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Walsingham

Verfasst: Donnerstag 25. Mai 2006, 01:26
von Stephen Dedalus
Am Montag ist in England die Nationale Wallfahrt nach Walsingham . Dieses Jahr fahre ich zum ersten Mal hin. Das Programm beginnt mit einer großen Messe, Hauptzelebrant wird der ehemalige Erzbischof von York, David Hope, sein. Anschließend gibt es eine große Prozession und Benediction.

In Walsingham hatte im 11. Jahrhundert die adlige Richeldis eine Vision, die sie in das Haus der Verkündigung Mariens versetzte. Am Ort dieser Vision entsprang eine heilige Quelle. Es wurde eine Kirche mit der Nachbildung des Heiligen Hauses aus Nazareth gebaut, die zur wichtigsten Wallfahrtsstätte im mittelalterlichen England wurde. Der Ort heißt daher auch bis heute "Englands Nazareth". Ich freue mich jedenfalls drauf und werde berichten.


Gruß
Stephen

Verfasst: Freitag 26. Mai 2006, 03:28
von Granuaile
Tönt interessant. Ich freue mich auf deinen Bericht.

Verfasst: Freitag 26. Mai 2006, 16:05
von FranzSales
Denk an die Kerze! :)

Verfasst: Freitag 26. Mai 2006, 16:07
von Stephen Dedalus
FranzSales hat geschrieben:Denk an die Kerze! :)
Mache ich! ;)

Walsingham

Verfasst: Dienstag 30. Mai 2006, 23:44
von Stephen Dedalus
Hier also mein kleiner Bericht von der National Pilgrimage nach Walsingham:

Montagmorgen, 7.15 Uhr vor All Saints in London. Eine Gruppe etwas verschlafener Pilger versammelt sich vor der Kirche, wo der Bus uns abholen soll. Der Priester segnet alle mit Weihwasser und wir beten um ein gutes Gelingen der Reise, dann ab in den Bus. Walsingham liegt ca. 3,5 h nordöstlich von London in Norfolk. Schon auf dem Weg an der Raststätte wimmelt es von Pilgern und Priestern in schwarzen Soutanen und Kollar. Kurz bevor wir den Ort selbst erreichen, wird im Bus schon mal die Pilgerhymne gesungen. Gegen 11.10 Uhr sind wir da und machen uns auf den Weg in das Dorf. Was mich sofort unglaublich beeindruckt, ist die schiere Schönheit des Ortes. Ein kleines, verschlafenes Nest, Häuser in Backstein, kein Kommerz, nichts ist überzogen oder kitschig. Natürlich sind viele Pilger unterwegs, aber es wirkt nicht überfüllt. Mitten im Dorf öffnet sich ein großer alter Park, in dem bis 1538 die Augustinerabtei stand, bevor sie von Heinrich VIII. zerstört wurde. Heute steht inmitten alter Bäume auf einer großen Wiese nur noch ein großer Bogen der ehemaligen Ostwand. Davor ist der Altar für die Messe aufgebaut. Die mehreren tausend Pilger versammeln sich auf der großen Wiese, das Wetter ist zwar kühl und windig, aber sonnig. Um 12 Uhr beginnt die Einzug der Priester, es sind Hunderte. Bevor die Statue of "Our Lady of Walsingham" zum Altar gebracht wird, ziehen die Bischöfe ein. Eigentlich sollte der ehemalige Erzbischof von York, Lord Hope of Thornes, die Hauptmesse zelebrieren, aber er ist leider kurzfristig erkrankt. So wird die Messe vom Bischof von Pontefract geleitet, außer ihm sind aber noch 14 andere Bischöfe anwesend, die konzelebrieren. Die Messe ist schön und würdevoll, die Gemeinde sehr konzentriert, was mich bei der Menge und der Tatsache, daß alles im Freien stattfindet, wirklich überrascht. Obwohl viel auf Maria Bezug genommen wird, ist die Messe klar christozentrisch. Die Kommunionausteilung ist prima organisiert, sodaß alles gut und schnell vonstatten geht, obwohl in beiderlei Gestalt kommuniziert wird.

