Ist Papst Benedikt XVI. ein wahrer Liberaler?

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Carl Caiser
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Beitrag von Carl Caiser »

Wesentliche "liberalistische" Zusammenhänge werden komprimiert von Udo Leuscher in "Geschichte der FDP (34)" umrissen - Der gut lesbare Kurzaufsatz heißt: "Vom Ordo- zum Neoliberalismus"...

Quelle: http://www.udo-leuschner.de/liberalismus/fdp34.htm

...und bietet folgende Untertitel (Auszug):

- Lambsdorff empört sich über die "mißbräuchliche Benutzung des Wortes neoliberal"
- Ordo-Liberalismus und "soziale Marktwirtschaft"
- Die "Mont-Pèlerin-Gesellschaft" wird zum Zentrum einer neuen Heilslehre
- Für Hayek besteht Freiheit "ausschließlich in der Abwesenheit von willkürlichem Zwang"
- "Wirksame Verteidigung der Freiheit muß dogmatisch und doktrinär sein"
- Popper füllt die Leere von Hayeks Freiheits-Begriff mit der "offenen Gesellschaft"
- Der Neoliberalismus hat zunächst keine Chancen gegenüber dem Keynesianismus
- Neoliberaler "Sozialstaat" gegen sozialdemokratischen "Wohlfahrtsstaat"

Ein Zitat hieraus (siehe dort unter: Ordo-Liberalismus und "soziale Marktwirtschaft"):
"Für Hayek war es ... unmöglich und anmaßend, Wirtschaft als rationalen Prozeß gestalten zu wollen. Stattdessen setzte er blindes Vertrauen in das freie Spiel der Marktkräfte, die alles optimal richten, sofern der Staat für die Ausschaltung hemmender Faktoren sorgt."

Das ist es, was seit langem bis heute in der Politik geschieht: Der Schwanz wedelt mit dem Rest eines "Zombies" - Die Politik ist derzeit (noch) nichts anderes als der Interessenvertreter der Wirtschaft. (Wobei der Gipfel der liberalistischen Frechheit das Einschleusen eines U-Boots (Schröder) war, um sofort nach "Machtübernahme" einen "marktfördernden Staatsakt" durchzusetzen, nämlich Konzerngewinne mit Verlusten ausländischer Töchter steuerwirksam verrechnen zu dürfen.)
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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

Carl Caiser hat geschrieben: "Für Hayek war es ... unmöglich und anmaßend, Wirtschaft als rationalen Prozeß gestalten zu wollen. Stattdessen setzte er blindes Vertrauen in das freie Spiel der Marktkräfte, die alles optimal richten, sofern der Staat für die Ausschaltung hemmender Faktoren sorgt."

Das ist es, was seit langem bis heute in der Politik geschieht: Der Schwanz wedelt mit dem Rest eines "Zombies" - Die Politik ist derzeit (noch) nichts anderes als der Interessenvertreter der Wirtschaft.
Und was hat das mit Hayek zu tun? "Politik als Interessensvertreter der Wirtschaft" ist keine liberale Idee. Der Genosse der Bosse paßt da nur ins Bild. Hayek ist bei gegenwärtigen Politikern allgemein verhaßt, die halten sich lieber an Keynes.
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

Carl Caiser
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Beitrag von Carl Caiser »

Peregrin hat geschrieben:
Carl Caiser hat geschrieben: "Für Hayek war es ... unmöglich und anmaßend, Wirtschaft als rationalen Prozeß gestalten zu wollen. Stattdessen setzte er blindes Vertrauen in das freie Spiel der Marktkräfte, die alles optimal richten, sofern der Staat für die Ausschaltung hemmender Faktoren sorgt."

Das ist es, was seit langem bis heute in der Politik geschieht: Der Schwanz wedelt mit dem Rest eines "Zombies" - Die Politik ist derzeit (noch) nichts anderes als der Interessenvertreter der Wirtschaft.
Und was hat das mit Hayek zu tun? "Politik als Interessensvertreter der Wirtschaft" ist keine liberale Idee. Der Genosse der Bosse paßt da nur ins Bild. Hayek ist bei gegenwärtigen Politikern allgemein verhaßt, die halten sich lieber an Keynes.
Danke für den Hinweis. Meine These geht dahin:
Hayeks Phrasen fügen sich den weiter oben genannten "Interessenvertretern" optimal ins globale Konzept um über den liberalen Schein ihre durchaus "nichtliberalen" Interessen durchzusetzen und ...natürlich: je offenbarer die "Ergebnisse" für Gesellschaft und Politik sind (s.o.) desto verhaßter macht sich dieses Spielart des "Liberalismus"- aber als Konsequenz werden die Methoden verfeinert: "Plötzlich" (nein, eher schleichend) hört man in den "Massen"medien Gender-Mainstream, nCorrectness, unisex, etc. . Hiermit wird ohne die "Gefahr" einer öffentlichen Diskussion die Doktrin nach Hayek betoniert, etwa so lautend: "(Markt-)Freiheit um jeden Preis, wenn erforderlich auch um den der Freiheit."
Wie sehen Sie das?
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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

Carl Caiser hat geschrieben: Hayeks Phrasen fügen sich den weiter oben genannten "Interessenvertretern" optimal ins globale Konzept um über den liberalen Schein ihre durchaus "nichtliberalen" Interessen durchzusetzen und ...

Wie sehen Sie das?
Ich möchte zunächst einwenden, daß Hayek keine Phrasen gedroschen hat; es sollte besser "Phrasen nach Hayek" heißen. ;) Ich denke, es ist aber richtig, daß sich Hayek leicht mißbrauchen läßt: er lehnt alle staatlichen Eingriffe radikal ab, bekennt sich aber treuherzig zum "Minimalstaat", dh stellt das grunsätzliche Existenzrecht einer Politikerkaste noch nicht in Frage.

