Gesprächskultur
Verfasst: Montag 4. September 2006, 12:59
Für diejenigen, die hier im Forum nicht nur über den christlichen Glauben, sondern auch in christlichem Geist diskutieren möchten, könnte der folgende Text hilfreich sein:
Bisweilen bemühe ich mich selbst darum, auf eine Antwort nicht gleich mit "Den mach ich fertig!" zu reagieren, sondern mich erst mal zu fragen: "Was will der eigentlich?"Oswald von Nell-Breuning SJ hat geschrieben:Mir ist der Gedanke gekommen, Auskunft darüber zu geben, welche Methode ich anwende und welche Methode ich jedem, der mir nachrückt, anempfehle und ans Herz legen möchte. Das ist das Verfahren, alles, was in der Meinung des Gegners an Wahrheitsgehalt enthalten ist, bis aufs Letzte, auf das Tüpfelchen auf dem i, anzuerkennen. Das ist für mich zunächst ein Gebot intellektueller Redlichkeit. Ich halte es aber darüber hinaus auch methodisch für die geeignetste und Erfolg versprechendste Verfahrensweise. Woraus beziehen die meisten Irrlehren ihre Zugkraft? Sie beziehen sie doch aus dem, was an wahrem Gehalt in ihnen steckt. Und wenn ich meinem Diskussionsgegner beweise, dass ich diese Wahrheitselemente kenne, dass ich sie mit ihm teile, dann weiß er zunächst einmal, dass ich ihn verstanden habe und dass ich den Willen habe, ihn richtig zu verstehen. Und damit gewinne ich bereits seine Sympathie, seine Bereitschaft, dass auch er mich richtig verstehen will und dass wir zu einem Gespräch miteinander kommen; dass wir über die Sache reden und nicht Stroh dreschen in einer Sprache, in der jeder unter den Begriffen, derer er sich bedient, etwas anderes versteht - mit der Folge, dass man glaubt, man stimme überein, während man in Wirklichkeit weit auseinander liegt, oder umgekehrt, dass man glaubt, man liege im Streit miteinander und in Wirklichkeit meint man ein und dasselbe.
Diese Verfahrensweise habe ich, so glaube ich mir nachrühmen zu dürfen, mit eiserner Konsequenz durchgeführt. Und ich glaube, mich nicht zu überheben, wenn ich sage, dass ein großer Teil der Achtung, die ich auch in Kreisen, die der Kirche und dem religiösen Glauben fern stehen, genieße, sich daraus erklärt.
(quelle: Zeitschrift "Jesuiten" 2006/2)