Robert Ketelhohn hat geschrieben:Fingalo hat geschrieben:Robert Ketelhohn hat geschrieben:Fingalo hat geschrieben:"Entweder, Du wirst Christ - oder du wirst geköpft." So Olav Tryggvason zu Jarl Sigurd auf den Orkneys.
Quelle?
http://de.wikipedia.org/wiki/Olav_Tryggvason
Nun, Wikipedia ist keine Quelle, ja kann nicht einmal als seriöse Sekundärlitteratur gelten. Immerhin bringt der Wikipedia-Artikel Olafs Aussage, wenngleich noch um einiges lakonischer als in deiner Wiedergabe:
Wikipedia hat geschrieben:In der Folge christianisierte er gemäß der Orkneyinga saga die Orkneys, indem er Jarl Sigurd von Orkney vor die Alternative stellte: Taufe oder Kopf ab.
Ganz offensichtlich ist der Artikel unseriös. Jenes »Taufe oder Kopf ab« ist ja keineswegs als Zitat gekennzeichnet. Anscheinend interpretiert hier der Artikelverfasser (oder der Gewährmann, den er ausgeschrieben hat, vermutlich Rosenberg, Deschner o. ä.) Olafs Verhalten. Eine Begründung dafür wird nicht gegeben.
Er interpretiert nicht, er gibt wieder. Ich zitiere nun mal wörtlich aus der Saga:
Orkneyinga saga hat geschrieben:Olaf ließ den Jarl (sc. Sigurd) auf sein Schiff rufen und sagte, er wolle mit ihm sprechen. Und als sie sich trafen, da sagte Olaf zu ihm: "Das ist mein Wille, dass du dich taufen lassen sollst, und das ganze Volk, das dir dient, sonst sollst du hier auf der Stelle sterben, aber ich will dann alle Inseln mit Feuer und Brand überziehen." Und da der Jarl sah, in welche Lage er geraten war, legte er seine ganze Sache in Olafs Hände; da ließ er ihn taufen und nahm seinen Sohn als Geisel..."
Nun zufrieden?
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Wenn du den Artikel ganz liest, wirst du feststellen, daß er auch sonst schon rein sprachlich der Seriosität entbehrt und auch selbst kaum ernsthaft wissenschaftlichen Anspruch erhebt. Sinn und Methoden historischer Quellenkritik sind dem Autor völlig fremd.
Ach du liebe Zeit. Das ist eine Zusammenfassung der entsprechenden norwegischen historischen Fachliteratur. Man müsste den dortigen Historikern an der Uni Oslo schleunigst mitteilen, dass dem gegenwärtig führenden Vertreter der Sagakritik unter den norwegischen Historikern Claus Krag von Robert Kretelhahn mangelnde Quellenkritik vorgehalten wird. Das wird ihn sicher tief beeindrucken.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Was ist nun von der
Orknøyingenes saga generell zu halten (abgesehen vom oben erwähnten Pseudozitat)? – Ohne weiteren Aufwand kannst du im entsprechenden Wikipedia-Artikel folgendes nachlesen:
Wikipedia hat geschrieben:Die Angaben der Saga sind nicht immer zuverlässig. So wird eine Christianisierung der Orkneys Olav Tryggvason (+ 1000) zugeschrieben. Ausgrabungen zeigten, dass es zu seiner Zeit dort bereits Kirchen gab (Lit.: Barrett (2000) und Morris/Emery (2003)).[3] Auch die in der Saga genannten Ortsnamen (z.B. Papey) belegen ältere christliche Tradition.
Aha, wenn's in den Kram passt, ist Wikipedia doch zitierfähig. Der Artikel stammt sogar von mir. Die Saga berichtet nur vom Jarl "und den Leuten, die ihm dienen", nicht aber von den zinspflichtigen Hintersassen und Pächtern. Das "Unzuverlässige" der Saga ergibt sich daraus, dass sie über Christen sich ausschweigt, so dass der Eindruck entsteht, als sei der Jarl nach seiner Taufe der erste Christ gewesen, was man auch glaubte, bis die Archäologie anderes ans Licht brachte.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Fingalo hat geschrieben:Robert Ketelhohn hat geschrieben:Fingalo hat geschrieben:Oder war Karl der Große in Sachsen etwa auch "Wikingerpirat"?
Was wirfst du Karl denn konkret vor?
Die
Capitulatio de partibus saxoniae, die zu weiteren Aufständen gegen die Zwangschristianisierung führte und anschließend das Verdener Blutbad, wo nach den Reichsannalen 4500 Sachsen über die Klinge gesprungen sind. Wenn die Zahl auch zu hoch sein mag, so hat sich dieses Blutbad doch so tief ins Bewusstsein eingegraben, dass ein eigener Begriff gebildet wurde.
http://de.wikipedia.org/wiki/Blutgericht_von_Verden
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Erlaube, daß ich dem Wikipedia-Verweis gar nicht erst folge.
Hättest Du ruhig mal machen können. Da hättest Du viel Text, der nicht zum Thema gehört, sparen können.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:– Ja, eigene Begriffe wurden gebildet: „Blutgericht“, „Sachsenschlächter“ – doch sollte man schauen, wer diese Begriffe geprägt hat und weshalb. Ich muß jedoch aus Zeitnot wieder einmal auf eine ältere Abhandlung zurückgreifen, um die Dinge klarzustellen; bitte sieh mir nach, daß sie, da aus anderem Zusammenhang stammend, nicht an dich, sondern an Dritte gerichtet ist.
Ketelhohn hat geschrieben:Hier geht wieder einmal manches durcheinander. Die sattsam bekannte und einschlägig vorbelastete Parole vom „Sachsenschlächter“ Karl bezieht sich auf die Hinrichtungen von Verden; die capitulatio de partibus Saxoniæ hat damit nichts zu tun, der nachgeschobene Hinweis auf sie geht darum an der Sache vorbei. Zunächst zu Verden.
Die capitulatio wurde in Verden in Kraft gesetzt. Sie unterwarf die Sachsen dem Kirchenrecht. Ohne diesem Vorgang ist das folgende mit Widukind gar nicht zu verstehen.
Ketelhohn hat geschrieben:Die in Rede stehende Formulierung findet sich – zum Jahre 782 – in den annales Einhardi. Nun teilt aber die ältere Rezension mit anderen Worten denselben Tatbestand mit: Die Sachsen hätten sich Karl unterworfen und jene 4.500 Übeltäter, die den Aufstand am entschiedensten betrieben hätten, „ad occidendum“ ausgeliefert, also zur Tötung, zur Hinrichtung, zum Verderben; dies sei auch vollzogen worden. Darüber hinaus teilen auch die annales Fuldenses sinngemäß ganz dasselbe mit. Damit scheidet die Möglichkeit eines Abschreibefehlers aus. Ja mehr noch: Es ist die offiziöse Geschichtsschreibung des fränkischen Königshofes selbst, die das Ereignis der Massenhinrichtung von Verden der Nachwelt überliefert hat.
Kann ein König, der solches befiehlt, nicht heilig sein?
Das ist hier nicht die Frage. Es geht um Gewalt bei der Christianisierung und um nichts anderes.
Ketelhohn hat geschrieben:Daß der sächsische Adel selbst es war – nach Widukinds Flucht und im Angesicht des mit Macht heranrückenden Frankenkönigs –, der die viereinhalbtausend Aufrührer aus den eigenen Reihen gefangensetzte und ausdrücklich zur Hinrichtung den Franken auslieferte, wird merkwürdigerweise kaum beachtet, wirft aber ein bezeichnendes Schlaglicht auf die Situation.
Nicht, was die Gewalt als solche betrifft.
Nur, ob die das freiwillig taten, oder ob KdG sie dazu "überredete", oder ob sie glaubten, glimpflich wie bislang davon zu kommen?
Ketelhohn hat geschrieben:Und wie hält es die sächsische Historiographie mit Karl? – Sie verschweigt das Ereignis von Verden. Aber sie verschweigt durchaus nicht Karls Kriege gegen die Sachsen. Die Haltung der sächsischen Großen anderthalb bis zwei Jahrhunderte nach Verden, also zur Zeit der sächsischen Kaiser, lassen die res gestæ Saxonicæ Widukinds von Corvey erkennen, der möglicherweise selber ein Nachfahre des alten Rebellen Widukind war. Die Franken vor Karl werden als treulos gekennzeichnet, die Sachsen als dem väterlichen Irrglauben verhaftet. Karl aber als tapferster und weisester aller Könige habe die Sachsen nicht im leeren Irrglauben verharren lassen wollen, sondern sie teils durch sanfte Überredung, teils durch Krieg auf den rechten Weg geführt; so seien nun Franken und Sachsen gleichsam ein Volk aus dem christlichen Glauben geworden („quasi una gens ex christiana fide“, res gestæ Saxonicæ I,15).
Mit andern Worten, der sächsische Stamm hat nach seiner Bekehrung Karl den Großen gleichsam „adoptiert“, ihn zu einer Grundlage der eigenen Identität gemacht. Die deutsch-nationale, von den Nationalsozialisten aufgegriffene Verleumdung vom Sachsenschlächter Karl hätte der Sachse des zehnten Jahrhunderts mit Empörung zurückgewiesen. Die Christianisierung der Sachsen war innerhalb weniger Generationen zum wesentlichen Teil des völkischen Selbstverständnisses geworden.
Ja und? Ändert das etwas an der Tatsache der Gewalt? Der sächsische Adel war für Karl, die Bevölkerung gegen ihn.