Jeder Politiker, der irgendwas abschaffen will, was ihm gerade nicht in den Kram paßt, kann sich daher irgendwie auf Hayek berufen, ohne gleichzeitig seine eigene Position zu gefährden. Andersrum kann der Gegner der Abschaffung immer gegen Hayek und "Neoliberalismus" wettern.

Das Grundproblem und eine gewisse Paradoxie liegt hier darin, daß unter unseren gegenwärtigen Zuständen eine Hayek'sche "Liberalisierung" nicht zu einem "liberaleren Zustand" führt, da ja, wenn es weniger Eingriffe in das Marktgeschehen gibt, den verbliebenen umso mehr Gewicht zukommt und die Verzerrung daher möglicherweise größer statt kleiner wird. Die Hayek'sche Utopie ist daher sozusagen instabil: bereits jeder kleine Eingriff der Politikerkaste (und solche werden in welcher Form auch immer in der Realität immer stattfinden) kippt den "Idealzustand" des freien Marktes in irgendwas undefiniertes, für das Hayek keine Verantwortung mehr übernimmt.

Diese Schwäche wurde von der Generation der Hayekschüler ja auch erkannt, und führt dort - konsequent - zu einer ablehnenden Haltung gegenüber dem modernen Staat an sich. Die ist "radikal" im eigentlichen Sinn, indem sie wieder zum Ausgangspunkt zurückführt: dem Menschen als Eigentümer seiner selbst und seinem Recht auf das "Streben nach Glück", und die ganze Ideengeschichte seit Adam Smith, die einem "Staat" dabei irgendeine positive Funktion zuweisen wollte, wird verworfen.

Der moderne Radikalliberalismus ist daher auch vielgestaltig; manche befürworten Anarcho-Kapitalismus, andere kehren zum Konzept der "natürlichen Herrschaftsverhältnisse" zurück und berufen sich auf die Scholastiker. Die Demokratie erscheint jedenfalls in einem gänzlich negativen Licht: als System, das grundsätzlich darin besteht, daß Interessensgruppen den Mob aufhetzen, um dann im Trüben zu fischen. Interessanterweise kamen ja schon die antiken Denker nach den diesbezüglichen Experimenten zum gleichen Schluß.

Schaun Sie mal auf liberty.li rein.
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Carl Caiser
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Beitrag von Carl Caiser »

Peregrin hat geschrieben: ...
Die Demokratie erscheint jedenfalls in einem gänzlich negativen Licht: als System, das grundsätzlich darin besteht, daß Interessensgruppen den Mob aufhetzen, um dann im Trüben zu fischen. Interessanterweise kamen ja schon die antiken Denker nach den diesbezüglichen Experimenten zum gleichen Schluß.

Schaun Sie mal auf liberty.li rein.
Interessanter Aspekt und nachvollziehbar. Die ausdrücklich negativen Auswirkungen auf die Demokratie sind in diesem Thread tatsächlich bisher unterbelichtet gewesen, wobei es eigentlich gleich ist unter (oder über?) welchem Staatssystem eine Interessengruppe den Mob instrumentalisiert....?

Der Link ist wertvoll, vielen Dank Peregrin.
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Carl Caiser
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Beitrag von Carl Caiser »

Peregrin hat geschrieben:
Carl Caiser hat geschrieben: ...
Hayek ist bei gegenwärtigen Politikern allgemein verhaßt, die halten sich lieber an Keynes.
...habe soeben über Ihren o.g. Link einen für mich aufschlussreichen Artikel gefunden, aus dem die Gründe erkenntlich sind, warum sich Politiker lieber an Keynes halten, ich zitiere:

Lord Keynes, der bis heute wirkungsmächtigste Nationalökonom seit K. Marx und dessen vermeintlicher Vollstecker der sozialistischen Utopie von einer Welt ohne Mangel, kam bereits 1936 in seinem Werk „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ zu der bemerkenswerten Erkenntnis, daß die in der Hand der werktätigen Massen befindliche Kaufkraft der alles entscheidende Konjunkturfaktor wäre. Man müsse nur den Arbeitern – ohne Rücksicht auf unbedeutende Kleinigkeiten wie die Produktivität - hohe (Nominal)Löhne bezahlen, um eine ausreichende Nachfrage – und damit Konjunktur – zu generieren. Selbst subventioniertes Graben und Zuschütten von Löchern wäre demnach ein taugliches Mittel zur Wohlstandssteigerung, die – angesichts chronischer Dummheit und verantwortungslosen Egoismus´ freier Unternehmer – von einer entschlossenen, dirigistischen Wirtschaftspolitik abhinge.

Der von Keynes diagnostizierte „Hang zum Konsum“ wäre schlechthin der Treibsatz zur Prosperität. Sparen dagegen (obschon auch von ihm erkannt, gleichbedeutend mit Investition!) bedeute ein schädliches Fehlverhalten. (Der haarsträubenden Widersprüchlichkeit und des umständlichen Schreibstils Keynes´ wegen ist es geraten, sich besser der Lektüre H. Hazlitts 1960 erschienenen Abrechnung mit dessen „Theorie“ „Das Fiasko der Keynes´schen Wirtschaftslehre“ – englischer Originaltitel: “The Failure of the New Economics“ zu widmen).

| Quelle |
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Robert Ketelhohn
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Re: Sicheres Geld

Beitrag von Robert Ketelhohn »

sofaklecks hat geschrieben:Das ist aber nicht der Marktpreis. Das ist ein manipulierter Marktpreis. Manipuliert von Monopolisten, die ihn beeinflussen können. Die Manipulationen bringen uns um.
Manipulation ist das Wesen des Marktes. Seinen einflußreichsten Verfechtern war und ist das durchaus klar. Adam Smith beispielshalber behauptet ja gerade, das freie Walten der niedersten Instinkte und Beweggründe am Markt bewirke, wie von unsichtbarer Hand gesteuert, die Prosperität der Nation.

