Atheismus und Ethik

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Benutzeravatar
platon
Beiträge: 168
Registriert: Montag 17. November 2003, 00:23

Atheismus und Ethik

Beitrag von platon »

Dieser Thread wurde nicht von Platon eröffnet. Abgesplittet aus "Orthodoxer Oberrabbiner".
Geronimo


Hallo Leute,

wenn es Gott nicht gibt, ist der Mensch dann entweder selbst ein Gott, wie er teilweise im Idealismus dargestellt wurde, oder man gesellt ihn zu den Tieren. Eine Rede von "Größe und Erbärmlichkeit" ist bei einer atheistischen Position kaum noch haltbar, denn woher soll denn die menschliche Würde, die in Sterblichkeit eingehüllt ist, also die Unendlichkeit eingehüllt in der Endlichkeit, ontologisch her kommen? Wenn wir ohnmächtige Wesen sind, gleichzeitig nach dem Bilde Gottes als endliche Freiheitswesen geschaffen sind, so haben wir hier einen existentiellen Umstand, auf den Atheisten gar keine Antwort haben können.

Geht man nun von einer materialistischen Position des Atheismus aus - und er muß nicht materialistisch sein - und der Mensch nichts weiter als ein Tier ist, wieso ist denn dann der Kannibalismus verboten? Das ist vielleicht die Frage, die Hohmann mit seiner Rede ansprechen wollte.

Einen unterschwelligen Antisemitismus konnte ich in seiner Rede nicht entdecken, vielmehr war für mich seine Rede an einigen Stellen mißverständlich. Auf was er mit seiner Rede hinaus wollte, das wird erst in den letzten Absätzen sichtbar, zu sagen, der Atheismus sei nun die ideologische Voraussetzung dafür, daß Menschen sowas tun, was die Nazis und die Kommunisten gemacht haben. Man vergesse nicht, wieviele Menschen unter Lenin gestorben sind.

Was mich also an der Diskussion so sehr stört, ist daß die Wahrheit nicht beim Namen genannt wird. Wenn man ihn also aus der Partei ausschließt, dann deshalb, weil er ein unterschwelliger Vergleich der Atheisten mit tyrannischen Mördern gemacht hat.

Ich meine, wenn man sich auf die religionsphilosophischen Aspekte der Ethik bezieht, darüber spricht, inwiefern Ethik noch möglich ist, wenn man eine atheistische Position vertritt, dann muß man darauf Acht geben, daß man eine metaphysische Begrifflichkeit wählt, und davon Abstand nimmt, populistische Vergleiche mit Nazis, Tyrannen und Mördern zu machen. Von daher distanziere ich mich von Hohmanns Rede. Atheisten leben in der Praxis nicht, was sie in ihrer zumeist oberflächlichen Philosophie vertreten. Atheisten haben oft gute Herzen und sind gewillt das Gute zu tun. Das müßte Hohmann bitteschön auch sagen. Besser wäre es den umgekehrten Weg zu gehen, zu sagen: "Denke groß von der Welt und schätze das Gute, und ich deute Dir Deinen Verstehenshorizont als Gottesglaube".

Grüße, Carlos
Fides quaerens intellectum
(Anselm von Canterbury)

anselm
Beiträge: 370
Registriert: Samstag 1. November 2003, 17:53

Beitrag von anselm »

Hallo Platon,

du sprichst hier ein Thema an "Atheismus und Ethik" und machst einige Bemerkungen dazu, die nicht stimmen, insb. dass Atheismus und ein wohlbegründete Ethik nicht möglich seien.

Eine auf den Interessen der Menschen basierende Ethik ist sehr gut mit einer atheistischen Weltanschauung vereinbar. Das lässt sich auch relative einfach nachweisen. Im Übrigen wird diese Aussage durch die tägliche Praxis auch gut unterstützt.

Benutzeravatar
Erich_D
Beiträge: 1098
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
Wohnort: Salzbayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Erich_D »

anselm hat geschrieben:Eine auf den Interessen der Menschen basierende Ethik ist sehr gut mit einer atheistischen Weltanschauung vereinbar. Das lässt sich auch relative einfach nachweisen. Im Übrigen wird diese Aussage durch die tägliche Praxis auch gut unterstützt.
Ich habe den größten Teil meines Lebens in aller Praxis als Atheist gelebt. Die Behauptung, es ließe sich eine Ethik auf einer atheistischen Weltanschauung basieren, habe ich damals nicht geglaubt, und glaube ich auch heute, wo ich kein Atheist mehr bin, nicht. Da gibt es ein interessantes Zitat von Friedrich II. , dass in etwa meine eigene Anschauung in dieser Frage illustriert. Muss ich zu Hause mal nachschlagen, vielleicht heute abend.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

anselm
Beiträge: 370
Registriert: Samstag 1. November 2003, 17:53

Beitrag von anselm »

Ich behaupte sogar, dass eine atheistische Ethik auf soliderem Fundament steht als eine religiös motivierte.

Als Literatur würde ich allerdings etwas aktuelleres als Friedrich II empfehlen ;) , z.B. Norbert Hoerster "Ethik und Interesse".

