Was will der Herr mit all den Priestern??

Fragen, Antworten, Nachrichten.
Benutzeravatar
Erich
Beiträge: 781
Registriert: Sonntag 5. Oktober 2003, 10:50
Wohnort: Köln

Was will der Herr mit all den Priestern??

Beitrag von Erich »

Liebe Gemeinde der hochkarätigen Theologen,

in Lumen Gentium lese ich:

Die an Christus glauben, werden nämlich, durch das Wort des lebendigen Gottes (vgl. 1 Petr 1,23) wiedergeboren nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nicht aus dem Fleische, sondern aus dem Wasser und dem Heiligen Geist (vgl. Joh 3,5-6), schließlich gemacht zu "einem auserwählten Geschlecht, einem königlichen Priestertum ..., einem heiligen Stamm, einem Volk der Erwerbung ...

Meine Frage: Wozu braucht der Herr soooo viele Priester = Mittler zwischen Gott und Mensch? Hier auf Erden braucht er sie ja anscheinend nicht, denn wer fungiert hier ausser den Geweihten als Priester – und später, im Himmel – ja wozu da denn noch, wenn sowieso alle die Gottesschau haben:

Also wer kann mir bei meiner Küchentheologie weiterhelfen?
Das Wort ward Fleisch, nicht Kerygma!

Benutzeravatar
Angelika
Beiträge: 1948
Registriert: Sonntag 5. Oktober 2003, 12:23
Wohnort: Berlin

Re: Was will der Herr mit all den Priestern??

Beitrag von Angelika »

Erich hat geschrieben:Meine Frage: Wozu braucht der Herr soooo viele Priester = Mittler zwischen Gott und Mensch?
Wie kommste denn auf die Definition Priester = Mittler zwischen Gott und Mensch ?

Für mich ist ein Priester jemand, der Opfer darbringt.


Erich hat geschrieben:Hier auf Erden braucht er sie ja anscheinend nicht, denn wer fungiert hier ausser den Geweihten als Priester – und später, im Himmel – ja wozu da denn noch, wenn sowieso alle die Gottesschau haben:

Also wer kann mir bei meiner Küchentheologie weiterhelfen?
Die geweihten Priester bringen das Opfer Christi in jeder Heiligen Messe dar. Jesus Christus selbst als der Hohepriester bringt sein Opfer dar durch die geweihten Priester.

Die Gläubigen bringen sich selbst, ihr Leben mit all ihren Wünschen, Plänen usw. Gott dar. In dem Sinne sind sie - mal so aus dem Bauch heraus - auch Priester.

Gruß
Angelika

Benutzeravatar
Erich
Beiträge: 781
Registriert: Sonntag 5. Oktober 2003, 10:50
Wohnort: Köln

Beitrag von Erich »

Die Gläubigen bringen sich selbst, ihr Leben mit all ihren Wünschen, Plänen usw. Gott dar
in dieser und/oder nächsten Welt??

Und was ist mit den Nicht-auserwählten? Den Gojim?? :hmm:
Das Wort ward Fleisch, nicht Kerygma!

Ragnar
Beiträge: 638
Registriert: Mittwoch 13. Juli 2005, 21:03

Beitrag von Ragnar »

Erich hat geschrieben:
Die Gläubigen bringen sich selbst, ihr Leben mit all ihren Wünschen, Plänen usw. Gott dar
in dieser und/oder nächsten Welt??

Und was ist mit den Nicht-auserwählten? Den Gojim?? :hmm:
Na,
lieber Erich,
die sind aussenvor :ja:
die Priesterschaft des ganzen Volkes Israel wurde schon am Sinai verheissen :D

Benutzeravatar
Linus
Beiträge: 15072
Registriert: Donnerstag 25. Dezember 2003, 10:57
Wohnort: 4121 Hühnergeschrei

Beitrag von Linus »

ich glaub da gehts ums Volk Gottes vulgo Kirche im allgemeinen.
Wir, also die kirche, sind ein priesterliches, heiliges und königliches volk und berufen das zu sein!
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
"Black holes are where God divided by zero. - Einstein

Benutzeravatar
Erich
Beiträge: 781
Registriert: Sonntag 5. Oktober 2003, 10:50
Wohnort: Köln

Beitrag von Erich »

Ave Linus + Ragnar,

Eure Beiträge beantworten nicht meine Frage: Wozu Priester? "Nur Volk" hätte doch gereicht - oder??

(*groll: :sauer: da schickt man die Leut auf teure Schulen der Theologie und dann bekommt man keine Antwort: :sauer: groll*)
Das Wort ward Fleisch, nicht Kerygma!

Benutzeravatar
Linus
Beiträge: 15072
Registriert: Donnerstag 25. Dezember 2003, 10:57
Wohnort: 4121 Hühnergeschrei

Beitrag von Linus »

Lies mal Exodus 19,6
Nein: Volk, das wären alle anderen Völker, aber nur (das neue) Israel als Priestervolk (und das sind wir Getaufte) können wir mit Gott direkt kommunizieren.
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
"Black holes are where God divided by zero. - Einstein

Ragnar
Beiträge: 638
Registriert: Mittwoch 13. Juli 2005, 21:03

Beitrag von Ragnar »

Linus hat geschrieben:ich glaub da gehts ums Volk Gottes vulgo Kirche im allgemeinen.
Wir, also die kirche, sind ein priesterliches, heiliges und königliches volk und berufen das zu sein!
Da kann ja jeder kommen,
und ein Buch schreiben,
und darinn behaupten,
dies und das wäre nur auf den neuen Wer weiss ich denn gemünzt.

Alle Stellen,
wo es heisst: SoUndSo
wäre ein Hinweis darauf.

Am Sinai ist ganz eindeutig nur vom Volk Israel,
nichts von Heiden.
Und von Getauft ist nicht die Rede,
wohl von Beschnitten...
und zwar an der Stelle,
wo es gemeint ist,
nicht am Herzen,
was erst später,
und zwar nicht von Jesus,
dem Volke gesagt wurde.
Von der Kirche ist am Sinai nicht die Rede.
Und es wird auch von den heidnischen Einflüssen geredet,
die es gilt aus zu merzen.
und von den Geboten ist die Rede,
die G''TT SEINEM Volke auferlegt hat
(kann ja jeder sagen,
die Gesetze gelten nicht).
Sich das aussuchen,
was einem grade passt?
Und G''TT sollte sich nach den Wünschen der Menschen richten?
"Ach,
ihr wollt mir doch lieber Schweine opfer?
ach,
und Blut wollt ihr auch geniessen?
Dass die Priester Vorbild sein sollen,
das war doch nur ein Scherz,
sicher dürft ihr auch Götzen dienen,
und Ascheren dürft ihr in eure Kirchen stellen,
ach ja, und ein Gott allein,
das reicht sicher nicht..."

Ragnar
Beiträge: 638
Registriert: Mittwoch 13. Juli 2005, 21:03

Beitrag von Ragnar »

Erich hat geschrieben:Ave Linus + Ragnar,

Eure Beiträge beantworten nicht meine Frage: Wozu Priester? "Nur Volk" hätte doch gereicht - oder??

(*groll: :sauer: da schickt man die Leut auf teure Schulen der Theologie und dann bekommt man keine Antwort: :sauer: groll*)
Lieber Erich,
ich wurde auf keine teure Schule für Theologen geschickt,
vermisse aber,
solch eine nicht geniessen gekonnt zu haben...

Das Ziel, dass das ganze Volk Priester ist,
dass jeder den ganzen Tag nur von G''TT spricht,
aber, das tun nicht mal heutige "Priester".

Nur Volk reicht IHM nicht,
denn jeder soll IHM anhangen,
aus eigener Verantwortung,
aus eigenem Verlange,
nicht weil ihm das Lehrer in der Schule,
oder der Landesherr,
auf drängen verschiedenster Organisationen,
angedeihen.

Benutzeravatar
Erich
Beiträge: 781
Registriert: Sonntag 5. Oktober 2003, 10:50
Wohnort: Köln

Beitrag von Erich »

aber nur (das neue) Israel als Priestervolk (und das sind wir Getaufte) können wir mit Gott direkt kommunizieren.
ja, und genau das ist das Problem. In der künftigen Welt (Himmel) soll es ja nur solche geben, die direkt mit Gott kommunizieren. So war mir bisher der Himmel erklärt worden. Aber anscheinend gibt es im Himmel doch eine "Mehrklassengesellschaft: Ein Volk von Priestern mit direktem Kontakt zum Herrn und dann viele andere ohne diesenn direkten Draht. Seht Ihr das auch so?
Das Ziel, dass das ganze Volk Priester ist,
dass jeder den ganzen Tag nur von G''TT spricht,
aber, das tun nicht mal heutige "Priester".
bis wann soll dieses Ziel erreicht sein?
Das Wort ward Fleisch, nicht Kerygma!

Ragnar
Beiträge: 638
Registriert: Mittwoch 13. Juli 2005, 21:03

Beitrag von Ragnar »

auch kein Priester kann mit IHM direkt kommunizieren,
es sei denn,
ER hat ihn dazu berufen,
aber das trifft auf jeden Menschen zu.

Der Priester unter steht besonderen Geboten,
die Er den Menschen gegeben hat,
und diesen Geboten kann sich jeder Mensch unterwerfen,
aber das Leben kann ja so einfach sein,
wenn man SEINE Gebote als Balast über Bord wirft...

Benutzeravatar
Angelika
Beiträge: 1948
Registriert: Sonntag 5. Oktober 2003, 12:23
Wohnort: Berlin

Beitrag von Angelika »

Erich hat geschrieben:
Die Gläubigen bringen sich selbst, ihr Leben mit all ihren Wünschen, Plänen usw. Gott dar
in dieser und/oder nächsten Welt??
Ich meinte in dieser Welt.

(Was genau das nun bedeutet, ist wieder eine andere Frage, die mich zur Zeit auch beschäftigt.)


Erich hat geschrieben:Und was ist mit den Nicht-auserwählten?
:ratlos:

Benutzeravatar
Erich
Beiträge: 781
Registriert: Sonntag 5. Oktober 2003, 10:50
Wohnort: Köln

Beitrag von Erich »

hat der Kreuzgang mit diesen Antworten sein Pulver verschossen??

(*groll: :sauer: da schickt man die Leut auf teure Schulen der Theologie und dann bekommt man keine zufriedenstellende Antwort: :sauer: groll*)
Das Wort ward Fleisch, nicht Kerygma!

Raphael

Re: Was will der Herr mit all den Priestern??

Beitrag von Raphael »

@ Erich
Erich hat geschrieben:Meine Frage: Wozu braucht der Herr soooo viele Priester = Mittler zwischen Gott und Mensch?
Zum Missionieren .......

Papst Benedikt XVI. hat einmal geäußert, daß es so viele Wege zu Gott gibt, wie es Menschen gibt.
Damit also die Heiden - und zwar jeder Einzelne - diesen Weg beschreiten können, gibt es viele Priester, die bei Beschreitung dieses Weges behilflich sind (sein sollen)!

GsJC
Raphael

Dr. Dirk
Beiträge: 1433
Registriert: Montag 6. Oktober 2003, 09:03

Re: Was will der Herr mit all den Priestern??

Beitrag von Dr. Dirk »

Erich hat geschrieben: Meine Frage: Wozu braucht der Herr soooo viele Priester = Mittler zwischen Gott und Mensch? Hier auf Erden braucht er sie ja anscheinend nicht, denn wer fungiert hier ausser den Geweihten als Priester – und später, im Himmel – ja wozu da denn noch, wenn sowieso alle die Gottesschau haben:

Also wer kann mir bei meiner Küchentheologie weiterhelfen?

Ich bin zwar kein Theologe, aber ich antworte trotzdem.
Ein Priester ist eigentlich vom Wesen her kein Mittler zwischen Gott und den Menschen, er ist jemand, der sich Gott nähern darf. Deswegen ist er es, der das Opfer darbringt.

Im alten Bund war es das Allerheiligste, das der Priester allein betreten durft. Er allein durfte in die Gegenwart Gottes treten. Adam hatte dieses Privileg auch - das Paradies war sozusagen das Allerheiligste, erfüllt von der Gegenwart Gottes. Da Adam für den Menschen ansich steht, ist eigentlich ursprünglich jeder Mensch als Priester geschaffen.

Priester sind erst durch die Sünde zum Mittler zwischen Gott und den Menschen geworden (denn die Sünde trennt von Gott). Man kann das im AT schön beobachten. Zu Beginn befand sich das Offenbarungszelt inmitten der Gemeinde. Das ganze Volk war Gott nahe, es war ein priesterliches Volk.

Nach dem Tanz um das goldene Kalb erwählt sich Gott die Leviten, die sich nicht an dem Götzendienst beteiligt hatten als Priester. Sie dürfen ihre Zelte um das Offenbarungszelt bauen, in der Nähe Gottes bleiben, und der Rest des Volkes rückt weiter weg. Hier wird anschaulich deutlich, dass die Sünde von Gott trennt - die gleiche Erfahrung, die Adam gemacht hat: Durch die Sünde Vertreibung aus der Gegenwart Gottes, aus dem Paradies, aus dem Allerheiligsten.

Jesus hat mit seinem Opfer die Sünde hinweggenommen, d.h. die Entfernung zwischen Gott und den Menschen wieder aufgehoben. Das Volk Gottes ist jetzt wieder ein priesterliches Volk. Dies wird sich in der neuen Welt vollkommen erfüllen, wenn Gott im neuen Jerusalem wieder mitten unter seinem Volk wohnt. Bis dahin haben wir noch ein zweigeteiltes Priestertum, das Priesteramt ist noch einmal ein besonderes Priestertum, denn der christliche Priester handelt in seinem Amt "in persona christi", ist also quasi selbst Christus.

Die Frage ist also nicht, warum gibt es so viele Priester, sondern warum gibt es so wenige. Die Antwort ist: Wegen der Sünde.

Übrigens wirft das einen interessanten Blick auf das Zölibat. Der Priester ist heute schon dem näher, was in der neuen Welt sein wird, nämlich dass alle Menschen wieder Priester sind. Man sagt, dass das Priestertum ein eschatologisch fortgeschrittener Stand ist (was das gleiche heißt). Das Priestertum weist also zeichenhaft auf die neue Welt hin. Weil auch in der neuen Welt die Menschen nicht mehr heiraten werden, ist auch der Zölibat durchaus eine Lebensform, die dem Priestertum angemessen ist.

Ragnar
Beiträge: 638
Registriert: Mittwoch 13. Juli 2005, 21:03

Liebr Dirk

Beitrag von Ragnar »

wie ist das mit den sündenden Priestern...

Benutzeravatar
Pit
Beiträge: 8120
Registriert: Freitag 23. April 2004, 17:57

Re: Liebr Dirk

Beitrag von Pit »

Hallo Ragnar,

"Gegenfrage":
Wie ist es bei der Beichte?
Nun, da der Priester "im Namen Jesu Christi", also im Auftrag Gottes/ Jesu die Sünden vergibt (in persona christi, wie die rk-Kirche sagt) kommt es nicht so sehr auf den "Charakter" des Priesters an.
Weil wir alle Sünder sind, könnte er sonst auch nie von Sünden "lossprechen".
Bei der Beichte ist es ja nicht so, daß der Priester uns die Sünden vergibt, sondern uns die Vergebung Gottes (!) zuspricht. Denn Sünden vergeben kann nur Gott allein.

Gruß, Pit
Ragnar hat geschrieben:wie ist das mit den sündenden Priestern...
carpe diem - Nutze den Tag !

Dr. Dirk
Beiträge: 1433
Registriert: Montag 6. Oktober 2003, 09:03

Re: Liebr Dirk

Beitrag von Dr. Dirk »

Ragnar hat geschrieben:wie ist das mit den sündenden Priestern...
Musste nicht im alten Israel der Priester zuerst ein Opfer für seine eigenen Sünden darbringen?

Der Priester heute geht regelmäßig beichten (sollte er), die lässlichen Sünden werden während der Hl. Messe vergeben. Mit dem Sieg Christi hat die Sünde verloren.

Ragnar
Beiträge: 638
Registriert: Mittwoch 13. Juli 2005, 21:03

Ja wenn das soooo

Beitrag von Ragnar »

einfach ist,
dann kann doch jeder Priester sein...

Friede
Freude
Eierkuchen
...

Ihr tut ja so,
als hätte es vor Jesus keine Vergebung der Sünden gegeben.
Sündenvergebung,
Gnade,
ist keine Erfindung Jesu,
es ist die Güte G''TTes

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Hallo Erich, ich bringe dazu mal einen Artikel aus einem für solche Zwecke sehr nützlichen Lexikon. Der Artikel ist nicht ganz kurz, die eigentliche Antwort auf deine Frage kommt erst kurz vorm Ende – Bild bitte durchhalten!

Bibiliographischer Nachweis:
Augustin George s. v. »Priestertum« in: Wörterbuch zur biblischen Botschaft, edd. Xavier Léon-Dufour & al., aus dem Franz. übers. v. P. Konstanz Faschian OFM, Freiburg i. Br., Basel & Wien 1964, pp. 522-529. (Originalausgabe: Vocabulaire de Théologie biblique, Paris 1962.)
Das »Wörterbuch zur biblischen Botschaft« hat geschrieben:
PRIESTERTUM

„Jesus aber bleibt in Ewigkeit und besitzt ein unvergängliches Priestertum” (Hebr 7, 24). Auf diese Weise bringt der Hebräerbrief das Mittlertum Christi zu dessen Umschreibung mit einer Funktion in Zusammenhang, die im Alten Testament ebenso vorhanden war wie in sämtlichen Religionen der benachbarten Völker: mit der der Priester. Zum Verständnis des Priestertums Jesu ist es also von größter Wichtigkeit, das Priestertum des Alten Testaments, das es vorbereitet und im voraus dargestellt hat, genau zu kennen.

AT

I. Geschichte der priesterlichen Einrichtung

1. Bei jenen Kulturvölkern, die Israel umgaben, wurde die priesterliche Funktion häufig durch den König ausgeübt, vor allem in Mesopotamien und in Ägypten. Diesem stand dabei ein hierarchisch gegliederter Klerus zu Diensten, dessen Funktion meist weitervererbt wurde, so daß er eine regelrechte Kaste bildete. Nichts von alldem bei den Patriarchen. Zu ihrer Zeit gab es weder einen Tempel, noch Priester, die in besonderer Weise im Dienste des Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs gestanden wären. Die Überlieferungen der Genesis zeigen uns die Patriarchen, wie sie in Kanaan Altäre errichten (Gn 12,7 f; 13,18; 26,25) und Opfer darbringen (Gn 22; 31,54; 46,1). Sie üben das bei den meisten Völkern der Antike übliche Familienpriestertum aus. Die einzigen Priester, von denen die Rede ist, sind Ausländer: so der Priesterkönig von Jerusalem Melchisedech (Gn 14,18 ff) und die Priester des Pharao (Gn 41,45; 47,22). Der Stamm Levis ist noch ein profaner Stamm ohne heilige Funktionen (Gn 34,25-31; 49,5 ff).

2. Mit Moses, der selbst Levit war, scheint die Spezialisierung dieses Stammes auf die kultischen Funktionen ihren Anfang genommen zu haben. Die archaische Erzählung von Ex 32,25-29 bringt den wesentlichen Charakter seines Priestertums zum Ausdruck: er ist von Gott selbst für seinen Dienst auserwählt und geweiht. Der Mosessegen schreibt ihm im Gegensatz zum Jakobssegen die spezifischen Aufgaben des Priestertums zu (Dt 33,8-11). Allerdings spiegelt dieser Text eine Situation aus späterer Zeit wider. In dieser Zeit sind die Leviten die Priester schlechthin (Ri 17,7-13 ; 18,19) und an die verschiedenen Heiligtümer des Landes gebunden. Neben dem levitischen Priestertum aber wurde das Familienpriestertum noch weiter ausgeübt (Ri 6,18-29; 13,19; 17,5; 1 Sm 7,1).

3. Zur Zeit der Monarchie übte der König gleich den Königen der benachbarten Völker verschiedene priesterliche Funktionen aus. Er bringt, von Saul (1 Sm 13,9) und David (2 Sm 6,13.17; 24,22-25) angefangen bis Achaz (2 Kg 16,13), Opfer dar; er segnet das Volk (2 Sm 1,18; 1 Kg 8,14) … Doch wird ihm, ausgenommen im uralten Psalm 110,4, der ihn mit Melchisedech vergleicht, nirgends der Titel eines Priesters gegeben. De facto ist er trotz dieser Anspielung auf das königliche Priestertum Kanaans eher ein Schirmherr des Priestertums als ein Mitglied der geweihten Kaste.

Denn diese ist nunmehr vor allem im Heiligtum von Jerusalem, das seit David das kultische Zentrum Israels darstellt, zu einer wohlgegliederten Einrichtung geworden. Anfänglich teilten sich zwei Priester in dessen Dienst. Ebjathar, ein Nachkomme Helis, der Silo betreut hatte, ist höchstwahrscheinlich ein Levit (2 Sm 8,17); doch wurde seine Familie von Salomo ausgeschaltet (1 Kg 2,26 f). Sadok ist unbekannter Herkunft; doch sollte die Leitung der Tempelpriesterschaft bis zum 2. Jahrhundert in den Händen seiner Nachkommen verbleiben. Spätere Genealogien bringen ihn gleich Ebjathar mit den Nachkommen Aarons in Zusammenhang (vgl. 1 Chr 5,27-34). Unter dem Befehl des Oberpriesters stehend, zählte die Priesterschaft Jerusalems verschiedene untergeordnete Gruppen. In vorexilischer Zeit umfaßte das Tempelpersonal sogar Unbeschnittene (Ez 44,7 ff; vgl. Jos 9,27). In den anderen Heiligtümern, vor allem in Juda, müssen die Leviten ziemlich zahlreich gewesen sein. Es scheint, daß David und Salomo versucht haben, sie auf das ganze Land zu verteilen (vgl. Jos 21; Ri 18,30). Einige Lokalheiligtümer aber besaßen Priester verschiedenen Ursprungs (1 Kg 12,31).

4. Die Reform des Josias im Jahre 621 besiegelte durch die Unterdrückung der Lokalheiligtümer das levitische Monopol und die ausschließliche Stellung der Priesterschaft von Jerusalem. Sie griff über die Forderungen des Deuteronomiums hinaus (18,6 ff) und behielt die Ausübung der priesterlichen Funktionen praktisch den Nachkommen Sadoks allein vor (2 Kg 23,5.9); auf diese Weise bereitete sie auf die spätere Unterscheidung zwischen Priestern und Leviten vor, die schon in Ez 44,10-31 deutlich hervortritt.

Der gleichzeitige Untergang des Tempels und der Monarchie (587) setzte der Bevormundung der Priesterschaft durch den König ein Ende und verlieh dieser eine große Autorität über das Volk. Von allen Einflüssen und Versuchungen der politischen Macht, die von nun an Heiden in Händen hielten, befreit, wurde die Priesterschaft zur religiösen Führerin des Volkes. Das allmähliche Verschwinden des Prophetentums vom 5. Jahrhundert an verstärkte noch ihre Autorität. Die Reformpläne Ezechiels aus dem Jahre 573 schließen den „Fürsten” vom Heiligtum aus (Ez 44,1 ff; 46). Die Kaste der Leviten erfreute sich fortan eines unbestrittenen Monopols (die einzige Ausnahme in Is 66,21 bezieht sich ausschließlich auf die „Endzeit"). Die priesterlichen Sammlungen des Pentateuchs (5.-4. Jh.) und das Werk des Chronisten (3. Jh.) liefern schließlich einen detaillierten Überblick über die priesterliche Hierarchie.

Diese ist streng gegliedert. An der Spitze steht der Hohepriester, der Sohn Sadoks als Nachfolger Aarons, des Typus des Priestertums. Es hatte stets in jedem Heiligtum einen Oberpriester gegeben; der Titel Hoherpriester taucht in dem Augenblick auf, da das Fehlen des Königs das Bedürfnis nach einem Oberhaupt für die Theokratie fühlbar werden ließ. Die Salbung, die er seit dem 4. Jahrhundert erhielt (Lv 8,12; vgl. 4,3 ; 16,32; Dn 9,25), erinnert an jene, die einst die Könige geweiht hatte. Ihm unterstehen die Priester, die Söhne Aarons. Endlich kamen die Leviten, die den niederen Klerus bildeten und in drei Familien zerfielen, zu denen noch die Sänger und die Torhüter kamen (1 Chr 25-26). Diese drei Klassen stellten den heiligen Stamm dar, der gänzlich dem Dienste des Herrn geweiht war.

