XII Thesen

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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Robert Ketelhohn
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XII Thesen

Beitrag von Robert Ketelhohn »

XII ThesenXII Theses
IDas Ökumenische Konzil ist die Versammlung von Bischöfen der ganzen Ökumene in Gemeinschaft mit dem römischen Stuhl, die über Fragen des Glaubens verbindlich für die gesamte Kirche und von der Kirche anerkannt entscheidet.Œcumenica synodus coëtus est episcoporum totius orbis in communione cum sede Romana de materia fidei definitive judicans pro Ecclesia universa et ab ipsa Ecclesia agnitus.
IIDas II. Vatikanische Konzil hat keine solche verbindliche Glaubensentscheidung treffen wollen noch tatsächlich getroffen. Es ist darum kein Ökumenisches Konzil, das Anerkennung durch die Gesamtkirche verlangt.Concilium Vaticanum II tali modo de materia fidei decernere non voluit nec decrevit, qua re non est synodus œcumenica quæ ab universa Ecclesia sit agnoscenda.
IIIWenn also die Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils von den Gläubigen zwar diskutiert werden dürfen, so darf dies doch stets nur unter Wahrung der den Konzilsvätern als den Hirten und Lehrern der Kirche gebührenden Achtung geschehen.Statuta ergo concilii Vaticani II cum a fidelibus disputari liceant, non tamen sunt agitanda nisi cum reverentia patribus synodi debita uti pastoribus atque doctoribus Ecclesiæ.
IVDas I. Vatikanische Konzil hat ausdrücklich erklärt, es spreche nur für die heilige, katholische und apostolische Römische Kirche, das heißt: für den Patriarchat des Abendlands. Diese ausdrückliche Beschränkung auf die Römische Kirche schließt von selbst die anderen Patriarchalkirchen aus, welche den Riten der Orientalen folgen. Hieraus ergibt sich, daß auch jenes Konzil kein wahrhaft Ökumenisches ist.Concilium Vaticanum I explicite sese pro Sancta catholica apostolica Romana Ecclesia tantum loqui declaravit, id est pro patriarchatu occidentis. expressa vero limitatio ad Romanam Ecclesiam ipso facto alias Ecclesias patriarchales excludit, quæ orientalium ritus sequuntur. hinc elucet et illud concilium vere œcumenicum non esse.
VDarum heischen die Entscheidungen des I. Vatikanischen Konzils, wie auch jene des II. Vatikanischen, wiewohl sie von den Gläubigen stets mit der den Synodenvätern geschuldeten Achtung anzunehmen sind, dennoch keinen unbedingten Glaubensgehorsam, sondern dürfen diskutiert werden und können, ja müssen sogar vom kirchlichen Lehramt im Lichte der geheiligten Überlieferung gedeutet werden, insofern sie von dieser abweichen oder in solchem Sinn verstanden werden können.Ideo decreta Vaticani Concilii I, sicut et illa Vaticani II, etsi a fidelibus semper cum reverentia patribus synodi debita sint accipienda, tamen non petunt obsequium fidei absolutum, sed caute disputari licent et ab magisterio ecclesiastico possunt vel immo debent interpretari in luce sacræ traditionis, quoad ab ipsa traditione declinant vel tali sensu comprendi possunt.
VIDie als IV. Konzil von Constantinopel gerechnete Synode, die sich versammelte, um den gewesenen Constantinopolitaner Patriarchen Photius abzuurteilen, war zu ihrer Zeit keineswegs als ökumenisch anerkannt worden, sondern wurde vielmehr nach zehn Jahren von einem neuen Konzil teilweise aufgehoben, was auch der römische Papst bestätigte; daß spätere Jahrhunderte dies Konzil unter die ökumenischen rechneten, ist also nichts als ein historischer Irrtum.Concilium quod dicunt Constantinopolitanum IV, congregatum ad Photium jam patriarcham Constantinopolitanum dijudicandum, minime ut œcumenicum agnitum fuerat suo tempore, immo post decem annos novo concilio partim sublatum est, quod et Romanus pontifex agnovit; quod vero sæcula posteriora istud concilium inter synodos œcumenicas numerarunt, non est igitur nisi error historicus.
VIIDie als I., II. III. und V. Laterankonzil gezählten Synoden, ebenso das I. Konzil von Lyon und das von Vienne, unterscheiden sich ihrer Natur nach nicht von den andern von den römischen Päpsten zusammengerufenen Generalsynoden, insofern sie nämlich weder dogmatische Angelegenheiten behandelten noch den Glauben der Gesamtkirche betrafen. Hieraus folgt, daß sie im strengen Sinne keine Ökumenischen Konzilien sind.Concilia Lateranensia quæ dicuntur I, II, III et V, similiter etiam Lugdunense I et Viennense, secundum indolem eorum non differunt ab aliis conciliis generalibus a Romanis pontificibus convocatis, non scilicet tractantia causas dogmaticas neque ad fidem Ecclesiæ universæ spectantia. hinc satis elucet illa concilia sensu strictu œcumenica non esse.
VIIIWenn auch das Konzil von Konstanz in der Öffentlichkeit größere Bedeutung hatte als die vorgenannten Synoden, hat es doch nur innere Angelegenheiten des abendländischen Patriarchats behandelt, vor allem die Frage des römischen Schismas und den Konziliarismus, also die Rolle von Konzil und Papst in der römischen Kirche.Concilium Constantiense cum majoris momenti esset in publico quam concilia supradicta, et ipsum nil nisi causas patriarchatus occidentalis tractavit internas, præsertim quæstionem schismatos Romani et conciliarismum, id est qualem habeat partem concilium in Ecclesia Romana seu qualem habeat summus pontifex.
IXAm II. Konzil von Lyon nahm, obgleich es sich der Erneuerung der Einheit der Kirche widmete, östlicherseits allein der Kaiser Michael Paläologus teil, während die östlichen Patriarchen und Bischöfe abwesend blieben. Deshalb wurde es kein Ökumenisches Konzil, wenn es auch gewollt hatte.Concilium Lugdunense II etsi unitatem Ecclesiæ instaurando studebat, tamen ex parte orientalium præsentiæ imperatoris tantum gaudebat, Michaelis nempe Palæologi, patriarchis atque episcopis orientalibus absentibus. qua de causa non factum est œcumenicum, etsi voluerat.
XUnter den Vätern des Florentiner Konzils endlich waren auch zahlreiche Griechen. Ja, dies Konzil verhandelte dogmatische Angelegenheiten nicht nur, sondern beschloß auch dogmatische Definitionen. Weil aber der andere Teil des östlichen Episkopats fern blieb und die Beschlüsse im gesamten Osten nicht anerkannt wurden, wurde die angestrebte Einheit nicht erreicht. Aber auch der römische Papst mußte, beispielshalber, die mangelhafte Definition des Weihesakraments auslegen. Daher erscheint das Florentiner Konzil eher als unvollendet denn als ökumenisch, vielleicht noch unbehauen und roh und, um es so auszudrücken, noch nicht ökumenisch.Synodi tandem Florentinæ inter patres fuerunt et complures Græcorum. immo hæc synodus de dogmaticis non solum agitabat, sed etiam definivit. cum vero alia pars episcopatus orientalium absens staret nec decreta quidem accepta fuerint in toto oriente, unitas petita non est effecta. sed etiam Romano pontifici opus erat ut interpretaretur, exempli gratia, definitionem indigentem de sacramento ordinis. hinc Florentinum videtur potius imperfectum quam œcumenicum, forsit impolitum adhuc et rude et, ut ita dixerim, nondum œcumenicum.
XIDas IV. Laterankonzil und das von Trient erfreuen sich in der römischen Kirche höchster Wertschätzung. Da aber östliche Väter nicht anwesend waren, sind sie nicht ökumenisch. Insofern sie aber den Glauben der Gesamtkirche betreffen, heischen sie universale Anerkennung. Dies wird auf einem neuen Ökumenischen Konzil zu behandeln sein, unbeschadet dessen Freiheit zur Beschlußfassung.Lateranensis synodus IV necnon Tridentina in Romana Ecclesia maxima gaudent æstimatione. patres vero orientalibus non præsentibus, œcumenicæ non sunt. dummodo vero ad fidem Ecclesiæ universalis spectent, petunt agnitionem universalem. de qua agitandum erit in nova synodo œcumenica, salva ipsius libertate decernendi.
XIIDie oben vorgestellten Thesen spiegeln, wiewohl sie nicht so verstanden sein wollen, als beschrieben sie mit Gewißheit den katholischen Glauben, doch wahrhaftig unsere Überzeugung wider und werden von uns verteidigt werden, ohne daß dadurch die Autorität des authentischen Lehramts irgend aufgehoben wäre.Theses supra propositæ cum intendi nolint uti fidem catholicam secure describentes, tamen persuasionem nostram veraciter reflectant et a nobis defendentur, auctoritate magisterii authentici minime derogata.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
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Stefan