Das ist genau falsch. In Smithens Fall möchte ich sogar sagen: eine bewußte und zweckorientierte Lüge.

Richtig ist, daß es Aufgabe des Gemeinwesens ist, der niedern Trieben zu steuern und ihre negativen Auswirkungen zu minimieren. Dazu gehört ganz besonders die Regulierung des Marktes.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

sofaklecks
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Sehr richtig

Beitrag von sofaklecks »

Sehr richtig, Robert.

Die gemeinen Wesen, pardon, Gemeinwesen sollten die Aufgabe der Regulierung der Märkte sofort in Angriff nehmen, nachdem ihnen die noch wichtigere Aufgabe der Regulierung des Wetters gelungen ist, dessen unreguliertes Schalten und Walten ebenfalls in der Vergangenheit katastrophale Auswirkungen hatte.

sofaklecks

Raphael

Re: Sehr richtig

Beitrag von Raphael »

sofaklecks hat geschrieben:Sehr richtig, Robert.

Die gemeinen Wesen, pardon, Gemeinwesen sollten die Aufgabe der Regulierung der Märkte sofort in Angriff nehmen, nachdem ihnen die noch wichtigere Aufgabe der Regulierung des Wetters gelungen ist, dessen unreguliertes Schalten und Walten ebenfalls in der Vergangenheit katastrophale Auswirkungen hatte.

sofaklecks
Hier verstehst Du Robert (bewußt?) miß und bleibst daher unter Deinen zweifelsohne vorhandenen Möglichkeiten! :roll:

Auch wenn seine wirtschaftspolitischen Anregungen - im Gegensatz zu seinen übrigen Beiträgen - vergleichsweise unausgegoren sind, weist er diesmal in die richtige Richtung.

Insbesondere richtig und wichtig ist es, nicht von der "Gesellschaft" her zu denken, sondern von dem "Gemeinwesen"!

sofaklecks
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Satire

Beitrag von sofaklecks »

Ach Raphael,

die Gemeinwesen.

Lies doch hier mal rum. Alle schimpfen über die Politiker. Alle warnen vor dem Überwachungsstaat. Und dann wollen sie, dass eben der Staat die Finanzmärkte kontrolliert.

Und welches Gemeinwesen soll das leisten?

Die UN?

Das ist so lebensfremd wie die Kontrolle des Wetters.

Das hab ich gemeint.

sofaklecks

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Daß unserer politischen Kaste der Begriff des Gemeinwohls ganz und gar fremd ist, trifft zwar zu, ist aber ein Thema für sich.

Was ich oben benannt habe – ein paar Ergänzungen wären noch möglich –, sind originär öffentliche Aufgaben, welche dem Gemeinwesen insgesamt obliegen und die nicht privaten Interessen überlassen werden dürfen.

Private Erfüllung solcher öffentlichen Aufgaben, einschließlich der Übertragung hoheitlicher Befugnisse, ist natürlich denkbar und im Einzelfall – etwa des TÜV oder des Hauses Thurn und Taxis – auch erfolgreich erprobt. Solche Privatpersonen oder- organisationen müssen aber institutionell aufs Gemeinwohl ausgerichtet und privatwirtschaftlichen Marktmechanismen entzogen sein.

Dies ist heute fast nirgends mehr der Fall. Darin liegt ein gut Teil des Problems. Man unterwirft die öffentlichen Versorger dem Markt und macht damit die Lebensgrundlagen der Menschen vom Gutdünken und Profitstreben einiger weniger abhängig.

Die Folgen solcher „Privatisierung“ studiere man am britischen Eisenbahnwesen oder an der Electricitätswirtschaft von Orange County. Von Rußland oder der Ukraine will ich gar nicht reden.

Die privaten Konkurrenten der einstigen öffentlichen Versorger müssen billiger sein. Sie legen zentrale technische Funktionseinheiten nicht mehr redundant aus. Sie sparen am Personal, das vielfach nicht adäquat ausgebildet und jedenfalls durch Unterbesetzung permanent überfordert ist. Sie sparen schließlich an Wartung und Instandhaltung.

Die ehemaligen öffentlichen Versorger geben in Reaktion auf diese Situation auch ihrerseits die Orientierung am Gemeinwohl auf und machen es den Privaten nach, mit der Folge, daß sich auch bei uns die Stromausfälle häufen werden, die Verfügbarkeit des Telephons von 99,98 % auf 80 % oder darunter sinken wird, die Zahl der Eisenbahnunglücke rapide steigen wird, Brücken einstürzen werden und man das Trinkwasser stundenweise abstellen wird.

Die Lambsdorffs und ähnliche Geier hatten den ehemaligen öffentlichen Versorgern schon lang vorgeworfen, daß sie nicht effizient arbeiteten. Das heißt, sie arbeiteten nicht orientiert an Gewinnmaximierung. Was Wunder. Sie waren ja aufs Gemeinwohl verpflichtet. Dazu ließ man sie einst ruhig arbeiten und sicher etwas gemächlicher, als es in Drückerkolonnen zugeht, wie sie zum Beispiel heute nach dem Willen der Obergeier die Post ersetzen sollen. Doch dafür gewann man Sicherheit.

