Konkordate

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Petra
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Beitrag von Petra »

Robert Ketelhohn hat geschrieben: Ich kann dir, Petra, nicht folgen. Ehrlich nicht. Es geht mir doch gerade um die Trennung vom Staat. Nicht weil ich der alten aufklärerischen Forderung einer »Trennung von Kirche und Staat« anhinge – denn da ging’s ja darum, der Kirche oder dem Glauben oder den Gläubigen (zu Unrecht!) das Recht auf Mitbestimmung, auf Gestaltung der öffentlichen Ordnung abzusprechen –, sondern weil die Lage sich längst verkehrt hat: Heute geht es darum, die verhängnisvolle „Mitbestimmung“ des Staates, der ungläubigen Gesellschaft generell, aus der Kirche hinauszutreiben. Freiheit der Kirche. Libertas Ecclesiæ. Das ist das Gebot der Stunde.
Es geht mir nicht um eine Staatskirche oder einen kirchlich kontrollierten Staat.
Sondern darum, dass eine „Ghettoisierung“ der Christen, d.h. ein sich vom Staat Abschotten, dabei rauskommen würde, wenn man z.B. auf eigene Lehrpläne, eigene Ehevorschriften, umfangreichere Arbeitgeberrechte der Kirche bestehen würde. Man hinterließe dann einen abgehobenen Eindruck in der Gesellschaft, wie z.B. die Amish in USA. Für die Verkündigung wäre das sicher eine große Barriere. Vor allem, wenn die anderen christl. Gruppen nicht mitziehen würden. - Und heißt es nicht „gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist“?

(Inwieweit Nichtgläubige Einfluss auf die Kirche haben (mal von Feiertagsregelungen ect. abgesehen) kann ich nicht exakt einschätzen. Dass mit den Bischofsernennungen ist mir auch unbekannt.)

anselm
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Beitrag von anselm »

Eine selbstgewählte Trennung der Kirche vom Staat könnte aber auch das Interesse der Menschen an der Kirche neu wecken. Eine Trennung, die auf Seiten der Kirche zu einer selbstbewussten und mutigen Darstellung der Glaubensinhalte führte, könnte das Image "nur" eine soziale Einrichtung unter vielen zu sein, verändern und zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit den Lehren der Kirche führen.
Das hätte etwas von "back to the roots", zurück zu den subversiven Anfängen, die der Welt eine neue Welt-"Anschauung" vermittelt, eine neue Sicht auf Ursache- und Wirkungszusammenhänge.

Petra
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Beitrag von Petra »

Anselm, so was gibt es in Frankreich. Und da ist die Situation mit den leeren Kirchen nicht viel besser als hier.

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spectator
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Beitrag von spectator »

anselm hat geschrieben:Eine selbstgewählte Trennung der Kirche vom Staat könnte aber auch das Interesse der Menschen an der Kirche neu wecken. Eine Trennung, die auf Seiten der Kirche zu einer selbstbewussten und mutigen Darstellung der Glaubensinhalte führte...
Petra hat geschrieben:Anselm, so was gibt es in Frankreich. Und da ist die Situation mit den leeren Kirchen nicht viel besser als hier.
in einer westlichen Demokratie wird es nie eine derartige Trennung geben, denn die westliche Demokratie lässt die Existenz der Religion und religiösen Gemeinschaften zu.
Derartige Trennung ergab sich nur im ehemaligen Kommunismus (Ostblock) – wo der Staat, als Verwalter des Kommunismus (Sozialdemokratie), die Existenz der Kirche (nur) duldete und die Religion als Unwirklichkeit betrachtete.

Ralf

Beitrag von Ralf »

Petra hat geschrieben:Anselm, so was gibt es in Frankreich. Und da ist die Situation mit den leeren Kirchen nicht viel besser als hier.
Ich halte die Situation in Frankreich für besser als hier, wirklich. Dort gibt es einen (vergleichsweise mit hier) enormen geistlichen Aufbruch, neuen geistlichen Gemeinschaften, das bei sehr geringen finaziellen Ressourcen, bei strikter Laizität.

