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Verfasst: Montag 4. Juni 2007, 12:37
von Knecht Ruprecht
Verfasst: Montag 4. Juni 2007, 13:05
von Stephen Dedalus
Das ist in der Tat erschütternd. Ich zitiere aus dem verlinkten Artikel.
Denn schon hat sich die umstrittenste der drei Regierungsparteien für ihren Kulturkampf neue Gegner ausgesucht: Sie heißen Goethe, Kafka, Dostojewskij, Joseph Conrad oder Witold Gombrowicz. Roman Giertych, Parteichef der LPR, Stellvertreter des Ministerpräsidenten und Minister für nationale Bildung, hat seine Mitarbeiter einen Kanon erarbeiten lassen, der die Schullektüre unter anderem für die Gymnasiasten festlegt. Auf dieser Liste stehen zahlreiche neue Namen, während altbekannte fehlen, darunter die der oben Genannten. Statt des „Prozesses“, „Schuld und Sühne“ und der „Leiden des jungen Werther“ sollen Polens Schüler künftig die Biographie „Onkel Karol. Priesterjahre eines Papstes“ lesen sowie das Buch „Erinnerung und Identität“, verfasst von Johannes Paul II. persönlich.
Daß jemand wie Knecht Ruprecht sich über die Streichung von Goethe freut, schreibe ich mal der Tatsache zu, daß er von Kafka und Dostojewskij noch nie gehört hat. Das wundert mich nicht, wenn ich es mal mit dem Unwissen etwa über die Grundbegriffe des katholischen Glaubens in Kontext bringe, das der Knecht hier schon mehrfach offenbart hat. So dolle kann es also um den bisherigen polnischen Bildungskanon auch nicht bestellt gewesen sein, wenn Knecht Ruprecht da durchgekommen ist. Weder katholisch noch literarisch.
In gut britischer Haltung empfehle ich: Abwarten und Tee trinken. Die Polen sind eigentlich ein intelligentes Volk mit einer großartigen kulturellen Tradition. Da kann diese Phase der geistigen Finsternis nicht ewig andauern. Irgendwann finden die schon wieder zu ihrer Identität zurück.
Gilt das auch
Verfasst: Montag 4. Juni 2007, 13:19
von sofaklecks
Dedalus schrieb:
Die Polen sind eigentlich ein intelligentes Volk mit einer großartigen kulturellen Tradition (Anwesende ausgenommen).
Darf ich in der mir eigenen Bescheidenheit hinzufügen: Die Deutschen ebenso. Den Klammersatz lass ich dabei weg. Das eigentlich ist eigentlich ausreichend.
sofaklecks
Re: Gilt das auch
Verfasst: Montag 4. Juni 2007, 13:33
von Stephen Dedalus
sofaklecks hat geschrieben:Das eigentlich ist eigentlich ausreichend.
sofaklecks
Du hast recht. Ich habe mich hinreißen lassen. Daher streiche ich jetzt den Klammersatz.
Verfasst: Montag 4. Juni 2007, 18:21
von Pit
Hallo Stephen,hallo sofaklecks,
ja, sowohl die Polen (die nicht alle so denken, wie unser "Knecht") als auch die Deutschen sind (im Grossen und Ganzen) ein intelligentes Volk.
Was man auch u.A. daran sieht, daß bisher die Arbeit des Deutsch-Polnischen Jugendwerks gut funktionierte - auf beiden Seiten.
Nun, die Polen werden diesen falschverstandenen Patriotismus hoffentlich nicht zu ernst nehmen, und auch weiterhin nicht nur (!) Werke polnischer Literaten lesen.
Gruß, Pit
Verfasst: Montag 4. Juni 2007, 18:30
von Stephen Dedalus
Pit hat geschrieben:
Nun, die Polen werden diesen falschverstandenen Patriotismus hoffentlich nicht zu ernst nehmen, und auch weiterhin nicht nur (!) Werke polnischer Literaten lesen.
Die allerdings hoffentlich auch. Dort gibt es auch für Deutsche viel zu entdecken! Ich erinnere nur an Autoren wie:
Jerzy Andrzejewski,
Jarosław Iwaszkiewicz
Czesław Miłosz
Sławomir Mrożek
Leszek Kołakowski
Paweł Huelle
Andrzej Stasiuk
Olga Tokarczuk
Antoni Libera
Andrzej Szczypiorksi
Tomek Tryzna
Leider ist die polnische Literatur westlich der Oder weniger bekannt als sie verdient!
Verfasst: Montag 4. Juni 2007, 18:40
von Knecht Ruprecht
Pit hat geschrieben:Hallo Stephen,hallo sofaklecks,
ja, sowohl die Polen (die nicht alle so denken, wie unser "Knecht") als auch die Deutschen sind (im Grossen und Ganzen) ein intelligentes Volk.
Was man auch u.A. daran sieht, daß bisher die Arbeit des Deutsch-Polnischen Jugendwerks gut funktionierte - auf beiden Seiten.