Am Gemeinwohl orientierte Regierungen würden also die Privatisierungen der einstigen öffentlichen Versorger rückgängig machen und diese von der Konkurrenz profitorientierter Schnelle-Mark-Discounter eximieren.
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Raphael

Beitrag von Raphael »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Daß unserer politischen Kaste der Begriff des Gemeinwohls ganz und gar fremd ist, trifft zwar zu, ist aber ein Thema für sich.

Was ich oben benannt habe – ein paar Ergänzungen wären noch möglich –, sind originär öffentliche Aufgaben, welche dem Gemeinwesen insgesamt obliegen und die nicht privaten Interessen überlassen werden dürfen.

Private Erfüllung solcher öffentlichen Aufgaben, einschließlich der Übertragung hoheitlicher Befugnisse, ist natürlich denkbar und im Einzelfall – etwa des TÜV oder des Hauses Thurn und Taxis – auch erfolgreich erprobt. Solche Privatpersonen oder- organisationen müssen aber institutionell aufs Gemeinwohl ausgerichtet und privatwirtschaftlichen Marktmechanismen entzogen sein.

Dies ist heute fast nirgends mehr der Fall. Darin liegt ein gut Teil des Problems. Man unterwirft die öffentlichen Versorger dem Markt und macht damit die Lebensgrundlagen der Menschen vom Gutdünken und Profitstreben einiger weniger abhängig.

Die Folgen solcher „Privatisierung“ studiere man am britischen Eisenbahnwesen oder an der Electricitätswirtschaft von Orange County. Von Rußland oder der Ukraine will ich gar nicht reden.

Die privaten Konkurrenten der einstigen öffentlichen Versorger müssen billiger sein. Sie legen zentrale technische Funktionseinheiten nicht mehr redundant aus. Sie sparen am Personal, das vielfach nicht adäquat ausgebildet und jedenfalls durch Unterbesetzung permanent überfordert ist. Sie sparen schließlich an Wartung und Instandhaltung.

Die ehemaligen öffentlichen Versorger geben in Reaktion auf diese Situation auch ihrerseits die Orientierung am Gemeinwohl auf und machen es den Privaten nach, mit der Folge, daß sich auch bei uns die Stromausfälle häufen werden, die Verfügbarkeit des Telephons von 99,98 % auf 80 % oder darunter sinken wird, die Zahl der Eisenbahnunglücke rapide steigen wird, Brücken einstürzen werden und man das Trinkwasser stundenweise abstellen wird.

Die Lambsdorffs und ähnliche Geier hatten den ehemaligen öffentlichen Versorgern schon lang vorgeworfen, daß sie nicht effizient arbeiteten. Das heißt, sie arbeiteten nicht orientiert an Gewinnmaximierung. Was Wunder. Sie waren ja aufs Gemeinwohl verpflichtet. Dazu ließ man sie einst ruhig arbeiten und sicher etwas gemächlicher, als es in Drückerkolonnen zugeht, wie sie zum Beispiel heute nach dem Willen der Obergeier die Post ersetzen sollen. Doch dafür gewann man Sicherheit.

Am Gemeinwohl orientierte Regierungen würden also die Privatisierungen der einstigen öffentlichen Versorger rückgängig machen und diese von der Konkurrenz profitorientierter Schnelle-Mark-Discounter eximieren.
Damit ziehst Du den Kreis der öffentlichen Aufgaben viel zu weit.

Der Kernbereich der Staatsaufgaben ist die Herstellung (man ist versucht zu sagen: die „Produktion“) der äußeren und der inneren Sicherheit eines Volkes. D.h.: Lediglich die Unterhaltung eines wehrhaften Armee und die Gewährleistung des Rechtsstaates (Justizwesen incl. Polizeikräften und die geordnete politische Willensbildung/Regierungsform) innerhalb bestimmbarer geographischer Grenzen ist originäre und unverzichtbare Aufgabe des Staates. Darüber hinaus sollte der Staat für einen gewissen Ausgleich zwischen den wirtschaftlich starken und wirtschaftlich schwachen Teilen der Bevölkerung sorgen. Letzteres entspringt der sozialen Dimension des Gemeinwesens.

Alles, was darüber hinausgeht, kann (muß aber nicht) privatwirtschaftlich organisiert sein. Insbesondere zählen folgende Industriebereiche dazu:
• Energieversorgung (Gas, Strom, Wasser)
• Telekommunikation (incl. Internet)
• Fernsehen und sonstige öffentliche Medien
• Verkehr (sowohl Straße als auch Bahn; Luftverkehr sowieso)
• Bildung (wobei Schulpflicht gesetzlich vorgeschrieben bleibt)

Zwei Bereiche bedürfen der gesonderten Regelung:
1. Bodenschätze
2. Landwirtschaft
Diese beiden Bereiche sind auf das Engste verzahnt mit der geographischen Ausweitung des Staates einerseits und der existentiellen Grundversorgung der Bevölkerung andererseits. Ein Einfluß des Staates (zumindest in Form einer Vorbehaltsregelung oder einer Extrabesteuerung) ist in diesen beiden Bereichen unbedingt erforderlich, damit
- bei den Bodenschätzen kein von der Regierung ungewollter Export des materiellen Wohlstands eines Landes ins Ausland stattfinden kann und
- die von der Bevölkerung benötigten Lebensmittel in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen.

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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

Raphael hat geschrieben: Lediglich die Unterhaltung eines wehrhaften Armee und die Gewährleistung des Rechtsstaates ... innerhalb bestimmbarer geographischer Grenzen ist originäre und unverzichtbare Aufgabe des Staates.
Das ist nicht zwingender als jede andere Behauptung. Es ist wohl eher andersrum: Wer stark genug ist, ein Territorium zu verteidigen und sich dort Untertanen zu erhalten, kann sich aussuchen, welche Aufgaben er übernimmt und welche nicht. Zumindest bis zur nächsten Niederlage oder Revolution. Was "originär und unverzichtbar" ist, ergibt sich also aus den taktischen und strategischen Abwägungen der Herrschenden.
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Raphael

Beitrag von Raphael »

Peregrin hat geschrieben:Das ist nicht zwingender als jede andere Behauptung.

