Ich habe die Zeit der Apartheid in Südafrika sehr bewußt miterlebt.
Es waren überhaupt schlimme Jahre mit einer Unzahl von "failed states", auch in Europa übrigens.
Die Rücksichtslosigkeit und Gewalttätigkeit der Afrikaander gegenüber der schwarzen Mehrheit im Land war unerträglich. (Auf den geschichtlichen Hintergrund hat bereits Robert K. hingewiesen). Ein Polizei- und Überwachungsstaat, gegen den sich die DDR geradezu harmlos ausnimmt.
Mandela veränderte seine politische Haltung nach dem Massaker in Sharpville 1960 (Siehe:
Sharpville)
Nach diesem einschneidenden Ereignis wurde Mandela zum Mitbegründer des bewaffneten Teils des ANC und bejahte Gewalt. Unerleuchtete nennen es "Terrorismus", gewöhnlich gilt in einer rassistischen Diktatur der Begriff "bewaffneter Widerstand" oder "Freiheitskampf" (zum moralischen Dilemma siehe die Erwägungen des Kreisauer Kreises zum "Tyrannenmord").
In Kämpfen dieser Art gibt es allgemein keine Unschuldigen (mit Ausnahme unschuldiger Opfer).
Das rassistische Regime hielt sich noch weitere 30 Jahre und ich erinnere mich sehr gut, wie ich weinend die Bilder von dem Schülermassaker in Soweto gesehen habe. Es gab unzählige Opfer in diesen Jahren und alle Vorgänge sind gut dokumentiert. Natürlich gab es auch sozialistisch / kommunistisch motivierte Kämpfer.
Mandela war kein Kommunist.
Er hielt den Kommunismus für eine, wie er sagte "unafrikanische Ideologie". Von seiner zunehmend radikalisierten Ehefrau Winni entfremdete er sich und ließ sich bald nach seiner Freilassung von ihr scheiden. Er hatte sich in seiner geistigen Auseinandersetzung von Hass und Gewalt vollkommen entfernt, lange bevor er seine große Verantwortung übernahm.
Zur Ikone wurde damals Steven Biko, den man im Gefängnis erschlagen hat: er kämpfte ausschließlich mit der Feder. Von ihm stammt der Satz: "Die Macht der Unterdrücker ist die Geisteshaltung der Unterdrückten."
Das Regime war gegenüber jedem internationalen Einfluß, auch dem Einfluß der Kirche vollständig immun.
Der Rassismus war tief strukturell verankert im weißen System und man darf auch nicht verschweigen, daß Südafrika ein beliebter Zielort für deutsche Nazis war, die der Strafverfolgung nach dem Krieg entgehen wollten. Botha sympathisierte mit den Nazis und seine "totale Strategie" zeigt erschreckende Parallelen zur "Gleichschaltung" der 30er Jahre. Erst durch den weltweiten Boykott, als der Reichtum der weißen Oberschicht ernsthaft in Gefahr war und immer mehr "Leistungsträger" auswanderten, bewegte sich etwas. (Wir "kleinen Leute" trugen dazu bei, indem wir kein "CAPE" - Obst mehr kauften, die Plantagenwirtschaft war ein Hauptexportartikel).
Die Katholische Kirche Südafrikas hat immer gegen den Rassenhass votiert. Gut nachvollziehbar in den Dokumenten:
The Bishops' Speak
Mandela war der Kirche dankbar: "Während ich in meinem eigenen Land nicht einmal Bus fahren durfte, machten sie Schwarze zu Bischöfen und Kardinälen. Ich werde der Katholischen Kirche immer dankbar sein."
In den Dokumenten der Bischofskonferenz kann man auch gut nachvollziehen, daß die Abtreibungsbewegung in der südafrikanischen weißen Bevölkerung sehr stark war: seit 1972 kann man die Stellungnahmen der Bischöfe lesen. Es ist schlichtweg eine Verunglimpfung, wenn man so tut, als sei Mandela ein "führender Abtreibungsverfechter" gewesen. In einer präsidialen Demokratie kann er ein Gesetz per Mehrheitsbeschluß nur unterzeichnen.
Die Tea Party Propaganda aus den USA kann man nur als schändlich bezeichnen (schlimm genug, daß sich dort so viele Katholiken von dieser fundamentalistischen "Bible Belt" und evangelikalen Sekten - Paranoia anstecken lassen).
Der Übergang von der Diktatur zum Rechtsstaat hätte ohne Mandelas Wirken im "Versöhnungsprozess" ohne Bürgerkrieg und Blutvergiessen nicht stattfinden können. Zu viel Haß trennte die Gruppen. De Klerk und die Afrikaander haben alles zur Erschwernis getan: Mandela ließ sich - Gott sei Dank - nicht provozieren.
Ohne Mandelas menschliche Fähigkeiten (sicher auch Ergebnis seiner Gefängniszeit) und seine diplomatische Intelligenz hätte es das "Wunder am Kap" nicht gegeben: selten genug, daß der richtige Mensch zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist.
Genau das wird in den Nachrufen weltweit mit Recht gewürdigt, auch vom Papst, auch von Bischöfen und gläubigen Katholiken.
Da ist kein Heiliger gestorben, aber ein großer Mensch, der sein bestes gegeben hat für sein Volk und die Menschheit insgesamt.
So, das erzähle ich als Zeitzeugin den Jüngeren im Forum.
"Eines der Probleme, die mich im Gefängnis zutiefst beschäftigten, war das falsche Bild, das ich ungewollt in der Welt verbreitet hatte: Man betrachtete mich als Heiligen. Doch ich war dies nicht, selbst wenn man auf die bodenständige Definition zurückgreift, wonach ein Heiliger ein Sünder ist, der sich zu bessern sucht." - Mandela in einem Interview mit der "Sunday Times"
"Alle Bestandteile der Nation arbeiten, unser Land aufzubauen und daraus ein Wunder zu machen. Das lässt mich hoffen, wenn ich mich schlafen lege. Ich zweifele keinen einzigen Augenblick, dass, wenn ich in die Ewigkeit eingehe, ich ein Lächeln auf den Lippen haben werde." - Mandela 1997 über die Fortschritte seit dem Ende der Apartheid
"Ich habe gelernt, dass Mut nicht die Abwesenheit von Furcht ist, sondern der Triumph darüber. Der mutige Mann ist keiner, der keine Angst hat, sondern der, der die Furcht besiegt." - Mandela in seiner Autobiographie
(Quelle:
n24)