5. Von da an sollte die Hierarchie mit Ausnahme der Bestellung des Hohenpriesters keine Veränderung mehr erfahren. Im Jahre 172 wurde der letzte Hohepriester, der der Linie Sadoks entstammte, Onias III., infolge politischer Intrigen ermordet. Seine Nachfolger wurden ohne Rücksicht auf ihre Abstammung von den syrischen Königen ernannt. Die makkabäische Bewegung führte schließlich zur Investitur Jonathans, der aus einer fast unbekannten Priesterfamilie hervorgegangen war. Sein Bruder und Nachfolger Simon (143) begründete die Dynastie der Hasmonäer, die gleichzeitig Priester und Könige waren (134-37). Diese kümmerten sich mehr um die politische und militärische als um die religiöse Führung, wodurch sie sich die Pharisäer zu Feinden machten. Der überlieferungstreue Klerus seinerseits aber machte ihnen den nichtsadokitischen Ursprung zum Vorwurf, und die Priestersekte von Qumran begründete sogar ein regelrechtes Schisma. Von der Zeit des Herodes an (37) wurden die Hohenpriester schließlich von der politischen Autorität bestellt, die sie den bedeutenden Priesterfamilien entnahm. Diese bildeten die Gruppe der „Hohenpriester”, von denen im Neuen Testament mehrfach die Rede ist.

II. Die priesterlichen Funktionen

In den Religionen der Antike sind die Priester die Diener des Kultes, die Hüter der heiligen Überlieferungen, die Sprecher der Gottheit in ihrer Eigenschaft als Wahrsager. In Israel übt das Priestertum trotz der sozialen Umschichtung und der dogmatischen Entwicklung, die man im Laufe der Jahrhunderte feststellen kann, stets zwei grundlegende Ämter aus, die zwei Formen des Mittlertums darstellen: den Dienst am Kulte und den Dienst am Worte.
1. Der Dienst am Kulte. Der Priester ist der Mann des Heiligtums. In der Frühzeit versammelte er als Hüter der Bundeslade (1 Sm 1-4; 2 Sm 15,24-29) die Gläubigen im Hause Jahves (1 Sm 1) und leitete bei den Festen des Volkes die Liturgien (Lv 23,11.20). Sein wesentlicher Akt war das Opfer. Hier erfüllte er seine Aufgabe als Mittler im vollsten Umfange: Er brachte Gott die Opfergabe seiner Gläubigen dar und vermittelte diesen den göttlichen Segen. Dies war beim Opfer des Moses bei der Bundesschließung am Sinai der Fall (Ex 24,4-8); dies war auch bei Levi als dem Haupte des ganzen Geschlechtes der Fall (Dt 33,10). In nachexilischer Zeit erfüllten die Priester diese Aufgabe Tag für Tag im immerwährenden Opfer (Ex 29,38-42). Einmal im Jahre erschien der Hohepriester in seiner Rolle als höchster Mittler, wenn er am Großen Versöhnungstage (Sühne) die Funktionen leitete, um die Vergebung jeglicher Schuld seines Volkes zu erlangen (Lv 16; Sir 50,5-21). Außerdem hatte der Priester auch Weihe- und Reinigungsriten zu vollziehen: so die Salbung des Königs (1 Kg 1,39; 2 Kg 11,12), die Reinigung der Aussätzigen (Lv 14) und der Wöchnerinnen (Lv 12,6 ff).

2. Der Dienst am Worte. In Mesopotamien und in Ägypten übte der Priester die Wahrsagerei aus; im Namen seines Gottes antwortete er auf die Anfragen der Gläubigen. In Altisrael übte der Priester mit Hilfe des Ephod (1 Sm 30,7 f), des Urim und des Tummim eine ähnliche Funktion aus (1 Sm 14,36-42; Dt 33,8); doch ist in nachdavidischer Zeit von diesen Verfahren nicht mehr die Rede.

Denn in Israel kam das auf die verschiedenen Lebensumstände bezugnehmende Wort Gottes seinem Volke auf anderem Wege zu: durch die vom Heiligen Geiste getriebenen Propheten. Doch gab es auch eine traditionelle Form des Wortes, deren Ausgangspunkt die großen Geschehnisse der heiligen Geschichte und die Bestimmungen des Sinai-Bundes bildeten. Diese heilige Tradition kristallisierte sich einerseits in jenen Erzählungen, die die großen Erinnerungen der Vergangenheit lebendig erhielten, andererseits in dem Gesetz, das von ihnen her seinen Sinn erhielt. Die Priester sind die Diener dieses Wortes. Sie waren es, die den Gläubigen in der Liturgie der Festfeiern jene Erzählungen vorlasen, die die Grundlage ihres Glaubens bildeten (Ex 1-15, Js 2-6 sind vermutlich Nachklänge von solchen Festfeiern). Bei den Bundeserneuerungen verkündeten sie die Thora (Ex 24,7; Dt 27; Neh 8); sie sind sogar deren ordentliche Interpreten, die die Anfragen der Gläubigen durch praktische Weisungen beantworteten (Dt 33,10; Jr 18,18 ; Ez 44,23 ; Agg 2,11 ff) und eine richterliche Funktion ausübten (Dt 17,8-13 ; Ez 44,23 f). In Weiterführung dieser Tätigkeit sorgen sie für die schriftliche Niederlegung des Gesetzes in den verschiedenen Gesetzessammlungen: im Deuteronomium, im Heiligkeitsgesetz (Lv 17 bis 26), in der Thora Ezechiels (40-48), in der priesterlichen Gesetzgebung (Ex, Lv, Nm), in der endgültigen Fassung des Pentateuchs (vgl. Esr 7,14-26; Neh 8). Auf diese Weise versteht man, wieso der Priester in den heiligen Büchern als der Mann der Erkenntnis erscheint (Os 4,6; Mal 2,6 f; Sir 45,17); er ist der Mittler des Wortes Gottes in seiner traditionellen Form der Geschichte und der Gesetzessammlungen.

In den letzten Jahrhunderten des Judentums aber vervielfachten sich die Synagogen und konzentrierte sich das Priestertum auf seine rituellen Aufgaben. Gleichzeitig ist ein Anwachsen der Autorität der Schriftgelehrten festzustellen, die dem Laienstande angehörten. Diese gehörten zum größten Teile der Sekte der Pharisäer an und waren zur Zeit Jesu die bedeutendsten Lehrer in Israel.