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spectator
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Beitrag von spectator »

Ralf hat geschrieben:
Petra hat geschrieben:Anselm, so was gibt es in Frankreich. Und da ist die Situation mit den leeren Kirchen nicht viel besser als hier.
Ich halte die Situation in Frankreich für besser als hier, wirklich. Dort gibt es einen (vergleichsweise mit hier) enormen geistlichen Aufbruch, neuen geistlichen Gemeinschaften, das bei sehr geringen finaziellen Ressourcen, bei strikter Laizität.
eine spirituell und institutionell starke Kirche kann nur in dem Land entstehen, wo sie selbst für den Staat der Feind Nr.1 ist und wo der Staat der Feind Nr.1 für die Kirche ist. ;)

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otto
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Beitrag von otto »

Lucia Hünermann hat geschrieben: Aber ich würde meine Kinder auch nicht in eine kirchliche Schule stecken, die ihre Lehrpläne selber bastelt - da ziehe ich eindeutig das bayerische zentrale Prüfungssystem vor, da weiss ich wenigstens, dass die Kinder was lernen.
Also ehrlich Lucia unsere Kinder sind und waren immer in katholischen Schulen, und so wie es aussieht haben sie jede Menge gelernt. Das Problem das ich sehe ist die Gefahr der Ideologischen Verblendung an den Staats-Schulen. Wenn Kinder von Jugend schon gelehrt wird das der Konsum und der Profit oberstes Ziel eines Gemeinwesens ist, dann lehne ich das ab.
Der katholische Glaube wird wie ich das sehe, von der selbst ernannten deutschen Wirtschaftselite als Hemmschuh empfunden. Leistung statt Barmherzigkeit. Ellenbogen statt Nächstenliebe.
Täuschung und Lüge statt Wahrheit.

Die katholische Kirche sollte sich von dieser Ideologie des Mammon eindeutig und für alle Ewigkeit distanzieren.
Leider sind viele deutsche Christen hinauf bis zu manchen Kardinal sehr lau, sie denken sie können beiden dienen den Staat und der Kirche des Herrn. Aber diese Denkweise brachte der Kirche noch nie Lorbeeren ein, im Gegenteil es kamen immer wieder die Zeiten in denen die Kirche gefragt wurde. Warum habt ihr zu diesen oder jenen Vorgang keine deutlichen Worte der Verkündung des Herrn gesprochen?
Die Antworten die wir dann immer zuhören bekamen waren mehr Ausreden als Argumente. Meistens war der Grund der bequeme Weg, nur keinen Streit mit der Obrigkeit.
Es ist nun einmal leichter von den Kreuz zusprechen, als es zu tragen oder daran angenagelt zu werden wie Jesus.
"Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." Matthäus 16,24

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Werner001
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Beitrag von Werner001 »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Was in ein neues Konkordat gehört:

• Abschaffung der verpflichtenden Zivilehe
• staatliche Anerkennung der kirchlichen
Eheschließung
• alleinige Zuständigkeit des kirchlichen
Eherechts für Ehesachen der Gläubigen
Den zweiten Punkt halte ich für sehr problematisch, weil damit Zivilehe und sakramentale vermischt werden. Konsequenterweise müsste die Zivilehe komplett von der sakramentalen getrennt werden, was aber auch heissen würde, daß ein Paar, das nur sakramental heiratet, auf der Lohnsteuerkarte weiterhin als unverheiratet gilt und daß die Kirche sich aus jeglichen Diskussionen um eingetragene Partnerschaften/homosexuelle Ehe völlig herauszuhalten hätte, denn das geht sie ja nichts an.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:• Abschaffung der öffentlichen Schulpflicht
für die Kinder der Gläubigen
• volle Lehrplan- und Lehrmittelfreiheit für
Schulen in kirchlicher Trägerschaft oder
in Trägerschaft privater Initiativen von
Gläubigen sowie für den Privatunterricht
• Finanzierung von Schulen und Unterricht
durch zweckgebundene Abgaben statt aus
den allgemeinen öffentlichen Haushalten
(der Abgabepflichtige entscheidet, ob
und welchen öffentlichen, kirchlichen
oder privaten Schulen oder Schulträgern
seine Schulabgabe zugewandt wird)
Mit der Konsequenz, daß staatliche Universitäten ein auf eine nichtstaatlichen Schule erworbenes Abitur nicht anzuerkennen brauchen und privat bzw. konfessionell unterichtete Abiturienten einer speziellen Zulassungsprüfung unterziehen können, entsprechendes gilt natürlich auch für andere Abschlüsse. Darf jemand, der seine Abgaben z. B. der katholischen Schule zukommen lässt seine Kinder trotzdem auf eine öffentliche Schule schicken? Was ist mit jemand, der gar keine Kinder hat?
• generelle Freiheit der Kirche, ihre An-
gelegenheiten nach eigenem Recht zu regeln
(wie im Familien- und Eherecht, so auch
etwa im Arbeits- und Sozialrecht)
Das soll ja, wie in einem anderen Post schon erläutert "nicht für die Kirchenputzfrau" gelten, aber wo ist die Grenze? Beim Organisten? Beim Küster?
• Ablösung der Lasten aus der Säkularisierung
durch Rückgabe enteigneten Kirchenbesitzes
oder Entschädigungsleistungen
Kein Kommentar, das ist zu abenteuerlich
• Aufhebung der Kirchensteuererhebung durch
den Fiskus
Damit hab ich kein Problem, aber die deutsche Kirche würde ein großes bekommen.
• Aufhebung jeder staatlichen Beteiligung an
der Ernennung der Bischöfe
Das Pro-Forma-Vetorecht wird eh nicht ausgeübt.
• strafbewehrter Schutz der Kirche, des Glau-
bens und der Gläubigen vor Verunglimpfung,
Benachteiligung und Unterdrückung
Was willst du hier über die bestehenden Gesetze hinaus noch? Geht das dann auch in umgekehrter Richtung (Ratzingers "Erwägungen" zu homosexuellen Lebensgemeinschaften fallen mir da sofort ein). Steh ich dann mit einem Fuß im Knast wenn ich "Kruzitürken" sage, oder "Herrgottsag" (schwäbisch)?

Werner

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Werner001 hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Was in ein neues Konkordat gehört:

• Abschaffung der verpflichtenden Zivilehe
• staatliche Anerkennung der kirchlichen
Eheschließung
• alleinige Zuständigkeit des kirchlichen
Eherechts für Ehesachen der Gläubigen
Den zweiten Punkt halte ich für sehr problematisch, weil damit Zivilehe und sakramentale vermischt werden. Konsequenterweise müsste die Zivilehe komplett von der sakramentalen getrennt werden, was aber auch heissen würde, daß ein Paar, das nur sakramental heiratet, auf der Lohnsteuerkarte weiterhin als unverheiratet gilt und daß die Kirche sich aus jeglichen Diskussionen um eingetragene Partnerschaften/homosexuelle Ehe völlig herauszuhalten hätte, denn das geht sie ja nichts an.
Ich halte eher die Reglung, wie sie in Österreich gängig ist, für sinnvoll.
Wer nur staatlich heiraten will, kann das tun.
Wer kirchlich heiratet, dem wird die kirchl. Eheschließung staatlicherseits anerkannt.
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
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Werner001
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Beitrag von Werner001 »

Ich halte eher die Reglung, wie sie in Österreich gängig ist, für sinnvoll.
Wer nur staatlich heiraten will, kann das tun.
Wer kirchlich heiratet, dem wird die kirchl. Eheschließung staatlicherseits anerkannt.
Kann dann diese nur kirchlich geschlossene Ehe staatlich wieder geschieden werden?
Ich halte unser deutsches System für besser, bis auf den einen Punkt, daß man für eine kirchliche Trauung vorher staatlich heiraten muß. Das ist Unsinn, und kann auch leicht umgangen werden, indem man im Ausland kirchlich heiratet.
Das machen viele Rentner, die die Witwenrente nicht verlieren wollen, aber warum man nicht die sakramentale und die Zivilehe völlig trennt, verstehe ich nicht.
Das eine hat mit Steuern und Erbrecht zu tun, das andere mit Gottes Segen. Beides sollte nicht vermischt werden.

