Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

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Robert Ketelhohn
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ich habe dir oben eigentlich schon zweimal widersprechen wollen. Aber du
hattest recht. Sie wollen tatsächlich definieren, wer katholisch ist und wer
nicht. Nun ja, das ist nach den Vorgängen um Bischof Walter von Augsburg
auch nur konsequent. Die Ischarioten arbeiten dabei Hand in Hand mit dem
gottlosen Staat.

Ich sage noch einmal, was ich dazu sinngemäß im andern Strang schrieb.
Wenn der römische Patriarchat sich nicht zur sofortigen und radikalen Kehrt-
wende aufrafft, zum echten und wirksamen Befreiungsschlag, steht sein
schleichender Untergang unausweichlich bevor.
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Gamaliel
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von Gamaliel »

ar26 hat geschrieben:...wenn man vor dem Kirchengericht aber auf Feststellung der Kirchenmitgliedschaft klagt, dann dürfte die Annahme, man betätige sich als Katholik, wohl richtig sein, oder?
Ja (als Katholik im Sinne des Kirchenrechts)
ar26 hat geschrieben:...es geht gerade nicht ums Kirchenrecht, sondern ums weltliche Recht.
Frage: Angenommen ich trete - ohne jegliche Modifizierung - vor der zuständigen Behörde aus. Dann läuft das übliche Prozedere ab. Gegen die Exkommunikation erhebe ich dann Einspruch. Das zuständige Bistum behauptet jetzt ich sei ja gar nicht wirklich ausgetreten, sondern noch Katholik...

Wie wäre jetzt das zivile Prozedere? Der Bischof kann mich ja nicht physisch zwingen, mich bei der staatlichen Behörde wieder anzumelden. Der Bischof kann aber auch nicht einfach selbständig irgendwelche Leute als katholisch anmelden. Alleine die Behauptung des Bischofs, daß ich ja im Inneren noch katholisch sei, wird den Beamten nicht sonderlich beeindrucken zumal ich ja jederzeit meinen erklärten (und nicht modifizierten) Austrittswillen schriftlich beweisen kann. - Ist da nicht das Bistum in der Patsche nach weltlichem Recht?

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ar26
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von ar26 »

@ Gamaliel
Der Bischof kann aber den Staat zwingen, Dich zur Kirchensteuer zu veranlagen. Das ist ja gerade geschehen.

@ Robert
Ganz so schlimm seh ich es nicht. Das System versorgt die Kollaborateure. Ich kann ja ein schlimmer Katho sein, jeden Sonntag in die alte Liturgie gehen und hier im Kreuzgang schreiben. Habe ich Einkommen, muss ich halt etwas abdrücken. Meine Glaubenspraxis ist nicht eingeschränkt. Blöd ist nur, daß die dt. Hierarchie in den Augen vieler Kirchgänger an Legitimität gewonnen hat.

Im übrigen meine ich, daß eine isolierte deutsche Betrachtung keine derart pauschalen Urteile über die in Einheit mit dem Papst stehenden Ortskirchen weltweit erlaubt.
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maliems
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von maliems »

ar26 hat geschrieben:Alternativ bleibt noch, daß Rom irgendwann das Schisma der Deutsch-Katholiken feststellt, dies wird jedoch nicht unter diesem Pontifikat geschehen, möglicherweise unter dem nächsten.
darauf läufts hinaus. Allerdings eher auf dem umweg, dass die dt. Kirche in der nächsten Generation so sehr schrumpft und gleichzeitig die linkskatholiken noch mehr schrumpfen, dass die Bischöfe vorher einlenken.

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Gamaliel
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von Gamaliel »

ar26 hat geschrieben:@ Gamaliel
Der Bischof kann aber den Staat zwingen, Dich zur Kirchensteuer zu veranlagen. Das ist ja gerade geschehen.
Sicher? Was gerade geschehen ist, war doch, daß die staatliche Austrittserklärung für ungültig erklärt wurde aufgrund eines Zusatzvermerks von Prof. Zapp und deshalb muß er weiter zahlen.

Ich spreche von einer lupenreinen Austrittserklärung, so wie sie der Staat wünscht. Wenn ich derartiges kund tue, dann kann doch nicht ein deutscher Bischof kommen und dem Staat erklären, daß ich das gar nicht so meine und er ruhig weiter Steuern einheben soll. Damit würden ja alle Bürger entmündigt und der Betreuung bzw. rechtlichen Vertretung eines Bischofs unterstellt. Wenn das so ginge, dann könnte ein Bischof doch auch willkürlich irgendwelche anderen Staatsbürger (z.B. Mitglieder von Gemeinschaften, Sekten,... die keiner gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft angehören) über Nacht zu Katholiken erklären, von denen Steuern einzuziehen seien!? Deren "Gegenwehr" wäre völlig aussichtslos.