Da wir uns hier im Bereich der politischen Theorie befinden, ist diese (meine) Ansicht natürlich im engeren Sinne nicht zwingend.

Allerdings gehe ich davon aus, daß der Staat zuallererst ein Selbstbehauptungsinteresse hat und äußere und innere Zwistigkeiten dieses Selbstbehauptungsinteresse so stark stören können, daß der Staat aufhört zu existieren.
Deshalb ist oberste Staatsräson, die Selbstverteidigung nach innen und nach außen.

Die darüber hinausgehenden - gemeint sind im Wesentlichen die wirtschaftlichen - Belange, sind keine Staatsaufgaben.
Manche Dinge kann der Staat als Staat nicht leisten, da er immer in einen kulturellen Zusammenhang eingebettet ist und andere braucht er als Staat nicht zu leisten, sondern lediglich deren Bereitstellung zu ermöglichen.
Peregrin hat geschrieben:Es ist wohl eher andersrum: Wer stark genug ist, ein Territorium zu verteidigen und sich dort Untertanen zu erhalten, kann sich aussuchen, welche Aufgaben er übernimmt und welche nicht. Zumindest bis zur nächsten Niederlage oder Revolution. Was "originär und unverzichtbar" ist, ergibt sich also aus den taktischen und strategischen Abwägungen der Herrschenden.
Meinst Du hier die faktisch Herrschenden oder die vorgeblich Herrschenden?

Carl Caiser
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Beitrag von Carl Caiser »

Raphael hat geschrieben:
...

Der Kernbereich der Staatsaufgaben ist die Herstellung ... der äußeren und der inneren Sicherheit eines Volkes. D.h.: Lediglich die Unterhaltung eines wehrhaften Armee und die Gewährleistung des Rechtsstaates (Justizwesen incl. Polizeikräften und die geordnete politische Willensbildung/Regierungsform) innerhalb bestimmbarer geographischer Grenzen ist originäre und unverzichtbare Aufgabe des Staates. Darüber hinaus sollte der Staat für einen gewissen Ausgleich zwischen den wirtschaftlich starken und wirtschaftlich schwachen Teilen der Bevölkerung sorgen. Letzteres entspringt der sozialen Dimension des Gemeinwesens.

Alles, was darüber hinausgeht, kann (muß aber nicht) privatwirtschaftlich organisiert sein. Insbesondere zählen folgende Industriebereiche dazu:
• Energieversorgung (Gas, Strom, Wasser)
• Telekommunikation (incl. Internet)
• Fernsehen und sonstige öffentliche Medien
• Verkehr (sowohl Straße als auch Bahn; Luftverkehr sowieso)
• Bildung (wobei Schulpflicht gesetzlich vorgeschrieben bleibt)

Zwei Bereiche bedürfen der gesonderten Regelung:
1. Bodenschätze
2. Landwirtschaft
Diese beiden Bereiche sind auf das Engste verzahnt mit der geographischen Ausweitung des Staates einerseits und der existentiellen Grundversorgung der Bevölkerung andererseits. Ein Einfluß des Staates (zumindest in Form einer Vorbehaltsregelung oder einer Extrabesteuerung) ist in diesen beiden Bereichen unbedingt erforderlich, damit
- bei den Bodenschätzen kein von der Regierung ungewollter Export des materiellen Wohlstands eines Landes ins Ausland stattfinden kann und
- die von der Bevölkerung benötigten Lebensmittel in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen.
Wenn man dies als das Wesen unseres konkreten Staates definiert... wie könnte man das Subsidiaritätsprinzip (nach der katholischen Soziallehre) den obigen Wesensmerkmalen zugrundelegen oder "einformulieren"?
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Raphael

Beitrag von Raphael »

Carl Caiser hat geschrieben:Wenn man dies als das Wesen unseres konkreten Staates definiert... wie könnte man das Subsidiaritätsprinzip (nach der katholischen Soziallehre) den obigen Wesensmerkmalen zugrundelegen oder "einformulieren"?
Das Subsidiaritätsprinzip ist im strikten Sinne nicht "einformulierbar", da es auf einer anderen Ebene liegt, wie dies auch schon im Wortteil "-prinzip" zum Ausdruck kommt.

Es wird jedoch dort konkret, wo das Gemeinwesen Aufgaben übernimmt, die in den Verantwortungsbereich des einzelnen Bürgers fallen. Dann nämlich liegt ein Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip vor. In der Wirkung wird dem Bürger eine Freiheit genommen - und damit kommt der liberale Bezug des Threads ins Spiel - die ihm originär zusteht.
Die Macht und der Einfluß des Staates muß nach oben (Kultur, Religion etc.) und nach unten (Selbstverantwortungsbereich der Bürger) begrenzt werden, da sonst seine bürokratischen Wucherungen die Entwicklungsmöglichkeiten und Potentiale des Gemeinwesens ersticken. Letzteres geschieht meist unter dem Vorwand, dem Bürger ein "Rundum-Sorglos-Paket" für alle seine Lebensrisiken anzubieten ...........

Die oben genannten wirtschaftlichen Bereiche können die Bürger auf privatwirtschaftlicher Ebene gestalten, der Staat braucht dort lediglich gesetzliche Rahmenbedingungen (BGB, StGB etc.) zu formulieren und auf deren Einhaltung pochen.

