Lycobates hat geschrieben: ↑Donnerstag 4. Februar 2021, 00:05
philipp hat geschrieben: ↑Mittwoch 3. Februar 2021, 23:44
Ist es eigentlich unkatholisch ein Konzil das nichts dogmatisiert hat teilweise abzulehnen und trotzdem Teil der Kirche zu sein?
Ja.
Eine nicht ausreichend differenzierte Antwort... Zunächst mal ist es sicher so, daß nicht nur "de fide" Dogmen zu beachten sind.
"Ad tuendam fidem" hat diesbzgl. das Kirchenrecht genauer aufgestellt und bietet eine gute Zusammenfassung der "rechtlichen" Lage. In
Donum veritatis, an Theologen gerichtet, findet sich eine gute Zusammenfassung der notwendigen Zustimmung und auch (letzter Paragraph meines Zitats) der Punkt den Lycobates hier nicht ausreichend erklärt.
23. Wenn das Lehramt der Kirche unfehlbar und feierlich ausspricht, eine Lehre sei in der Offenbarung enthalten, ist die Zustimmung mit theologalem Glauben gefordert. Diese Zustimmung erstreckt sich auch auf die Unterweisung des ordentlichen und universalen Lehramtes, wenn es eine Glaubenslehre als von Gott geoffenbart zu glauben vorlegt.
Wenn es „definitiv“ Wahrheiten über Glauben und Sitten vorlegt, die wenn auch nicht von Gott geoffenbart, jedoch eng und zuinnerst mit der Offenbarung verbunden sind, müssen diese fest angenommen und beibehalten werden.[22] Wenn das Lehramt – auch ohne die Absicht, einen „definitiven“ Akt zu setzen – eine Lehre vorlegt, sei es, um zu einem tieferen Verständnis der Offenbarung beizutragen oder ihren Inhalt zu verdeutlichen, sei es, um die Übereinstimmung einer Lehre mit den Glaubenswahrheiten zu betonen, sei es andererseits, um vor mit diesen Wahrheiten unvereinbaren Auffassungen zu warnen, ist eine religiöse Zustimmung des Willens und des Verstandes gefordert.[23] Diese darf nicht rein äußerlich und disziplinär bleiben, sondern muß sich in die Logik des Glaubensgehorsams einfügen und von ihm bestimmen lassen.
24. Das Lehramt kann endlich, um dem Volk Gottes möglichst gut zu dienen, wenn es dieses nämlich vor gefährlichen Auffassungen, die zum Irrtum führen können, warnt, bei diskutierten Fragen eingreifen, bei denen neben den sicheren Prinzipien auch Vermutungen und zufällige Dinge im Spiele sind. Oft wird es erst nach einiger Zeit möglich, zwischen dem Notwendigen und dem Zufälligen klar zu unterscheiden.
Der Wille, einem Spruch des Lehramts bei an sich nicht irreformablen Dingen loyal zuzustimmen, muß die Regel sein. Es kann freilich vorkommen, daß der Theologe sich Fragen stellt, die je nach dem Fall die Angebrachtheit, die Form oder auch den Inhalt einer Äußerung betreffen. Er wird das freilich nicht tun, bevor er sorgfältig ihre Autorität, wie sie sich aus ihrem Charakter, aus dem Nachdruck, mit der sie als Lehre vorgetragen wird, und aus der Ausdrucksweise selber ergibt, geprüft hat.[24]
In diesem Bereich von Äußerungen der Klugheit ist es vorgekommen, daß Lehrdokumente nicht frei von Mängeln waren. Die Hirten haben nicht immer gleich alle Aspekte oder die ganze Kompliziertheit einer Frage erfaßt. Aber man würde in Gegensatz zur Wahrheit geraten, wollte man aus einigen bestimmten Fällen schließen, das Lehramt der Kirche könne sich bei seinen Klugheitsurteilen gewöhnlich täuschen, oder es würde sich nicht des göttlichen Beistands erfreuen, der der unverkürzten Ausübung seiner Sendung verheißen ist. Da der Theologe in der Tat sein Fach nicht ohne bestimmte Kenntnisse der Geschichte gut vertreten kann, so ist er sich der Abklärung von Fragen im Lauf der Zeit bewußt. Dies darf nicht im Sinn einer Relativierung der Glaubensaussagen verstanden werden. Er weiß vielmehr, daß gewisse Urteile des Lehramtes in der Zeit, in der sie ausgesprochen wurden, gerechtfertigt sein konnten, weil diese Aussagen wahre Feststellungen mit anderen, die nicht sicher waren, unentwirrbar vermischt haben. Erst die Zeit hat eine Unterscheidung gestattet, und als Ergebnis vertiefter Studien kam ein wirklicher Fortschritt in der Lehre zustande.
Es ist halt einfach nicht so, daß jedes Dokument der Kirche fehlerfrei, leicht verständlich und seine Zeit transzendierend in die Welt gesetzt wird. Und oft dauert es Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte bis es klar wird was nun genau Sache ist. "Das Konzil" (V2) ist nun auf jeden Fall "nicht frei von Mängeln", schlicht weil es oft durchaus schwierig ist zu sehen wie es mit vorhergehenden Äußerungen des Lehramts nun genau zusammengeht, z.B. in Fragen der Religionsfreiheit. Ein klassischer Fall von "diese Aussagen [haben] wahre Feststellungen mit anderen, die nicht sicher waren, unentwirrbar vermischt". Man kann aber nicht widersprüchlichen und / oder verwirrendeden Aussagen gegenüber gehorsam sein, und die Kirche verlangt nie was unmöglich ist. Insofern ist "das Konzil" (V2) in Praxis derzeit weniger bindend als vorhergehende Konzile. Irgendwann werden wir genau wissen, was an diesem Konzil wirklich dran ist, aber dem Enthusiasmus zum Trotz der "das Konzil" (V2) aggressiv als die endgültige Lehrmeinung der Kirche propagiert hat, ist schlicht noch abzuwarten wie Ungenauigkeiten und Widersprüche gelöst werden.
In einem praktischen Sinne hat "das Konzil" (V2) also quasi wieder Raum für individuelle Meinungen bzgl. gewisser Lehrfragen geschafften, weil es Lehren und Intepretationen verunklart hat. Was ich als Katholik zur Religionsfreiheit zu sagen habe schien nach Pius IX klar zu sein. Aber seit
Dignitatis Humanae kann ich es nun nicht mehr so genau sagen, und bin insofern schlicht gezwungen mir dazu meine eigene Meinung zu bilden. Es wäre anders, falls
Dignitatis Humanae die Aussagen von Pius IX als häretisch oder wenigstens explizit als ungenügend diskutiert hätte. Hat es aber nicht. Insofern: