Papst Franziskus: Es stimmt, was Sie sagen, daß die Kirche nicht nur der Denzinger ist, also die Sammlung dogmatischer Texte und historischer Dinge. Das ist wahr. Die Kirche auf dem Weg entwickelt sich in der Treue zur Offenbarung. Wir können die Offenbarung nicht ändern. Es ist wahr, daß die Offenbarung sich entfaltet. Das Wort ist, „sich entfalten“. Sie entfaltet sich mit der Zeit. Und wir verstehen mit der Zeit den Glauben besser. Die Art den Glauben zu verstehen, ist heute, nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, verschieden von der Art, den Glauben vor dem Zweiten Vaticanum zu verstehen. Warum? Weil es eine Entwicklung des Bewußtseins gibt, und Sie haben Recht. Das ist keine Neuheit, weil die Natur selbst, die Natur der Offenbarung selbst in ständiger Bewegung ist, um sich selbst zu klären, auch die Natur des moralischen Bewußtseins. Zum Beispiel: Heute habe ich klar gesagt, daß die Todesstrafe nicht akzeptabel ist. Sie ist unmoralisch. Aber vor 50 Jahren hat man das nicht so gesagt. Hat sich die Kirche geändert? Nein. Das Moralbewußtsein hat sich entwickelt. Eine Entwicklung. Und das haben die Väter verstanden. Im 5. Jahrhundert gab es einen französischen Vater, Vinzenz von Lerins, der eine schöne Aussage prägte. Er sagt, daß das Glaubensbewußtsein – ich sage es auf Latein, dann übersetze ich – „ut annis consolidetur, dilatetur tempore, sublimetur aetate“, das heißt: „sich mit den Jahren festigt, sich mit der Zeit entwickelt, sich mit dem Alter vertieft“. Man versteht besser, und mit den Jahren vertieft es sich… Und wenn ich sehe, daß das, was ich jetzt denke, in Verbindung mit der Offenbarung ist, geht das in Ordnung, wenn es aber eine komische Sache ist, die nicht in der Offenbarung ist, auch im Bereich der Moral, das nicht gemäß der Moral ist, geht das nicht. Deshalb: Zur Sache des Diakonats müssen wir suchen, was am Beginn der Offenbarung war, und wenn etwas war, es wachsen lassen und kommen lassen… Wenn nichts war, wenn der Herr den Dienst das sakramentale Amt für die Frauen nicht wollte, dann geht das nicht. Und deshalb gehen wir zur Geschichte, zum Dogma.
Was die Mutter zudem gesagt hat, hat mir sehr gefallen, weil sie nicht nur das gesagt hat. Es gibt noch mehr Dinge:
Eine Sache ist der Dialog mit der Welt, in der wir leben: Ein Dialog der Erfahrungen. Und dieser Dialog mit der Welt provoziert neue Situationen, die neue Antworten verlangen, aber diese Antworten müssen in Einklang mit der Offenbarung sein. Es gibt den Dialog, und ebenso die Entfaltung des Glaubens und der Moral – wie ich es erklärt habe –, aber immer mit dem Fundament.
Zweitens: Die Harmonie mit der Offenbarung im Dialog. Keine Angst vor dem Dialog haben, das ist wichtig.
Und die dritte Sache: das Zeugnis. Das, wie ich meine, ist das Wichtigste, was die Mutter gesagt hat, was sie ein bißchen angedeutet hat, die Notwendigkeit des Zeugnisses.
Deshalb: Es ist es wahr, es braucht nicht nur die dogmatischen Dinge. Mit dem Denzinger kommen wir im konkreten Leben nirgendwohin. Wir wissen, wie die Wahrheit ist, wie das Dogma ist, aber wie gehen wir das an, wie lassen wir es wachsen. Das ist eine andere Sache. Der Denzinger hilft uns, weil fort die ganze Dogmatik ist, aber wir müssen ständig wachsen.
Ich habe Bezug genommen auf Eure Kleidung von heute: „Ihr habt das Kleid geändert, habt das geweihte Leben ruiniert!“ Nichts davon: Im Dialog mit der Welt hat jede Kongregation gesehen, wie man das eigene Charisma am besten ausdrücken kann, sich ausdrücken kann. Die, die kein Ordenskleid hat, und die, die so ein bißchen ein Ordenskleid hat, und diese und jene, die ein anderes Ordenskleid haben, sind weder schlechter noch besser: Jede Kongregation trifft ihre Entscheidung.
Und damit komme ich zum Schlüsselwort: Unterscheidung. Wir brauchen Unterscheidung. Es ist nicht alles schwarz oder weiß, auch nicht grau. Es ist alles in Bewegung, alles ist in Bewegung, aber gehen wir auf dem richtigen Weg, auf dem Weg der Offenbarung. Wir können nicht auf einem anderen Weg gehen. Ich denke, obwohl ich nicht Antwort auf alle Schattierungen habe, die in der Frage der Mutter enthalten sind, ist das die Antwort. Es stimmt: Es werden uns nicht allein die dogmatischen Definitionen helfen, die historischen Dinge – alleine nicht. Aber wir können nicht über die Offenbarung und die dogmatische Erläuterung hinausgehen. Ist das klar? Wir sind Katholiken. Wenn jemand eine andere Kirche will, ist er frei sie zu machen, aber…