Bruder Donald hat geschrieben: ↑Donnerstag 10. März 2022, 16:43
Kann die Kindertaufe (theoretisch) abgeschafft und stattdessen eine Jugend- / Erwachsenentaufe etabliert werden?

Abgesehen davon, dass die Kindertaufe eine sehr lange Tradition ist, welchen "dogmatischen"/kirchenrechtlichen Rang hat sie eigentlich?
Es ist Kirchendisziplin, Kanon 868.1, daß Eltern ihr Kind in den ersten Wochen nach der Geburt taufen lassen sollen (und nach Kanon 868.2 unverzüglich bei Lebensgefahr).
Dogmatisch gesehen geht es um die Frage, was mit einem Menschen passiert der nur die Erbsünde aber keine eigenen Sünden trägt. Denn dies ist der Zustand eines ungetauften Kindes, das stirbt bevor es Verantwortung für die eigenen Taten erlangt.
Die Antwort war im Altertum ziemlich klar: so ein Mensch fährt zur Hölle. Daraus ergibt sich dann sofort die praktische Notwendigkeit der Kindertaufe, um eben diesem Schicksal vorzubeugen. Im Mittelalter war man dann beim
limbus puerorum angelangt, formal ein Teil der Hölle (oder jedenfalls nicht des Himmels), aber praktisch gesehen ein Ort natürlichen - jedoch nicht übernatürlichen - Glücks. Da macht die Kindertaufe immer noch Sinn, nicht mehr zur Vermeidung des Schlimmsten, sondern zum Erreichen des Besten. Das Kind soll halt bei Gott sein, nicht nur auf einer Art ewigen Spielwiese (so schön die auch sein mag).
Heutzutage dürften die meisten Theologen und auch Bischöfe wohl der Meinung sein, daß Gott ungetauft gestorbene Kinder durch einen außersakramentalen Akt der Gnade in den Himmel bringt. Wenn dem so ist, dann gibt es keine dogmatische Notwendigkeit für die Kindertaufe mehr. Die Taufe würde dann notwendig erst mit dem Erlangen echter Eigenverantwortung für Handlungen, also so um die zehn bis zwölf Jahre rum. Die derzeit bestehende Kirchendisziplin wäre dann ein Überbleibsel vorhergehender Ansichten, und könnte entsprechend angepasst werden.
Ich persönlich weiß nicht so recht, was ich hier glauben soll. Ich halte es ja normalerweise immer mit der mittelalterlichen Scholastik, aber das
limbus puerorum scheint mir doch sehr konstruiert. Ich denke entweder das Altertum oder die Neuzeit ist hier prinzipientreuer, und somit wahrscheinlicher. Und im Zweifel, und ich habe hier Zweifel, bin ich für die Vorsicht - und darum für die Kindertaufe.