Nun, die Polen werden diesen falschverstandenen Patriotismus hoffentlich nicht zu ernst nehmen, und auch weiterhin nicht nur (!) Werke polnischer Literaten lesen.
Gruß, Pit
Im Thread Marienprozessionen gibt es eine Frage an dich.
Verfasst: Dienstag 5. Juni 2007, 00:53
von Esperanto
Den Giertych würde ich auch wählen.
Verfasst: Dienstag 5. Juni 2007, 08:02
von FioreGraz
Ja die derzeitige Situation in Polen wird immer besorgniseregender, mit dem Verbot der Teletubis (ich find sie ja auch Schwachsinnig und gerade mal als Unterhaltungsfernsehen nach 20 Krügerl Bier und 5 Schnaps geeignet aber die polnischen Gründe waren Dummfug) fings an, jetzt kommt schon die "Bildungszensur". Die Absicht das die Gesellschaft christlich sein soll, endet immer mehr in einer uniformierten moralistischen Gedankenkontrolldiktatur. Naja irgenwie logisch das die dortige Regierung so aufs Bu(e)s(c)h(chen) steht der macht ja das gleiche, der normale Köter (vgl. Mt 15,27) hebt am Busch höchstens das Beinchen.
LG
Fiore
Verfasst: Mittwoch 6. Juni 2007, 04:07
von ad_hoc
Hatten die Polen schon mal Erfahrungen in Demokratie vor der Befreiung aus dem Ostblock?
Bislang haben sie nur ein übergroßes und berechtigtes Mißstrauen gegen Russland und gleichzeitig müssen sie sich, berechtigterweise, gegen schädliche Einfußnahme aus der EU wehren.
Man sollte als den Polen noch etwas Zeit lassen, sich in unserer Welt zurechtzufinden. Ich denke, sie werden sich mit der Zeit dabei zumindest schlauer als die Deutschen anstellen.
Gruß, ad_hoc
Verfasst: Mittwoch 6. Juni 2007, 09:54
von Robert Ketelhohn
Stephen Dedalus hat geschrieben:
Das ist in der Tat erschütternd. Ich zitiere aus dem verlinkten Artikel.
Denn schon hat sich die umstrittenste der drei Regierungsparteien für ihren Kulturkampf neue Gegner ausgesucht: Sie heißen Goethe, Kafka, Dostojewskij, Joseph Conrad oder Witold Gombrowicz. Roman Giertych, Parteichef der LPR, Stellvertreter des Ministerpräsidenten und Minister für nationale Bildung, hat seine Mitarbeiter einen Kanon erarbeiten lassen, der die Schullektüre unter anderem für die Gymnasiasten festlegt. Auf dieser Liste stehen zahlreiche neue Namen, während altbekannte fehlen, darunter die der oben Genannten. Statt des „Prozesses“, „Schuld und Sühne“ und der „Leiden des jungen Werther“ sollen Polens Schüler künftig die Biographie „Onkel Karol. Priesterjahre eines Papstes“ lesen sowie das Buch „Erinnerung und Identität“, verfasst von Johannes Paul II. persönlich.
Daß jemand wie Knecht Ruprecht sich über die Streichung von Goethe freut, schreibe ich mal der Tatsache zu, daß er von Kafka und Dostojewskij noch nie gehört hat. Das wundert mich nicht, wenn ich es mal mit dem Unwissen etwa über die Grundbegriffe des katholischen Glaubens in Kontext bringe, das der Knecht hier schon mehrfach offenbart hat. So dolle kann es also um den bisherigen polnischen Bildungskanon auch nicht bestellt gewesen sein, wenn Knecht Ruprecht da durchgekommen ist. Weder katholisch noch literarisch.
In gut britischer Haltung empfehle ich: Abwarten und Tee trinken. Die Polen sind eigentlich ein intelligentes Volk mit einer großartigen kulturellen Tradition. Da kann diese Phase der geistigen Finsternis nicht ewig andauern. Irgendwann finden die schon wieder zu ihrer Identität zurück.
Da es sich bei jenem Kanon-Vorschlag um eine Positivliste handelt, keine negative mit Streichpositionen, lehrt uns der Artikel eigentlich gar nichts, außer daß sein Verfasser dem Roman Giertych ans Bein pinkeln will.
Abgesehen von zwei Titeln erfährt man nichts über den Inhalt des Vorschlags – und diese zwei Titel sind anscheinend bewußt herausgepickt, um ein schiefes Bild zu zeichnen. Zwei Jan-Pawel-Titel, die sicher nichts mit großer Litteratur zu tun haben, wohl aber mit der besonderen Verehrung, welche die Polen für den vorigen Papst hegen, und darum als Kanonpositionen verständlich sind.