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Pelikan
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Beitrag von Pelikan »

Raphael hat geschrieben:Allerdings gehe ich davon aus, daß der Staat zuallererst ein Selbstbehauptungsinteresse hat und äußere und innere Zwistigkeiten dieses Selbstbehauptungsinteresse so stark stören können, daß der Staat aufhört zu existieren.
Deshalb ist oberste Staatsräson, die Selbstverteidigung nach innen und nach außen.
War das Heilige Römische Reich deiner Meinung nach ein Staat? Da kommt es auf die Begriffsdefinition an; aber fest steht, daß Menschen über Jahrtausende geordnet und friedlich zusammengelebt haben (übrigens im allgemeinen viel friedlicher als die modernen Menschen in modernen Staaten), ohne eines staatlicherseits abstrahierten Selbstbehauptungsinteresses, eines Polizeiwesens oder auch nur stehender Heere zu bedürfen. Selbst die Vision der amerikanischen Founding Fathers kam noch ohne solche 'Staatsräson' aus. Was ist seitdem geschehen, daß diese Dinge heute auf einmal so vielen unumgänglich erscheinen?

Raphael

Beitrag von Raphael »

Pelikan hat geschrieben:War das Heilige Römische Reich deiner Meinung nach ein Staat?
Aus heutiger Sicht war das HRR eher ein Staatenbund, da die einzelnen Könige sehr weitgehende Entscheidungsbefugnisse hatten.
Pelikan hat geschrieben:Da kommt es auf die Begriffsdefinition an; aber fest steht, daß Menschen über Jahrtausende geordnet und friedlich zusammengelebt haben (übrigens im allgemeinen viel friedlicher als die modernen Menschen in modernen Staaten), ohne eines staatlicherseits abstrahierten Selbstbehauptungsinteresses, eines Polizeiwesens oder auch nur stehender Heere zu bedürfen.
Das stimmt IMHO so nicht, denn Polizei/Justizwesen und Heere gab es zu allen Zeiten der Geschichte.
Richtig ist wohl, daß sich nicht jeder Staat zu jeder Zeit ein stehendes Heer geleistet hat. In diesem Punkt haben sich die Zeitläufte geändert!
Pelikan hat geschrieben:Selbst die Vision der amerikanischen Founding Fathers kam noch ohne solche 'Staatsräson' aus. Was ist seitdem geschehen, daß diese Dinge heute auf einmal so vielen unumgänglich erscheinen?
Da verweise ich doch schlicht und ergreifend zum Beispiel auf den doppelten Weltenbrand im letzten Jahrhundert ..............

liberalerphilosoph
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Katholische Wurzeln des Neoliberalismus

Beitrag von liberalerphilosoph »

Der nachfolgend zitierte Beitrag von Pater Robert A. Sirico C.S.P. zieht einen roten Faden von der Spätscholastik über die Österreichische Schule der Nationalökonomie (Neoliberalismus) bis zur Enzyklica Centesimus Annus von 1991. Leider sind die Ausführungen von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. gegen den "sozialen Unterstützungsstaat" nicht so eindeutig und scharf ablehnend formuliert wie ihre Antithesen gegen den manifesten Sozialismus. Wenn jedoch Arbeiten wie die unten zitierte des katholischen Priesters Sirico (Präsident des liberalen Lord Acton Instituts) bei der Kurie nicht unbemerkt bleiben, besteht Hoffnung, daß irgendwann auch die lehramtliche Weisheit Roms zur Erkenntnis der liberalen Politischen Ökonomie gelangen könnte: daß es sich nämlich beim Wohlfahrtsstaat nur um einen Sozialismus in demokratischer Mogelpackung handelt.

Robert A. Sirico: "Spätscholastische und österreichische Ursprünge im ökonomischen Denken des modernen Katholizismus", in: Wider die Wohlfahrtsdiktatur. Zehn liberale Stimmen, hrsg. von Roland Baader, Gräfelfing 1995, S. 147 - 170.

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Beitrag von Esperanto »

Da der Sinn des Lebens das Teilen-Lernen ist, kann ich nicht verstehen, wie Kirchenleute wie Sirico den wirtschaftlichen Liberalismus unterstützen können. Die Wirtschaftsliberalen sind doch gerade für ihr Nichtteilenwollen bekannt!

ieromonach
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Die Pforte

Beitrag von ieromonach »

Hallo Kreuzgänger, ob Liberalismus oder Sozialismus, beides ist eine Gefahr für die Verbreitung des Evangeliums. Erinnern wir uns an die "Versuchung des Herrn in der Wüste". Dort finden wir eine Antwort. "Jede Versuchung enthält eine gewisse Wahrheit, die aber bis zur Einsichtigkeit und Lüge entstellt ist.... und in der göttlichen Macht.... liegt die Kraft, der Natur zu gebieten, aus Steinen Brot zu machen.". Hätte Jesus dieses getan, dann hätte er alle sozialen Probleme für alle Zeit ist gelöst und die Menschen hätten ihn zugejubelt. "Aber der Menschensohn ist nicht deshalb gekommen, um uns in diesem dunklen, sündigen und sterblichen Leben mit mehr Bequemlichkeit auszustatten, sonder um uns von ihm zu erlösen, indem Er es in seinen Grundlagen überwand. .....mit den Mitteln eben d i e s e r Welt und in ihren Grenzen zukämpfen, gehörte überhaupt nicht zur Aufgabe des Erlösers der Welt".