Ketelhohn hat geschrieben:Können nun aber solche Methoden, wie sie die berüchtigte capitulatio de partibus Saxoniæ beschreibt, mit diesem Resultat im nachhinein gerechtfertigt werden? – Stellen wir zunächst klar, worum es in diesem Dokument geht. In der Tat wird eine Reihe von Delikten mit der Todesstrafe bedroht. Vor allem geht es dabei um die Bekämpfung heidnischer Greuel wie der Menschenopfer und des rituellen Kannibalismus sowie um den Schutz der Kirchen – auch und gerade als Asylstätten –, um den Schutz von Leib und Leben der Bischöfe, Priester und Diakone sowie um die Wahrung der königlichen Rechte und Hoheitsgewalt.
Richtig ist freilich auch, daß dies Gesetz den mit dem Tode bedrohte, der sich verbarg, um so die Taufe zu vermeiden, oder der während des Großen Fastens Fleisch aß. Für diesen wurde jedoch eingeschränkt, daß von der Bestrafung abzusehen sei, wenn ein Priester bezeugte, die Tat sei nur aus Not heraus begangen worden. Grundsätzlich galt für alle Tatbestände, daß nicht bestraft wurde, wer nach dem Zeugnis eines Priesters wegen der mit Strafe bedrohten Tat zur Beichte gekommen sei und eine Buße auf sich genommen habe. Verweigerung des Zehnten war entgegen obiger Behauptung nicht mit dem Tode bedroht.
Es geht nicht nur um den Zehnten, es geht um die gewaltsame Christianisierung, die hier bestätigt wird. Und da ist wichtig, dass die Todesstrafe darauf stand, sich unter den Landsleuten zu verbergen, um der Taufe zu entgehen. Oder: Wer das 40-tägige Fasten nicht einhält und Fleisch isst, sterbe des Todes. Das sind die Greuel, die du füglich durch die Möglichkeit der Beichte zu relativieren versuchst. Beichten kann nur der Christ. Voraussetzung, sein Leben zu behalten ist also, Christ geworden zu sein.
Ketelhohn hat geschrieben:Die capitulatio de partibus Saxoniæ beruht auf Übereinkunft der fränkischen Seite mit den Vertretern des sächsischen Adels, der Karl die Treue gelobt hatte.
Ach, die schließen so ohne irgendeinen Druck eine "Übereinkunft" mit ihm? Ist das Deine "Quellenkritik"? Das war keine Übereinkunft, das war ein Oktroi.
Ketelhohn hat geschrieben:Dies erklärt die sonst im fränkischen Bereich ganz ungekannte Härte des Sondergesetzes für Sachsen: Es war sächsischer Brauch und sächsische Kapitaljustiz, welche die Vorlage für die neuen Bestimmungen abgegeben hatte.
Dies erklärt das keineswegs. Wo gab es vorher eine sächsische Kapitaljustiz betreffend Ablehnung des Christentums? Sie gab es nur für Hochverrat, nicht aber für die Verletzung von Fastenregeln.
Ketelhohn hat geschrieben:Ob sie bis dahin jemals angewandt worden waren, ob also Todesurteile etwa wegen Taufverweigerung tatsächlich vollstreckt worden sind, darüber ist, soweit ich sehe, nichts überliefert. Von massenhafter Anwendung oder gar „Schlächterei“ kann mit Sicherheit nicht die Rede sein.
Also, das ist doch das letzte: Das Blutgericht von Verden ist niemals auf die Strafbestimmungen der
capitulatio bezogen worden. Und die nachfolgenden Aufstände hatten ja wohl eine Ursache.
Ketelhohn hat geschrieben:Die fränkische Vorherrschaft kehrte die Verhältnisse um, und sie tat dies auch unter Anwendung von Druck oder Zwang. Die Gründe sind politischer Art. Die Kirche befürwortet diese Methoden nicht – und hat es auch damals nicht getan –, sofern es nicht um staatliche Bekämpfung schwerer Verirrungen geht. Solche Verirrungen waren im Falle Sachsens zum Beispiel Menschenopfer und Kannibalismus, aber auch die Verfolgung der einheimischen Christen und ausländischen Missionare. Dagegen soll heute wie damals die Staatsgewalt einschreiten. Zum Glauben zwingen soll sie nicht. Darum wurde die capitulatio de partibus Saxoniæ schleunig revidiert.
Hast du eine zeitgenössische kirchliche Stellungnahme zum Vorgehen Karls? Ich kenne eine für die Einführung des Zehnten: "Die Kirchenmänner sind keine Prediger (
prädicatores), sondern Räuber (
depraedatores). Das äußerte Alkuin. Dieser distanzierte sich. War er die Kirche?
Und wer befindet darüber, was eine "schwere Verirrung" ist? In diesem Fall die Christen. Für sie ist Fleisch essen in der Fastenzeit eine schwere Verirrung!
Mit Verlaub: Was du da schreibst, ist von Seriosität meilenweit entfernt. Selbst mit allem Wortschwall gelingt es nicht, die Gewalt zu leugnen, trotz einer beschönigenden Deutung der Texte. Und nur um die Gewalt ging es, und nicht um irgendwelches Verständnis aus der Zeit heraus. Das ist eine andere Baustelle. Zunächst ist einfach mal ganz simpel der Tatbestand festzustellen. Die Erklärung kommt danach.