Beitrag von Stefan »

Ich höre Luther reden...

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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Auf der Basis dieser zwölf Thesen könnte man ein Ökumenisches Konzil einberufen.

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Pelikan
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Beitrag von Pelikan »

Ohne auf alle Thesen im einzelnen eingehen zu können, erachte ich bereits die erste für theologisch und epistemisch unhaltbar. Eine Definition von 'ökumenisch', in der das Petrusamt, das Amt der Einheit, nicht vorkommt, ist nicht hinreichend.

Wenn etwas verbindlich und für alle Zeiten gelten soll, bedarf es eines objektiv erkennbaren Prüfsteins. Synoden sind immer wieder zusammengetreten, und Gruppen, Länder, Völker etc. waren dabei sehr unterschiedlich repräsentiert. Wenn jede Gruppe mit selbst festgelegter Eigenidentität aufgrund unterdurchschnittlicher Repräsentation in einem Konzil diesem die Gefolgschaft verweigern dürfte, wäre epistemisches Chaos die Folge. Niemand könnte sicher wissen, was nun gilt und was nicht. Sicherlich muß ein ökumenisches Konzil jedem Bischof offenstehen. Einladungen müssen an alle Patriarchen ergehen. Wenn diese aber eigenwillig fernbleiben, wessen Problem ist das? Der Charakter des Konzils, dabei besonders seine Erkennbarkeit als konkrete Realisierung des Beistands, die der Heilige Geist der Kirche gewährt, muß aus anderen Quellen schöpfen als der Repräsentation nach modern-demokratischen Spielregeln.

Worin dieser Prüfstein der Orthodoxie und Einheit besteht, ist in der göttlichen Offenbarung ersichtlich. Zum einen im Handeln des Herrn, der einen der Apostel eindeutig aus den anderen hervorhebt, zum anderen dann aus der weiteren Heilsgeschichte, in der Rom sich als Fokalpunkt herausschält. Deswegen ist zurecht gesagt, daß genau die Konzilien ökumenisch sind, denen der Bischof von Rom vorsitzt (oder ihnen jedenfalls seine Zustimmung nicht verweigert).

Das 2. Vatikanum erfüllt das Kriterium. Der Papst hat die Akte des Konzils ratifiziert. Und diese enthalten sehr wohl dogmatische Entscheidungen, auch wenn sie nicht in formelle Anathemata gegossen wurden. Das wäre z.B. an die Möglichkeit des Heils durch implizites Begehren zu denken: Vorher zwar wahrscheinlich, jetzt aber endgültig zu halten.

Man sieht auch eine große Ähnlichkeit in den Ekklesiologien all derjeniger, die von irgendeinem Konzil an der Kirche die Gemeinschaft verweigern, egal ob sie nun Oriental-Orthodoxe, Ost-Orthodoxe, Protestanten oder SSPX-Schismatiker sind. Die Kirche ist für sie nie aktual und letztverbindlich präsent, sondern sie lokalisieren sie in einer verklärten Vergangenheit. An einem willkürlichen Punkt der Kirchengeschichte setzen sie eine Zäsur und erheben diesen Punkt, tot und festgefroren, zum Maß für alle anderen Zeiten. Allein die Autorität des kontinuierlichen Petrusamtes ist der Ausweg aus dieser Sackgasse in eine wahrhaft lebendige und handlungsfähige Kirche hinein.

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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Robert, wenn diese Thesen von Benedikt XVI oder einem seiner Nachfolger angenommern würden, dann gäbe es endlich eine Hoffnung.
Zuletzt geändert von Alexander am Mittwoch 21. September 2005, 15:39, insgesamt 2-mal geändert.
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf.
Gib Kraft zu tragen, was du schickst,
laß die Furcht
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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Pelikan hat geschrieben:Die Kirche ist für sie nie aktual und letztverbindlich präsent.
Pelikan, du unterstellst uns irgendwelche Sachen, ohne Dich in der Materie auszukennen. Dein Spruch, den ich da zitiere, läßt sich auf die Orthodoxie keinesfalls anwenden. Beweise mir den Gegenteil!
Im ekklesiologischen Gesichtspukt ist keine christliche Gemeinschaft weiter von den Protestanten entfernt, als die Orthodoxe Kirche --- unser Verhältnis zu der hl. Apostolischen Überlieferung ist genau andersrum, als bei den Protestanten. Da sind die römischen Katholiken noch "protestantischer" als wir.
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Pelikan hat geschrieben:Ohne auf alle Thesen im einzelnen eingehen zu können, erachte ich bereits die erste für theologisch und epistemisch unhaltbar. Eine Definition von 'ökumenisch', in der das Petrusamt, das Amt der Einheit, nicht vorkommt, ist nicht hinreichend.
Ich stimme dir zu. Ich hatte das, offen gesagt, heute morgen auch
selber bemerkt und mir bereits vorgenommen, die I. These entspre-
chend zu ergänzen. Ich habe das jetzt getan.
Pelikan hat geschrieben:Einladungen müssen an alle Patriarchen ergehen.
Damit stimmst du einem Großteil meiner Thesen schon zu. Denn
bei den meisten westlichen, seit Robert, meinem Namenspatron, als
ökumenisch gezählten Konzilien hatte man an die östlichen Episko-
pate keineswegs gedacht. Ausgenommen, soweit ich sehe, nur das
Lateranense IV und das Florentinum. Über das Lugdunense II könn-
te man eventuell noch streiten.
Pelikan hat geschrieben:Das wäre z.B. an die Möglichkeit des Heils durch implizites Begehren zu denken: Vorher zwar wahrscheinlich, jetzt aber endgültig zu halten.
Nein, das ist über anderthalbtausendjährige Tradition.
Pelikan hat geschrieben:Deswegen ist zurecht gesagt, daß genau die Konzilien ökumenisch sind, denen der Bischof von Rom vorsitzt (oder ihnen jedenfalls seine Zustimmung nicht verweigert).
Zur Ökumenizität genügt das offensichtlich nicht, denn sonst müß-
ten wir wohl ein paar Dutzend weiterer römischer Lokal- und Gene-
ralsynoden für ökumenisch erklären.
Pelikan hat geschrieben:Allein die Autorität des kontinuierlichen Petrusamtes ist der Ausweg aus dieser Sackgasse in eine wahrhaft lebendige und handlungsfähige Kirche hinein.
Das Problem beginnt nun leider da, wo das Petrusamt es an solcher
Kontinuität fehlen läßt. Anders gesagt, wenn es Neuerungen einführt,
die mit der Tradition in Konflikt stehen oder zu stehen scheinen.