Daß Witold Gombrowicz nicht auf der Liste auftaucht, ist zwar erstens eine rein „innerpolnische“ Angelegenheit, zweitens aber allzu verständlich. Keine große Litteratur, sondern ein zeitgebundenes Phänomen, ein Autor wie viele, die bekannt und wieder vergessen werden.
Joseph Conrad fehle auch auf der Liste, beklagt der Artikel. – Ja und? – Ich zucke mit den Achseln. Weshalb sollten polnische Schüler – oder deutsche, italienische, syrische oder was weiß ich – ausgerechnet Joseph Conrad lesen? – Dürfen sie, natürlich. Ich habe auch einen Conrad im Regal. Aber das kann doch keine Pflichtlektüre in der Schule sein.
Dostojewskij dagegen zählt natürlich fraglos zu dem, was man „Weltlitteratur“ zu nennen pflegt. Allein taugt er als Schullektüre? – Ich zweifle sehr daran. Wir haben damals in der Schule von den Russen nur Gogol gelesen, und zwar seinen »Revisor«. Den haben wir sogar auf die Bühne gebracht. Puschkin? Dostojewskij? Tolstoj? – Fehlanzeige. Tschechow? – Oh, mir schwant, da sei doch mal was gewesen. Oder ich habe von Tschechow als Junge von mir selber aus was gelesen. Ich weiß es nicht mehr.
Überhaupt fehlte in der Schule vieles, ja das meiste, was man unter diese „Weltlitteratur“ rechnet. Gar kein Franzose, nada, niente, oder wie die Froschliebhaber sagen. Auch kein Dante, Boccaccio, Petrarca, Ariost, Manzoni.
Polen? – Äh, wie schreibt man das? Polen kam an der Schule nicht vor, außer in Geschichte, als Preußen, Rußland und Österreich sowie später noch einmal Hitler und Stalin es aufteilten. Spanien hingegen kam in der Geschichte öfter vor, doch litterarisch gleichfalls nicht.
Shakespeare immerhin hatten wir: die »Zähmung der Widerspenstigen«. Ansonsten hat irgendein Lehrer uns mit einem englischen Machwerk (auf deutsch, natürlich) zu quälen versucht, dessen Titel Butcher in the rye lautete, oder so ähnlich. Den Namen des Autors habe ich vergessen – oder eher wahrscheinlich überhaupt nie wahrgenommen. Ich habe den Schinken auch nie gelesen, bestenfalls eine halbe Seite, obgleich wir uns eigentlich das ganze Ding reinziehen mußten. Dummerweise aber ich damals nicht lauthals gegen diesen Müll protestiert, sondern ihn still in meiner Schulmappe vor sich hin stinken lassen, bis der Alptraum vorüber war und ein neues Thema drankam.
Außer Gogol, Shakespeare und diesem Butcher oder Lutcher hatten wir also deutsche Litteratur, und aus die Maus. Schließlich hieß das Unterrichtsfach auch: »Deutsch«. (In Latein hatten wir natürlich einige großen Römer: Virgil, Horaz, Catull [na ja, der war nicht so groß] und so weiter. Aber das ist ein andres Thema.)
Ich halte dafür, daß Polen in Polnisch zunächst polnische Sprache und Litteratur lernen sollten. Dazu mögen dann ergänzend ein paar Seitenblicke in andere Litteraturen kommen. Meinetwegen Göthe – weshalb unbedingt der »Werther«? damit wurden wir auch gequält, wobei es daneben um Plenzdorfs »Neue Leiden« ging, auch so ein wertloser Modemüll; der »Faust« wäre besser gewesen, auch der »Götz« oder die »Iphigenie« oder der »Groß-Cophta« –, besser noch Schiller statt Göthe. Oder Karl May. 
Wenn sie dann noch einen Shakespeare, einen Moliére, zwei, drei Gedichte von Puschkin und die ersten drei Gesänge der Comedia kennenlernen, ist’s gut – und weit mehr, als wir seinerzeit an außerdeutscher „Weltlitteratur“ hatten.
(Ach, ich vergaß Kafka zu erwähnen. – … – Genau. Damit ist nun auch wirklich alles gesagt.)
Verfasst: Mittwoch 6. Juni 2007, 12:39
von John Grantham
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Shakespeare immerhin hatten wir: die »Zähmung der Widerspenstigen«. Ansonsten hat irgendein Lehrer uns mit einem englischen Machwerk (auf deutsch, natürlich) zu quälen versucht, dessen Titel Butcher in the rye lautete, oder so ähnlich.
Catcher in the Rye, J. D. Salinger. Wobei ich eigentlich etwas staunen muß, daß das Buch Dir nicht gefallen hat. Ist eigentlich normalerweise genau das richtige für launische Jungen im Teenie-Alter.

