overkott hat geschrieben:Sehr subtil. Du meinst, dann sollten wir die staatlichen Geheimnisträger eher Rätselträger nennen?
Gut, dann eben im religiösen Kontext in bezug auf Weltanschauung.
Das liegt eben darin, daß Worte einerseits je nach kontextabhängig den Sinn verändern können. Und dann gibt es auch die sogenannten paronymen Wörter, die mehrere Bedeutungen haben können. Etwa eine "Bank", wo man sein Geld hinbringt, oder wo man sich draufsetzt. Der "Schwein" ist einmal das Tier und ein anderes mal der Mensch.
Das heißt aber wiederum, daß Texte, auch die vatikanischen, nie zu 100% gegen alle Mißverständnisse geschützt werden können. Aber eines muß man konstatieren, daß die Kardinäle eine intensive Sorgfalt anheim gelegt haben, und sich viel Zeit für die Formulierung der Konzilstexte genommen haben.
"Geheimnis" ist so ein paronymes Wort. Einmal ist es etwas, was man für sich bewahrt und vor Dritten verbirgt, Staatsgeheimnisse zum Beispiel. Ein anderes Mal, also im religösen Kontext, bezeichnet es Dinge, die sich in der Anschaulichkeit der Klarheit erfreuen, gleichzeitig in der Tiefe den Verstand übersteigen.
Und dann ist Geheimnis im religiösen Kontext etwas, wo auf dem ersten Blick ein Widerspruch vorzuliegen scheint, etwa in der Leibseelen-Problematik, denn wenn die Naturgesetze gelten, wie kann denn dann der Leib ein Ausdruck der Freiheit sein?
Oder da ist das Geheimnis der Dreifaltigkeit, was man so ausdrücken könnte, daß dies das Geheimnis der Liebe Gottes ist, denn Gott ist einerseits ein einziger Gott, gleichzeitig aber besagt Liebe auch Dialog. Theologen sprechen dann vom "innergöttlichen Dialog". Er braucht keinen Menschen außer sich, um selbst sein zu können, er ist absolut. Gott ist personal gesehen in sich die vollkommene Liebe und Dialog gleichzeitig. Die Liebe richtet sich immer auf einen anderen Gegenüber hin. Diese Gegensätze zu vereinen scheint schwer, und ist deswegen nur haltbar, weil es sich um etwas handelt, was den Verstand übersteigt. Hegel versuchte hier zu vermitteln und drückte das in etwa so aus, daß das Leben, mit dem wir täglich konfrontiert sind, bereits mit vielen "Widersprüchen" belegt ist, wo die "gemeine Vernunft" im Leben die Einheit sieht. Diese Einheit in steter Unterschiedenheit der Vielheit ist das Leben selbst. So gerät der "Verstand" in Unruhe. Die Kritik kam bald von Romano Guardini in seinem Buch "Der Gegensatz", der meinte, man dürfe Gegensätze nicht mit Widersprüchen verwechseln.
Es ist nunmal im allgemeinen sehr schwer religiöse Geheimnisse anzusprechen, daß sie von jedem verstanden werden. Das II Vatikanische Konzil hat das meisterhaft an die Hand genommen.