unterschiedlicher Gemeinschaften geführt haben, die verschiedene Spielarten („Modalitäten“) sind, das Christentum zu leben, so etwa die Reformation. Wir haben einen Dreißigjährigen Krieg erlebt und es bildeten sich verschiedene Konfessionen heraus. Das ist sehr schmerzlich und beschämend, aber so ist die Realität.
Gott ist geduldig, er wartet. Gott tötet nicht, der Mensch maßt sich an, so etwas in seinem Namen zu tun. Töten im Namen Gottes ist Blasphemie.
"El humor obscurece la verdad, endurece el corazón, y entorpece el entendimiento."
-
- Beiträge: 751
- Registriert: Donnerstag 8. September 2011, 22:07
- Wohnort: Landkreis Augsburg // Praga Caput Regni
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Vergelt´s Gott für diese wertvolle Übersetzungsarbeit !
Pange, lingua, gloriosi corporis mysterium (Thomas von Aquin)
Westliche Wertegemeinschaft: Kinder- und Alten-Euthanasie, Genderwahn, Homoterror, Abtreibung, Ökowahn, Überwachungsmonströsität, political correctness ....
Westliche Wertegemeinschaft: Kinder- und Alten-Euthanasie, Genderwahn, Homoterror, Abtreibung, Ökowahn, Überwachungsmonströsität, political correctness ....
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Mir gefaellt euer neuer Papst oder wie er sich selbst nennt Bischof von Rom. Er ist jetzt schon ein grosser. Lg
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Wart mal ab mit der Heiligsprechung.Ilija hat geschrieben:Mir gefaellt euer neuer Papst oder wie er sich selbst nennt Bischof von Rom. Er ist jetzt schon ein grosser. Lg

Bis jetzt ist er nur ein etwas ungewohnter bis ungewöhnlicher Papst, mehr noch nicht. Es hat noch nicht mal 33 Tage Pontifikat hinter sich, da wäre ich vorsichtig mit dem Titel "groß".

- kreuzzeichen
- Beiträge: 384
- Registriert: Sonntag 22. April 2012, 18:28
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Jorge_ - Vielen herzlichen Dank für diese Mühe und die interessanten Einblicke. Schöne, aufschlußreiche Lektüre am 2. Ostertag. Gesegnete und frohe Ostern!
"Für jedes Problem gibt es eine einfache Lösung – klar, einleuchtend und falsch." (Henry Louis Mencken)
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Die soziale Funktion der Religion: Geschwisterlichkeit, Gerechtigkeit, Kultur
*) Das Originalzitat von Papst Johannes Paul II. stammt aus einem Brief an den Kardinal-Staatssekretär vom 20. Mai 1982, der seinerzeit nur in der spanischen Ausgabe des L'Osservatore Romano vom 6. Juni 1982, S. 19, veröffentlicht wurde. Vgl. die Botschaft des Papstes an den Präsidenten des Rates für Kultur 20 Jahre später:Card. Jorge Bergoglio hat geschrieben:Ich komme noch einmal auf die ersten beiden Gebote zu sprechen. Das erste lautet: Du sollst deinen Gott lieben mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele; das zweite: Du sollst den Nächsten lieben wie dich selbst. Jesus sagt, in diesen beiden Geboten ist das ganze Gesetz enthalten [vgl. Mt 22,37-40].Abraham Skorka hat geschrieben:In der biblischen Vorstellung stammen wir alle von einem erstgeborenen Menschen ab. Das heißt also, wir sind durch geschwisterliche Bande alle miteinander verwandt. Man dürfte niemals so weit kommen, Menschen gegenüber indifferent [i.e.: gleichgültig, unempfindlich] zu sein. Vielleicht ist die ganze Lehre der Bibel nicht mehr als ein Mahnruf: Sei nicht unachtsam („indifferent“) gegenüber dem Spirituellen, gegenüber Gott und deinem Nächsten! Was sonst ist die soziale Funktion der Religion?