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

anselm hat geschrieben:Als Literatur würde ich allerdings etwas aktuelleres als Friedrich II empfehlen ;) , z. B. Norbert Hoerster "Ethik und Interesse".
Ja, das paßt zum gängigen „Ethik“-Begriff. (Schreibtischtäter-Litteratur.)
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

(Der Alte Fritz ist natürlich nicht besser.)
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

anselm
Beiträge: 370
Registriert: Samstag 1. November 2003, 17:53

Beitrag von anselm »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
anselm hat geschrieben:Als Literatur würde ich allerdings etwas aktuelleres als Friedrich II empfehlen ;) , z. B. Norbert Hoerster "Ethik und Interesse".
Ja, das paßt zum gängigen „Ethik“-Begriff. (Schreibtischtäter-Litteratur.)
??? :roll:
Ich verstehe diese Antwort nicht so ganz (um ehrlich zu sein, ich verstehe sie überhaupt nicht).

Ich finde es auch sehr schade, dass du dabei bist, das Thema per Verunglimpfung zu "lösen", statt eine inhaltliche Auseinandersetzung zumindest zu versuchen.

Die Gedanken von Hoerster zur Begründbarkeit ethischer Regeln sind wirklich sehr lesenswert (und auch sehr überzeugend).

Raphael

Beitrag von Raphael »

@ anselm
anselm hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
anselm hat geschrieben:Als Literatur würde ich allerdings etwas aktuelleres als Friedrich II empfehlen ;) , z. B. Norbert Hoerster "Ethik und Interesse".
Ja, das paßt zum gängigen „Ethik“-Begriff. (Schreibtischtäter-Litteratur.)
??? :roll:
Ich verstehe diese Antwort nicht so ganz (um ehrlich zu sein, ich verstehe sie überhaupt nicht).

Ich finde es auch sehr schade, dass du dabei bist, das Thema per Verunglimpfung zu "lösen", statt eine inhaltliche Auseinandersetzung zumindest zu versuchen.

Die Gedanken von Hoerster zur Begründbarkeit ethischer Regeln sind wirklich sehr lesenswert (und auch sehr überzeugend).
Mach einfach 'mal den Praxistest bei den schein-ethischen Folgerungen von Hoerster, indem Du diese in der Frage der Abtreibung anwendest! :sauer:

GsJC
Raphael

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

@ Anselm - Ich schätz mal, nicht alle geneigten Leser kennen Hoerster ...

Meine Bitte: Fass mal kurz zusammen, worum es dem Mann geht und warum er deines Erachtens so lesenswert ist. Dann könnten die geneigten Mitleser Roberts und Rafaels Einwürfe vielleicht besser einordnen, zustimmen oder sie ablehnen

Sonst verläuft die Diskussion im Sande ...

Geht das? Stichpunktartig?

Geronimo

Benutzeravatar
Juergen
Beiträge: 26999
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:43

Beitrag von Juergen »


Benutzeravatar
Erich_D
Beiträge: 1098
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
Wohnort: Salzbayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Erich_D »

anselm hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
anselm hat geschrieben:Als Literatur würde ich allerdings etwas aktuelleres als Friedrich II empfehlen ;) , z. B. Norbert Hoerster "Ethik und Interesse".
Ja, das paßt zum gängigen „Ethik“-Begriff. (Schreibtischtäter-Litteratur.)
??? :roll:
Ich verstehe diese Antwort nicht so ganz (um ehrlich zu sein, ich verstehe sie überhaupt nicht).

Ich finde es auch sehr schade, dass du dabei bist, das Thema per Verunglimpfung zu "lösen", statt eine inhaltliche Auseinandersetzung zumindest zu versuchen.

Die Gedanken von Hoerster zur Begründbarkeit ethischer Regeln sind wirklich sehr lesenswert (und auch sehr überzeugend).
Fangen wir von ganz unten an: erkläre mir als Atheist (der ich jetzt nicht mehr bin, aber - wie erwähnt - lange Zeit de facto war), warum ich mich an ethischen Regeln halten sollte. Alle derartigen Erläuterungen haben mich damals nur ein Achselzucken gekostet. Und dann fuhr ich fort, zu leben, wie's mir dienlich war.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

anselm
Beiträge: 370
Registriert: Samstag 1. November 2003, 17:53

Beitrag von anselm »

Geronimo hat geschrieben: Meine Bitte: Fass mal kurz zusammen, worum es dem Mann geht und warum er deines Erachtens so lesenswert ist. Dann könnten die geneigten Mitleser Roberts und Rafaels Einwürfe vielleicht besser einordnen, zustimmen oder sie ablehnen
Sonst verläuft die Diskussion im Sande ...
Geht das? Stichpunktartig?
Geronimo
Ich habe das Buch gerade nicht zur Hand. Deshalb kann ich im Moment nur einiges aus dem Gedächtnis schreiben.

Hoerster geht zunächst auf die verschiedenen Schulen der Ethik ein. Also z.B. objektive Ethik (inkl. Naturrecht) und subjektive Ethik. Sein Ergebnis ist, dass objektive Ethikauffassungen verworfen werden müssen.

