sofaklecks hat geschrieben:Ich gebe nur wieder, was mir mein Verstand sagt.
Was ist denn Verstand? Ist der qua Geburt fertig da oder entwickelt der sich im Laufe des Lebens noch? Wenn er veränderlich ist: Muss er dann vernünftig ausgebildet werden? Woran soll er gebildet werden? Und so weiter.
Den eigenen, persönlichen, zeitgebundenen Verstand als letztgültig und in jedem Falle bindend anzusehen, scheint mir nicht immer sinnvoll. Insbesondere dann, wenn die Kirche etwas lehrt - das sind ja auch nicht Leute ohne Verstand -, scheint es mir eher so, dass ich das erstmal als gegeben annehmen und mich bemühen sollte, dahinter zu kommen,
warum das so ist.
sofakleks hat geschrieben:Und der weigert sich, an einen Gott zu glauben, der Sippenhaft praktiziert.
Die Darstellung als "Sippenhaft" ist natürlich überspitzt. Aber sieh dir die Welt draußen an: Handeln betrifft immer auch andere, und schlechtes Handeln zieht sie in Mitleidenschaft, seien es rauchende Mütter oder schlagende Väter.
Die Welt ist so. Mein Handeln hat immer auch Folgen für meine Mitmenschen, auch für die Nachgeborenen. Nicht Gott nimmt hier die Menschen in Sippenhaft, sondern die Menschen haben sich das selbst zugezogen.
Auch bei der Lehre von der Erbsünde gilt: Wenn ich Schwierigkeiten mit etwas habe, was die Kirche lehrt, dann sollte ich es erstmal als gegeben annehmen und mich darum kümmern, herauszufinden,
wieso sie das so lehrt. Und das natürlich nicht mit dem Ziel, herauszufinden, warum die Kirche irrt, sondern mit dem Ziel, herauszufinden, warum die Kirche Recht hat. Denn die Kirche ist kein weltlicher Verein, sondern immer auch der Leib Christi und vom Heiligen Geist inspiriert.
sofakleks hat geschrieben: Was bitte ist das für eine Freiheit der Entscheidung für oder gegen Gott, bei der ich durch die Schuld meines Vaters schon von vorneherein Gott zum Feind habe?
Mir ist rätselhaft, wie du aus dem Bisherigem dazu kommst, dass irgendwer hier meint, jemand hätte Gott zum Feind? Das kam völlig überraschend für mich, und ich kann es nicht nachvollziehen. Das ist doch völlig absurd. Und es ist klar, dass das absurd ist. Das müsste man doch dann zumindest als Frage formulieren, so nach dem Motto: "Aber würde das dann nicht bedeuten, dass ich durch die Schuld meines Vaters, Gott nicht schon von vorneherein zum Feind habe?"
Niemand, absolut niemand hat gesagt, dass du Gott jemals zum Feind hättest, insofern geht die Frage, was das für eine Freiheit sei, von völlig verkehrten Voraussetzungen aus.
sofakleks hat geschrieben:Ich lese das, aber ich begreife es nicht. Das war es, was ich damit sagen wollte.
Das war eben mein Gefühl bei dem obigen Absatz von dir.
sofakleks hat geschrieben:Aber gut, schon wieder hab ich mir eine Ohrfeige eingefangen. Nein, ich will nicht Papst sein. Ich wollte nur das schreiben, über was ich manchmal nachdenke. Auf Bildzeitungsniveau halt.
Jeder, der klare Aussagen macht, wird andere treffen, die sie nicht teilen. Ich würde das normalerweise nicht als Ohrfeige bezeichnen.
sofakleks hat geschrieben:Zu den eindrucksvollsten Musikstücken, die ich kenne, gehört die Vertonung des Prometheusgedichts von Goethe durch Schubert in der Interpretation der orchestrierten Fassung durch Quasthoff und Abbado. Diese Abrechnung mit einem engstirnigen, missgünstigen Gott, der seinen Zorn an den Eichenwäldern auslässt wie ein Knabe, der Disteln köpft. Und der es verdient, dass man hier auf Erden lebt und seiner nicht achtet. Der ebenso zum Untergang verurteilt ist wie Wotan in der Götterdämmerung. Wenn ich dann eine Stelle im AT lese, die ein ähnliches Verhalten Gottes beschreibt, dann wandelt mich die Lust an, wie Prometheus zu reagieren. Dann denke ich, das ist nicht der Gott, den ich erfahren habe.
Was versteht schon mein Verstand! Wie leicht wird der von windigen Geschäftelmachern an der Nase herumgeführt! Ich verstehe ja noch nichtmal die einzelnen Zusammenhänge, die jetzt zu der Bankenkrise geführt haben. Ich verstehe nicht, wie das, was ich hier tippe, bei dir vor der Nase erscheint, wie also welche Elektronen sich wo bewegen. Was maße ich mir dann an, die Beweggründe für das Handeln Gottes völlig übersehen zu können!
Nein, "Glaube" heißt ursprünglich "Vertrauen", so wie im Lateinischen "fides" eben auch das Vertrauen, Zutrauen zu Gott ist. Wer auf Gott vertraut, der vertraut darauf, dass Gott einem nur Gutes tut, auch wenn ich manchmal (noch) nicht verstehe, was daran für mich gut sein soll.
Sich selbst und die Hybris des eigenen Verstandes zurückzunehmen, das ist eine Übung in Demut.
Und das noch als Schluss: Zu den Fallstricken des Erbfeindes gehört es ja gerade, dazu zu verleiten, sich selbst nicht zurückzunehmen und zu glauben, mit dem eigenen Verstande Gott aburteilen zu können.
Langer Rede kurzer Sinn: Gott ist gütig und gut. Wenn er dir als ungerecht und hartherzig erscheint, liegt das Missverständnis bei dir. Dieses Wissen beseitigt das Missverständnis nicht, aber immerhin weißt du dann darum, dass irgendwo ein Missverständnis vorliegt und kannst darangehen, es zu beseitigen.