Wenn wir es ernst nehmen mit der Aussage "die Kirche ist der geheimnisvolle Leib Jesu Christi" dann dürfen wir die Frage stellen ob es die Aufgabe der der Kirche ist ein "Wirtschaftsmodell" zu entwickeln. PS.: Alle Zitate sind aus: Sergij N. "Sozilismus im Christentu" ISBN 3-525-0161-7 Verlag Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen + P. Theodoros

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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

Esperanto hat geschrieben:Da der Sinn des Lebens das Teilen-Lernen ist, kann ich nicht verstehen, wie Kirchenleute wie Sirico den wirtschaftlichen Liberalismus unterstützen können.
Teilen lernt man aber nicht, wenn man sein Geld vor dem Finanzamt und den nimmersatten Sozialbürokraten in Sicherheit bringen muß, da lernt man nur Steuer hinterziehen, bzw "Tricks zum Steuersparen", wie man das wohl politisch korrekt nennt.
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liberalerphilosoph
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Aus freiem Willen den Willen Gottes tun...

Beitrag von liberalerphilosoph »

Wir Christen sollen aus freiem Willen den Willen Gottes, also das Gute, tun. Und wir sollen deshalb aus freiem Willen teilen. Der barmherzige Samariter ist eine Person, die aus freiem Willen hilft und nicht aus staatlicher Anordnung und staatlichem Zwang. Anstatt die Rolle des barmherzigen Samariters anzunehmen, verweist der heutige "Gutmensch" auf den Staat, der als wohlwollender Wohlfahrtsdiktator handeln soll. Der Wohlfahrtsstaat ist deshalb eine Pervertierung des Christentums.

Carl Caiser
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Re: Aus freiem Willen den Willen Gottes tun...

Beitrag von Carl Caiser »

liberalerphilosoph hat geschrieben:Wir Christen sollen aus freiem Willen den Willen Gottes, also das Gute, tun. Und wir sollen deshalb aus freiem Willen teilen. Der barmherzige Samariter ist eine Person, die aus freiem Willen hilft und nicht aus staatlicher Anordnung und staatlichem Zwang. Anstatt die Rolle des barmherzigen Samariters anzunehmen, verweist der heutige "Gutmensch" auf den Staat, der als wohlwollender Wohlfahrtsdiktator handeln soll. Der Wohlfahrtsstaat ist deshalb eine Pervertierung des Christentums.
Ich darf annehmen, daß wir dieses Wort in Beziehung zu jenem gesetzt auffassen sollen(?):
liberalerphilosoph hat geschrieben:...Die derzeitige Situation ist in Deutschland durch eine vielfache Vermischung von Kirche und Staat geprägt. Nicht nur die Besoldung der Bischöfe durch den Staat schadet der Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche und ist wahrscheinlich auch der Grund, weshalb nur wenige Bischöfe sich kritisch in der Öffentlichkeit gegen die herrschende Politikerkaste stellen. Die Kirchen (auch die evangelische) erhalten für die Besoldung ihrer Priester sogar sogenannte Staatsleistungen. Auch andere Staatsleistungen und Subventionen erhält die katholische Kirche, aber nicht nur diese. Deshalb gilt: Eine katholische Kirche, die glaubwürdig eine Reevangelisierung in Deutschland anzustoßen hätte, müßte sich vorab konsequent vom Staat trennen. Dieses ist natürlich mit Spitzenklerikern wie dem wandelnden Kompromißler Kardinal Lehmann nicht zu machen. [Übrigens, wieso müssen Bischöfe mit B 6 und B 10 besoldet werden, also einschließlich Zulagen mit 9000 Euro bzw. 12000 Euro im Monat. Was soll das?]
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Esperanto
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Re: Aus freiem Willen den Willen Gottes tun...

Beitrag von Esperanto »

liberalerphilosoph hat geschrieben:Wir Christen sollen aus freiem Willen den Willen Gottes, also das Gute, tun. Und wir sollen deshalb aus freiem Willen teilen. Der barmherzige Samariter ist eine Person, die aus freiem Willen hilft und nicht aus staatlicher Anordnung und staatlichem Zwang. Anstatt die Rolle des barmherzigen Samariters anzunehmen, verweist der heutige "Gutmensch" auf den Staat, der als wohlwollender Wohlfahrtsdiktator handeln soll. Der Wohlfahrtsstaat ist deshalb eine Pervertierung des Christentums.

Wenn einem von Staats wegen das Geld abgeknöpft wird, dann lernt man aber zu teilen, man wird dazu gezwungen.....und merkt auch erst, wie habgierig man doch ist!

liberalerphilosoph
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Die liberale "Funktion" der Kirche

Beitrag von liberalerphilosoph »

