Guten Morgen,
Tschuldigung - was studierst Du denn?
Inwiefern ist das von Belang? Ich studiere eine Geisteswissenschaft, die nichts mit Theologie zu tun hat. Wir können, bzw. müssen nach der BA-Regelung ein gewisses Maß an Leistungspunkten durch den Besuch fachfremder Veranstaltungen erwirtschaften.
Wenn dich das Seminar interessiert, dann beleg es! Wie leer wäre denn ein Studium, in dem man wirklich nur die notwendigsten / sinnvollsten / zielführendsten Dinge betreibt? Probier's und erzähl davon, du wirst in jedem Fall etwas daraus mitnehmen.
Eine gute Einstellung! So mache ich das auch.
Nur soviel: Gestern war erster Termin, es ist kein Seminar, sondern eine Vorlesung - allerdings sehr dialogfreudig. Bizarr war zunächst, dass sich in das Publikum (es waren ungefähr 25 Zuhörer) augenscheinlich eine Anhängerin des Neoheidentums gemischt hatte (50 Jahre ca.), die gleich bei Jesus Rolle als Heilsbringer anmerkte, dass das Wort "Heil" ja gar nicht aus dem "Judentum", sondern aus dem "Germanentum" käme. Unangenehm. Verlegenheit. Naja, nach der Pause war sie auch nicht mehr da. War ihr wohl nicht teutsch genug.
Die Dozentin ist sympathisch, macht aber auch keinen großen Hehl daraus, dass sie keine Dogmatikerin ist. Tübinger Schule, alles sehr "nett", aber eben auch nicht katholisch im kirchlichen Sinne. Jesus sei demnach in erster Linie ein Mensch, durch "den Gott gesprochen hat" und der wollte, "dass die Menschen gut miteinander klar kämen". Er sei "sehr gütig gewesen", dass sei der Kern der Schrift, und deshalb seien alle anderen Texte des Neuen Testamentes, die andere Facetten Jesu zeigen würden, theologisch weniger wichtig.
Ja, das ist natürlich ein wenig das, was ich befürchtet habe, ich weiß noch nicht, ob sich meine Voreingenommenheit jetzt bestätigt hat, oder ob ich durch meine Voreingenommenheit nur das gehört habe, was ich hören wollte. Ein wenig wirkt es so, als habe man den Glauben der Kirche genommen, und mit einem Skalpell alles davon weggeschnitten, was für den "modernen Menschen" untragbar, bzw. unglaubwürdig ist. Das macht man dann methodisch mittels kritischer Exegese, an deren Ende eben nur noch der "nette Freund Jesus" zurückbleiben kann, da, ich zitiere wieder, "bereits das Jesusbild der Evangelisten als Glaubenszeugnis interpretativ übermalt und überlagert war". Wie viel mehr seien demnach die Jesusbilder der späteren Kirche verfälscht gewesen, bis hin in die heutigen Zeit, etwa in Mel Gibsons Film "Die Passion Christi", der einen Gott zeigt, der das Leiden glorifiziert. Dies sie jedoch falsch, denn Jesus verkörpere "das Leben".
Ich finde, dass das alles sehr willkürlich wirkt. Ein wenig wie eine Verlegenheit, man ist etwas peinlich berührt von diesem Phänomen Jesus. Der Verstand weigert sich, die Glaubenswahrheiten anzuerkennen, also reduziert man sie auf ein Maß, das glaubwürdig, wenngleich harmlos klingt, um die Basis des Glaubens doch irgendwie beizubehalten, der das Fach Theologie und den Brotgeber Kirche überhaupt erst legitimiert. Ein irrer Zirkelschluss. Dann wird aber aus Jesus "nur" ein Prophet, einer, der eben besonders glaubwürdig gewirkt hat. Die religiöse Aufladung der Figur mit den Titeln wie "Messias" und "Heilsbringer" seien demnach Bilder, die erst später auf den Jesus des Glaubens (ja, man trennt in der Theologie quasi in einen "echten Jesus" und einen "Märchenjesus", der dann aber doch irgendwie wahr ist) übertragen wurden. Quelle und Zentrum sei aber immer der Jesus, der wollte, dass "die Menschen gut miteinander, und somit auch gut mit Gott klar kommen. Ja, wenn das nicht eine dolle Message ist. Ganz ehrlich, ich bezweifle, dass "der nette Mensch Jesus" die Herzen entflammt. Jesus Bedeutung wird hier völlig unter Ausklammerung der Auferstehung erklärt, allein durch sein Wirken zu Lebzeiten, dessen Zeugnis das Neue Testament ist, von dem wir wissen, dass alles darin enthaltene auch nicht authentisch ist. Ja Wahnsinn. Kein Wunder, dass der Glauben versiegt, bei dem Rüstzeug, dass man da aufgebürdet bekommt.
Im Kurzen kann man sagen (und das ist mein ehrlicher Ersteindruck): Was die katholische Kirche uns jeden Sonntag in der Kirche erzählt, steht im krassen Gegensatz dazu, was die katholische Theologie lehrt. Da wundert es mich echt nicht, wenn viele Priester nicht mehr an die Wandlung glauben können, werden in der Theologie doch schon die grundlegendsten Glaubenswahrheiten ganz offen zur Disposition gestellt. Das Credo verkommt so zu einer hohlen Phrase. Das ist jetzt ein Einzeleindruck, aber ich glaube kaum, dass es an anderen Studienstandorten anders aussieht. Seminaristen gibt es bei uns übrigens nicht, alle jungen Teilnehmer (ich betone das, weil die Hälfte der Anwesenden 50+ war) studieren auf Religionslehrer.
Schönes Wochenende!
Exilfranke