Wenn ich an irgendeinem Punkt feststelle: Das kann nicht mehr dem
Glauben entsprechen, den wir empfangen haben – ein solcher Punkt
ist, um plakativ einen Begriff zu nennen, „Assisi“ –, dann beginne ich,
weiter zurückzuschauen und finde Neuerung um Neuerung.

Nur einige Stichwörter: Interreligiosismus, Menschenrechtsideologie
und Demokratismus, Vermengung petrinischer und patriarchaler Auf-
gabe des römischen Bischofs und Aushöhlung des Bischofsamtes so-
wie der nicht-römischen Patriarchate – zuerst durch die Überhöhung
des römischen Stuhls, neuerdings auch durch das der göttlichen Ver-
fassung der Kirche fremde Institut der Bischofskonferenzen –, fakti-
sche Abschaffung der niederen Weihen, nachträgliche Ergänzung eines
von einem Ökumenischen Konzil definierten Glaubenssymbols, litur-
gische Änderungen wie Zelebration auf der Theaterbühne zum Publi-
kum hin, Einführung der Kirchenbänke, Verzicht auf den Laienkelch
und Verwendung ungesäuerter Brote als Hostien.

Das ist eine bunte Mischung und keineswegs alles gleichwertig. Auch
nicht alles von vornherein illegitim. Aber solche Änderungen gehören
auf den Prüfstand, wenn wir heute das Ergebnis sehen: den katastropha-
len Zustand der Verwirrung nicht nur bei den Gläubigen, sondern auch
und gerade unter den Hirten. Was ist schiefgelaufen?

Die Berufung auf das Petrusamt allein kann da nicht mehr helfen. Als
ob der Nachfolger Petri absoluter Monarch und Herr der Überlieferung
sei! Nein, er ist ihr Knecht – und er kann, das hat die Geschichte erwie-
sen, in Erfüllung seines Knechtsamtes fehlen.

Darum irren auch jene Traditionalisten, die das Vaticanum II verwerfen
und sich zugleich – verzweifelt, möchte ich sagen – ans Vaticanum I klam-
mern. Leider ist es anders: Der Weg führt vom Vaticanum I geradenwegs
zum Vaticanum II und weiter nach Assisi.
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rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Es-Ergo-Cogito
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Beitrag von Es-Ergo-Cogito »

Die Thesen gehen also von einer Differenzierung zwischen einem Ökumenischen Konzil und einem Vatikanischen Konzil aus? ...oder haben diese zum Ziel...?

Habe ich das richtig verstanden?
«::: pax tecum :::»

Es-Ergo-Cogito
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Beitrag von Es-Ergo-Cogito »

Robert Ketelhohn hat geschrieben: [..]
Das kann nicht mehr dem
Glauben entsprechen, den wir empfangen haben – ein solcher Punkt
ist, um plakativ einen Begriff zu nennen, „Assisi“ –, dann beginne ich, weiter zurückzuschauen und finde Neuerung um Neuerung.

Nur einige Stichwörter: Interreligiosismus, Menschenrechtsideologie
und Demokratismus, Vermengung petrinischer und patriarchaler Auf-
gabe des römischen Bischofs und Aushöhlung des Bischofsamtes so-
wie der nicht-römischen Patriarchate – zuerst durch die Überhöhung
des römischen Stuhls, neuerdings auch durch das der göttlichen Ver-
fassung der Kirche fremde Institut der Bischofskonferenzen –, fakti-
sche Abschaffung der niederen Weihen, nachträgliche Ergänzung eines von einem Ökumenischen Konzil definierten Glaubenssymbols, liturgische Änderungen wie Zelebration auf der Theaterbühne zum Publikum hin, Einführung der Kirchenbänke, Verzicht auf den Laienkelch und Verwendung ungesäuerter Brote als Hostien.

Das ist eine bunte Mischung und keineswegs alles gleichwertig. Auch nicht alles von vornherein illegitim. Aber solche Änderungen gehören auf den Prüfstand, wenn wir heute das Ergebnis sehen: den katastrophalen Zustand der Verwirrung nicht nur bei den Gläubigen, sondern auch und gerade unter den Hirten. Was ist schiefgelaufen?

Die Berufung auf das Petrusamt allein kann da nicht mehr helfen. Als
ob der Nachfolger Petri absoluter Monarch und Herr der Überlieferung sei! Nein, er ist ihr Knecht – und er kann, das hat die Geschichte erwiesen, in Erfüllung seines Knechtsamtes fehlen.

[..]

Der Weg führt vom Vaticanum I geradenwegs
zum Vaticanum II und weiter nach Assisi.[/align]
#Robert
Daß Assisi nicht nur ein absoluter Fehlgriff war, ist sicher - und wurde bereits von allerhöchster Stelle eindrucksvoll geahndet...

...jedoch VATII und in Konsequenz VATI umzuinterpretieren, um eine Art "Sündenbock" für die heutigen - mit Recht von Dir kritisierten - Zustände zu benennen, halte ich für zu kompliziert und eigentlich indiskutabel, obwohl als Brücke zur Orthodoxie wirklich interessant!

Ich meine, daß die von Dir mit Recht kritisierte "Verwirrung unter den Gläubigen" durch die Umsetzung der XII Thesen aus Berlin-Mitte noch weiter zunehmen würde, da in den XII Thesen der den Konzilsbeschlüssen geschuldete Gehorsam relativiert wird...
...Gehorsam und Ungehorsam stehen einander immer feindlich gegenüber... ...wo willst Du da Deinen fliessenden Zwölfhesengehorsam platzieren...?

