Linus hat geschrieben:Nur weil irgendwelche Zwei verschiedene Quellen, die gleichen Namen auflistet, heißt das noch lang nicht, dass beide Quellen einen Anspruch drauf haben. Der Islam ist eine hinter das Judentum zurückgefallene christlich-arabische Hæresie.
Die Abqualifizierung einer anderen Religion bringt gar nichts. Sie legitimiert allenfalls Kreuzzüge. Es kommt nicht auf unsere Urteile über ein anderes religöses Gebäude an, sondern auf den Menschen, der mit gegenübersteht und dieses Gebäude ernst nimmt.
Brigitte hat geschrieben:Kinder können sehr gut mit mehreren Sprachen aufwachsen, ohne es durcheinander zu werfen, darum ist es auch möglich mit mehreren Kulturen, Religionen, Weltanschauungen aufzuwachsen.
Diese Analogie ist so nicht zulässig. Zuerst muss man nämlich prüfen, ob die Vergleichspunkte stimmen. Sprache ist Fertigkeit. Daher kann ich auch eine Analogie bilden zum gleichzeitigen Lernen von Klavier und Geige. Bei der Religion handelt es sich nicht um eine Fertigkeit, sondern die eigene muss man leben, die andere soll man kennenlernen.
Bei Deiner Analogie wird aber beides auf die Ebene des Kennenlernens bezogen. Diese Denke gehört also eigentlich in eine hin und wieder zu hörende Forderung, man solle erst mal viele Religionen kennenlernen und sich erst in höherem Alter entscheiden, so, wie man sich nach Durchprobieren für ein Instrument entscheidet, das einem am besten liegt.
So lebt man aber keine Religion, sondern so wendet man sie nur an. Daher glaube ich, dass der Vergleich hinkt.
Brigitte hat geschrieben:Im ehrlichen, fairen und toleranten Miteinander können wir dann nämlich feststellen, dass es mehr Gemeinsames als Trennendes gibt.
Auch hier kommt es darauf an, wer was warum wie zählt. Nach meiner Erfahrung kommen zu diesem Ergebnis vor allem Menschen, die beim Vergleich bereits vorher wussten, was herauskommen sollte und dann entsprechend verglichen haben. Was ähnlich war, wird hervorgehoben, was unähnlich ist bagatellisiert. Das geschieht unbewusst und lässt sich nicht vermeiden.
Dass sich der Islam auch auf Abraham beruft, ist z.B. eine solche Feststellung, die bei mir (im Gegensatz zu Dir) keine Bedeutung hat. Soweit ich es bislang beobachtet habe, ist so ziemlich die einzige theologische Gemeinsamkeit die Zahl 1 beim Zählen der Götter. Schon der Umgang mit der Schrift ist fundamental verschieden. Das sieht man sofort beim Vergleich der Geistesgeschichte des Christentums mit der Geistesgeschichte des Islam. Leute, wie die Kirchenväter, Augustinus, Thomas von Aquin, Duns Scotus und William von Ockham (und auch Luther) fehlen auf der anderen Seite. Das ist keine Marginalie. Das hat etwas mit dem Schriftverständnis zu tun, das z.B. die Erarbeitung einer textkritischen Ausgabe des Korans (wie unser Nestle-Aland) als Blasphemie betrachtet. Während es das Glück des Christen ist (oder wenigstens sein sollte), nachzudenken über das Gesetz bei Tag und bei Nacht, so ist es dort das Auswendiglernen des Korans. Offene Fragen (wie ist Ramadan am Polarkreis im Sommer zu halten?) werden "juristisch" entschieden. Es handelt sich ganz wesentlich um eine Gesetzesreligion, wobei das Gesetz (die Scharia) zum Teil unmittelbar von Gott diktiert ist. Davon kann man nicht runter. Wir sehen mehr das "Gotteswort in Menschenmund" und sind daher flexibler. Wir haben die Nächstenliebe als korrigierenden Meta-Maßstab. Bei einem unmittelber geltenden göttlichen Befehl gibt es eine solche Möglichkeit grundsätzlich nicht.
Und das Gottesbild? Allah ist der absolut andere, der deus absconditus in der unnahbaren Ferne seiner Allmacht. Er käme niemals auf die Idee, irgendetwas zum Heil der Menschen zu opfern (schon gar nicht so jemanden wie seinen Sohn, den Allah gar nicht haben kann). Diese Extremform göttlicher Zugewandtheit, wo ist sie im Islam? Da dies aber das ganz entscheidende Element des jüdischen (Gott und sein auserwähltes Volk) und in gesteigerter Form des Christentums ist, kann ich nicht bestätigen, dass wir mehr Gemeinsames als Trennendes zwischen Christentum und Islam haben.
Es kommt halt drauf an, wie man zählt!