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Der Konflikt zwischen Kirche und Staat prägt die gesamte west- und mitteleuropäische Geschichte. Er ist das Fundament der europäischen Kultur und bildet die Ursache für die europäische Freiheitsidee und die Entstehung des Liberalismus. Außerhalb des christlichen Abendlandes neigt die Staatenbildung infolge der Verbindung von weltlicher und geistlicher Gewalt zur Despotie. In Europa und nachfolgend in der gesamten westlichen Kultur sind hingegen alle Versuche gescheitert, Despotien dauerhaft zu errichten. Selbst die kommunistische Diktatur in Mittel- und Osteuropa ist zusammengebrochen, und bezeichnenderweise nahm dieser Zusammenbruch im stark katholisch geprägten Polen seinen Anfang.
In Europa und in der westlichen Welt war und ist der Staat zumindest durch die Kirche beschränkt. Die politische Regierung hatte spätestens seit dem Investiturstreit dauerhafte institutionelle Schranken. Der europäische Sonderweg besteht deshalb in der Zähmung der Herrschaft. Die vom Kirchenvater Augustinus ausgehende Unterscheidung von Religion und Politik entzieht der Politik die Mittlerrolle zwischen irdischem und kosmischem Geschehen und läßt diese nur noch der Religion zukommen. Dadurch sind politische Probleme nicht mehr ohne weiteres wie in der griechischen Polis und im antiken Römischen Reich zugleich auch religiöse Probleme und umgekehrt. Beide erfüllen jedoch komplementäre Funktionen und das bedeutet, daß auch unter den Strukturbedingungen der modernen Gesellschaft strukturelle Kopplungen zwischen Religion und Politik existieren.
Die Unterscheidung von Religion und Politik zeigt sich in der Katholischen Kirche u.a. darin, daß kein Priester und kein Ordensmitglied ein politisches Amt ausüben darf. Zudem hat der Vatikan die katholischen Kleriker wiederholt ermahnt, die Autonomie des Politischen zu achten: Anfang der 80er Jahre gegenüber links-katholischen Bewegungen einer angeblichen „Theologie der Befreiung“ und in den letzten Jahren vermehrt gegenüber rechts-katholischen Nationalisten vom polnischen Radiosender Maria und dessen Umfeld.
Letztlich ist es die Religion, die in der liberalen Gesellschaft der Individuen die höchste Form der Bindung von Ungewißheit darstellt. Die Religion erzeugt und erhält „soziales Kapital“, indem sie das Vertrauen und die Fähigkeit der Individuen fördert, sich „an der interaktiven Gestaltung sozialer Beziehungen unter Bedingungen von Komplexität und Selbstorganisation“ zu beteiligen. Gerade die von der christlichen Religion geforderte Selbstbeobachtung und Selbsttransformation der Individuen im Spiegel der göttlichen Gesetze und die daraus folgende geistige Ausrichtung auf die göttlichen Gesetze, Gott und das Jenseits fördert das Aushalten von Unbestimmtheit und die Entwicklung einer dauerhaften Handlungsorientierung im Diesseits.
Und in jeder katholischen Messe wird die geforderte Selbstbeobachtung durch das Sündenbekenntnis zum Ausdruck gebracht und die Selbsttransformation durch das Glaubensbekenntnis bekannt und durch die Eucharistie und Kommunion gefeiert.


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Carl Caiser
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Re: Die liberale "Funktion" der Kirche

Beitrag von Carl Caiser »

liberalerphilosoph hat geschrieben: ...in jeder katholischen Messe wird ... die Selbsttransformation durch das Glaubensbekenntnis bekannt ...
liberalerphilosoph hat geschrieben: ..in jeder katholischen Messe wird ... die Selbsttransformation
.. durch die Eucharistie und Kommunion gefeiert.
...ja, gell, ne prima Idee: Morgens "UmManiPadmeHum" und wenn es jemandem danach ist kann man auch mal eben einen Rosenkranz beten und anschliessend zur Eucharistiefeier zur "Selbsttransformation"...

Ich nenne das "Tofalladeurismus". (es gibt auch ein Dutzend andere Begriffe für diese Ideologie. - FM-Klerus ist dankbar und ...applaudiert.)
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Raphael

Re: Die liberale "Funktion" der Kirche

Beitrag von Raphael »

Carl Caiser hat geschrieben:
liberalerphilosoph hat geschrieben: ...in jeder katholischen Messe wird ... die Selbsttransformation durch das Glaubensbekenntnis bekannt ...
liberalerphilosoph hat geschrieben: ..in jeder katholischen Messe wird ... die Selbsttransformation
.. durch die Eucharistie und Kommunion gefeiert.
...ja, gell, ne prima Idee: Morgens "UmManiPadmeHum" und wenn es jemandem danach ist kann man auch mal eben einen Rosenkranz beten und anschliessend zur Eucharistiefeier zur "Selbsttransformation"...

Ich nenne das "Tofalladeurismus". (es gibt auch ein Dutzend andere Begriffe für diese Ideologie. - FM-Klerus ist dankbar und ...applaudiert.)
IMHO hat der liberalistische Philosoph den Gedanken des Transhumansimus noch nicht ausreichend erörtert .................

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Re: Die liberale "Funktion" der Kirche

Beitrag von liberalerphilosoph »

Carl Caiser hat geschrieben:(es gibt auch ein Dutzend andere Begriffe für diese Ideologie. - FM-Klerus ist dankbar und ...applaudiert.)

Was ist denn der FM-Klerus? Klingt irgendwie nach Verschwörungstheorie anstatt nach Argumenten?

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Esperanto
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Re: Die liberale "Funktion" der Kirche

Beitrag von Esperanto »

liberalerphilosoph hat geschrieben:
Carl Caiser hat geschrieben:(es gibt auch ein Dutzend andere Begriffe für diese Ideologie. - FM-Klerus ist dankbar und ...applaudiert.)

Was ist denn der FM-Klerus? Klingt irgendwie nach Verschwörungstheorie anstatt nach Argumenten?

Oh, es gibt viele Priester, die Freimaurer sind. Und Freimaurer sind Kapitalisten und liberal.

Carl Caiser
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Re: Die liberale "Funktion" der Kirche

Beitrag von Carl Caiser »

liberalerphilosoph hat geschrieben:
Carl Caiser hat geschrieben:(es gibt auch ein Dutzend andere Begriffe für diese Ideologie. - FM-Klerus ist dankbar und ...applaudiert.)
Was ist denn der FM-Klerus? Klingt irgendwie nach Verschwörungstheorie anstatt nach Argumenten?
Ist schon interessant die Reaktionszeit auf ein kleines unbedeutendes Wörtchen... (Bisher mussten wir immer Wochen(!) auf eine Reaktion warten.)

(Nur für liberalerphilsoph: Es gibt gar keinen FM-Klerus :mrgreen:)
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Carl Caiser
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Beitrag von Carl Caiser »

Jetzt will er auch noch meinen Namen wissen, ....tse 8)
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