Unser Vater im Himmel - Heiliger Vater in Rom !?

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Alberic-Maria
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Unser Vater im Himmel - Heiliger Vater in Rom !?

Beitrag von Alberic-Maria »

Im Evangelium vom heutigen Sonntag (30.10.05) Matthäus 23, Vers 9 können wir lesen: Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel.

Nun wird der Papst in Rom ja als unser Heiliger Vater bezeichnet.

Ist dies - die Textstelle des Matthäus-Evangeliums wörtlich genommen - nicht zutiefst unchristlich?

Ist "Heiliger Vater" ein Titel oder nur eine Bezeichnung, die von den Gläubigen verwendet wird?

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FioreGraz
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Beitrag von FioreGraz »

Das es in der Schriftselle um was ganz was anderes geht verschleiserst schön freikirchlich indem du einen Satz vorher und nachher auslässt.
Aber ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn einer ist euer Meister; ihr aber seid alle Brüder. Und ihr sollt niemanden unter euch Vater nennen auf Erden; denn einer ist euer Vater, der im Himmel ist. Und ihr sollt euch nicht Lehrer nennen lassen; denn einer ist euer Lehrer: Christus.
Ich sehs schon kommen das gute alte "Freu Lehrerin/Herr Lehrer" müssen wir doch glatt den armen Kindern verbieten, Gott sei Dank gibts ja noch das "Frau/Herr Professor", steht ja nicht in der Bibel....Buchstabenklauberei ohen Sinnerfassung sage ich nur dazu.

LG
Fiore
Einer ist Gesetzgeber und Richter, er, der die Macht hat, zu retten oder zu verderben. Wer aber bist du, daß du den Nächsten richtest? (Jak4,12)
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Es geht ja nicht bloß um den Heiligen Vater. Besonders im Mönchtum ist seit ältester Zeit die Anrede „Vater“ üblich. Der „Abt“ (abbas) ist ja von der Wortbedeutung her nichts anderes als der „Papa“. Heute nennen wir jeden Ordenspriester „Vater“ (Pater).

Und noch was. Glaubt es oder nicht, meine Kinder sagen „Papa“ zu mir. Welch ein Frevel! Oder nicht?

Offensichtlich bedarf das Wort der Auslegung. Ich gebe sie euch auf zwei Ebenen. Erstens ist es eine Weisung an konkrete Personen in einer konkreten Situation. Es hatte eben eine scharfe Auseinandersetzung mit den schriftgelehrten Pharisäern gegeben.

Nun wendet Jesus sich dem Volk zu, besonders seinen Anhängern. »Nicht so wie diese handelt!« Das ist der Kern der Weisung. »Nennt keinen – wie sie – auf Erden euren Vater.« Wen nannten die Pharisäer ihren Vater? – Abraham. Und wir wissen von Johannes, wie Jesus ihnen das zerpflückt hat.

»Den Teufel habt ihr zum Vater!« Sie waren gebläht vor lauter Berufung auf ihre Abstammung.

Und die Gelehrten unter den Pharisäern ließen sich als Meister ehren, als Lehrer, als „Rabbiner“. Nicht also, lehrt sie der Herr: »Einer ist euer Lehrmeister: Der Gesalbte Gottes, der Χριστός.«

Es ist die Zurückweisung der Hoffart eingebildeter Gesetzeserfüllung.

Was aber sagt das – um die zweite Ebene der Auslegung zu erklimmen – was sagt das mir heute ? – Einerseits, kein Zweifel, eben dies: Hüte dich vor der Illusion, du erfülltest das Gesetz. Blähe dich nicht auf. Nicht du bist der Meister. Und bilde dir nichts ein auf das, was du bist, was du hast. Nicht ist von dir, nichts dein Verdienst. Nicht deine Herkunft, nicht deine Talente. Du hast alles zur Leihe.

Aber noch ein weiteres kommt hinzu. Denn wir suchen uns ja stets Meister und Väter oder Vaterfiguren oder sonst wen: an den wir uns binden. Emotional, affektiv. Das können die eigenen Eltern sein, aber auch die Kinder. (Besonders das Kind, das Einzelkind.) Oder irgendein Guru oder wen wir ich mir dazu mache.

