Um aber Thomas nicht einach so im Zwielicht stehen zu lassen, schaue ich eben selbst nochmal aus meiner Sicht nach, was denn so um die zuletzt zitierte Stelle (
https://bkv.unifr.ch/de/works/sth/versi ... sions/1399 ) herum geschrieben steht.
(in summa theol., I-II, q77, a4) Thomas hat geschrieben:Vierter Artikel. Die Eigenliebe ist das Princip aller Sünde.
a) Die Liebe zu sich selbst oder die Eigenliebe scheint nicht das Princip aller Sünde zu sein. Denn: I. Die Liebe zu sich selbst ist an sich reine Pflicht nach dem Levit. 19., gemäß dem einem jeden vorgeschrieben wird, den Nächsten zu lieben wie sich selbst. Also ist sie kein Grund zur Sünde.
Ja.
II. Die Glosse (aus Aug. de spir. et litt. 4.) zu Röm. 7, 8. sagt: „Das Gesetz ist gut; denn während es die Begierlichkeit verbietet, stellt es sich allem Übel entgegen.“ Die Liebe aber ist eine andere Leidenschaft wie die Begierlichkeit.
"Was sollen wir nun sagen? Ist das Gesetz Sünde? Das sei ferne! Aber ich erkannte die Sünde nur durch das Gesetz; denn ich wußte nichts von der Sündhaftigkeit der Lust, wenn das Gesetz nicht sagte: Laß dich nicht gelüsten! Die Sünde nahm Anlaß von dem Gebot,und erregte in mir jegliche Lust, denn ohne Gesetz war die Sünde tot. So lebte ich denn ohne das Gesetz; da aber das Gebot kam, lebte die Sünde in mir auf. Da starb ich hin, und es fand sich, daß das Gebot für das Leben mir zum Tode ward." Röm 7,7-10
1. Thomas formuliert "das Gesetz verbietet". Die Stelle in Röm wirkt auf mich hingegen eher wie das, was ich hier bereits auszuführen versuchte zu meinem Verständnis: Es ist in diesem Sinne eher als Hinweis zu verstehen, es benennt Symptome, den Charakter der Wirkung Goittes im Menschen.
2. Thomas formuliert hier nebenbei selbst (zumindest dieser Übersetzung folgend), die gute Liebe sei eine Leidenschaft! "Begierlichkeit" steht für ihn wohl in einer Nähe speziell zu "Werken des Fleisches" und nicht zu allen,was "Leidenschaft" wäre?
"Die Liebe aber ist eine andere Leidenschaft wie die Begierlichkeit." - Ich würde sagen, es handelt sich nicht um verschiedene Liebe/Leidenschaft, sondern um verschiedene konkrete, unterscheidbare Wirkungen durch verschiedene "Väter" im eigentlich Gleichen.
III. Augustin schreibt zu Ps. 79. (incensa igni): „Alle Sünde ist aus der Liebe, insofern sie verkehrterweise entstammt;
Das wirkt auf mich soweit in Ordnung.
und aus der Furcht, insofern diese verkehrterweise demütigt.“ Nicht also allein die Liebe ist das Princip aller Sünde.
Verkehrte Demut als Ursprung der Sünde? Ich bin mir unsicher, was das meint. Möglicherweise auch etwas Richtung "Gesetzesgehorsam", so wie ich soetwas kritisch sehen würde?
IV. Zuweilen sündigt der Mensch auch aus ungeordneter Nächstenliebe.
In Ordnung, wobei ich beides auch für nicht so strikt trennbar halte. Andere werden oft in dem geliebt, was der Mensch selbst liebt. Da findet sich dann gewissermaßen eine Art Grauzone zwischen an sich guter Motivation und begrenzten eigenen Erkennen oder eigener Liebe zu "Werken des Fleisches", die dann "liebend" auch dem Nächsten gegeben würden.
Also nicht allein die Liebe zu sich selbst ist Princip aller Sünde. Auf der anderen Seite sagt Augustin (14. de civ. Dei 28.): „Die Selbstliebe stellt die Stadt Babel her und führt sie hinauf bis zur Verachtung Gottes.“ Durch jede Sünde aber gehört der Mensch zur Stadt Babel. Also ist die Selbstliebe die Ursache aller Sünde.
In I. ist von "Eigenliebe" die Rede, unter "Selbstliebe" wird hier dann etwas anderes verstanden?
Nun folgt die bereits zitierte Passage und stünde so nun schon in einem anderen Licht da.