Sehe ich das richtig oder verstehe ich etwas grundlegend falsch am deutschen System? :hmm:

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ar26
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von ar26 »

@ Gamaliel
Lies bitte meinen Link. Wenn der Ausgetretene anderweitig öffentlich wahrnehmbar deutlich macht, weiter Katholik zu sein, ist der Staat nach Meinung des VGH gehalten, den Austritt aus der KöR zu hinterfragen.
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Gamaliel
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von Gamaliel »

ar26 hat geschrieben:@ Gamaliel
Lies bitte meinen Link. Wenn der Ausgetretene anderweitig öffentlich wahrnehmbar deutlich macht, weiter Katholik zu sein, ist der Staat nach Meinung des VGH gehalten, den Austritt aus der KöR zu hinterfragen.
Link gelesen - danke -, trotzdem noch nicht ganz zufrieden. Es heißt dort:
Wer, wie der Kirchenrechtler, von sich aus den Kirchenaustritt auf die «Körperschaft des öffentlichen Rechts» beschränke, aber gleichwohl in einer auch für den Staat erkennbaren Weise aktives Mitglied seiner Kirche bleiben wolle, erfülle die Anforderungen des Gesetzes nicht.
1. Was ist eine für den Staat "erkennbare Weise"? - Bei Zapp war das ja klar, nämlich der einschränkende (und unerlaubte) Zusatz auf dem Austrittsformular. Was tut der Staat aber bei formal korrektem Austrittsantrag? (Werden dann Beamten am Sonntag vor den Kirchentüren aufgestellt, um zu sehen wer da aller hineingeht?) Wären kircheninterne Unterlagen, etwa über eine Klage des Augetretenen gegen die Exkommunikation, auch staatlicherseits beweiskräftig, wenn sie ihm der Bischof zuleitet?

2. Was bedeutet für den Staat "aktives Mitglied"? Nach welchen zivilen Regeln definiert den der Staat ein aktives Mitgliedsverhalten? (Meßbesuch, Kommunionempfang,... kann es ja nicht sein, denn auch ein Protestant kann bei den Katholiken zur Kirche gehen [und bei Msgr. Müller vielleicht sogar zur Kommunion] ohne dadurch schon aktives Mitglied zu sein.)

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cantus planus
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von cantus planus »

Es ist skandalös. :motz:
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Berolinensis
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von Berolinensis »

Ich kann die Aufregung hier ehrlich gesagt nicht nachvollziehen. Ich verstehe, daß das Ergebnis unerwünscht ist, als Jurist muß ich aber sagen, daß die Entscheidung des VGH aus öffentlich-rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, sondern überzeugend ist. Die Körperschaft des öffentlichen Rechts soll ja nicht von der katholischen Kirche verschieden sein, sondern ihr in Deutschland rechtliche Form geben, vgl. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV. Insofern ist es aus Sicht des staatlichen Rechts nicht denkbar, die Mitgliedschaft aufzuspalten; sie muß stets kongruent sein.

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Gamaliel
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von Gamaliel »

Berolinensis hat geschrieben:Ich kann die Aufregung hier ehrlich gesagt nicht nachvollziehen. Ich verstehe, daß das Ergebnis unerwünscht ist, als Jurist muß ich aber sagen, daß die Entscheidung des VGH aus öffentlich-rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, sondern überzeugend ist. Die Körperschaft des öffentlichen Rechts soll ja nicht von der katholischen Kirche verschieden sein, sondern ihr in Deutschland rechtliche Form geben, vgl. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV. Insofern ist es aus Sicht des staatlichen Rechts nicht denkbar, die Mitgliedschaft aufzuspalten; sie muß stets kongruent sein.
Gibt es eine Aufregung? Von meiner Seite jedenfalls nicht. Ich stelle nur Fragen, um das deutsche Kirchensteuersystem besser zu verstehen.
Diese Fragen haben allerdings einen ernsten Hintergrund und sind nicht bloß intellektuelle Spielerei. Das Problem ist einerseits die Deckungsgleichheit zwischen den römischen Anordnungen und dem deutschen System (letztlich eine Frage des Gehorsams) und andererseits die Frage der Gültigkeit katholischer Eheschließungen in Deutschland (letztlich eine Frage des Heiles für die Betroffenen). Andere Aus- und Nebenwirkungen lasse ich einmal weg.
Schuld an der aktuellen Diskrepanz und Debatte ist sicher nicht der Staat, aber es stellt sich doch die Frage, ob man nicht mit Hilfe des Staates bzw. seiner Gesetze eine Klärung der Situation herbeiführen kann, quasi durch die Hintertür.

(Kannst Du übrigens aus juristischer Sicht eventuell eine Antwort auf die beiden Fragen in meinem letzten Posting beisteuern?)