Aber jedem das Seine.
Dostojewskij ("Arme Leute") und Tolstoi ("Anna Karenina") habe ich mir damals in der Schule antun müssen (äh, eigentlich habe ich bei "Karenina" gemogelt und die "Cliff's Notes"-Version, die Kurzfassung also, für mein Bericht benutzt und im Unterricht gut zugehört aber das Buch kaum gelesen...und eine 1,0 gekriegt, was soll's

) und bis heute ist mir russische Literatur ein Graus, was Du mir sicherlich auch übel nehmen wirst.
Shakespeare dagegen, vor allem seine historischen Schauspiele, sind mir eine wahre Freude. Richard III und Henry V sind Favoriten.
Latein habe ich leider nie gelernt. Wollte ich schon immer. Aber in Amerika ist das einfach nicht so geläufig und wird i.d.R. in Schulen nicht angeboten.

Dafür habe ich Deutsch-, Spanisch- und Französischunterricht gehabt (wobei ich so gut wie kein Französisch und Spanisch mehr kann -- dafür kann ich lateinische Texte einigermassen entziffern...

).
Cheers,
John
Verfasst: Mittwoch 6. Juni 2007, 13:49
von Raphael
John Grantham hat geschrieben:Catcher in the Rye, J. D. Salinger.
Du darfst getrost davon ausgehen, daß aus dem
Catcher nicht völlig unbewußt ein
Lutcher wurde!
Das Schlimme an der Literaturauswahl im deutschen Schulbetrieb ist übrigens weniger die Qualität von Salinger's Roman selber, sondern mehr der Entfall der Klassiker, die - bei gleichzeitigem stilistischen Vermögen - wesentlich mehr Höhen und Tiefen des Menschen aufzeigen können.
Verfasst: Mittwoch 6. Juni 2007, 14:10
von John Grantham
Raphael hat geschrieben:John Grantham hat geschrieben:Catcher in the Rye, J. D. Salinger.
Du darfst getrost davon ausgehen, daß aus dem
Catcher nicht völlig unbewußt ein
Lutcher wurde!
Nee, das war mir schon klar.
Ist mir aber neu, daß das Buch derart ungeliebt ist. Gleichgültig schon, aber ungeliebt ist mir neu.
Raphael hat geschrieben:Das Schlimme an der Literaturauswahl im deutschen Schulbetrieb ist übrigens weniger die Qualität von Salinger's Roman selber, sondern mehr der Entfall der Klassiker, die - bei gleichzeitigem stilistischen Vermögen - wesentlich mehr Höhen und Tiefen des Menschen aufzeigen können.
Tja, ich kenne mich mit dem deutschen Schulwesen nicht wirklich aus. In der (staatlichen) Schule damals in Amerika hatte ich aber in Deutschunterricht immer den Eindruck bekommen, die Deutschen hätten ein viel besseres System. Und meine Schule in der Zeit war in der Tat ein Haufen Schrott (meine Grundschule in Virginia war sehr gut, dann sind wir umgezogen und die Schulen in der neuen Stadt waren gräßlich). Also haben meine Eltern mich später in eine Privatschule geschickt. (Hat auch ein Vermögen gekostet, aber ich bin sehr dankbar, daß sie es getan haben.)
Umso größer war mein Schock, als ich die jüngste PISA-Studie gesehen habe. Deutschland schneidete kaum besser als die USA, ja teilweise sogar schlechter ab. Und das, meine Damen und Herren, sagt sehr viel Schlimmes über Euch.