Das Problem bei subjektiven ethischen Regeln ist dann das hier diskutierte: gibt es eine Möglichkeit, solche Regeln zu begründen, ohne Rückgriff auf eine Religion oder eine Art intuitiver Erkenntnis von Normen?

(--> Erich Dumfarth)

Der größte Teil des Buches beschäftigt sich dann damit, ob ethische Regeln durch das Interesse der Menschen begründet werden können. Seiner Meinung nach geht das. Ethische Regeln sind dann nach wie vor solche Regeln, die allgemein Zustimmung erfahren. Sie finden aber nur deshalb Zustimmung, weil sie sich (implizit) auf das Interesse der Beteiligten stützen können.

Ein Beispiel: Mord ist in allen Gesellschaften verboten. Es ist offensichtlich, dass niemand Interesse daran haben kann, Opfer eines Mordes zu werden.
Also müsste auch jeder Interesse haben, dass Mord nicht erlaubt ist.

Eine Ausnahme könnte sein, dass es Menschen gibt, die so mächtig sind, dass sie von negativen Rückwirkungen nicht betroffen sind. Sie könnten morden, ohne selbst jemals Opfer eines Mordes zu werden.

Dazu gibt Hoerster mehrere Auswege:
- (Fast) jeder hat Mitmenschen, von denen er nicht möchte, dass sie Opfer eines Verbrechens werden.
- Es ist für alle Beteiligten besser, in einer Gesellschaft zu leben, in der gegenseitige Kooperation und Hilfe vorherrschen, statt in einer Gesellschaft, in der jeder Feind des Nächsten ist.
- Eine solche Gesellschaft baut wesentlich auf Vertrauen auf. Also darauf, dass Regeln der Kooperation gegenseitig eingehalten werden.

Dazu ein Beispiel: wirtschaftliche Entwicklung wird durch das Einhalten von Vertragsregeln gefördert. Wenn man jederzeit mit einem Vertragsbruch rechnen muss sind für alle Beteiligten die Kosten höher. Im Ergebnis kann sich rein aus Eigeninteresse ein Zustand gegenseitiger "Förderung" durchsetzen.

Wenn ich das Buch wiederhabe kann ich noch ein paar Sätze mehr schreiben.

Benutzeravatar
Erich_D
Beiträge: 1098
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
Wohnort: Salzbayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Erich_D »

anselm hat geschrieben:Der größte Teil des Buches beschäftigt sich dann damit, ob ethische Regeln durch das Interesse der Menschen begründet werden können. Seiner Meinung nach geht das. Ethische Regeln sind dann nach wie vor solche Regeln, die allgemein Zustimmung erfahren. Sie finden aber nur deshalb Zustimmung, weil sie sich (implizit) auf das Interesse der Beteiligten stützen können.

Ein Beispiel: Mord ist in allen Gesellschaften verboten. Es ist offensichtlich, dass niemand Interesse daran haben kann, Opfer eines Mordes zu werden.
Also müsste auch jeder Interesse haben, dass Mord nicht erlaubt ist.

Eine Ausnahme könnte sein, dass es Menschen gibt, die so mächtig sind, dass sie von negativen Rückwirkungen nicht betroffen sind. Sie könnten morden, ohne selbst jemals Opfer eines Mordes zu werden.

Dazu gibt Hoerster mehrere Auswege:
- (Fast) jeder hat Mitmenschen, von denen er nicht möchte, dass sie Opfer eines Verbrechens werden.
- Es ist für alle Beteiligten besser, in einer Gesellschaft zu leben, in der gegenseitige Kooperation und Hilfe vorherrschen, statt in einer Gesellschaft, in der jeder Feind des Nächsten ist.
- Eine solche Gesellschaft baut wesentlich auf Vertrauen auf. Also darauf, dass Regeln der Kooperation gegenseitig eingehalten werden.

Dazu ein Beispiel: wirtschaftliche Entwicklung wird durch das Einhalten von Vertragsregeln gefördert. Wenn man jederzeit mit einem Vertragsbruch rechnen muss sind für alle Beteiligten die Kosten höher. Im Ergebnis kann sich rein aus Eigeninteresse ein Zustand gegenseitiger "Förderung" durchsetzen.
Ja, ich kenne diese Art der Argumentation. Sie hat mir noch nie eingeleuchtet, tut es auch heute nicht. Nimm doch nur mal das Beispiel mit dem Mord. Gesetzt den Fall, ich als Atheist, der ich doch weiss, dass meine Existenz nach meinem Ableben ins Nichts stürzen wird, wo sie auch herkam, könnte mir durch das Opfer - die Ermordung - eines einzigen Menschenleben Wohlleben, Geld, Macht, Reichtum erwerben. Warum sollte ich nicht mir zum Vorteil dieses Menschenleben auslöschen? Hoesters Argumentation (in Deiner Wiedergabe): weil es für mich besser ist in einer Welt zu leben, in der Mord kein Mittel zum Einkommenserwerb ist. Eine in der Realität - zumindest in meiner - vollkommen verfehlte Argumentation. Denn in der Praxis handeln die Menschen mehrheitlich nicht so (aus welchen Gründen auch immer). Handle nur ich so, brauche ich auch nicht zu fürchten, selbst einem solchen Anschlag zum Opfer zu fallen. Handelt die Mehrheit so, wäre ich dumm, handelte ich ebenfalls nicht so. Anders gesagt: besteht die Welt aus Schafen, ist es für mich von Vorteil Wolf zu sein. Besteht die Welt aus Wölfen, ist es für mich wiederum von Vorteil Wolf zu sein, andernfalls ich von den Wölfen gefressen würde. Besteht die Welt aus Wölfen und Lämmern, ist es für mich gleichfalls von Vorteil auf Seiten der Wölfe zu stehen: selber fresse ich Schafe, und gegenüber den anderen Wölfen stehen meine Chancen nicht schlecht, mich ihrer leichter zu erwehren, als es Schafen gegeben ist. Besser also ist es in jedem Falle ein Wolf zu sein.