Viel besser und auch viel einfacher wäre es, wenn man bestehende Instrumente, wie u. a. den Antimodernisteneid konsequent abverlangt und die Einhaltung überprüft und gleichzeitig der "Kirche von unten" einen Kardinalskopf gibt, damit die sich endlich öffentlich als "Kirche" konstituieren kann...

Nach diesem Umbruch wird es viel einfacher sein, vielleicht sogar auf der Grundlage der XII Thesen aus Berlin Mitte, eine gangbare Brücke zur Orthodoxie zu errichten... denn...

...daß diese Brücke von katholischer Seite aus errichtet werden muß, ist unzweifelhaft, dies entspricht auch Deinem in den XII Thesen dargelegten Anliegen.
«::: pax tecum :::»

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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Die Umsetzung der zwölf Thesen und Aufhebung der von Robert angesprochenen Neuerungen würden einen aufrichtigen Gehorsam der apostolischen Überlieferung gegenüber bedeuten. Von wegen Ungehorsam. Eine Rückkehr zu der Orthodoxie, ein Ablegen der Irrungen, ein geistliches Wiederaufleben, das ist die Richtung, in welche der von Rober aufgezeigte Vektor zeigt.
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Es-Ergo-Cogito
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Beitrag von Es-Ergo-Cogito »

Alexander hat geschrieben:Die Umsetzung der zwölf Thesen und Aufhebung der von Robert angesprochenen Neuerungen würden einen aufrichtigen Gehorsam der apostolischen Überlieferung gegenüber bedeuten. Von wegen Ungehorsam. Eine Rückkehr zu der Orthodoxie, ein Ablegen der Irrungen, ein geistliches Wiederaufleben, das ist die Richtung, in welche der von Rober aufgezeigte Vektor zeigt.
Die Richtung des Vektors sehe ich sehr wohl.

...jedoch sehe ich keine Forderung einer "Rückkehr" zur Orthodoxie (so als ob wir von dort kämen und wir uns verirrt hätten)

"Geistliches Wiederaufleben" kann ich allerorten schon beobachten, dies geschieht jedoch schon ohne explizites "Ablegen von Irrungen" durch die Kirche.
Geistliches Wiederaufleben kann niemals verordnet werden, allenfalls kann der Boden hierfür bereitet werden - so jedenfalls interpretiere ich sowohl Deine Aussage... als auch den Wunsch Roberts nach Korrekturen...
Bei dieser "Aufbereitung des Bodens" ist jeder einzelne gefordert, zuallerst ich selbst, ...durch tägliche Umkehr... ...ganz ohne III Vatikanisches Konzil!
«::: pax tecum :::»

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Pelikan
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Beitrag von Pelikan »

Alexander hat geschrieben:
Pelikan hat geschrieben:Die Kirche ist für sie nie aktual und letztverbindlich präsent.
Pelikan, du unterstellst uns irgendwelche Sachen, ohne Dich in der Materie auszukennen. Dein Spruch, den ich da zitiere, läßt sich auf die Orthodoxie keinesfalls anwenden. Beweise mir den Gegenteil!
Im ekklesiologischen Gesichtspukt ist keine christliche Gemeinschaft weiter von den Protestanten entfernt, als die Orthodoxe Kirche --- unser Verhältnis zu der hl. Apostolischen Überlieferung ist genau andersrum, als bei den Protestanten. Da sind die römischen Katholiken noch "protestantischer" als wir.
Auf welche Weise könnte deine Kirche heute eine Definition hervorbringen, der du den selben Gehorsam schuldetest wie den Definitionen von, sagen wir, Chalcedon? Ich spreche von der Fähigkeit, die gesamte Kirche unfehlbar und endgültig auf ein Dogma festzulegen. Die alte Kirche konnte es. Die Kirchen in Gemeinschaft mit dem Papst können es immer noch. Wer sonst?

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Pelikan
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Beitrag von Pelikan »

Robert hat geschrieben:Damit stimmst du einem Großteil meiner Thesen schon zu. Denn
bei den meisten westlichen, seit Robert, meinem Namenspatron, als
ökumenisch gezählten Konzilien hatte man an die östlichen Episko-
pate keineswegs gedacht. Ausgenommen, soweit ich sehe, nur das
Lateranense IV und das Florentinum. Über das Lugdunense II könn-
te man eventuell noch streiten.
Bleibt die Frage, ob man jemanden einladen muß, von dem man weiß, daß er nicht kommen will. Selbst wenn wir alle Konzilien ausnähmen, von denen die getrennten Patriarchen nichts wußten: Die wirklichen Knackpunkte wie 1. Vaticanum werden sich so nicht umschiffen lassen. Da sind sie eigenmächtig ferngeblieben.
Nein, das ist über anderthalbtausendjährige Tradition.
Gut, sonst hätte es ja auch nicht definiert werden können. Aber die letztendliche lehramtliche Festlegung hat das 2. Vaticanum getroffen.
Zur Ökumenizität genügt das offensichtlich nicht, denn sonst müß-
ten wir wohl ein paar Dutzend weiterer römischer Lokal- und Gene-
ralsynoden für ökumenisch erklären.
Stimmt auch wieder. Also müßte es heißen: genau die sind ökumenisch, an denen der Papst mitwirkt und an die er die Gesamtkirche endgültig zu binden beabsichtigt.
Die Berufung auf das Petrusamt allein kann da nicht mehr helfen. Als
ob der Nachfolger Petri absoluter Monarch und Herr der Überlieferung
sei! Nein, er ist ihr Knecht – und er kann, das hat die Geschichte erwie-
sen, in Erfüllung seines Knechtsamtes fehlen.
Ich sehe trotzdem keinen Weg, die Dogmen über die päpstliche Gewalt zu relativieren. Deine Thesen laufen darauf hinaus, daß es der Kirche an einem Merkmal ihrer Katholizität mangelt, wenn dieser oder jener Patriarch nicht zum Konzil erscheint: sie kann ihre volle Lehrgewalt nicht ausüben, nicht unfehlbar definieren. Das ist, gelinde gesagt, unbefriedigend. Der Herr hat den Beistand des Heiligen Geistes nicht an ein Quorum gebunden.