Raphael

Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von Raphael »

Berolinensis hat geschrieben:Ich kann die Aufregung hier ehrlich gesagt nicht nachvollziehen. Ich verstehe, daß das Ergebnis unerwünscht ist, als Jurist muß ich aber sagen, daß die Entscheidung des VGH aus öffentlich-rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, sondern überzeugend ist. Die Körperschaft des öffentlichen Rechts soll ja nicht von der katholischen Kirche verschieden sein, sondern ihr in Deutschland rechtliche Form geben, vgl. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV. Insofern ist es aus Sicht des staatlichen Rechts nicht denkbar, die Mitgliedschaft aufzuspalten; sie muß stets kongruent sein.
Nun, das Beispiel zeigt, daß sich der Staat moderner Prägung eigener Definitionen bedient und die Kirche sich innerhalb des vom Staat gesetzten Rechtsrahmens zu bewegen hat. Meiner Erinnerung nach hat ja auch Erzbischof Marx festgestellt, daß die Kirche "keinen eigenen Rechtsraum losgelöst vom staatlichen Recht beansprucht".
Das ist - auf den Punkt gebracht - der Investiturstreit mit umgekehrtem Ergebnis! :daumen-runter:

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lifestylekatholik
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von lifestylekatholik »

Raphael hat geschrieben:Das ist - auf den Punkt gebracht - der Investiturstreit mit umgekehrtem Ergebnis! :daumen-runter:
:!: :!: :!:
»Was muß man denn in der Kirche ›machen‹? In den Gottesdienſt gehen und beten reicht doch.«

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Robert Ketelhohn
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von Robert Ketelhohn »

lifestylekatholik hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:Das ist - auf den Punkt gebracht - der Investiturstreit mit umgekehrtem Ergebnis! :daumen-runter:
:!: :!: :!:
Allerdings hat im Investiturstreit die Kirche mit viel Aufwand den Einfluß gesalbter christlicher Herrscher zurückgedrängt – was so gar nicht nötig gewesen wäre, ja was vielleicht nicht einmal wirklich hilfreich war. Heute dagegen unterwirft sie sich freiwillig den Apparatschiki des gottlosen Staats.
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Bernado
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von Bernado »

Raphael hat geschrieben:Nun, das Beispiel zeigt, daß sich der Staat moderner Prägung eigener Definitionen bedient und die Kirche sich innerhalb des vom Staat gesetzten Rechtsrahmens zu bewegen hat. Meiner Erinnerung nach hat ja auch Erzbischof Marx festgestellt, daß die Kirche "keinen eigenen Rechtsraum losgelöst vom staatlichen Recht beansprucht".
Das ist - auf den Punkt gebracht - der Investiturstreit mit umgekehrtem Ergebnis! :daumen-runter:
Volle Zustimmung - mit einer Erweiterung: Es ist ja gar kein Streit vorausgegangen; die Nationalkiche hat das Ergebnis bekommen, das sie haben wollte. Es steht zwar in einem Spannungsverhältnis zu dem, was Rom zu diesem Thema gesagt hat - aber das hält die Nationalkirche in anderen Fragen ja auch so.

Jetzt zur Frage nach den praktischenAuswirkungen: Ärgerlich sind sie (solange das Bestand hat) für die geringe Zahl der Gläubigen, denen die aktuelle Verwendung ihrer Kirchensteuern weh tut und die dieses Geld lieber anderen kirchlichen Organisationen oder Aktivitäten zugewendet hätten. Unerheblich sind sie für die "Masse" der (10%) Kirchgänger, die ohnehin nie daran dächten, ihre Kirchensteuer zurückzuhalten - querulantische Ausnahmen abgesehen.

Ebenfalls unerheblich sind sie für die fernstehenden, für die die Kirchensteuer zur Verfügungsmasse gehört, von der sie sich wann immer ihnen das opportun erscheint entlasten: Die weitere Zugehörigkeit zur Kirche ist ihnen egal. Und genau hier liegen die Quantitäten. Die Generation der Jahrgänge 1940-1960, die mehr oder weniger selbstverständlich in die Kirchenzugehörigkeit hineingeboren wurden und für die der Austritt eine bewußte und manchmal auch bedrückende Entscheidung dastellt, steht vor dem Abgang.

Es folgen Generationen, deren Bindung an die Kirche weitaus geringer ist -w enn sie überhaupt in sie hineingetauft worden sind. Nicht ohne Grund beklagen die Bischöfe, daß nicht nur die Zahl der Taufen und der (Lob sei der Pille) Geburten ständig und teilweise dramatisch zurückgeht, sondern auch die Zahl der kirchlichen Eheschließungen: Da kommt nichts mehr nach. Von hier wird das System der Kirchensteuer viel stärker bedroht.

Der säkulare Staat wird sich unter diesen Umständen sehr überlegen, ob er einen Streit mit der Nationalkirche über die Kirchensteuer/Konkordate vom Zaun bricht. Auch ohne sein Zutun wird die Zahl der Kirchensteuerzahler und damit die finazielle Verfügungsmasse der Kiche rapide kleiner. Im übrigen hat auch die kath. Nationalkirche schon deutlich gemacht, daß sie ihre finanziellen Möglichkeiten weniger auf die "Neuevangelisation", sondern auf "staastsbürgerlich wertvolle" Aktivitäten im sozialen Bereich konzentrieren will.