Übrigens: heute schon ferngesehen? Nachrichten gehört? Da draussen, da ist eine Welt voller Schafe und Wölfe. Warum sollte ich als Atheist nicht lieber Wolf sein, denn Schaf? Fressen, und nicht gefressen werden?

Nachtrag bzgl. Friedrich II (ich habe zu Mittag schnell nachgeschlagen): als ein Inspektor des Schulwesens namens Sulzer meinte, die menschliche Natur neige eher zum Guten wie zum Bösen, antwortete Friedrich lakonisch: "Mein lieber Sulzer, Sie kennen dieses verfluchte Geschlecht nicht". Wie La Rochefoucauld war auch Friedrich der Meinung, die menschliche Natur sei völlig egoistisch; er war überzeugt, dass der Mensch bei der Verfolgung seiner eigenen Interessen keine Hemmungen kennen würde, es sei denn aus Angst vor Strafe.

Ich selber meine, die menschliche Natur kennt beides, Gutes wie Böses. Nur ist etwas schneller und leichter zerstört, als aufgebaut. Und manches, das zerstört wurde, ist nicht wiederzubringen. Darum ist auch das Böse in der menschlichen Seele für uns so sehr präsenter, so spürbarer. Aufbauen, Stein um Stein, das geht langsam, da fallen uns beim Zusehen die Augen zu, das hat so wenig Sensationelles, erregt kaum unsere Aufmerksamkeit. Aber die Zerstörung, die wie ein Blitz in das Leben fährt, flimmert fast schon in real-time über die Mattscheibe und plärrt uns aktuell, aktueller, am aktuellesten von Seite 1 der Zeitungen entgegen.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Raphael

Beitrag von Raphael »

Hierzu ein kleiner Abschnitt aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie:

Utilitarismus

Der Utilitarimus (lat. utilis = brauchbar, nützlich) ist eine auf Jeremy Bentham und John Stuart Mill zurückgehende Ethik, die eine Handlung dann als sittlich gut beurteilt, wenn sie nützlich ist. Nach utilitaristischer Vorstellung streben die Menschen - ähnlich wie im Hedonismus - danach, Lust zu gewinnen und Unlust zu vermeiden. Das größte Glück der größten Zahl sieht J. Bentham nicht, wie oft missverstanden, als Maxime für individuelles, sondern für politisches Handeln. Mit liberalistischen Vorstellungen verbindet sich der Utilitarismus, wenn davon ausgegangen wird, dass das eigennützige Handeln der Individuen zu einer Steigerung der gesamten Wohlfahrt führt. Gegenmodell zu dieser harmonischen Vorstellung des Ausgleichs von Interessen bildet der Krieg aller gegen alle (Thomas Hobbes). Die Schwierigkeiten, die ein utilitaristisches Modell menschlichen Handelns hat, soziale Solidarität zu erklären, veranlassten Emile Durkheim dazu, die Bedeutung von gesellschaftlichen Wertvorstellungen hervorzuheben.

In den 50er Jahren kritisierte Talcott Parsons im Anschluss an Durkheim den Utilitarismus, indem er vor allem auf die metaphysische Komponente der Vorstellung eines Interessenausgleichs wie durch eine unsichtbare Hand (Adam Smith) hinwies.

Neoutilitaristen betonen, dass Nutzen nicht dasselbe wie Eigennutz oder Egoismus sei; so könne z.B. die Adoption eines Kindes von subjektivem Nutzen sein. Hier spalten sich jedoch die Neoutilitaristen: Die einen haben einen empirischen Begriff, nehmen also an, dass der Mensch grundsätzlich nach Nutzenmaximierung sucht, Unlust vermeiden und Lust gewinnen will. Versuche an Tieren werden auf Menschen übertragen. Die anderen, etwa Mancur Olson, haben einen analytischen Begriff der Nutzenmaximierung, wonach der Nutzen zuerst offen bleibt, um dann analytisch zu untersuchen, welche Handlungsoptionen bei gegebenen Nutzen zu welchem Ergebnis führen. An Einfluss und im Hinblick auf die Erklärung sozialer Phänomene sind sie den empirischen Utilitaristen voraus.
(Quelle)