Wenn ich besonders „papsttreu“ bin, dann mag mein Guru sogar der Bischof von Rom selber sein. Doch nicht, weil ich seinem Amt die Ehre gebe und ihn Heiliger Vater nenne, sondern weil ich ihn an die Stelle meines Vaters in den Himmeln setze.

Vor allem aber sind’s die affektiven Bindungen im eigenen, engsten Umfeld, in der Familie, unter Freunden oder Kollegen, die mich an der Beziehung zum himmlischen Vater hindern. Diese affektiven Bindungen zu heilen, abzuschneiden wo nötig, das will der Herr dich mit diesem Wort lehren. Such dir keinen Vater auf Erden, nicht einmal deinen fleischlichen, denn nur Einer ist vollkommen dein Vater.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Noch eins zum Verständnis dieses Worts. Die Überlieferung ist gerade hier nämlich leider recht unklar. Ich möchte, um das zu zeigen, den textus receptus jener drei Verse Mt 23,8-10 und die von Nestle/Aland gebotene Fassung einander gegenüberstellen. Zunächst der textus receptus:
Der [i]textus receptus[/i] hat geschrieben:23:8 ὑμεῖς δὲ μὴ κληϑῆτε, ῾Ραββί, εἷς γάρ ἐστιν ὑμῶν ὁ καϑηγητής, ὁ Χριστός· πάντες δὲ ὑμεῖς ἀδελϕοί ἐστε.
23:9 καὶ πατέρα μὴ καλέσητε ὑμῶν ἐπὶ τῆς γῆς, εἷς γάρ ἐστιν ὁ πατὴρ ὑμῶν ὁ ἐν τοῖς οὐρανοῖς.
23:10 μηδὲ κληϑῆτε καϑηγηταί, εἷς γάρ ὑμῶν ἐστιν καϑηγητής, ὁ Χριστός.
Zum Vergleich die Fassung nach Nestle/Aland:
Die Nestle/Aland-Ausgabe hat geschrieben:23:8 ὑμεῖς δὲ μὴ κληϑῆτε, ῾Ραββί, εἷς γάρ ἐστιν ὑμῶν ὁ διδάσκαλος, πάντες δὲ ὑμεῖς ἀδελϕοί ἐστε.
23:9 καὶ πατέρα μὴ καλέσητε ὑμῖν ἐπὶ τῆς γῆς, εἷς γάρ ἐστιν ὑμῶν ὁ πατὴρ ὁ οὐράνιος.
23:10 μηδὲ κληϑῆτε καϑηγηταί, ὅτι καϑηγητὴς ὑμῶν ἐστιν εἷς ὁ Χριστός.
Hierzu ist zu ergänzen, daß Nestle und Aland sich keiner der kritischen Editionen vollständig anschließen, die ihrerseits in verschiedenen Details voneinander abweichen. Nestle/Aland bieten eine Mischung aus den kritischen Editionen.

Vor dem Versuch, beide Stücke zu übersetzen, zwei Hinweise. In Vers 8 hat der textus receptus als offenkundige Übersetzung des hebräischen ῥαββί („Rabbi“) griechisches καϑηγητής („Führer“; auch: „Lehrer“), Nestle/Aland dagegen nach dem Zeugnis der Codices Vaticanus und Sinaiticus διδάσκαλος („Lehrer“, dem lateinischen magister entsprechend).

In Vers 10 verwenden beide den Begriff καϑηγητής, was aber verschieden zu übersetzen ist, je nach dem in Vers 8 verwendeten Begriff. Wenn dreimal derselbe Begriff verwendet ist, wie im textus receptus, ist auch dreimal dasselbe gemeint, nämlich offensichtlich „Lehrer“.

Wo verschiedene Begriffe verwendet sind, wie bei Nestle/Aland, ist der Unterschied auch in der Übersetzung wiederzugeben. Dabei meint das διδάσκαλος von Vers 8 eindeutig „Lehrer“. Der καϑηγητὴς des Verses 10 ist folglich in der Grundbedeutung des Worts zu vestehen, heißt also „Führer“.