Der Ball liegt jetzt also eindeutig bei der Kirche: Rom wird früher oder später entscheiden müssen, ob Exkommunikationen weegen verweigerter Kirchensteuerzahlung zulässig sind oder nicht. Der (anerkennenswerte) Versuch, das durch die Hintertür über staatliche Gerichte erledigen zu lassen, ist angesichts der staatskirchlichen Tendenzen im bestehenden Recht gescheitert. Mehr Klarheit für alle.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

michaelis
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von michaelis »

Ich denke auch, daß das Gericht hier formal richtig entschieden hat. Maßgebend war wohl in der Tat die "Einschränkung" des Kirchenaustritts auf die KöR durch Prof. Zapp.

Falls er seinen Kirchenaustritt nochmals ohne Zusatz erklärt, würde ein Urteil wohl anders ausfallen. Denn selbst wenn er in einem Schreiben an kirchliche Behörden klarstellt, daß er diesen Austritt nur auf die KöR bezieht, ist dies für den Staat "nicht erkennbar".

@ Gamaliel:
Du fragst, warum nicht einfach andere Gläubige aus der Kirche austreten und alles auf Herrn Zapp wartet.

Ganz einfach: Zur Zeit sehen sich Gläubige bei diesem Schritt eben noch mit dem Risiko der Exkommunikation bedroht. Und diese Gefahr wollen eben nur die allerwenigsten Gläubigen eingehen.


Aber genau aus diesem Grund nochmal zu der von mir schon mehrfach genannten Alternative:

Ist es nicht möglich, gegen die Beschlüsse der DBK und insbesondere gegen die wohl eindeutig formulierten Beschlüsse auf Bistumsebene als unzulässige Androhung einer Kirchenstrafe zu klagen?

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Berolinensis
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von Berolinensis »

Mit Aufregung meine ich die Äußerungen von "skandalös" über "Investiturstreit mit umgekehrtem Ergebnis" bis zu "Gründung einer Staatskirche". Deine Fragen, Gamaliel, meinte ich damit nicht. Diese Einschätzungen beruhen m.E. - ohne jemandem zu nahe treten zu wollen - auf einer Verkennung der hier entscheidungserheblichen Umstände, und auch des staatskirchenrechtlichen Hintergrunds. Der mit dem Recht auf Steuererhebung durch den Staat verbundene Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ja seiner Genese nach ein Privileg, das der Staat der Kirche zum Ausgleich für die (rechtswidrige) Säkularisation gewährt hat. Er ist also seinem Wesen nach grundsätzlich vorteilhaft, nicht belastend, wie man auch daran sieht, daß er immer wieder (zuletzt prominent von den Zeugen Jehovahs) von Religionsgesellschaften angestrebt wird. Da es sich aber um ein Institut staatlichen Rechts handelt, muß das staatliche Recht sich auch der Frage widmen, wer Mitglied dieser Körperwschaft ist. Hier ist die konsequenteste, ja eigentlich die einzig denkbare Lösung die Kongruenz: wer Kirchenglied ist, ist auch Mitglied der Körperschaft des öffentlichen Rechts. Der VGH sagt nun - m.E. völlig stimmig -, wer manifestiert, daß er Kirchenglied bleiben will - und genau das hat Prof. Zapp getan, und gerade darum geht es ja auch bei der Frage, die hier ausgefochten werden sollte -, dessen Austrittserklärung ist unwirksam, da letztlich perplex: da die mitgliedschaft deckungsgleich ist, kann ich nicht gleichsam aus einem Teilaspekt "austreten". Das System der mit Mitgliedsbeitragszahlungen verbundenen Zwangsmitgliedschaft in Körperschaften des öffentlichen Rechts ist dem deutschen Recht i.ü. auch sonst nicht fremd, vgl. die div. berufsständischen Kammern.

Natürlich kann man beklagen, daß das weltliche Recht in Deutschland nicht den Anforderungen genügt, die nach der Lehre der Kirche an staatliche Rechtsordnungen zu richten sind. Das ist aber eine ganz grundlegende Frage, und verhält sich letztlich seit der "Aufklärung" so, so daß es mir wenig sinnvoll erscheint, sich hierüber heute anhand dieses Beispiels groß zu wundern oder eine neue Verschwörung zu wittern.

Das Problem dieses Verfahrens war letztlich - und das haben einige von euch ja auch geschrieben - das hier eine Lösung über die Hintertür des staatlichen Rechts gesucht wurde, für die dieser Weg a priori ungeeignet ist. Letztlich dürfte nach dieser - wie gesagt, m.E. i.E. konsequenten - Rechtsprechung des VGH aber generell ein Austritt aus der Körperschaft bei ausdrücklich beabsichtigtem Verbleiben in der Kirche unmöglich sein, dazu sogleich in Antwort auf Gamliels Fragen. Das kann man bedauern, ist aber rechtlich nicht zu beanstanden, solange die Kirche Körperschaft des öffentlichen Rechts ist.