Es-Ergo-Cogito
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Beitrag von Es-Ergo-Cogito »

Pelikan hat geschrieben: Ich sehe trotzdem keinen Weg, die Dogmen über die päpstliche Gewalt zu relativieren. Deine Thesen laufen darauf hinaus, daß es der Kirche an einem Merkmal ihrer Katholizität mangelt, wenn dieser oder jener Patriarch nicht zum Konzil erscheint: sie kann ihre volle Lehrgewalt nicht ausüben, nicht unfehlbar definieren. Das ist, gelinde gesagt, unbefriedigend. Der Herr hat den Beistand des Heiligen Geistes nicht an ein Quorum gebunden.
...sehr richtig.
«::: pax tecum :::»

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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Pelikan hat geschrieben: Auf welche Weise könnte deine Kirche heute eine Definition hervorbringen, der du den selben Gehorsam schuldetest wie den Definitionen von, sagen wir, Chalcedon? Ich spreche von der Fähigkeit, die gesamte Kirche unfehlbar und endgültig auf ein Dogma festzulegen. Die alte Kirche konnte es. Die Kirchen in Gemeinschaft mit dem Papst können es immer noch. Wer sonst?
Auf dieselbe Weise, Pelikan, wie das Konzil von Chalkedon. Auf die konziliare Weise.
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf.
Gib Kraft zu tragen, was du schickst,
laß die Furcht
nicht über mich herrschen.
(D. Bonhoeffer)

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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Pelikan hat geschrieben:
Robert hat geschrieben:Damit stimmst du einem Großteil meiner Thesen schon zu. Denn
bei den meisten westlichen, seit Robert, meinem Namenspatron, als
ökumenisch gezählten Konzilien hatte man an die östlichen Episko-
pate keineswegs gedacht. Ausgenommen, soweit ich sehe, nur das
Lateranense IV und das Florentinum. Über das Lugdunense II könn-
te man eventuell noch streiten.
Bleibt die Frage, ob man jemanden einladen muß, von dem man weiß, daß er nicht kommen will. Selbst wenn wir alle Konzilien ausnähmen, von denen die getrennten Patriarchen nichts wußten: Die wirklichen Knackpunkte wie 1. Vaticanum werden sich so nicht umschiffen lassen. Da sind sie eigenmächtig ferngeblieben.
Was für eine Unkenntnis der Kirchengeschichte. Übrigens, beachte, was Robert in dem von Dir zitierten Abschnitt schreibt: er sagt (klugerweise) "Episkopate" und nicht "Patriarchen".
Zuletzt geändert von Alexander am Donnerstag 22. September 2005, 23:40, insgesamt 2-mal geändert.
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Beitrag von Alexander »

Leute, tut es Robert und Juergen gleich, bildet Euch doch in Kirchengeschichte und Patristik. Das wäre für die Diskussion sehr förderlich.
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Beitrag von Alexander »

Pelikan hat geschrieben: Deine Thesen laufen darauf hinaus, daß es der Kirche an einem Merkmal ihrer Katholizität mangelt, wenn dieser oder jener Patriarch nicht zum Konzil erscheint: sie kann ihre volle Lehrgewalt nicht ausüben, nicht unfehlbar definieren. Das ist, gelinde gesagt, unbefriedigend. Der Herr hat den Beistand des Heiligen Geistes nicht an ein Quorum gebunden.
Nicht der oder jener Patriarch, sondern das Episkopat von den damals vier Ostpatriarchaten und der autokephalen Kirche von Kreta, später um weitere Patriarchate und kleinere autokephale Kirchen erweitert.

Mit dem Quorum: die römische Kirche demonstriert da alle Konsequenz: es heißt, ein Papst ohne Konzil könne Dogmen verkünden (etwa die unbefleckte Empängnis Mariä); ein Konzil könne es ohne den Papst nicht. Somit sind die Konzilien doch de facto abgeschafft! Sie können ja gar nichts entscheiden, sie sind nur eine feierliche Kulisse für päpstliche Entscheidungen oder höchstens ein beratendes Organ.
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großes Elend ist über mich gekommen.
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Pelikan
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Beitrag von Pelikan »

Alexander hat geschrieben:Somit sind die Konzilien doch de facto abgeschafft!
Ist schon komisch: Die, die Konzilien angeblich abgeschafft haben, halten fröhlich eins nach dem anderen. Die, die angeblich so konziliar sind, halten gar keine mehr.
Auf dieselbe Weise, Pelikan, wie das Konzil von Chalkedon. Auf die konziliare Weise.
Meine Frage war weitaus inkarnatorischer gemeint. Fangen wir doch damit an: Welcher heute lebende Mensch kann dieses Konzil einberufen?

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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Pelikan hat geschrieben: Meine Frage war weitaus inkarnatorischer gemeint. Fangen wir doch damit an: Welcher heute lebende Mensch kann dieses Konzil einberufen?
Der Patriarch von Konstantinopel.
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf.
Gib Kraft zu tragen, was du schickst,
laß die Furcht
nicht über mich herrschen.
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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Übrigens, auch ein Dogma (und andere Entscheidungen), welches (welche) auf einem Lokalkonzil formuliert worden ist (sind) und durch die Gesamtkirche angenommen wurde(n), kann (können) allgemeine Gültigkeit erlangen. Das ist schon mehrmals geschehen.
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Pelikan hat geschrieben:
Alexander hat geschrieben:Somit sind die Konzilien doch de facto abgeschafft!
Ist schon komisch: Die, die Konzilien angeblich abgeschafft haben, halten fröhlich eins nach dem anderen. Die, die angeblich so konziliar sind, halten gar keine mehr.
Soso. Die wesltichen fröhlich abgehaltenen Konzilien sind aller Entscheidungskraft beraubt. Und vor den Konzilien der orthodoxen Ortskirchen, die übrigens regelmäßig abgehalten werden, müssen unter anderem auch die Patriarchen Rechenschaft ablegen; die Konzilien haben ihre Macht, Patriarchen abzusetzen, schon ab und zu praktiziert.
Heuer gab es übrigens auch eine "große Synode" in Konstantinopel mit Vertretern aller orthodoxen Ortskirchen bezüglich einer Krise in Jerusalemer Patriarchat.
Herr Gott,
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Es-Ergo-Cogito hat geschrieben:Die Thesen gehen also von einer Differenzierung zwischen einem Ökumenischen Konzil und einem Vatikanischen Konzil aus? ...oder haben diese zum Ziel...?

Habe ich das richtig verstanden?
Sie versuchen ein Nachdenken darüber in Gang zu bringen, welche Konzilien als ökumenisch anzusehen sind und welchen, obgleich sie im Westen als solche gerechnet werden, bloß regional begrenzte Geltung zukommt.

Bei einigen in der Reihe ist ja ganz offensichtlich, daß sie mehr durch historische Zufälligkeiten nachträglich in die Liste aufgenommen wurden. „Nachträglich“, das heißt hier: aufgrund der Aufstellung, die mein seliger Namenspatron Robert Bellarmin nach dem Tridentinum vorgenomen hat – und die, das muß man dazu auch mal deutlich anmerken, selber niemals lehramtlich definiert worden ist.

So ist das „Constantinopolitanum IV“ in der Liste ein kompletter Irrläufer, denn es stellt bloß eine Etappe in einem komplexen kirchenpolitischen Streit dar, die schon zehn Jahre später nicht mehr Bestand hatte und zu seiner Zeit keineswegs allgemein anerkannt war, auch von Rom nicht. Erst nachdem es praktisch in Vergessenheit geraten und dann wieder ausgegraben worden war – jedoch ohne die folgende historische Entwicklung –, stilisierte man es im Westen zum Ökumenischen Konzil hoch, weil es das Feindbild Photius so schön verurteilt hatte. Daß der jedoch wenige Jahre später versöhnt mit dem römischen Stuhl gestorben und das „Constantinopolitanum IV“ obsolet war, das wußte man nicht mehr.