Robert hat aber in einem Punkt Recht: Man kann es im Prinzip keinem Recht machen. Irgendwie muß man eine Liste machen, und irgendwo muß man Abstriche machen. Allerdings würde ich meinen, man sollte nicht unbedingt auf die "eigene Landeskultur" zu sehr konzentrieren. Vielmehr halte ich es für wichtiger, zu versuchen, mehr auf Weltkultur (oder zumindest auf die gemeinsame europäische Kulturerbe) zu konzentrieren. Beispielsweise Euripedes, Platon, Homer, Shakespeare, Goethe, Rousseau, Kant, Schiller. (Ja OK, meinetwegen auch Chekhov und Tolstoi. *schauder*) Wenn man zu sehr auf den eigenen Sprachraum konzentriert, befürchte ich, daß man dabei Nationalismus und eine enge Weltsicht fördert -- und das kann man heutzutage einfach nicht gebrauchen.
Cheers,
John
Verfasst: Mittwoch 6. Juni 2007, 18:56
von Pit
Hallo KNecht,
mir ist gerade bewusst geworden, daß Du irgendwie recht hast. Solange sich in Polen und Deutschland Menschen für so etwas, -
www.dpja.de - einsetzen, ist Polen nicht verloren.
Es ist die Website der Deutsch-Polnischen Jugendakademie.
Gruß, Pit
Verfasst: Donnerstag 21. Juni 2007, 18:50
von Stephen Dedalus
Immerhin hat man sich in Polen jetzt auf einen russischen Klassiker besonnen: Kaczynski, argumentiert jetzt in der Diskussion über die EU-Stimmverteilung bereits mit den
Toten Seelen.
Der polnische Ministerpräsident hatte diese Woche in einem Radiointerview die Tonlage noch einmal verschärft: "Wenn Polen nicht die Jahre 1939 bis 1945 durchgemacht hätte, wäre Polen heute ein Land mit einer Bevölkerung von 66 Millionen." Das Land dürfe daher bei Abstimmungen in der EU nicht wesentlich weniger Stimmen erhalten als große Mitgliedstaaten wie Deutschland.
Quelle: Spiegel-Online
Gogol läßt grüßen. Vielleicht sollten sich die polnischen Tschitschikovs mit den jüdischen Organisationen zusammentun, die jetzt Geld von Deutschland für diejenigen fordern, die den Holocaust nicht erlebt haben, aber gerade deshalb schwere Schäden davongetragen haben.
Vielleicht sollte die Bundesregierung aber anders argumentieren. Hätte Deutschland die Jahre 1939 bis 1945 nicht erlebt, hätten Hitler und Stalin sich friedlich über eine Aufteilung Polens geeinigt. Es gäbe Polen heute nicht. Die Stimmen Polens in der EU werden daher gestrichen. Wenn schon kontrafaktisch, dann auch richtig, Herr Kaczynski!
Verfasst: Donnerstag 21. Juni 2007, 18:55
von Raimund J.
Stephen Dedalus hat geschrieben:Immerhin hat man sich in Polen jetzt auf einen russischen Klassiker besonnen: Kaczinski, argumentiert jetzt in der Diskussion über die EU-Stimmverteilung bereits mit den
Toten Seelen.
siehe:
http://www.spiegel.de/spam/0,1518,489939,00.html
So überlegt das durch seine Bevölkerungszahl ohnehin bevorzugte Deutschland, sich zusätzlich die Pesttoten des Dreißigjährigen Krieges anrechnen zu lassen.

Verfasst: Donnerstag 21. Juni 2007, 19:21
von Petra
Vielleicht gibt es einen (verheimlichten) dritten Kaczinski-Bruder, der gelegentlich seinen Betreuern entwischt und von einem Journalisten für einen der beiden anderen gehalten wird?
(Die Meldung vom Spiegel habe ich kaum geglaubt, aber vorhin hat in den heute-Nachrichten ein hochrangiger Luxemburger Politiker die Aussage kommentiert.)
Verfasst: Donnerstag 21. Juni 2007, 19:33
von Petra
Raimund Josef H. hat geschrieben:
siehe:
http://www.spiegel.de/spam/0,1518,489939,00.html
So überlegt das durch seine Bevölkerungszahl ohnehin bevorzugte Deutschland, sich zusätzlich die Pesttoten des Dreißigjährigen Krieges anrechnen zu lassen.