Vertreter dieser philosophischen Richtung ist neben Hoerster z.B. auch der Australier Peter Singer.
Deutlich erkennbar ist, daß hier die Moral ökonomisiert werden soll. Möglicherweise weil das ökonomische Modell ein augenscheinlich so erfolgreiches menschliches Verhaltensmodell ist. :sauer:
Die für eine Gesellschaft nutzlosen Menschen können auf diese Weise mit einem ethischen Deckmäntelchen versehen "ruhigen Gewissens" unter die Erde gebracht werden. Man sollte allerdings noch weiter überlegen, ob sie nicht doch noch Geld ins Säckel der Gesellschaft bringen könnten, so wie dies in diesem Film geschieht: Soylent Green! :nein:

GsJC
Raphael

anselm
Beiträge: 370
Registriert: Samstag 1. November 2003, 17:53

Beitrag von anselm »

Erich Dumfarth hat geschrieben: Ja, ich kenne diese Art der Argumentation. Sie hat mir noch nie eingeleuchtet, tut es auch heute nicht. Nimm doch nur mal das Beispiel mit dem Mord. Gesetzt den Fall, ich als Atheist, der ich doch weiss, dass meine Existenz nach meinem Ableben ins Nichts stürzen wird, wo sie auch herkam, könnte mir durch das Opfer - die Ermordung - eines einzigen Menschenleben Wohlleben, Geld, Macht, Reichtum erwerben. Warum sollte ich nicht mir zum Vorteil dieses Menschenleben auslöschen?...
Die Begründung von Hoerster betrifft nicht das individuelle Verhalten sondern die Begründung von gesellschaftlichen Regeln. Natürlich gibt es Mord und Totschlag. Aber vermutlich werden selbst Mörder zugestehen, dass eine Norm, die Mord verbietet, sinnvoll ist und dass man für Mord entsprechend bestraft werden sollte.

Deine Beobachtung, dass der Mensch des Menschen Wolf sei, kann ich so nicht teilen. Es gibt zahlreiche Gruppenkonflikte (Krieg, Bürgerkrieg,...). Aber innerhalb der Gruppen gibt es Gesetze gegen Verbrechen. Und dass sich ein internationaler Gerichtshof mit Kriegsverbrechen befasst scheint mir nicht gut zu einer "wölfischen" Welt zu passen. Sondern es zeigt das Bemühen, ethische Regeln universal anzuwenden.

Benutzeravatar
Erich_D
Beiträge: 1098
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
Wohnort: Salzbayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Erich_D »

anselm hat geschrieben:Die Begründung von Hoerster betrifft nicht das individuelle Verhalten sondern die Begründung von gesellschaftlichen Regeln.
Das ist ja der Unsinn: es wird so getan, als wäre der Mensch ein Kollektiv. Der einzelne wird auf die Gruppe, gar die gesamte Menscheit reduziert. Als einzelnen interessiert mich herzlich wenig, was für die Gruppe von Belang ist, wenn's mir nicht nützt. Schließlich lebe ich auch nur mein Leben, und nicht das der anderen. Darum sind Versuche wie jene von Hoerster immer auch ein wenig naiv und in der Praxis irrelevant. Obwohl es natürlich im Interesse der Wölfe liegt, wenn sich möglichst viele an diese Regeln halten. Ein Schaf, dass sich nicht wehrt, ist leichter zu scheren.
Zuletzt geändert von Erich_D am Montag 12. Juli 2004, 14:45, insgesamt 1-mal geändert.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

anselm
Beiträge: 370
Registriert: Samstag 1. November 2003, 17:53

Beitrag von anselm »

Raphael hat geschrieben:...
Die für eine Gesellschaft nutzlosen Menschen können auf diese Weise mit einem ethischen Deckmäntelchen versehen "ruhigen Gewissens" unter die Erde gebracht werden. ...

Das ist das übliche Totschlagargument zu dieser ethischen Grundhaltung.
Ich habe genau diese Argumentation allerdings weder bei Singer noch bei Hoerster gefunden.

anselm
Beiträge: 370
Registriert: Samstag 1. November 2003, 17:53

Beitrag von anselm »

Erich Dumfarth hat geschrieben:... Der einzelne wird auf die Gruppe, gar die gesamte Menscheit reduziert. Als einzelnen interessiert mich herzlich wenig, was für die Gruppe von Belang ist, wenn's mir nicht nützt. ...
Bist du Einsiedler?

Benutzeravatar
Felix Culpa
Beiträge: 29
Registriert: Sonntag 11. Juli 2004, 12:46
Wohnort: Linker Niederrhein

Beitrag von Felix Culpa »

Ich habe einige Bedenken gegen den «Atheismus» als Grundlage einer Ethik. — Auch wenn ich den Fall in dieser Diskussion außen vor lasse, wie fehl eine interessengesteuerte Ethik im Falle der so schön genannten «verbrauchenden Embryonenforschung» aussieht.

Wo hat «der Atheismus» eigentlich einmal den Beweis angetreten, dass er in der Lage ist, ein funktionierendes Staats- und verlässliches Rechtssystem aufzubauen – vom Nullpunkt aus, wohlgemerkt? – Hast du dafür Beispiele?