Eine Reihe anderer Konzilien waren reine Generalsynoden der abendländischen Patriarchats und wollten auch nichts anderes sein. Wiederum war es erst die nachtridentische Zeit, die sich zwar um die Historie bemühte, dies jedoch leider auf ganz unzureichender Quellenbasis und zudem nicht gerade frei von Voreingenommenheit tat, die reichlich willkürlich einige dieser Generalsynoden zu Ökumenischen Konzilien erklärte.

Das sind zunächst ganz offensichtlich das Lateranense I, II, III & V, das Lugdunense I und das Viennense. Wenn man dann aber weiterschaut, dann findet man auch ein historisch doch immerhin so bedeutsames Ereignis wie das Konzil von Konstanz – als eine gänzlich „innere Angelegenheit“ des Abendlands.

Denn es ging da um die Heilung des großen abendländischen Schismas, ferner auch um einige häretische Gruppen, was aber auch rein westliche Erscheinungen waren.

Und so weiter. Ich will das nicht im einzelnen wiederholen, die Kernthesen stehen ja oben schon. Es mag nun jemand einwenden: »Wie auch immer, die römische Kirche hat all dies für ökumenisch erklärt oder geht zumindest von den Ökumenizität dieser Konzilien aus, und das ist völlig legitim, denn die Ostler haben sich 1054 abgespalten, sind also Schismatiker und haben auf einem Ökumenischen Konzil ohnehin nichts zu suchen, bevor sie sich nicht wieder Rom unterwerfen.«

Das ist so in etwa die Argumentation des einen Teils des „konservativ-papsttreuen“ wie auch des „traditionalistischen“ Lagers. Der andere Teil dagegen liebäugelt eher mit der orthodoxen Seite. Beide Anschauungen sind ja hier im Kreuzgang vertreten.

Die skizzierte Argumentation ist aber historisch absolut unhaltbar. Denn es gab im Jahre 1054 keinen vollständigen und endgültigen Bruch, sondern bloß die gegenseitige Exkommunikation einzelner Personen. Die Entfremdung zwischen Ost und West – denn darum handelt es sich – hatte lange vorher begonnen, auch lang vor Photius. Annähernd die Hälfte der Zeit, in welcher immerhin die ersten sieben Ökumenischen Konzilien der Kirche stattfanden – also zwischen 325 und 787 – bestand zwischen Ost und West, oder mindestens zwischen Rom und Byzanz, eine schismatische Situation.

Inwiefern? – Zwei Beispiele. Das erste ist das sogenannte acacianische Schisma (nach dem Constantinopolitaner Patriarchen Acacius, 483 - 519): Der Byzantiner Basileus Zeno hatte der Kirche ein Glaubensbekenntnis oktroyiert, das sogenannte Henoticum. Constantinopel hatte es angenommen, der Rest der Kirche nicht.

Das andere Beispiel: Der Ikonoklasmus. Wiederum war es Constantinopel, das in diesem vom Kaiser aufgezwungenen Irrtum lange Zeit verharrte, etwa von 730 bis 843, mit nur einer kurzen Unterbrechung in der Zeit des siebenten Ökumenischen Konzils.

Wie aber wirkte sich eine solche schismatische Situation praktisch aus? – Nun, grob gesagt kündigte man einander die Kirchengemeinschaft. Man forderte von der andern Seite Umkehr, das heißt: Abkehr von jenem Irrtum, der Auslöser des Schismas gewesen war. Man bestritt einander dennoch nicht die prinzipielle Legitimität, man wählte also keine konkurrierenden Bischöfe und Patriarchen. Solches gab es auch, doch waren solche Parallelhierarchien von vornherein zur Sekte degradiert.

Die Konflikte zwischen Rom und Byzanz ging so tief nicht, gelegentliche Doppelwahlen hatten politische Hintergründe im eigenen Lande. Rom hat keine griechische Parallelhierarchie errichtet, Byzanz keine lateinische. Derartiges geschah erst im Gefolge der nachreformatorischen, von konfessionalistischem Geist geprägten Unionsbemühungen.

So konnte man sich auch trotz bestehenden Schismas im Jahre 787 zum Nicænum II versammeln – und einigen. Auch viel später, nach dem angeblichen Schisma von 1054, war es nicht anders. Zum Florentinum wurde ohne Umstände der angeblich schismatische östliche Episkopat eingeladen – und erschien, und war Teil des Konzils. (Weshalb die Einigung von Florenz nicht tragfähig war, steht auf einem andern Blatt.)

Die »Aufkündigung der Kirchengemeinschaft«, wie ich sie oben nannte, war also eine begrenzte und gewissermaßen primär deklaratorische. Dies wird auch besonders daran sichtbar, daß sie zunächst in aller Regel die Sakramentengemeinschaft der Gläubigen in keiner Weise behinderte. Ein Pilger oder Reisender kommunizierte und beichtete (soweit sprachlich möglich) selbstverständlich bei den Priestern des jeweils anderen Ritus, wenn er in die Gelegenheit kam.

Auch nach 1054 sind gerade die Kreuzzüge der beste Beleg dafür, daß faktisch die Sakramentengemeinschaft der Gläubigen, aber sogar der Episkopate bestand. Besonders die Latinisierungsbemühungen der Kreuzfahrer, die ohne Zweifel viel böses Blut verursachten und letztlich die Spaltung, nementlich der Herzen, vertieften, zeugen gleichwohl davon, daß damals noch die Episkopate und Presbyterien Gemeinschaft hatten. Ein Grieche als Bischof hatte lateinische Priester, die mit den Kreuzfahrern gekommen waren, während sie in der Nachbarstadt bereits einen Lateiner als Bischof installiert hatten, dessen Presbyterium ganz überwiegend aus Griechen bestand.

Die westlichen Konzilien dieser Zeit, die man im späteren 16. Jht. als ökumenisch zu rechnen begonnen hat, waren zu ihrer Zeit also alles andere: außer dem Florentinum. Dieses, wie gesagt, ist ein Thema für sich.

Später hat dieses Bild römischer Generalsynoden das westliche Bewußtsein derart beeinflußt, daß man gleichartige Generalsynoden abhielt und sie nun wirklich für wahrhaft ökumenisch hielt. Und dabei bezeichnet sich das Vaticanum I als Konzil der römischen Kirche, also doch nur des abendländischen Patriarchats! Man hatte längst die patriarchale Funktion des römischen Bischofs mit der weltkirchlichen, „ökumenischen“ bis zur Ununterscheidbarkeit vermengt und verwoben. Man setzte faktisch den Patriarchat des Abendlands mit der Gesamtkirche in eins.