Die Einheitsübersetzung hat als Textgrundlage zwar Nestle/Aland, übersetzt aber in Vers 8 „Meister“, Vers 10 dagegen „Lehrer“. Das ist genau verkehrt herum, denn unser „Meister“ stammt zwar etymologisch vom lateinischen magister her, was deutsch Lehrer heißt, bedeutet aber in moderner Sprache eben nicht mehr einfach „Lehrer“. (Die Elberfelder dagegen umgekehrt, also korrekt; Schlachter wiederum ebenso falsch wie die Einheitsübersetzung.)

Die andere Anmerkung betrifft Vers 9, um den es ja ursprünglich vor allem ging. Hier liegt der Unterschied zwischen beiden Varianten darin, ob es in der ersten Satzhälfte ὑμῶν („eurer“, so der textus receptus) oder ὑμῖν („euch“ [Dat.], so Nestle/Aland) heißt. Den verneinten Imperativ vertritt der Konjunktiv Aorist μὴ καλέσητε; wegen des Aorists ist er nicht durativ, sondern punktuell zu verstehen, also nicht einfach „nennt“, sondern eher „benennt“, „ernennt“. Die beiden Varianten ergeben also »benennt nicht (für) euch einen Vater« oder aber »benennt nicht einen Vater eurer«.

Dies vorausgeschickt, übersetze ich folgendermaßen:
Der [i]textus receptus[/i] (in Übersetzung Ketelhohn) hat geschrieben:23:8 Ihr aber laßt euch nicht zum Rabbi machen, denn Einer ist euer Lehrmeister, der Gesalbte [Messias]; ihr alle aber seid Brüder.
23:9 Und macht keinen zu eurem Vater auf Erden, denn Einer ist euer Vater in den Himmeln.
23:10 Und laßt euch auch nicht zu Lehrmeistern machen, denn Einer ist euer Lehrmeister, der Gesalbte [Messias].
Die Nestle/Aland-Ausgabe (in Übersetzung Ketelhohn) hat geschrieben:23:8 Ihr aber laßt euch nicht zum Rabbi machen, denn Einer ist euer Lehrmeister, ihr alle aber seid Brüder.
23:9 Und macht euch keinen zum Vater auf Erden, denn Einer ist euer himmlischer Vater.
23:10 Und laßt euch auch nicht zu Führern machen, weil euer Führer Einer ist, der Gesalbte [Messias].
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Edi
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Beitrag von Edi »

Und wie bezeichnet sich denn der heilige Paulus? Hat der etwa Jesus schon falsch verstanden?

1.Kor.4,14 ff.: "Nicht um euch zu beschämen, schreibe ich dies; sondern ich ermahne euch als meine lieben Kinder. Denn wenn ihr auch zehntausend Erzieher hättet in Christus, so habt ihr doch nicht viele [Punkt]; denn ich habe euch gezeugt in Christus Jesus durchs Evangelium. Darum ermahne ich euch: Folgt meinem Beispiel! Aus demselben Grund habe ich Timotheus zu euch gesandt, der mein lieber und getreuer [Punkt] ist in dem Herrn, damit er euch erinnere an meine Weisungen in Christus Jesus, wie ich sie überall in allen Gemeinden lehre."

Hast du bei den Sekten oder gar bei Chick das nachgelesen, denn diese verbreiten diese unsinnige Ansicht massenweise und seit vielen Jahren schon? In diesem Text geht es wie schon oben teils gesagt wurde, nicht um Wortklauberei, sondern um die Abmahnung des Hochmuts der von Jesus Angesprochenen.

Zu dem Wort heilig: Paulus bezeichnet sogar an einer Stelle alle Gläubigen als Heilige und diese Gläubigen waren bestimmt meist bestimmt keine Heiligen in dem Sinne wie man das Wort heute versteht, warum soll man dann nicht den Papst auch so sehen können?