III. Dem vollkommenen Priestertum entgegen

Das Priestertum des Alten Testaments ist seiner Sendung in seiner Gesamtheit treu gewesen. Durch seine Liturgien, durch seine Lehrtätigkeit und die Bearbeitung der heiligen Bücher hat es in Israel die Überlieferung des Moses und der Propheten lebendig erhalten und das religiöse Leben des Volkes Gottes von Geschlecht zu Geschlecht sichergestellt. Doch sollte es letztlich überboten werden.

1. Die Kritik am Priestertum. Die priesterliche Sendung schloß sehr hohe Anforderungen in sich; nun aber gab es stets auch Priester, die nicht auf der Höhe ihrer Aufgabe gestanden sind. Die Propheten haben dieses Versagen gebrandmarkt: die Verseuchung des Jahve-Kultes durch kananäisches Brauchtum an den Lokalheiligtümern Israels (Os 4,4-11; 5,1-7; 6,9), den heidnischen Synkretismus in Jerusalem (Jr 2,26 ff; 23,11; Ez 8), Übertretungen der Thora (Soph 3,4; Jr 2,8; Ez 22,26), den Widerstand gegen die Propheten (Am 7,10-17; Is 28,7-13; Jr20,1-6; 23,33 f; 26), persönlichen Eigennutz (Mich 3,11; vgl. 1 Sm 2,12-17; 2 Kg 12,5-9), Mangel an Eifer für den Kult des Herrn (Mal 2,1-9) … Es wäre einfältig, wollte man in diesen Vorwürfen nur die Polemik zweier sich feindlich gegenüberstehender Kasten erblicken, der Propheten und der Priester. Jeremias und Ezechiel sind Priester; jene Priester, die das Deuteronomium und das Heiligkeitsgesetz abgefaßt haben, waren sichtlich bestrebt, ihre eigene Kaste zu reformieren. Die Gemeinde von Qumran, die in die letzten Jahrhunderte des Judentums hineingehört, dem „gottlosen Priester” den Rücken wandte und sich vom Tempel trennte, war eine Priestersekte.

2. Das priesterliche Ideal. Die größte Bedeutung dieser Kritiken und Reformpläne liegt darin, daß sie sämtlich von einem priesterlichen Ideal inspiriert sind. Die Propheten stellen den Priestern ihrer Zeit ihre Pflichten vor Augen, sie fordern von ihnen den reinen Kult, die Treue zur Thora. Die priesterlichen Gesetzeslehrer umschreiben die Reinheit und die Heiligkeit der Priester (Ez 44,15 bis 31;Lv21; 10).

Doch lehrt die Erfahrung, daß der sich selbst überlassene Mensch dieser Reinheit und dieser Heiligkeit nicht fähig ist. Deshalb erhoffte man schließlich, daß Gott selbst am Tage der Restauration (Zach 3) und des Gerichtes (Mal 3,1-4) das vollkommene Priestertum verwirklichen werde. Man erwartete neben dem Messias, dem Sohne Davids, den getreuen Priester (Zach 4; 6,12 f; Jr 33,17-22). Diese Erwartung der beiden Messiasse Aarons und Israels taucht in den Qumranschriften und in den apokryphen „Testamenten der Patriarchen” wiederholt auf. In diesen Texten wie in mehreren Retuschen biblischer Texte (Zach 3,8 ; 6,11) kommt dem priesterlichen Messias vor dem königlichen Messias sogar der Vorrang zu. Dieser Vorrang des Priesters stimmt mit einem wesentlichen Aspekt der Lehre vom Bunde überein: Israel ist das Priestervolk (Ex 19,6; Is 61,6; 2 Makk 2,17 f), das einzige Volk der Welt, das den Kult des wahren Gottes sicherstellt; dieses Volk wird dem Herrn in seiner endgültigen Vollendung den vollkommenen Kult darbringen (Ez 40-48; Is 60-62; 2,1-5). Wie aber vermöchte es dies ohne ein Priestertum, das an seiner Spitze steht?

Doch kennt das Alte Testament außer dem Priester auch noch andere Mittler zwischen Gott und seinem Volke. Der König führt das Volk Gottes in der Geschichte als dessen institutionelles, militärisches, politisches und religiöses Oberhaupt. Der Prophet ist persönlich berufen, ein unmittelbar von Gott kommendes, einer besonderen Situation, in der er für das Heil seiner Brüder verantwortlich ist, zugeordnetes Wort Gottes zu überbringen. Der Priester hat gleich dem Propheten eine rein religiöse Sendung; doch übt er sie im Rahmen bestehender Einrichtungen aus; er ist es von Geburt aus, ist an das Heiligtum und an dessen Gebräuche gebunden. Er vermittelt dem Volk das Wort Gottes im Namen der Überlieferung, nicht von sich aus. Er hält die großen Erinnerungen der heiligen Geschichte lebendig und lehrt das Gesetz des Moses. Er trägt das Gebet des Volkes in der Liturgie zu Gott empor und antwortet auf dieses Gebet durch den göttlichen Segen. Er sorgt für den Fortbestand des religiösen Lebens im auserwählten Volk mit Hilfe der geheiligten Tradition.

NT

Die Werte des Alten Testaments erlangen ihren vollen Sinn erst in Jesus, der sie erfüllt, indem er sie überbietet. Dieses allgemeine Gesetz der Offenbarung findet im Falle des Priestertums seine schlechthinnige Anwendung.

I. Jesus, der einzige Priester

1. Die synoptischen Evangelien. Jesus selbst hat sich kein einziges Mal den Titel eines Priesters gegeben. Das ist wohl verständlich. Denn dieser Titel bezeichnete in seinem Milieu eine genau umschriebene, den Angehörigen des Stammes Levi vorbehaltene Funktion. Jesus aber wußte, daß sich seine Aufgabe von der ihrigen gewaltig unterschied, war sie doch unvergleichlich umfassender und schöpferischer. Er zog es vor, sich als den Sohn und als den Menschensohn zu bezeichnen. Indes verwendete er zur Umschreibung seiner Sendung priesterliche Ausdrücke, doch handelt es sich dabei, wie dies seiner Gepflogenheit entsprach, um mittelbare und vorbildhafte Ausdrücke.