Letztlich steht dies alles auch m.E. nicht im Widerspruch zur Erklärung des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte vom 13. März 2006. Diese ist einerseits durch Omnium in mentem ohnehin hinfällig, da es den actus formalis ja nun nicht mehr gibt. Zum anderen erläutert sie nur die kanonischen Folgen einer staatlichen Austrittserklärung. Dabei scheint sie vorauszusetzen, daß aus Sicht des staatlichen Rechts eine Auftrennung der Mitgliedschaft möglich ist. Da sich diese Annahme nun für Deutschland als unzutreffend erwiesen hat, kann man aus ihr nicht einen Anspruch ableiten, solche eine Aufspaltung vorzunehmen. Die Erklärung ordnet diese Möglichkeit nicht an, und könnte es (aus staalticher Sicht) auch gar nicht.

Nun zu Gamliels Fragen.

1) Nach allgemeinen Grundsätzen müßte jede Manifestation dieses Willens genügen, ein dahin lautendes Schreiben an den Bischof oder Pfarrer allemal.

2) Ob dem Merkmal "aktiv" eigenständige Bedeutung zukommt, wird man erst den Entscheidungsgründen entnehmen können. Ich gehe eigentlich nicht davon aus.

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Gamaliel
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von Gamaliel »

@Berolinensis

Danke für Deine erläuternden und weiterführenden Bemerkungen, sowie die Antworten auf meine zwei Fragen. :daumen-rauf:

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ar26
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von ar26 »

beroliniensis hat geschrieben:Da es sich aber um ein Institut staatlichen Rechts handelt, muß das staatliche Recht sich auch der Frage widmen, wer Mitglied dieser Körperwschaft ist. Hier ist die konsequenteste, ja eigentlich die einzig denkbare Lösung die Kongruenz: wer Kirchenglied ist, ist auch Mitglied der Körperschaft des öffentlichen Rechts. Der VGH sagt nun - m.E. völlig stimmig -, wer manifestiert, daß er Kirchenglied bleiben will - und genau das hat Prof. Zapp getan, und gerade darum geht es ja auch bei der Frage, die hier ausgefochten werden sollte -, dessen Austrittserklärung ist unwirksam, da letztlich perplex: da die mitgliedschaft deckungsgleich ist, kann ich nicht gleichsam aus einem Teilaspekt "austreten".
Nehmen wir an, ein Katholik, der ausschließlich bei der FSSPX praktiziert, die Frage der Beichtjurisdiktion lassen wir mal weg oder lösen sie a la P.Goesche, tritt aus der KöR aus. Ist er noch Kirchenmitglied? Hat ein deutsches Verwaltungsgericht dies zu beurteilen?

Nehmen wir weiter an, ein Katholik erkärt gegenüber seinem Ortsordinarius oder Ortspfarrer den Abfall vom Glauben, wie es der CIC vorsieht, spart sich aber den Gang zur zuständigen Landesbehörde. Kann er noch zur Kirchensteuer veranlagt werden? Wenn es keine "Aufspaltung" der Mitgliedschaft gibt, wohl nicht.

Das Herkommen des dt. Staatskirchenrechtes (übrigens mein Wahlfach im 1. Examen gewesen - gut abgeräumt :ja: ) ist hier wohl kaum unbekannt. Es ist aber historisch und nicht dogmatisch begründet. Da das innerkörperschaftliche Recht der Überprüfung staatlicher Gerichte nur eingeschränkt obliegt und mit höherrangigem Recht nicht zwingend übereinstimmen muss, Religionsprivileg eben, kann es zu solchen Verwerfungen, wie in den Beispielen angedeutet. Lösen liese sich das nur, wenn ein "Austritt" einzig nach den formalen inneren Regeln der Körperschaft vollzogen werden kann. Mit dem Verwaltungsaufwand wäre die Körperschaft gleichwohl "lahmgelegt". Auch ein Ergebnis.

Lösen könnte man das nur, wenn der Austritt aus der KöR dem Vorbehalt eines Austritts nach den inneren Regeln der Körperschaft erfolgt. Ergebnis s.o.
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Edi
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von Edi »

Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von HeGe »

Noch eine Organisation fürchtete offensichtlich um ihre Pfründe:

ZdK begrüßt Austritts-Urteil

Die wussten schon, wo die Gläubigen als erstes sparen würden. 8)
- Nutzer nicht regelmäßig aktiv. -

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cantus planus
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von cantus planus »

Allerdings. :breitgrins:
Nutzer seit dem 13. September 2015 nicht mehr im Forum aktiv.