Wer mal eine Bibelarbeit über den Begriff Vater machen wollte, wird sehen, dass dieses Wort selbst von Jesus auch im geistlichen Sinne gebraucht wurde, denn er bezeichnet Abraham an einer Stelle als (geistlichen) Vater und sicher gibt es auch noch genug andere Stellen.

Ergo: das Ganze ist Steinbruchexegese, die mit der Absicht geschrieben wurde, der kath. Kirche eines auszuwischen. Derweil kennt man auch in bestimmten Freikirchen oder ev. Gemeinschaften den Begriff Vater im Sinne von geistlichem Vater. Ich denke nur an einen bekannten Mann aus der einer sehr evangelikalen Richtung aus Baden-Württemberg, der "Vater Stanger" genannt wurde.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Edi hat geschrieben:Hast du bei den Sekten oder gar bei Chick das nachgelesen, denn diese verbreiten diese unsinnige Ansicht massenweise und seit vielen Jahren schon?
Ich weise mal angelegentlich darauf hin, daß Alberic-Maria gar nichts behauptet, sondern bloß gefragt hat. Das scheint mir sehr berechtigt, zumal man solche „Steinbruchexegese“ – wie du sie nicht zu Unrecht nennst, Edi – nicht nur bei den Sekten, sondern heutzutage auch in katholischen nicht selten zu hören bekommt.
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Edi
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Beitrag von Edi »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Edi hat geschrieben:Hast du bei den Sekten oder gar bei Chick das nachgelesen, denn diese verbreiten diese unsinnige Ansicht massenweise und seit vielen Jahren schon?
Ich weise mal angelegentlich darauf hin, daß Alberic-Maria gar nichts behauptet, sondern bloß gefragt hat. Das scheint mir sehr berechtigt, zumal man solche „Steinbruchexegese“ – wie du sie nicht zu Unrecht nennst, Edi – nicht nur bei den Sekten, sondern heutzutage auch in katholischen nicht selten zu hören bekommt.
Ich frage mich halt dabei dann doch, woher denn Katholiken das haben und da vermute ich eben solche Richtungen, die das explizit vertreten und die ich recht gut aus eigener Anschauung kenne, da ich mit derart Leuten schon darüber etliche Male diskutiert habe.

Oder ist es inzwischen in katholischen Kreisen auch üblich geworden ohne Rückgriff auf solche Richtungen, selber so biblizistisch zu denken, denkbar wäre es ja vor allem am ehesten in sog. charismatischen Kreisen. Auch haben viele Katholiken mangels biblischem Wissen solchen ungeistlichen Vorstellungen oft nichts entgegenzusetzen. Und selbst diejenigen, die Erfinder solcher Thesen sind, sind anhand fundierter Bibelexegese leicht zu widerlegen. Jesus hat nämlich auch an einer Stelle selber gegen seine Anweisungen verstossen, wenn man seine Worte nur wörtlich versteht und nicht den eigentlichen Sinn sucht. Damit meine ich seine Vorhaltungen gegen jemand, der andere als Narren bezeichnet hat. An anderer Stelle bezeichnet er jemand selber als Narr.

Deine Anmerkung: "Erstens ist es eine Weisung an konkrete Personen in einer konkreten Situation.." ist genau zutreffend und daher kann man nicht jeden Bibeltext ohne Weiteres verallgemeinernd auslegen.

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Alberic-Maria
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Steinbruch-Exegese

Beitrag von Alberic-Maria »

Hallo,

erst mal vielen Dank für eure Meldungen. Wie immer habe ich einiges dazu gelernt.

Habe ich in ein Wespennest getreten? Wenn ja, tut es mir leid.

Aber es war wirklich nur eine Frage.

Da ich Laie bin, dürfte es nicht verwunderlich sein, wenn es wie "Steinbruch-Exegese" aussieht, war aber wirklich nicht so gedacht.
Aus diesem Grund danke wirklich für eure Beiträge.

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FioreGraz
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Beitrag von FioreGraz »

@Alberic

Sorry aber in der Regel ist das nämlich einer der typischen Stellen wo allererst ebenselbige Frage gestellt wird und dann ein rundumschlag gegen die bösen Katholiken kommt.

LG
Fiore
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