Werner

Stefan

Beitrag von Stefan »

Werner001 hat geschrieben:Das eine hat mit Steuern und Erbrecht zu tun, das andere mit Gottes Segen. Beides sollte nicht vermischt werden.

Werner
Das eine ist ein Vertrag, das andere ein Sakrament. Nur der Name klingt gleich...

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Im Ernst: Dasselbe sollte man natürlich den Muslimen, Juden, Calvinisten etc. zubilligen. Satanisten oder Zeugen Jeboahs nicht, aber das wäre ein eigenes Thema.
Wie soll das Zusammenleben zwischen diesen Gruppen denn dann aussehen? Ich stelle mir da irgendwie sowas wie religiöse Kleinstaaterei vor ... Und unter welchem Oberbegriff läuft das dann? Nach welchen objektiven Regelungen?
Und worunter segelt der Rest der Welt, der sich keiner dieser Gruppen zuordnen lässt?

Geronimo

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ottaviani
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von ottaviani »

obsculta hat geschrieben:Wir hatte das Thema unlängst im Bekanntenkreis,
allerdings bezogen auf Deutschland.

Eine Aufhebung des Konkordats würde ich mir für
Deutschland wünschen.

Ich kann nicht sehen,wo das ein Ende für die römische
Kirche in Europa bedeuten würde.Im Gegenteil,wie Robert oben sagt,
weg mit den Fesseln!
Dir ist klar was das abgesehen von der Kirchensteuer finanziell in Deutschland bedeuten würde
auch für Institutionen wie Krankenhäuser usw.?

iustus
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von iustus »

ottaviani hat geschrieben:
obsculta hat geschrieben:Eine Aufhebung des Konkordats würde ich mir für
Deutschland wünschen.
Dir ist klar was das abgesehen von der Kirchensteuer finanziell in Deutschland bedeuten würde
auch für Institutionen wie Krankenhäuser usw.?
Eben. Einfach mal nachlesen: http://kulturserver-hessen.de/home/zeit ... nkodat.htm

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taddeo
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von taddeo »

obsculta hat geschrieben:Eine Aufhebung des Konkordats würde ich mir für
Deutschland wünschen.
Dann ging's uns erst so richtig dreckig. Nicht nur finanziell, sondern vor allem gesellschaftpolitisch.
Damit würden die letzten Schranken fallen, Katholiken (und dabei gerade die "konservativen") ideologisch auf politisch korrekten Mehrheitskurs zu trimmen.

Das sollte man sich nicht wirklich wünschen.

ad_hoc
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Re: Konkordate in Deutschland

Beitrag von ad_hoc »

Hier muss ich gestehen, dass ich erst seit kurzem meine Ansichten über die Auflösung des Konkordats geändert habe und nunmehr die Meinung tatddeos vertrete, so wie er es in seinem Beitrag über mir angedeutet hat.
Ich denke, die Auswirkungen wären sehr viel schlimmer, als wir uns dies im Moment vorstellen können.

Gruß, ad_hoc
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

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Niels
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Re: Konkordate in Deutschland

Beitrag von Niels »

ad_hoc hat geschrieben:Hier muss ich gestehen, dass ich erst seit kurzem meine Ansichten über die Auflösung des Konkordats geändert habe und nunmehr die Meinung tatddeos vertrete, so wie er es in seinem Beitrag über mir angedeutet hat.
Ich denke, die Auswirkungen wären sehr viel schlimmer, als wir uns dies im Moment vorstellen können.

Gruß, ad_hoc
Sehe ich mittlerweile genauso. :ja:
Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

Caviteño
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Caviteño »

iustus hat geschrieben:
ottaviani hat geschrieben:
Dir ist klar was das abgesehen von der Kirchensteuer finanziell in Deutschland bedeuten würde
auch für Institutionen wie Krankenhäuser usw.?
Eben. Einfach mal nachlesen: http://kulturserver-hessen.de/home/zeit ... nkodat.htm
Danke für den Hinweis.
Allerdings frage ich mich, ob hier nicht Änderungen vorgenommen wurden, wenn ich folgende Vereinbarungen lese:
ARTIKEL 14
1.Katholische Geistliche, die in Deutschland ein geistliches Amt bekleiden oder eine
seelsorgerliche oder Lehrtätigkeit ausüben, müssen:
a.deutsche Staatsangehörige sein,

ARTIKEL 16
Bevor die Bischöfe von ihrer Diözese Besitz ergreifen, leisten sie in die Hand des Reichsstatthalters in dem zuständigen Lande bzw. des Reichspräsidenten einen Treueid nach folgender Formel: »Vor Gott und auf die heiligen Evangelien schwöre und verspreche ich, so wie es einem Bischof geziemt, dem Deutschen Reich und dem Lande... Treue. Ich schwöre und verspreche, die verfassungsmäßig gebildete Regierung zu achten und vorn meinem Klerus achten zu lassen. In der pflichtmäßigen Sorge (um das Wohl und das Interesse des deutschen Staatswesens werde ich in Ausübung des mir übertragenen geistlichen Amtes jeden Schaden zu verhüten trachten, der es bedrohen könnte.«

ARTIKEL 3
An den Sonntagen und den gebotenen Feiertagen wird in den Bischofskirchen sowie in den Pfarr-, Filial- und Klosterkirchen des Deutschen Reiches im Anschluß an den Hauptgottesdienst, entsprechend den Vorschriften der kirchlichen Liturgie, ein Gebet für das Wohlergehen des Deutschen Reiches und Volkes eingelegt.
Sind denn wirklich alle Geistlichen deutsche Staatsangehörige und vom Treueid bzw. dem Gebet für "Volk und Vaterland" habe ich auch noch nichts gehört bzw. gemerkt. :achselzuck:

iustus
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von iustus »

Caviteño hat geschrieben:
ARTIKEL 3
An den Sonntagen und den gebotenen Feiertagen wird in den Bischofskirchen sowie in den Pfarr-, Filial- und Klosterkirchen des Deutschen Reiches im Anschluß an den Hauptgottesdienst, entsprechend den Vorschriften der kirchlichen Liturgie, ein Gebet für das Wohlergehen des Deutschen Reiches und Volkes eingelegt.
(...) vom (...) Gebet für "Volk und Vaterland" habe ich auch noch nichts gehört bzw. gemerkt. :achselzuck:
Zu diesem Gebet siehe hier: http://www.kreuzgang.org/viewtopic.php? ... en#p535713

iustus
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Re: Konkordate in Deutschland

Beitrag von iustus »

Den Treueid gibt´s auch noch:

http://www.pressrelations.de/NEW/standa ... vorschau=

Daraus:
Der künftige Bischof des Bistums Limburg, Prof. Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst, hat heute in Wiesbaden vor dem Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch und dem Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, den Treueid auf die Regierungen der beiden Länder, in denen das Bistum liegt, abgelegt. Der Eid wurde von allen bisher im Land neu ernannten katholischen Bischöfen vor dem jeweiligen Ministerpräsidenten geleistet, zuletzt 21 von Bischof Algermissen aus Fulda.

(...)

Der Treueid der katholischen Bischöfe geht zurück auf das Reichskonkordat von 1933. Der künftige Bischof leistet demnach folgenden Treueschwur: „Vor Gott und auf die heiligen Evangelien schwöre und verspreche ich, so wie es einem Bischof geziemt, Deutschland und den Ländern Hessen und Rheinland-Pfalz Treue. Ich schwöre und verspreche, die verfassungsmäßig gebildeten Regierungen zu achten und von meinem Klerus achten zu lassen. In der pflichtmäßigen Sorge um das Wohl und das Interesse des deutschen Staatswesens werde ich in Ausübung des mir übertragenen geistlichen Amtes jeden Schaden zu verhüten trachten, der es bedrohen könnte.“

iustus
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von iustus »

Caviteño hat geschrieben:Allerdings frage ich mich, ob hier nicht Änderungen vorgenommen wurden, wenn ich folgende Vereinbarungen lese:
ARTIKEL 14
1.Katholische Geistliche, die in Deutschland ein geistliches Amt bekleiden oder eine
seelsorgerliche oder Lehrtätigkeit ausüben, müssen:
a.deutsche Staatsangehörige sein,
Schau den Artikel 14 hier nochmal an: http://www.uni-trier.de/fileadmin/fb5/i ... Teil_A.pdf

Da wird deutlicher, dass sich der letzte Satz auch auf die von Dir zitierte Bestimmung bezieht. In diesem letzten Satz von Art. 14 heißt es:
Bei kirchlichem und staatlichem Einvernehmen kann von den im Absatz 2, Ziffer 1 a, b und c genannten Erfordernissen abgesehen werden.