Die Aufgabe steht an, Irrwege der Vergangenheit zu erkennen und zu verlassen. Sonst ist es mit aller patriarchalen Herrlichkeit im Abendland vermutlich bald ganz vorbei.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Robert, These I, hat geschrieben:Das Ökumenische Konzil ist die Versammlung von Bischöfen der ganzen Ökumene in Gemeinschaft mit dem römischen Stuhl, die über Fragen des Glaubens verbindlich für die gesamte Kirche und von der Kirche anerkannt entscheidet.
Bitte definiere "Ökumene". Im lateinischen Äquivalent schreibst Du "totus orbis". Die Sache ist die, daß seit dem Fall der Theokratien die Bezeichnung "Ökumene" maximal noch die Hälfte dessen bedeutet, was sie zu Zeiten der Ökumenischen Konzilien war. Oder andersherum: die Bezeichnung "ökumenisch" hat so, wie es für die sieben großen Konzilien von 325 bis 787 gebraucht wird, keinen Sinn außerhalb der byzantinischen Symphonie zwischen Kirche und Imperium. Der universelle Konsens der Bischöfe, was man geneigt ist als "ökumenisch" zu bezeichnen, ist eigentlich nur die Hälfte dessen, was "ökumenisch" an den sieben Konzilien ist. Es ist also schwierig bis unmöglich, ein Konzil in diesem Sinne als "ökumenisch" zu bezeichnen, das nach dem Fall von Byzanz stattfand (das deshalb, weil der Imperator als Schirmherr aller Christen weltweit und Westrom theoretisch noch als Teil des Imperiums galt). Seit 1453 muß "ökumenisch" etwas anderes sein, als von 325 bis 787.

Als weiteres ein paar Worte zu Deiner Erwähnung des römischen Stuhls. Zum Constantinopolitanum I (381 a.D.) war der Westen überhaupt nicht vertreten, aber dieses Konzil ist das Zweite Ökumenische. Im Jahre 553 rief Justinian das Fünfte Ökumenische Konzil zusammen, ungeachtet dessen, daß Papst Vigilius es ablehnte, daran teilzunehmen. Auf der anderen Seite wurden auch eine Reihe an Konzilien von vornherein als "ökumenisch" einberufen (nämlich z.B. Sardike 343, Rimini 359, Ephesos 449 ("Räubersynode"), Konstantinopel 754 u.a.) - aber dank welcher Mechanismen sind sie nun letzten Endes verworfen bzw. zu Lokalkonzilien erklärt worden? Offensichtlich ist nicht die Gemeinschaft mit dem römischen Stuhl ein Kriterium für die Bezeichnung "ökumenisch". Rein rechtlich ("de iure") war zu byzantinischen Zeiten ein Konzil formal ökumenisch, sobald es vom Imperator einberufen und abgesegnet wurde. Ekklesiologisch steht aber noch viel mehr dahinter: ein Konzil war "ökumenisch", sofern es mit der Stimme der ganzen Kirche sprach. Hierin liegt die Bedeutung der römischen Kirche, die in kirchlichen Fragen deshalb Autorität genoß, weil sie von Byzanz geographisch und politisch recht weit entfernt war und damit als "unbestechlicher", trotz allem aber theoretisch noch als Kirche der Ökumene = des Reiches galt. Das hatte nichts damit zu tun, daß die römische Cathedra von diesem oder jenem Apostel gegründet wurde. Die Gemeinschaft mit dem römischen Stuhl würde ich unserer Tage also nicht als wesentliches Merkmal eines Ökumenischen Konzils ansehen.

Zuletzt noch zum Zusammenhang zwischen "ökumenisch" und der kirchlichen Einheit. Kein einziges der Großen Konzilien (325-787) war ein Konzil, an dem miteinander nicht in Gemeinschaft stehende Lokalkirchen "gleichrangig" teilnahmen. Gab es doktrinale Meinungsverschiedenheiten und damit eine gestörte Gemeinschaft, so waren die orthodoxen Bischöfe die Mitglieder des Konzils, während die der Häresie verdächtigten Vertreter Rede und Antwort zu stehen hatten. Man denke an das Verhältnis zwischen dem hl. Kyrill von Alexandria und Nestorius anno 431, oder zwischen Dioskoros und Flavian in Ephesos, 449 a.D. Die Idee eines "unionalen" Konzils, an dem also voneinander getrennte Lokalkirchen gleichrangig teilnahmen, kam erst nach dem Schisma auf: ein typisches Beispiel dafür ist das Florentinum 1439, das Du erwähnst, und fast bin ich geneigt zu sagen, daß der Grund seines Scheiterns u.a. in diesem "vereinigenden" Konzept lag. Ein Konzept, das von seiten der weltlichen Macht angestrebt war und auf dem bestimmten Ergebnis dessen man "von außen" bestand.

Langer Rede kurzer Sinn: es ist recht unklar, was heutzutage "ökumenisch" im Bezug auf ein Konzil der Kirche Christi bedeuten würde. Jedenfalls ist es nicht wesentliches Kriterium, daß "Bischöfe der ganzen Ökumene in Gemeinschaft mit dem römischen Stuhl" (sic bei Robert) daran teilnehmen. Ich gehe damit gar nicht auf Roberts Einordnung der späteren lateinischen Konzilien ein, die zweifellos absolut berechtigt ist: wollte man aber wenigstens die Einheit aller im Glauben aus der Qualität des Begriffs "ökumenisch" der alten Konzilien herüberretten, so ist selbst die "Abwertung" der postschismatischen römischen Konzilien wie Vaticanum I auf die Ebene einer Lokalsynode nichts, das viel Hoffnung macht: damit befreit man den Rest der Christenheit z.B. bloß von der Obligation, den Bischof von Rom als "vicarius Christi" und die allheilige Jungfrau Maria als "unbefleckt empfangen" anzuerkennen, zumindest für die römische Kirche würde dieser Glaube aber weiter gelten. Deswegen kann ich nicht exakt nachvollziehen, inwiefern die XII Thesen eindeutig in die Richtung einer "Rückkehr zu der Orthodoxie, ein[em] Ablegen der Irrungen" (wie Alexander schreibt) weisen.

Andreas01
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Beitrag von Andreas01 »

Liebe Freunde,

gestattet mir eine OT- Zwischenfrage:
Es-Ergo-Cogito hat geschrieben:Daß Assisi nicht nur ein absoluter Fehlgriff war, ist sicher - und wurde bereits von allerhöchster Stelle eindrucksvoll geahndet
gibt es dazu Quellen?

Vielen Dank Andreas
Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben. Joh 10,10

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Die Aufgabe steht an, Irrwege der Vergangenheit zu erkennen und zu verlassen. Sonst ist es mit aller patriarchalen Herrlichkeit im Abendland vermutlich bald ganz vorbei.
Ich will bloß nochmal hinterherschicken, daß ich durchaus nicht an den "Thesen" rumnörgeln wollte; vielmehr ging es mir um eine gewisse Begriffsklärung bezüglich der Bezeichnung "Ökumene" bzw. "ökumenisch"; na, und dann kann man auch noch ins de facto Off-Topic abgleiten und versuchen zu klären, was "katholisch" ist, und ob zum Beispiel die Kirche von Dresden-Meißen weniger katholisch ist als die von Rom usw.