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taddeo
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von taddeo »

HeGe hat geschrieben:Noch eine Organisation fürchtete offensichtlich um ihre Pfründe:

ZdK begrüßt Austritts-Urteil

Die wussten schon, wo die Gläubigen als erstes sparen würden. 8)
Meinst Du echt, die lesen regelmäßig im Kreuzgang mit, daß sie so gut informiert wären? :hmm: :pfeif:

Ich könnte mir gut vorstellen, daß die so von ihrer eigenen Unabdingbarkeit überzeugt sind, daß sie auf Deinen Gedanken gar nicht kommen würden.

iustus
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von iustus »

michaelis hat geschrieben:Ich denke auch, daß das Gericht hier formal richtig entschieden hat. Maßgebend war wohl in der Tat die "Einschränkung" des Kirchenaustritts auf die KöR durch Prof. Zapp.

Falls er seinen Kirchenaustritt nochmals ohne Zusatz erklärt, würde ein Urteil wohl anders ausfallen. Denn selbst wenn er in einem Schreiben an kirchliche Behörden klarstellt, daß er diesen Austritt nur auf die KöR bezieht, ist dies für den Staat "nicht erkennbar".
Das sehe ich ganz genauso. Gibt es Anzeichen / Meldungen, dass Zapp nun konsequenterweise genau dies tun wird?

iustus
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von iustus »

Wie ist das staatskirchenrechtlich zu beurteilen, wenn ich dem Amtsgericht vorlüge, ich wolle aus der Kirche austreten und danach Papst, Bischof und aller Welt erkläre, dass ich nur gelogen habe, um den staatlichen Kirchensteuereinzug zu verweigern?

Müsste der Staat die zweite, ehrliche, Erklärung berücksichtigen?

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Berolinensis
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von Berolinensis »

ar26 hat geschrieben:
beroliniensis hat geschrieben:Da es sich aber um ein Institut staatlichen Rechts handelt, muß das staatliche Recht sich auch der Frage widmen, wer Mitglied dieser Körperwschaft ist. Hier ist die konsequenteste, ja eigentlich die einzig denkbare Lösung die Kongruenz: wer Kirchenglied ist, ist auch Mitglied der Körperschaft des öffentlichen Rechts. Der VGH sagt nun - m.E. völlig stimmig -, wer manifestiert, daß er Kirchenglied bleiben will - und genau das hat Prof. Zapp getan, und gerade darum geht es ja auch bei der Frage, die hier ausgefochten werden sollte -, dessen Austrittserklärung ist unwirksam, da letztlich perplex: da die mitgliedschaft deckungsgleich ist, kann ich nicht gleichsam aus einem Teilaspekt "austreten".
Nehmen wir an, ein Katholik, der ausschließlich bei der FSSPX praktiziert, die Frage der Beichtjurisdiktion lassen wir mal weg oder lösen sie a la P.Goesche, tritt aus der KöR aus. Ist er noch Kirchenmitglied? Hat ein deutsches Verwaltungsgericht dies zu beurteilen?

Nehmen wir weiter an, ein Katholik erkärt gegenüber seinem Ortsordinarius oder Ortspfarrer den Abfall vom Glauben, wie es der CIC vorsieht, spart sich aber den Gang zur zuständigen Landesbehörde. Kann er noch zur Kirchensteuer veranlagt werden? Wenn es keine "Aufspaltung" der Mitgliedschaft gibt, wohl nicht.

Das Herkommen des dt. Staatskirchenrechtes (übrigens mein Wahlfach im 1. Examen gewesen - gut abgeräumt :ja: ) ist hier wohl kaum unbekannt. Es ist aber historisch und nicht dogmatisch begründet. Da das innerkörperschaftliche Recht der Überprüfung staatlicher Gerichte nur eingeschränkt obliegt und mit höherrangigem Recht nicht zwingend übereinstimmen muss, Religionsprivileg eben, kann es zu solchen Verwerfungen, wie in den Beispielen angedeutet. Lösen liese sich das nur, wenn ein "Austritt" einzig nach den formalen inneren Regeln der Körperschaft vollzogen werden kann. Mit dem Verwaltungsaufwand wäre die Körperschaft gleichwohl "lahmgelegt". Auch ein Ergebnis.

Lösen könnte man das nur, wenn der Austritt aus der KöR dem Vorbehalt eines Austritts nach den inneren Regeln der Körperschaft erfolgt. Ergebnis s.o.
Daß eine Feststellung im Einzelfall schwierig sein kann, ändert aber nichts daran, daß der VGH den richtigen Grundsatz aufgestellt hat.

Zu deinen Beispielen zwei Fragen:

1) Du bist also der Meinung, daß Katholiken, die ausschließlich bei der FSSPX die Sakramente empfangen, keine Mitglieder der hl. Kirche sind? Da werden diese allerdings höchst überrascht sein.

2) Was meinst du mit "erkärt gegenüber seinem Ortsordinarius oder Ortspfarrer den Abfall vom Glauben, wie es der CIC vorsieht"? Wo sieht der Kodex so etwas vor?