Das dürfte wohl nicht selten der Fall sein (evtl. gibt es sogar pauschale Einverständniserklärungen).

Caviteño
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Re: Konkordate in Deutschland

Beitrag von Caviteño »

Danke iustus für die ausführlichen und erklärenden Antworten, die meine Fragen beantwortet haben. :klatsch:

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taddeo
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Re: Konkordate in Deutschland

Beitrag von taddeo »

iustus hat geschrieben:Den Treueid gibt´s auch noch:
Das finde ich ganz persönlich die übelste Kröte, die mit dem Konkordat verbunden ist.
Ein Bischof, der von Amts wegen die Hälfte der Gesetze hierzulande verdammen müßte, ist auch noch gezwungen, auf die Grundlage dieser Gesetze einen Eid zu leisten. Das ist schon arg.

iustus
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Re: Konkordate in Deutschland

Beitrag von iustus »

Von dem grundsätzlichen Problem , dass Christen nicht schwören sollen, einmal abgesehen, sehe ich die Eidesformel nicht so negativ: Der Eid wird nicht "auf der Grundlage dieser Gesetze geleistet", sondern auf der Grundlage des Konkordats. Von den Gesetzen hierzulande lese ich darin gar nichts.

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Tipheret
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Re: Mangel an Priesterberufungen? Ursachen? Folgen?

Beitrag von Tipheret »

Wie vereinbart sich eigentlich der Einsatz ausländischer Priester mit den Bestimmungen desKonkordates?

Dort heißt es:
ARTIKEL 14
.................................................................. Außerdem besteht Einvernehmen über folgende Punkte:

1.Katholische Geistliche, die in Deutschland ein geistliches Amt bekleiden oder eine
seelsorgerliche oder Lehrtätigkeit ausüben, müssen:
a.deutsche Staatsangehörige sein,
b.ein zum Studium an einer deutschen höheren Lehranstalt berechtigendes Reifezeugnis
erworben haben,
c.auf einer deutschen staatlichen Hochschule, einer deutschen kirchlichen akademischen
Lehranstalt
oder einer päpstlichen Hochschule in Rom ein wenigstens dreijähriges
philosophisch-theologisches Studium abgelegt haben.

Gibt es Zusatzvereinbarungen, die eine Ausnahme zulassen, oder bewegt sich die Kirche in "rechtsfreiem Raum"?
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cantus planus
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Re: Mangel an Priesterberufungen? Ursachen? Folgen?

Beitrag von cantus planus »

Natürlich gibt es da Zusatzvereinbarungen. Ein Pfarrer müsste normalerweise ein theologisches Diplom einer Universität vorweisen können. Im Klartext: jemand, der im Spätberufenenseminar Lantershofen studiert hat, kann rechtlich nicht Pfarrer werden. In diesem Fall wird bei der Landesregierung um Ausnahmebewilligung ersucht, die regelmässig auch gewährt wird. Ich kenne zwei Fälle dieser Art. So ist es natürlich auch mit der Staatsbürgerschaftsfrage.
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Tipheret
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Re: Konkordate in Deutschland

Beitrag von Tipheret »

Hier werden aber mindestens drei Vorschriften "sondergenehmigt".

Wäre es da nicht am besten das Konkordat gänzlich abzuschaffen?
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holzi
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Re: Konkordate in Deutschland

Beitrag von holzi »

Tipheret hat geschrieben:Hier werden aber mindestens drei Vorschriften "sondergenehmigt".

Wäre es da nicht am besten das Konkordat gänzlich abzuschaffen?
Wenn das ganze Konkordat nur aus diesen drei Punkten bestünde: ja. Steht aber mehr drin.

michaelis
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Re: Mangel an Priesterberufungen? Ursachen? Folgen?