Sicherlich haben auch vom Christentum unberührte Gesellschaften ethische Systeme aufgebaut, die teilweise ihrerseits das Christentum beeinflusst haben. Ich denke hier natürlich besonders an die Ethik der griechischen Antike. Doch auch deren religio, die sich zwar in einigen Punkten wesentlich vom Glauben unterscheidet, hatte begründende und erhaltende Wirkung. Nur so ist ja das Entsetzen erklärlich, dass es auf einmal im Römischen Reich eine Gruppe gab, die sich den bestehenden Kultgewohnheiten verweigerte.

Aber mehr noch scheint mir das Rechts- und Sozialempfinden unserer Zeit und Kultur vom Christentum geprägt zu sein – beispielsweise in der Beachtung des Individuums als verantwortlichem Subjekt mit unveräußerlichen rechten und Pflichten; zumindest sind wohl unbestreitbar christliche Spuren in unserem Rechtsempfinden auszumachen. Auch deine Versuche, lieber Anselm, auf logischem Wege Rechtsnormen und Grundsätze abzuleiten, sind dem nachgedacht, was in unserer Kultur – warum, darüber mag man streiten – als Satzung und gut gilt.

Wenn du einmal einen Irrgarten mit einem Stift nachgezogen hast, dann weißt du, dass es ein Unterschied ist, ob du den Weg vom Eingang oder vom Ausgang her zu finden versuchst. Du kennst den Ausgang: Du sollst nicht töten. Wie aber, wenn du dieses Ziel überhaupt nicht gekannt hättest? Wie sähe dann deine Herleitung aus?
Zuletzt geändert von Felix Culpa am Montag 12. Juli 2004, 15:04, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
Erich_D
Beiträge: 1098
Registriert: Mittwoch 1. Oktober 2003, 21:58
Wohnort: Salzbayern
Kontaktdaten:

Beitrag von Erich_D »

anselm hat geschrieben:
Erich Dumfarth hat geschrieben:... Der einzelne wird auf die Gruppe, gar die gesamte Menscheit reduziert. Als einzelnen interessiert mich herzlich wenig, was für die Gruppe von Belang ist, wenn's mir nicht nützt. ...
Bist du Einsiedler?
Nein. Individuum. Selbstverständlich kümmert mich das Wohlergehen meiner Mitmenschen (solange dies meinem Wohlergehen dienlich ist; warum sollte ich anders handeln? Weil es der Gruppe dann besser ginge? Was habe ich davon?). Mit anderen Worten: was Du verteidigst ist Ethik-Romantik. Als ich noch atheistisch lebte, fand ich diese schon inkonsequent und reichlich naiv. Und heute geht es mir auch nicht anders damit. Aber gut: es ist natürlich im Interesse der Wölfe, wenn möglichst viele Schafe in dieser Hinsicht romantisch sind.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

anselm
Beiträge: 370
Registriert: Samstag 1. November 2003, 17:53

Beitrag von anselm »

Erich Dumfarth hat geschrieben:.... Aber gut: es ist natürlich im Interesse der Wölfe, wenn möglichst viele Schafe in dieser Hinsicht romantisch sind.
Aber ich dachte Gesetze sind dazu da, die Wölfe in Schach zu halten?!
Und um die Begründung für entsprechende Gesetze geht es Hoerster. Oder reden, äh, schreiben wir gerade aneinander vorbei?

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Felix Culpa hat geschrieben: Wo hat «der Atheismus» eigentlich einmal den Beweis angetreten, dass er in der Lage ist, ein funktionierendes Staats- und verlässliches Rechtssystem aufzubauen – vom Nullpunkt aus, wohlgemerkt? – Hast du dafür Beispiele?
M.E. kann dieser Beweis auch niemals angetreten werden, ganz einfach weil der Atheismus keine durchgängige Vorstellung oder Haltung ist, auf die sich etwas auf Dauer begründen konnte, sondern weitgehendst lediglich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht werden kann - das "Gegen die Religion sein". So eine Haltung kann keine Sprengkraft entwickelt, auf die ein funktionierendes System aufbauen kann. Eine Anti-Haltung ...
Vom Nullpunkt ausgehen kann er ebenso wenig, weil er sich aus den bis jetzt bestehenden oder jemals bestandenen Gesellschaften speist. Ich bezweifle, dass es überhaupt je einen Nullpunkt gegeben hat ...


Der Atheismus ist m.E. eine Art Schmarotzer ... wie sollte er sich ohne den Gegenentwurf Religion überhaupt legitimieren?