Der Tatbestand ist vor allem dort klar, wo Jesus von seinem Tode spricht. Für seine Feinde ist dieser die Strafe für eine Gotteslästerung, für seine Jünger eine ärgerniserregende Katastrophe. Für ihn aber ist er ein Opfer, das er mit Hilfe der Vorbilder des Alten Testaments beschreibt: er vergleicht ihn bald mit dem Sühnopfer des Knechtes Gottes (Mk 10,45; 14,24; vgl. Is 53), bald mit jenem Opfer des Bundes, das Moses am Fuße des Sinai dargebracht hat (Mk 14,24; vgl. Ex 24,8). Und das Blut, das er zur Zeit des Paschaopfers hingab, erinnerte an das des Paschalammes (Mk 14,24; vgl. Ex 12,7.13.22 f). Er nimmt diesen Tod, den man ihm zufügt, freiwillig auf sich; er opfert ihn auf, wie der Priester das Opfertier aufopfert, und deshalb erwartet er davon die Sühnung der Sünden, die Errichtung des Neuen Bundes, das Heil seines Volkes. Mit einem Wort, er ist der Priester seines eigenen Selbstopfers.

Die zweite Funktion der Priester des Alten Testaments war der Dienst an der Thora. Nun aber nimmt Jesus dem Gesetz des Moses gegenüber eine ganz klare Stellung ein: Er ist gekommen, um es zu erfüllen (Mt 5, 17 f). Ohne sich an seinen Buchstaben zu binden, über den er hinausgreift (Mt 5,20-48), rückt er dessen tiefsten Sinn ans Licht, der im ersten und zweiten Gebote, das dem ersten gleich ist, beschlossen liegt (Mt 22,34-40). Dieser Aspekt seines Wirkens setzt das der Priester des Alten Testaments fort, überbietet es aber in jeder Hinsicht, denn das Wort Jesu ist die erhabenste Offenbarung, das Evangelium vom Heile, das das Gesetz endgültig erfüllt.

2. Von Paulus bis Johannes. Der hl. Paulus, der so häufig auf den Tod Jesu zurückkommt, stellt diesen ebenso wie sein Meister an Hand der Vorbilder der Opferung des Pascha-Lammes (1 Kor 5,7), des Knechtes (Phil 2,6-11) und des Großen Versöhnungstages (Sühne) dar (Röm 3,24 f). Diese Deutung im Sinne des Opfers scheint weiterhin auch in den Bildern von der Gemeinschaft am Blute Christi (1 Kor 10,16-22) und von der Erlösung durch dieses Blut auf (Röm 5,9; Kol 1,20; Eph 1,7; 2,13). Der Tod Jesu ist nach dem hl. Paulus der höchste Akt seiner Freiheit, das Opfer schlechthin, der priesterliche Akt im eigentlichen Verstande, den er selbst vollzogen hat. Doch gibt der Apostel Jesus ebenso wie sein Meister, und offenbar aus denselben Gründen, nirgends den Titel eines Priesters.

Dasselbe gilt für alle übrigen Schriften des Neuen Testaments mit Ausnahme des Hebräerbriefes. Sie stellen den Tod Jesu als das Opfer des Knechtes (Apg 3,13.26; 4,27.30; 8,32 f; 1 Petr 2,22 ff) und des Lammes dar (1 Petr 1,19). Sie sprechen von seinem Blute (1 Petr 1,2.19; 1 Jo 1,7). Sie bezeichnen ihn nicht als Priester. Die johanneischen Schriften sind etwas weniger zurückhaltend. Sie reden vom hohepriesterlichen Gewand Jesu (Jo 19,23 ; Apk 1,13), und der Bericht von der Passion als dem Opferakt beginnt mit dem „Hohenpriesterlichen Gebet” (Jo 17). Gleich dem Priester, der darangeht, ein Opfer darzubringen, „heiligt”, d. h. weiht, sich Jesus durch das Opfer (Jo 17,19) und übt auf diese Weise ein wirksames Mittlertum aus, nach dem das Priestertum von einst vergeblich verlangt hatte.

3. Der Hebräerbrief verbreitet sich als einziger ausführlich über das Priestertum Christi. Er greift die bereits erwähnten Themen auf und stellt das Kreuz als das Opfer der Versöhnung (9,1-14; vgl. Röm 3,24 f), des Bundes (9,18-24), des Knechtes dar (9,28). Doch konzentriert er seine Aufmerksamkeit auf die persönliche Rolle Christi beim Vollzuge dieses Opfers. Jesus war so wie einst Aaron, ja in viel höherem Maße als dieser von Gott dazu berufen, zugunsten der Menschen einzutreten und für ihre Sünden Opfer darzubringen (5,1-4). Sein Priestertum war nach dem Zeugnis des Wahrspruches von Ps 110,4 in dem des Melchisedech vorgebildet (Gn 14,18 ff). Um diesen Punkt ins Licht zu rücken, gibt der Verfasser den Texten des Alten Testaments eine subtile Deutung: das Schweigen der Genesis über den Stammbaums des Priesterkönigs erscheint ihm als Hinweis auf die Ewigkeit des Gottessohnes (7,3); der Zehnte, den ihm Abraham entbot, weist auf die Unterlegenheit des levitischen Priestertums im Vergleich zum Priestertum Jesu hin (7,4-10); der Schwur Gottes in Ps 110,4 verkündet die unantastbare Vollkommenheit des endgültigen Hohenpriesters (7,20-25). Jesus ist der einzige heilige Priester (7,26 ff). Sein Priestertum setzt dem Priestertum von einst ein Ende.

Dieses Priestertum wurzelt in seinem Wesen selbst, das ihn zum Mittler schlechthin macht: zugleich wahrer Mensch (2,10 bis 18; 5,7 f), der unsere Armut bis in die Versuchung hinein geteilt hat (2,18; 4,15), und wahrer Gottessohn, der über die Engel erhaben ist (1,1-13), ist er der alleinige und ewige Priester. Er hat sein Opfer ein für alle Male in der Zeit vollbracht (7,27; 9,12.25-28; 10,10-14). Von da an ist er der immerwährende Fürsprecher (7,24 f), der Mittler des Neuen Bundes (8,6-13 ; 10,12-18).