Beitrag von michaelis »

Tipheret hat geschrieben:Gibt es Zusatzvereinbarungen, die eine Ausnahme zulassen, oder bewegt sich die Kirche in "rechtsfreiem Raum"?
Einfach weiterlesen:
Reichskonkordat hat geschrieben: Artikel14
1. (...)
2. Die Bulle für die Ernennung von Erzbischöfen, Bischöfen, eines Koadjutors cum jure
successionis oder eines Praelatus nullius wird erst ausgestellt, nachdem der Name des dazu
Ausersehenen dem Reichsstatthalter in dem zuständigen Lande mitgeteilt und festgestellt
ist, daß gegen ihn Bedenken allgemein politischer Natur nicht bestehen. Bei kirchlichem
und staatlichem Einverständnis kann von den im Absatz 2, Ziffer 1 a, b und c genannten
Erfordernissen abgesehen werden.

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Tipheret
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Re: Konkordate in Deutschland

Beitrag von Tipheret »

OK, danke, hatte ich übersehen
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christian12
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Re: Konkordate in Deutschland

Beitrag von christian12 »

Ich hab mal eine Linkliste für die Konkordate und Verträge der Kirche in Deutschland gemacht. Hab im Internet sowas nicht gefunden. (keine Garantie auf Vollständigkeit ;) )

aktuelle Konkordate:
Reichskonkordat vom 20. Juli 1933 (Rechtsbestand und Weitergeltung durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 1957 anerkannt und bestätigt)
Bayerisches Konkordat vom 29. März 1924
- Änderung unter Paul VI.
- Vertrag bzgl. Theol. in Augsburg unter Paul VI.
- Vertrag bzgl. Theol. in Regensburg unter Paul VI.
- Änderung unter Johannes Paul II.
Preußisches Konkordat vom 14. Juni 1929
Badisches Konkordat vom 12. Oktober 1932


konkordatäre Einzelvereinbarungen zwischen dem Heiligem Stuhl und einzelnen Bundesländern:
Niedersachsen vom 26. Februar 1965
- erste Änderung unter Johannes Paul II.
- zweite Änderung unter Johannes Paul II.
- Änderung unter Benedikt XVI. (siehe S. 468ff)
Rheinland-Pfalz vom 15. Mai 1973 (siehe S. 631ff)
- weiterer Vertrag unter Paul VI.
Nordrhein-Westfalen vom 26. März 1984
Saarland vom 12. Februar 1985
- weiterer Vertrag unter Paul VI.
Sachsen vom 3. Juli 1996
- Vertrag übers Bistum Magdeburg unter Johannes Paul II.
- Vertrag übers Bistum Görlitz unter Johannes Paul II.
Thüringen vom 11. Juni 1997
- weiterer Vertrag unter Johannes Paul II.
Mecklenburg-Vorpommern vom 22. Dezember 1997
- Vertrag übers Erzbistum Hamburg unter Johannes Paul II.
Sachsen-Anhalt vom 22. April 1998
- Vertrag übers Bistum Magdeburg unter Johannes Paul II.
Brandenburg vom 25. Mai 2004 (siehe S. 625ff)
- Vertrag übers Bistum Magdeburg unter Johannes Paul II.
- Vertrag übers Bistum Görlitz unter Johannes Paul II.
Bremen vom 14. Mai 2004 (siehe S. 452ff)
Hamburg vom 9. Oktober 2006 (siehe S. 825ff)
- Vertrag übers Erzbistum Hamburg unter Johannes Paul II.
Schleswig-Holstein vom 12. Januar 2009
- Vertrag übers Erzbistum Hamburg unter Johannes Paul II.

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Hubertus
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Re: Konkordate

Beitrag von Hubertus »

Der Kult ist immer wichtiger als jede noch so gescheite Predigt. Die Objektivität des Kultes ist das Größte und das Wichtigste, was unsere Zeit braucht. Der Alte Ritus ist der größte Schatz der Kirche, ihr Notgepäck, ihre Arche Noah. (M. Mosebach)

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