Geronimo

Benutzeravatar
Felix Culpa
Beiträge: 29
Registriert: Sonntag 11. Juli 2004, 12:46
Wohnort: Linker Niederrhein

Beitrag von Felix Culpa »

Hier mag zur Illustration ein Zitat aus der «Tagespost» vom Samstag dienlich sein:

Politik - Ausgabe Nummer 82 vom 10.7.2004


Die Tagespost hat geschrieben:Dokument des Zustands Europas

Eine Überraschung ist das Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs im Fall „Vo vs. Frankreich“ nicht. Denn die Europäische Menschenrechtskonvention krankt daran, dass in ihr das erforderliche Ausmaß des Schutzes menschlichen Lebens bewusst offen gelassen wurde. Insofern trifft es zu, wenn die Straßburger Richter in ihrem Urteil feststellen, dass es in Europa keinen Konsens darüber gebe, wann menschliches Leben beginne. (…) So gesehen ist es entlarvend, dass die Richter festhalten, es sei nicht einmal „wünschenswert“, die „abstrakte“ Frage zu klären, ob der Embryo eine Person sei. Damit haben sich die Richter des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs aus freien Stücken zu politischen Beamten degradiert. Ganz nach dem Motto: „Wes‘ Brot ich ess‘, des‘ Lied ich sing.“
Das Urteil zeigt einmal mehr, dass naturrechtliches Denken in Europa völlig aus der Mode gekommen ist und Rechtspositivisten überall den Ton angeben. (…)
reh
(Aus urheberrechtlichen Gründen gekürzt. Quelle: Online-Ausgabe, «Die Tagespost»)

Raphael

Beitrag von Raphael »

@ anselm
anselm hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:...
Die für eine Gesellschaft nutzlosen Menschen können auf diese Weise mit einem ethischen Deckmäntelchen versehen "ruhigen Gewissens" unter die Erde gebracht werden. ...

Das ist das übliche Totschlagargument zu dieser ethischen Grundhaltung.
Ich habe genau diese Argumentation allerdings weder bei Singer noch bei Hoerster gefunden.
Totgeschlagen werden da wohl andere und nicht irgendwelche Argumente! :shock:
Hoerster und Singer sind da "nur" als geistige Brandstifter am Werke. Sich die Hände schmutzig machen, das tun dann andere! :sauer: :sauer: :sauer:

GsJC
Raphael

anselm
Beiträge: 370
Registriert: Samstag 1. November 2003, 17:53

Beitrag von anselm »

Geronimo hat geschrieben: Der Atheismus ist m.E. eine Art Schmarotzer ... wie sollte er sich ohne den Gegenentwurf Religion überhaupt legitimieren?
Geronimo
Da verwechselst du aber etwas: wenn jemand (z.B. eine Religionsgemeinschaft9 behauptet, dass X (z.B. Gott) existiert, dann sollte sie auch den Beweis antreten. Der Atheismus ist m.E. aus dem Unvermögen der Religionen entstanden, ihre Behauptungen (Hypothesen) zu beweisen. Atheismus ist tatsächlich keine inhaltlich ausgeformte Haltung, sondern verweist auf das Unvermögen der theistischen Religionen.

anselm
Beiträge: 370
Registriert: Samstag 1. November 2003, 17:53

Beitrag von anselm »

Raphael hat geschrieben: Totgeschlagen werden da wohl andere und nicht irgendwelche Argumente! :shock: Hoerster und Singer sind da "nur" als geistige Brandstifter am Werke. Sich die Hände schmutzig machen, das tun dann andere! :sauer: :sauer: :sauer:
Hoerster und Singer haben sich sehr detailliert und differenziert mit Leben (Tiere, Menschen), Leiden und Tod auseinander gesetzt. Denkverbote, wie du sie wohl gerne hättest, schaffen ihre Gedanken glücklicherweise nicht aus der Welt. Eine Gegenargumentation wäre da schon angebrachter.

Singer unterscheidet nicht mehr nach Arten von Lebewesen sondern nach deren Eigenschaften wie z.B. Schmerzempfinden, (Selbst-) Bewusstsein, Zukunftsorientierung,... Und daraus leitet er Konsequenzen über z.B. passive und aktive Sterbehilfe sowie Abtreibung ab.

Ich bin keineswegs Anhänger der Lehren von Singer, aber sie scheinen mir (mindestens) so gut begründet zu sein, wie die Lehren der zahlreichen Gegner. Sofern diese Gegner überhaupt argumentieren und nicht einfach versuchen, den Autor mundtot zu machen.

Benutzeravatar
Felix Culpa
Beiträge: 29
Registriert: Sonntag 11. Juli 2004, 12:46
Wohnort: Linker Niederrhein

Beitrag von Felix Culpa »

Lieber Anselm.

Sogar Kulturgeschichtlich haben die Religionen hier schon ältere Rechte. Allein das Pochen auf dem, was die Atheisten «Beweis» nennen, also das strikte Postulat einer weltimmanenten Begründung setzt eine Form des Weltbildes voraus …

… das schlüssig zu begründen du nicht in der Lage bist. Es erscheint dir plausibel. Zu anderen Zeiten der Menschheitsgeschichte (und die Menschen waren damals – weiß Gott! – nicht dümmer) hätte man über dein Ansinnen nur verständnislos den Kopf geschüttelt.

Dein Argument richtet sich gegen dich selbst. Denn – um nur vom christlichen Glauben zu reden –, der Glaube weiß sehr wohl, aus langer Reflexion, um seine erkenntnistheoretischen Grundlagen («Stückwerk ist unser Erkennen»), was man bem Atheismus wohl so nicht behaupten kann.