4. Kein Titel erschöpft für sich allein das Geheimnis Christi: Jesus, der vom Vater nicht zu trennende Sohn, der Menschensohn, der die gesamte Menschheit in sich zusammenfaßt, ist zugleich der Hohepriester des Neuen Bundes, der Messiaskönig und das Wort Gottes. Das Alte Testament hatte das Mittlertum des Königs und des Priesters (das Zeitliche und das Geistige), des Priesters und des Propheten (des Institutionellen und des zur Zeit sich Ereignenden) voneinander geschieden, Unterscheidungen, die zum Verständnis der Eigenwerte der Offenbarung notwendig gewesen waren. Da die Transzendenz Jesu ihn über jegliche Zweideutigkeit der Geschichte hinaushob, vereint er in seiner Person alle diese verschiedenen Formen des Mittlertums: Er, der Sohn, ist jenes ewige Wort, das die Botschaft der Propheten vollendet und überbietet; er, der Menschensohn, faßt die gesamte Menschheit in sich zusammen und ist deren König mit einer Autorität und einer Liebe, die bis auf ihn unbekannt gewesen waren; er, der einzige Mittler zwischen Gott und seinem Volke, ist jener vollkommene Priester, durch den die Menschen geheiligt werden.

II. Das priesterliche Volk

1. Jesus schreibt seinem Volke das Priesterturn ebensowenig wie sich selber ausdrücklich zu. Doch hat er niemals aufgehört, priesterlich zu handeln, und hat das Volk des Neuen Bundes offenbar als priesterliches Volk gewollt. Jesus offenbart sich als Priester durch den Vollzug seines Opfers und durch den Dienst am Worte. Es ist überraschend, festzustellen, daß er jeden der Seinen dazu beruft, an diesen beiden Funktionen seines Priestertums teilzunehmen: Jeder Jünger muß sein Kreuz auf sich nehmen (Mt 16,24 par.) und seinen Kelch trinken (Mt 20,22; 26,27); jeder muß seine Botschaft weitertragen (Lk 9,6o; 10,1-16) und unter Einsatz seines Lebens für ihn Zeugnis ablegen (Mt 10,17-42). So wie Jesus allen Menschen an seinen Titeln als Sohn und Messiaskönig Anteil gibt, macht er sie zugleich mit ihm auch zu Priestern.

2. Die Apostel führen diesen Gedanken Jesu weiter, indem sie das christliche Leben als eine Liturgie darstellen, als eine Teilnahme am Priestertum des einzigen Priesters.

Der hl. Paulus betrachtet den Glauben der Gläubigen als ein „Opfer und eine Darbringung” (Phil 2,17); die finanziellen Hilfen, die er von der Gemeinde von Philippi erhielt, sind „ein duftender Wohlgeruch, ein angenehmes, Gott wohlgefälliges Opfer” (Phil 4,18). Für ihn ist das gesamte christliche Leben ein priesterlicher Akt; er fordert die Christen auf, ihren Leib „als lebendige, heilige, gottwohlgefällige Opfergabe darzubringen; dies ist der geistige Kult, den ihr zu vollziehen habt” (Röm 12,1 ; vgl. Phil 3,3 ; Hebr 9,14; 12,28). Dieser Kult besteht ebenso im Lobpreis des Herrn wie im Wohltun und im Mitteilen der Güter (Hebr 13,15 f). Der Jakobusbrief zählt die konkreten Handlungen, die den wahren Kult ausmachen, im einzelnen auf: die Beherrschung der Zunge, das Besuchen der Waisen und Witwen, die Fernhaltung aller Befleckung der Welt (Jak 1,26 f).

Der erste Petrusbrief und die Apokalypse schreiben dem christlichen Volke das „königliche Priestertum” Israels ausdrücklich zu (1 Petr 2,5.9; Apk 1,6; 5,10; 20,6; vgl. Ex 19,6). Mit Hilfe dieses Titels kündigten die Propheten des Alten Testaments an, daß Israel das Wort des wahren Gottes mitten unter die Heidenvölker tragen und seinen Kult gewährleisten sollte. Fortan aber übernimmt das christliche Volk diese Aufgabe. Es kann dies dank Jesu, der es an seiner messianischen Würde als König und Priester teilnehmen läßt.

III. Die Diener am Priestertum Jesu

Kein Text des Neuen Testaments gibt irgendeinem der Verantwortlichen der Kirche den Namen Priester. Doch ist die Zurückhaltung Jesu im Gebrauche dieses Titels so groß, daß dieses Schweigen kaum zu einem Schluß berechtigt. Jesus läßt sein Volk an seinem Priestertum teilnehmen ; im Neuen wie im Alten Testament kann dieses Priestertum des Volkes Gottes konkret nur durch Diener ausgeübt werden, die von Gott berufen werden.

1. In der Tat stellen wir fest, daß Jesus die Zwölfe berufen hat, um ihnen die Verantwortung über seine Kirche anzuvertrauen. Er hat sie auf den Dienst am Worte vorbereitet; er hat ihnen verschiedene seiner Vollmachten übertragen (Mt 10,8.40; 18,18); am letzten Abend hat er ihnen die Eucharistie anvertraut (Lk 22,19). Dies aber sind ebenso viele spezifische Teilhaben an seinem Priestertum.

2. Die Apostel haben verstanden. Sie bestellen auch ihrerseits verantwortliche Männer, die ihre Tätigkeit fortsetzen sollten. Einige von diesen tragen den Titel Älteste, wovon sich der heutige Name Priester herleitet (griech. presbýteros: Apg 14,23 ; 20,17; Tit 1,5). Die Reflexion des hl. Paulus über das Apostolat und über die Charismen ist bereits auf das Priestertum der Diener der Kirche ausgerichtet. Er gibt den verantwortlichen Leitern der Gemeinden priesterliche Titel: „Verwalter der Geheimnisse Gottes” (1 Kor 4,1 f); „Diener des Neuen Bundes” (2 Kor 3,6); er bestimmt die apostolische Predigt als einen liturgischen Dienst (Röm 1,9; 15,15 f). Hier liegt der Ausgangspunkt für die späteren Aussagen der Tradition über das Priestertum im Sinne eines Amtes; dieses stellt also keine Kaste von Privilegierten dar. Es tut dem alleinigen Priestertum Christi ebensowenig Eintrag wie dem Priestertum der Gläubigen. Doch steht es im Dienste des einen wie des anderen und ist eine jener zahlreichen Formen untergeordneten Mittlertums, die dem Volke Gottes eigen sind.
[/color]
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Raphael

Beitrag von Raphael »

@ Robert

Eine erschöpfende Antwort hältst Du bereit ....... ;) :D :D :D

GsJC
Raphael

Antworten Vorheriges ThemaNächstes Thema