Nach der Messe lagern sich alle auf der Wiese und machen Picnic, erinnert mich irgendwie an Glyndebourne. ;) Eigentlich will ich mir noch das Dorf mit dem hl. Schrein anschauen, aber nachdem ich mich länger mit anderen Teilnehmern aus meiner Pilgergruppe unterhalten habe, bleibt mir dafür kaum noch Zeit, außerdem gehe ich in die falsche Richtung und lande statt am Schrein in der methodistischen Kapelle aus dem späten 18. Jahrhundert, wo ich ein nettes Gespräch mit dem Wärter habe, der die Kapelle an diesem Tag extra für die Pilger geöffnet hat. Um 14.30 versammeln sich alle wieder an der Abteiruine, um der Predigt zuzuhören, die von einem Franziskanerbruder gehalten wird und wirklich gut ist. Zum 75 Jahrestag der "neuen" Wallfahrt spricht er zum Motto von Walshingham "House of God - Gate of Heaven". Um 15 Uhr beginnt dann die große Prozession, eingeleitet vom Rosenkranz der Glorreichen Geheimnisse, unterbrochen von einzelnen Versen der Pilgerhymne. Die Prozession bewegt sich von der Abteiruine um das Dorf bis zum Schrein und ist ungeheuer beeindruckend. Die schöne Landschaft, die Hymnen und der schier endlose Zug der Pilger machen das zu einem echten Erlebnis. Ein eher bitterer Beigeschmack ist allerdings, daß sich am Marktplatz eine kleine Gruppe von Evangelikalen versammelt hat, die versucht, unsere Lieder und Gebete niederzuschreien. Ziemlich aussichtslos, da es nur ca. 15 Protestanten sind gegen mehrere Tausend Pilger. Dieses Jahr kam es zu keinem Zwischenfall, aber im letzten Jahr wurde einer der Evangelikalen handgreiflich, nachdem einer der Bischöfe in seine Richtung eine Segensgeste gemacht hatte... Merkwürdiges Gefühl, wenn Evangelikale versuchen, die Halleluja-Gesänge der Pilger niederzubrüllen und bei einem Segen handgreiflich werden... Die Prozession endet am neuen Lichtaltar im Garten des Schreins. Dort leitet der Bischof von Edmonton zum Abschluß der Wallfahrt noch eine eucharistische Anbetung mit eucharistischem Segen. Danach bleibt mir gerade noch Zeit, am "Holy House" die versprochenen Kerzen anzuzünden und mich dann auf den Weg zurück zum Bus zu machen (nicht ohne im Pub auf dem Weg noch ein Pint Guinness zu trinken ...) Gegen 21 Uhr waren wir wieder in London.

Insgesamt ein wunderbarer Tag. Nicht nur die Schönheit und der ungeheure Frieden über Walsingham (trotz der vielen Pilger) haben es mir angetan, auch die Gesänge und die große Prozession. Die Schönheit der Liturgie, die guten Gespräche untereinander, die gute Atmosphäre und auch die angenehme Mischung der Pilger, jung und alt, einfach eine große Vielfalt von Leuten. Für einen Tag konnten da wirklich alle gemeinsam beten (abgesehen mal von den paar Störern). Sogar eine katholische Pilgergruppe aus Italien war angereist!

Walsingham stellt wirklich alles in den Schatten, was ich bisher an Wallfahrtsorten gesehen habe, von Knock bis Altötting. Nach Walsingham werde ich auf jeden Fall wieder fahren, nicht nur nächstes Jahr zur "National Pilgrimage", sondern hoffentlich vorher zu einem normalen Pilgerwochenende, ohne den großen Massenandrang. Ich freue mich jetzt schon drauf!

All glory to God in his mercy and grace
Who established His home in this wonderful place.

Sing the praises of Mary, the Mother of God,
Whose "Walsingham Way" countless pilgrims have trod.

Oh Mother, give heed to the prayer of our heart,
That your glory from here never more may depart.

Ave, ave, ave Maria! Ave, ave, ave Maria!