Zudem ist zu unterscheiden zwischen dem idealistischen Anspruch des Atheismus, einen Gegenpart gegen die Ideologien zu bieten – und seiner Verwirklichung in Raum und Zeit. Da sieht es allerdings schon wieder viel finsterer aus. Bis hin zu der Weise, wie sich Atheisten in Räumen gerieren, wo sie die Oberhand zu haben meinen.

Belege dafür? Gab es da nicht irgendwo ein Haus Windiger Geister?

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

[quote="anselm"]
Da verwechselst du aber etwas: wenn jemand (z.B. eine Religionsgemeinschaft9 behauptet, dass X (z.B. Gott) existiert, dann sollte sie auch den Beweis antreten.

quote]

Warum? Weil die Atheisten das wollen? Dazu gibt es keinen Grund, Anselm. Die Forderung ist eine aus sich selbst erzeugte, keine allgemein interessante und schon gar keine weltbewegende.

Nimm einfach mal an, die Religiösen hatten kein Interesse an dieser Beweisführung (was wohl auch zum größten Teil der Fall ist). Was bleibt dann noch? Eine Gruppe, die eine Diskussion und Beweisführung, die den anderen Leuten gleichgültig ist.

Ich z.B. würde mich weder verpflichtet noch angesprochen fühlen, wenn es um eine solche Diskussion ginge. Ich habe nicht den Leuten zu beweisen, dass Gott existiert, sondern ich habe Gott gegenüber eine Beziehung. Der bin ich verpflichtet ....und das ist alles.

Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass mich nicht interessiert, ob Atheisten diese Dinge verstehen oder nicht. Erfahrungsgemäss kommt mancher Atheist auch ohne meine missionarischen Bemühungen zum Glauben (oder vielleicht sogar deshalb :mrgreen: )

Obwohl das jetzt etwas vom eigentlichen Thema wegführt ... nämlich ob der Atheismus imstande wäre, ein funktionierendes Staats- und Wertesystem zu errichten.

Geronimo

anselm
Beiträge: 370
Registriert: Samstag 1. November 2003, 17:53

Beitrag von anselm »

@Geronimo und @Felix Culpa,

ähm, die Forderung von Begründungen (und zwar interpersonell vermittelbaren Begründungen) für Aussagen ist so neu nun auch wieder nicht (siehe z.B. einige griechiesche Philosophen) und scheint mir doch allgemein akzeptiert zu sein. Nur auf dem Gebiet der Religion soll eine Ausnahme gemacht werden.

Na gut, kann mir egal sein, ich werde ja zum Glück nicht gezwungen, religiöse Aussagen zu glauben.

Was bedeutet eigentlich "Haus Windiger Geister"? :kratz:

Benutzeravatar
Felix Culpa
Beiträge: 29
Registriert: Sonntag 11. Juli 2004, 12:46
Wohnort: Linker Niederrhein

Beitrag von Felix Culpa »

Ich meine damit das sogenannte «Freigesterhaus».

Hmm, ist es eigentlich deine Absicht, dass jetzt aus «Beweis» eine «interpersonell vermittelbare Begründung» wird? Ich meine, das ist doch etwas sehr anderes als ein Beweis, oder?

anselm
Beiträge: 370
Registriert: Samstag 1. November 2003, 17:53

Beitrag von anselm »

Felix Culpa hat geschrieben:Ich meine damit das sogenannte «Freigesterhaus».
Hmm, ist es eigentlich deine Absicht, dass jetzt aus «Beweis» eine «interpersonell vermittelbare Begründung» wird? Ich meine, das ist doch etwas sehr anderes als ein Beweis, oder?
Also ich finde, dass «Beweis» und «interpersonell vermittelbare Begründung» zumindest sehr ähnlich sind. Es kommt halt auf die Kriterien an, die man jeweils zugrunde legt.

Benutzeravatar
Felix Culpa
Beiträge: 29
Registriert: Sonntag 11. Juli 2004, 12:46
Wohnort: Linker Niederrhein

Beitrag von Felix Culpa »

Mond und Erde sind sich sicherlich auch ganz ähnlich. Ich finde, dass ein himmelweiter Unterschied zwischen beiden liegt. Auif welche griechischen Philosophen beziehst du dich denn?

Zusatz: Ich meine, wir können hier natürlich ruhig und gepflegt darüber reden. Aber eigentlich beziehen Atheisten jeglicher Couleur eine Menge ihres aggressiven Potenzials (das reicht vom Lächerlichmachen des Gesprächsgegners bis zu den Psychiatrischen Anstalten der Sowjetunion) aus dieser unbewiesenen Prämisse: Dass die Theologie irgendetwas zu beweisen habe. — Mal abgesehen davon, dass du damit an die Theologie einen weitaus höheren Maßstab anlegst als an die meisten anderen Wissenschaften.

Aber das könnte uns von der Frage wegführen, ob es möglich sei, eine Ethik atheistisch zu begründen.

Gesperrt Vorheriges ThemaNächstes Thema