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Berolinensis
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von Berolinensis »

iustus hat geschrieben:Wie ist das staatskirchenrechtlich zu beurteilen, wenn ich dem Amtsgericht vorlüge, ich wolle aus der Kirche austreten und danach Papst, Bischof und aller Welt erkläre, dass ich nur gelogen habe, um den staatlichen Kirchensteuereinzug zu verweigern?

Müsste der Staat die zweite, ehrliche, Erklärung berücksichtigen?
Wenn sie ihm bekannt wird m.E. nach den Grundsätzen des VGH ja.

Hieran wird allerdings eine andere Frage deutlich: ist es moralisch zulässig, einen Abfall zu fingieren? Dies müßte ja gerade so geschehen, daß die Unernstlichkeit dem Staat gegenüber nicht erkennbar wird. Liegt darin nicht eine schwere Verfehlung nicht nur gegen die Wahrheit, sondern auch implizit gegen die Gottesverehrung?

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Gamaliel
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von Gamaliel »

Überprüfung eines umstrittenen Teilkirchenrechtes notwendig

Ein kirchenrechtlicher Kommentar von Dr.iur.can. Gero P. Weishaupt

Daraus:
Mag nach dem jüngsten Urteil des 1. Senates des Verwaltungsgerichtshofes von Baden-Würtenberg eine vor einer staatlichen Behörde erfolgte Kirchenaustrittserklärung auch im kirchlichen Bereich Rechtsfolgen haben, so ist dies nach kirchlichem Gesetz nicht der Fall, zumindest bewirkt sie nicht den Austritt aus der katholischen Kirche mit der Exkommunikation als Rechtsfolge. Professor Zapp hat verlauten lassen, dass er sich mit dem zweitinstanzlichen Urteil nicht abfinden werde. Er wolle sich nun an Rom wenden. Zuständig ist der Päpstliche Rat für die Gesetzestexte.

[...]

Die deutschen Bischöfe halten indessen an ihre umstrittenen Erklärungen von Dezember 1969 und April 2006 fest, nach der ein Katholik durch die staatliche Austrittserklärung einen formalen Akt setzt und ipso facto exkommuniziert ist. [...] Die Erklärungen von 1969 und 2006 stehen im Widerspruch zu den Vorgaben des universalkirchlichen Gesetzgebers. Prof. Zapp wird sich an den Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte wenden müssen. Zu dessen Kompetenz gehört es auch, zu prüfen, ob Gesetze von Gesetzgebern, die dem Apostolischen Stuhl untergeordnet sind, mit dem geldenden allgemeinen Recht der Kirche übereinstimmen.

iustus
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von iustus »

Professor Zapp hat verlauten lassen, dass er sich mit dem zweitinstanzlichen Urteil nicht abfinden werde. Er wolle sich nun an Rom wenden. Zuständig ist der Päpstliche Rat für die Gesetzestexte.
Was soll das denn bitte bringen? "Rom" wird sagen, dass er noch Mitglied der Kirche ist. Aber genau das hat der VGH doch auch gesagt.

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Gamaliel
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von Gamaliel »

iustus hat geschrieben:
Professor Zapp hat verlauten lassen, dass er sich mit dem zweitinstanzlichen Urteil nicht abfinden werde. Er wolle sich nun an Rom wenden. Zuständig ist der Päpstliche Rat für die Gesetzestexte.
Was soll das denn bitte bringen?
Das steht im zweiten Zitat. Rom wird zu einer Stellungnahme gezwungen sich zur Vereinbarkeit von Universal- und deutschem Partikularrecht autoritativ zu äußern. (Mit dem aktuellen staatlichen Urteil hat das insofern nichts zu tun.)

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Berolinensis
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von Berolinensis »

Generell interessiert mich in diesem Zusammenhang die Frage der Kirchengliedschaft.

In der Catholic Encyclopedia heißt es hierzu:
Members of the Church
The foregoing account of the Church and of the principle of authority by which it is governed enables us to determine who are members of the Church and who are not. The membership of which we speak, is incorporation in the visible body of Christ. It has already been noted (VI) that a member of the Church may have forfeited the grace of God. In this case he is a withered branch of the true Vine; but he has not been finally broken off from it. He still belongs to Christ. Three conditions are requisite for a man to be a member of the Church.