Josef Steininger
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Beitrag von Josef Steininger »

Die Ausführungen Nietenolafs sind ja ganz interessant, sie machen deutlich, dass der oströmische Kaiser im 1.Jahrtausend einen Einfluß auf das innere Leben der Kirche ausübte, der ihm als Laien nicht zukam. Und es war der Römische Stuhl, der sich gegen diesen Mißstand zunehmend wehrte und ihm schließlich ein Ende setzte. Nietenolaf bestätigt das indirekt, wenn er schreibt, dass die Römische Kirche „in kirchlichen Fragen deshalb Autorität genoß, weil sie von Byzanz geographisch und politisch recht weit entfernt war und damit als "unbestechlicher" ... galt“. Es war ein Werk der göttlichen Vorsehung, die die Geschichte lenkt, dass Kaiser Konstantin die Hauptstadt des Reiches nach Byzanz verlegte und in der Folge in Italien ein politisches Vakuum entstand, das den Päpsten eine gewisse politische Unabhängigkeit ermöglichte und sie instandsetzte, die Freiheit der Kirche vom Staat gegen die Kaiser, zunächst den byzantinischen, später den abendländischen, zu verteidigen.

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Naja, sagen wir... nicht ganz. Der Westen teilte natürlich das theokratische "Konzept", um es so zu nennen... nur bekam eben da der Papst später (in Ermangelung eines Imperators) die weltliche Macht. Und so wirft man sich bis heute gegenseitig Caesaro-Papismus bzw. Papo-Caesarismus vor. Die Göttliche Vorsehung ist aber weder das eine noch das andere, sondern der Untergang beider und damit das Ende der Utopien.

Nun, und in den Häresien, welche die Christenheit im ersten Jahrtausend schüttelten, war die römische Kirche doch tatsächlich in den meisten Fällen der sprichwörtliche Felsen.

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

PS an Josef. Du wirst zugeben müssen, daß die Konzilien eigentlich beredt davon zeugen, daß es dem Kaiser eben nicht gegeben war, in das innere Leben der Kirche einzugreifen. Ich erwähne mal beispielshalber nur das Siebte Ökumenische (787 a.D), wo die Imperatoren ja wohl die Ikonoklasten waren... oder die ganze Geschichte mit den Monophyletentum, wo nicht nur der Kaiser, sondern auch der Papst von Rom Häretiker waren. Das Unionsonzil von Ferrara-Florenz, das vom Kaiser aus politischen Motiven arrangiert und unterstützt wurde, das die Kirche aber ablehnte... usw. usf.

Josef Steininger
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Beitrag von Josef Steininger »

Monophyletentum? Meinst Du da den Monotheletismus und das Honorius-Thema?
Den entscheidenden Beitrag im Kampf gegen den Monotheletismus hat, ungeachtet der Tatsache, dass Papst Honorius den Streitpunkt zunächst nicht richtig auffasste und deswegen in den Ruch der Häresie geriet, Rom geliefert !
Honorius’ Nachfolger haben unter schwersten Bedrohungen standgehalten, inbesondere Papst Martin I., der sich weigerte, den „Typos“, eine häretische Formel, zu unterschreiben, und verschleppt und auf die Krim verbannt wurde, wo er an den Folgen der Gefangenschaft und der grausamen Behandlung starb.

Gerade bei diesem Thema tritt die Bedeutung des Papsttums als Gegenmacht gegen eine Herabwürdigung der Kirche zur Staatskirche besonders hervor. Die Kaiser versuchten, aus Rücksicht auf die Reichseinheit, Kompromissformeln zu finden, die für den monophysitisch gesinnten Osten des Reiches akzeptabel waren. Sie stellten die Staatsräson über die Glaubenswahrheit bzw. versuchten, die Glaubenswahrheit so hinzubiegen, wie es für die Staatsräson passte. Den entscheidenden Widerstand dagegen hat Rom geleistet.

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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Josef Steininger hat geschrieben:Monophyletentum? Meinst Du da den Monotheletismus und das Honorius-Thema?
Den entscheidenden Beitrag im Kampf gegen den Monotheletismus hat, ungeachtet der Tatsache, dass Papst Honorius den Streitpunkt zunächst nicht richtig auffasste und deswegen in den Ruch der Häresie geriet, Rom geliefert !
Honorius’ Nachfolger haben unter schwersten Bedrohungen standgehalten, inbesondere Papst Martin I., der sich weigerte, den „Typos“, eine häretische Formel, zu unterschreiben, und verschleppt und auf die Krim verbannt wurde, wo er an den Folgen der Gefangenschaft und der grausamen Behandlung starb.

Gerade bei diesem Thema tritt die Bedeutung des Papsttums als Gegenmacht gegen eine Herabwürdigung der Kirche zur Staatskirche besonders hervor. Die Kaiser versuchten, aus Rücksicht auf die Reichseinheit, Kompromissformeln zu finden, die für den monophysitisch gesinnten Osten des Reiches akzeptabel waren. Sie stellten die Staatsräson über die Glaubenswahrheit bzw. versuchten, die Glaubenswahrheit so hinzubiegen, wie es für die Staatsräson passte. Den entscheidenden Widerstand dagegen hat Rom geleistet.
Der Past Honorius wurde durch ein ökumenisches Konzil eindeutig wegen des Monotheletismus als Ketzer verurteilt.
Daß seine Nachfolger anders als er orthodox waren, ist sehr erfreulich. Nietenolaf hat ja die Standhaftigkeit der römischen Bischöfe gelobt. Kämpfe gegen keine Windmühlen, die Rolle Roms in der Häresien-Auseinandersetzung wird von den Orthodoxen sehr geschätzt. Auch bei der letzten großen Häresie des 1. Jahrtausends, dem Ikonoklasmus, der jetzt in der römischen Kirche leider immer deutlicher das Haupt erhebt, war die Rolle des Bischofs von Rom ausschlaggebend.

Die Idee der Reichskirche war sowohl im Osten als auch im Westen vorherrschend. Siehe die Ausführungen Nietenolafs.
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf.
Gib Kraft zu tragen, was du schickst,
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Beitrag von Nietenolaf »

Josef Steininger hat geschrieben:Monophyletentum? Meinst Du da den Monotheletismus...
Ja, manchmal (wie in diesem Fall) wettere ich über das Slawische, welches die griechischen Buchstaben Theta und Phi beide gleichermaßen als ф wiedergibt; Eta und Ypsilon sind im Russischen beide als и bezeichnet. und wenn man dann aus dem Slawischen latinisiert (das liegt mir eben mehr als das Griechische), kommt es zu solchen Stilblüten: th --> ph und e (aus Eta) --> y = Mono|ph|y|letismus. Ich hoffe, Du kannst das jetzt nachvollziehen?

Ansonsten geht's mir nicht um das oft diskutierte Paradebeispiel Honorius. Worauf führst Du denn die wichtige Rolle der römischen Kirche bei den alten Häresien zurück? Oder, zurück zum Thema, was wären für Dich die Kriterien, ein Konzil "ökumenisch" zu nennen? Was es im Altertum bedeutete, habe ich versucht, oben darzulegen. Du kommst auch nicht umhin zuzugeben, daß die alten Konzilien, die auch Dich gelehrt haben, Deinen Glauben zu formulieren, nun einmal von Kaisern einberufen wurden. Daß das keine "Einmischung" seitens der weltlichen Macht bedeutete, habe ich oben auch dargelegt.

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