Von daher ist die liberale Auffassung, das Religiöse gehöre in den Tempel und habe außerhalb des sakralen Raums nichts zu suchen, unzutreffend. Es gibt Dinge, die man gewöhnlich im Gotteshaus tut, etwa Gott anbeten, den Lobpreis verrichten, Gottesdienst halten. Aber es gibt andere Dinge, die man draußen macht, das betrifft beispielsweise die gesamte soziale Dimension der Religion.
Der Anfang liegt in der gemeinschaftlichen Begegnung mit Gott, der nahe ist und den Weg mit seinem Volk geht. Das entfaltet sich im Laufe des Lebens mittels Anleitungen zum ethischen und religiösen Verhalten, Brüderlichkeit usw. Da gibt es etwas, was das Verhalten gegenüber den Mitmenschen regelt: die Gerechtigkeit. Ich glaube, wer Gott anbetet, bekommt mit dieser Erfahrung einen Auftrag zur Gerechtigkeit gegenüber seinen Brüdern. Es ist eine höchst kreative Gerechtigkeit, weil sie Dinge neu erfindet: Erziehung, Sozialarbeit, Pflege, Leidmilderung usw. Deshalb wird der wahrhaft Fromme – der mit allen Sinnen gläubige Mensch – auch der Gerechte genannt: Er bringt seinen Mitmenschen Gerechtigkeit.
So gesehen schafft die Gerechtigkeit der Frommen Kultur. Die Kultur eines Mannes oder einer Frau, die den lebendigen Gott anbeten, ist nicht dieselbe wie die Kultur eines Götzendieners. Von Johannes Paul II. stammt eine sehr gewagte Aussage dazu: Ein Glaube, der nicht Kultur wird, ist kein echter Glaube.* Er betonte das: Kultur schaffen.
Heute haben wir Beispiele götzendienerischer Kulturen in unserer Gesellschaft: Konsumismus, Relativismus und Hedonismus sind der Beweis dafür.
Johannes Paul II. hat geschrieben:In dem handverfaßten Schreiben zur Errichtung des Päpstlichen Rates für die Kultur merkte ich an, daß »die Synthese zwischen Kultur und Glauben nicht nur ein Erfordernis der Kultur, sondern auch des Glaubens ist ... Ein Glaube, der nicht Kultur wird, ist ein Glaube, der nicht voll angenommen, nicht vollständig gedacht und nicht treu gelebt wird.«
(Aus der Botschaft Johannes Pauls II. zum 20. Jahrestag der Errichtung des Päpstlichen Rates für die Kultur vom 13. Mai 2002)
"El humor obscurece la verdad, endurece el corazón, y entorpece el entendimiento."
Re: Papst Franz I.: Bücher, Predigten, Aufsätze
Exklusivismus oder Inklusivismus?
Card. Jorge Bergoglio hat geschrieben:Töten im Namen Gottes ist eine Ideologisierung der religiösen Erfahrung. Wenn das passiert, kommt politisches Kalkül ins Spiel, es beginnt die Vergötterung der Macht im Namen Gottes. Diejenigen, die das tun, bauen sich selbst zu Gott auf. Mitten im 20. Jahrhundert haben sie ganze Völker ausgelöscht, weil sie sich für Gott hielten. Die Türken machten es mit den Armeniern, die stalinistischen Kommunisten mit den Ukrainern, die Nazis mit den Juden. Sie staffierten ihr Reden mit göttlichen Attributen aus, um Menschen zu töten. Das ist in Wirklichkeit nur eine raffinierte Form, aus überhöhtem Selbstwertgefühl heraus zu töten.
Das zweite Gebot verlangt, deinen Nächsten so zu lieben wie dich selbst. Kein gläubiger Mensch darf den Glauben in ausschließender Weise auf seine Person, seinen Klan, seine Familie, seine Heimat eingrenzen. Ein Gläubiger ist im Kern jemand, der hinausgeht, dem anderen Gläubigen – oder auch dem Nichtgläubigen – entgegen, und ihm eine Hand reicht.
Die Bibel gibt in dieser Hinsicht ein beeindruckendes Zeugnis: Wie geißelt der Prophet Amos jene, die Ungerechtigkeiten gegenüber ihren Brüdern und Schwestern begehen, keine Hilfsbereitschaft zeigen, nicht hingehen und die Gegenwart Gottes zum Armen und Entrechteten tragen.
Auch im [jüdischen] Gesetz gibt es das, die „Nachlese“. Was ist das? Im Buch Rut [2. Kap.] wird es beschrieben: Es heißt, man darf nicht noch einmal über das bereits abgeerntete Feld gehen, weil immer Fruchtreste auf dem Feld liegen bleiben, die der Witwe und dem Waisen zugute kommen müssen.
"El humor obscurece la verdad, endurece el corazón, y entorpece el entendimiento."
Re: Papst Franz I.
Gotteserfahrung als Weg nach innen
*) Der Herausgeber merkt hier an: „Abraham Skorka ist Doktor der Chemie und Jorge Bergoglio chemisch-technischer Assistent.“Card. Jorge Bergoglio hat geschrieben:Das Wichtigste, was man jedem Menschen sagen muss, ist: Er soll in sich gehen. Die Zerstreuung ruiniert das Innere, lässt ihn niemals zur Konfrontation mit sich selbst gelangen, verhindert dieses Moment der Betrachtung des eigenen Herzens im Spiegel. Da ist der Samen: Innehalten bei sich selbst. Da beginnt der Dialog.Abraham Skorka hat geschrieben:Was Sie sagen, lässt mich an verschiedene Bibelverse denken. Zum Beispiel, wenn Gott zu Abraham sagt: „Wandle vor mir und sei vollkommen!“ [Gen 17,1] Oder als der Prophet Michäas dem Volk Israel erklären will, was Gott von ihm erwartet, und sich folgendermaßen ausdrückt: „Recht tun und die Güte lieben und in Demut wandern mit deinem Gott.“ [Micha 6,8]Card. Jorge Bergoglio hat geschrieben:In der persönlichen Gotteserfahrung kann ich auf das Bild vom Weg nicht verzichten.
Ich würde sagen, man begegnet Gott, indem man voranschreitet, Gott dabei sucht und sich von ihm finden lässt. Es sind zwei Wege, die sich treffen. Auf der einen Seite ist es unser Weg, auf dem wir Gott suchen, angetrieben von diesem Instinkt, der aus dem Herzen fließt. Und dann, wenn wir uns begegnen, merken wir, dass ER uns schon vorher gesucht hat, er ist uns zuvorgekommen.
Am Anfang der religiösen Erfahrung steht der Weg: Zieh in das Land, das ich dir geben werde [vgl. Gen 12,1.7]. Das ist ein Versprechen, das Gott dem Abraham macht. Und in diesem Versprechen, auf diesem Weg, wird ein Bund geschlossen, der sich über die Jahrhunderte festigt. Deshalb sage ich, meine Erfahrung mit Gott findet auf dem Weg statt, auf der Suche, und wenn ich mich suchen lasse. Das kann auf unterschiedlichen Wegen geschehen, durch Schmerz und Freude, Licht und Dunkel.
Ganz ohne Zweifel ist die Gotteserfahrung Dynamik, um einen Begriff zu gebrauchen, den wir beide aus den exakten Naturwissenschaften kennen.*
Aber was könnten wir Ihrer Meinung nach dem Menschen unserer Zeit sagen, wo die Auffassung von Gott so entstellt ist, so verstümmelt, so missbraucht?
Man bildet sich manchmal ein, man hätte für alles die richtige Antwort, aber dem ist nicht so. Dem heutigen Menschen würde ich sagen, er soll die Erfahrung machen, in die Innerlichkeit einzutreten, um die Erfahrung, das Antlitz Gottes kennen zu lernen. Deshalb gefällt mir so sehr, was Hiob nach seinen schlimmen Erfahrungen am Ende der Zwiegespräche [mit Gott] sagt, die keines seiner Probleme gelöst haben: „Früher kannte ich dich nur vom Hörensagen, jetzt aber hat mein Auge dich gesehen.“ [Ijob 42,5]
Dem Menschen sage ich, dass er Gott nur vom Hörensagen kennt. Der lebendige Gott ist der, den er mit seinen Augen schauen wird, in seinem Herzen.
"El humor obscurece la verdad, endurece el corazón, y entorpece el entendimiento."