In the first place, he must profess the true Faith, and have received the Sacrament of Baptism. The essential necessity of this condition is apparent from the fact that the Church is the kingdom of truth, the society of those who accept the revelation of the Son of God. Every member of the Church must accept the whole revelation, either explicitly or implicitly, by profession of all that the Church teaches. He who refuses to receive it, or who, having received it, falls away, thereby excludes himself from the kingdom (Titus 3:10 sq.). The Sacrament of Baptism is rightly regarded as part of this condition. By it those who profess the Faith are formally adopted as children of God (Ephesians 1:13), and an habitual faith is among the gifts bestowed in it. Christ expressly connects the two, declaring that "he who believeth and is baptized shall be saved" (Mark 16:16; cf. Matthew 28:19).
It is further necessary to acknowledge the authority of the Church and of her appointed rulers. Those who reject the jurisdiction established by Christ are no longer members of His kingdom. Thus St. Ignatius lays it down in his Letter to the Church of Smyrna (no. 8): Wheresoever the bishop shall appear, there let the people be; even as where Jesus may be there is the universal Church". In regard to this condition, the ultimate touchstone is to be found in communion with the Holy See. On Peter Christ founded his Church. Those who are not joined to that foundation cannot form part of the house of God.
The third condition lies in the canonical right to communion with the Church. In virtue of its coercive power the Church has authority to excommunicate notorious sinners. It may inflict this punishment not merely on the ground of heresy or schism, but for other grave offences. Thus St. Paul pronounces sentence of excommunication on the incestuous Corinthian (1 Corinthians 5:3). This penalty is no mere external severance from the rights of common worship. It is a severance from the body of Christ, undoing to this extent the work of baptism, and placing the excommunicated man in the condition of the heathen and the publican". It casts him out of God's kingdom; and the Apostle speaks of it as "delivering him over to Satan" (1 Corinthians 5:5; 1 Timothy 1:20).
Regarding each of these conditions, however, certain distinctions must be drawn.

Many baptized heretics have been educated in their erroneous beliefs. Their case is altogether different from that of those who have voluntarily renounced the Faith. They accept what they believe to be the Divine revelation. Such as these belong to the Church in desire, for they are at heart anxious to fulfill God's will in their regard. In virtue of their baptism and good will, they may be in a state of grace. They belong to the soul of the Church, though they are not united to the visible body. As such they are members of the Church internally, though not externally. Even in regard to those who have themselves fallen away from the Faith, a difference must be made between open and notorious heretics on the one hand, and secret heretics on the other. Open and notorious heresy severs from the visible Church. The majority of theologians agree with Bellarmine (de Ecclesiâ, III, c. x), as against Francisco Suárez, that secret heresy has not this effect.
In regard to schism the same distinction must be drawn. A secret repudiation of the Church's authority does not sever the sinner from the Church. The Church recognizes the schismatic as a member, entitled to her communion, until by open and notorious rebellion he rejects her authority.
Excommunicated persons are either excommunicati tolerati (i.e. those who are still tolerated) or excommunicati vitandi (i.e. those to be shunned). Many theologians hold that those whom the Church still tolerates are not wholly cut off from her membership, and that it is only those whom she has branded as "to be shunned" who are cut off from God's kingdom (see Murray, De Eccles., Disp. i, sect. viii, n. 118). (See EXCOMMUNICATION.)
Demgegenüber heißt es in der Erklärung des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte vom 13. März 2006:
In jedem Fall bleibt klar, dass das sakramentale Band der Zugehörigkeit zum Leib Christi, der die Kirche ist, aufgrund des Taufcharakters ein ontologisches Band ist, das fortdauert und wegen des Aktes oder des Tatsache des Abfalls nicht erlischt.
Hier tut sich für mich ein Widerspruch auf. Für eine Erläuterung wäre ich dankbar.

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taddeo
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von taddeo »

Berolinensis hat geschrieben:Hier tut sich für mich ein Widerspruch auf. Für eine Erläuterung wäre ich dankbar.
Vielleicht könnte man es so formulieren:

Wegen des charakter indelebilis der Taufe bleibt die Zugehörigkeit zum mystischen Leib Christi bestehen, auch wenn man sich vom irdischen Leib der Kirche lossagt.

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Berolinensis
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Re: Kirchenaustritt und Glaubensabfall (Omnium in mentem)

Beitrag von Berolinensis »

Gamaliel hat geschrieben:
iustus hat geschrieben:
Professor Zapp hat verlauten lassen, dass er sich mit dem zweitinstanzlichen Urteil nicht abfinden werde. Er wolle sich nun an Rom wenden. Zuständig ist der Päpstliche Rat für die Gesetzestexte.
Was soll das denn bitte bringen?
Das steht im zweiten Zitat. Rom wird zu einer Stellungnahme gezwungen sich zur Vereinbarkeit von Universal- und deutschem Partikularrecht autoritativ zu äußern. (Mit dem aktuellen staatlichen Urteil hat das insofern nichts zu tun.)
Wie wir realtiv am Anfang dieses Strangs schon einmal besprochen hatten, sehe ich nicht unbedingt einen Widerspruch zwischen Universal- und deutschem Partikularrecht . Der Päpstliche Rat für die Gesetzestexte hat sich zur - inzwischen gestrichenen - Rechtsfigur des actus formalis defectionis geäußert, während die Bischöfe in der Austrittserklärung , unabhängig von der Frage des actus formalis, den Tatbestand des Schismas (can. 751 CJC) erfüllt sehen. Dazu hat sich der Päpstliche Rat bislang nicht geäußert.

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