Italien, Spanien und Irland verlangen die Berücksichtigung aller Ausgewanderten seit dem Jahr 1807.
Luxemburg will überhaupt nur Staaten zur Abstimmung zulassen, deren Devisenreserven bei den Banken das nationale Bruttosozialprodukt mehr als das 10fache übersteigen.
UK verlangt die Berücksichtigung von 50% der Nordamerikaner und aller Nationen, deren Staatsoberhaupt Her Majesty noch ist und früher mal war.
Portugal besteht darauf, dass die Brasilaner mitgezählt werden.

Verfasst: Donnerstag 21. Juni 2007, 19:37
von Borax
Raimund Josef H. hat geschrieben:Stephen Dedalus hat geschrieben:Immerhin hat man sich in Polen jetzt auf einen russischen Klassiker besonnen: Kaczinski, argumentiert jetzt in der Diskussion über die EU-Stimmverteilung bereits mit den
Toten Seelen.
siehe:
http://www.spiegel.de/spam/0,1518,489939,00.html
So überlegt das durch seine Bevölkerungszahl ohnehin bevorzugte Deutschland, sich zusätzlich die Pesttoten des Dreißigjährigen Krieges anrechnen zu lassen.

Herrlich! :ikb_Jumpy:
Verfasst: Donnerstag 21. Juni 2007, 20:26
von mitsch
John Grantham hat geschrieben:Robert Ketelhohn hat geschrieben:Shakespeare immerhin hatten wir: die »Zähmung der Widerspenstigen«. Ansonsten hat irgendein Lehrer uns mit einem englischen Machwerk (auf deutsch, natürlich) zu quälen versucht, dessen Titel Butcher in the rye lautete, oder so ähnlich.
Catcher in the Rye, J. D. Salinger. Wobei ich eigentlich etwas staunen muß, daß das Buch Dir nicht gefallen hat. Ist eigentlich normalerweise genau das richtige für launische Jungen im Teenie-Alter.

Aber jedem das Seine.
Dostojewskij ("Arme Leute") und Tolstoi ("Anna Karenina") habe ich mir damals in der Schule antun müssen (äh, eigentlich habe ich bei "Karenina" gemogelt und die "Cliff's Notes"-Version, die Kurzfassung also, für mein Bericht benutzt und im Unterricht gut zugehört aber das Buch kaum gelesen...und eine 1,0 gekriegt, was soll's

) und bis heute ist mir russische Literatur ein Graus, was Du mir sicherlich auch übel nehmen wirst.
Shakespeare dagegen, vor allem seine historischen Schauspiele, sind mir eine wahre Freude. Richard III und Henry V sind Favoriten.
Latein habe ich leider nie gelernt. Wollte ich schon immer. Aber in Amerika ist das einfach nicht so geläufig und wird i.d.R. in Schulen nicht angeboten.

Dafür habe ich Deutsch-, Spanisch- und Französischunterricht gehabt (wobei ich so gut wie kein Französisch und Spanisch mehr kann -- dafür kann ich lateinische Texte einigermassen entziffern...

).
Cheers,
John
Liabe Lüt,
des meischte, von dem ihr hier gschrieba habt, hend mir in dr Schwyz in dr Schul gelesen - an einiges han i recht wenig Erinnerung, an andere Sache mehr.
Aber au die Schweiz hat echt guade Schriftsteller; siehe nur Keller!
An liaba Obendgruaß us dr Schwyz!
( Au wenn dem Olaf mei Dialekt nit gfallt! )
Mitsch
PS: Mir wollet hoffe, daß dia Polen irgendwann wieder in den Kreis zivilisierter Länder zurückfinde...
Verfasst: Donnerstag 21. Juni 2007, 22:37
von asderrix
mitsch hat geschrieben:
( Au wenn dem Olaf mei Dialekt nit gfallt! )
Ach das is Dialekt, dachte das is dei kubanische Tastatur.
Dialekt
Verfasst: Freitag 22. Juni 2007, 09:16
von sofaklecks
Ich mag Schwyzerdütsch.
Im Basler Zoo hab ich mal gehört, wie eine Oma das Enkele auf die Känguruhs mit den Worten aufmerksam machte: "Lueg au, wie se gumpet!" Schön breit gesprochen. Denkt mir bis heute.
sofaklecks
Verfasst: Freitag 22. Juni 2007, 10:23
von Yeti
John Grantham hat geschrieben:
Umso größer war mein Schock, als ich die jüngste PISA-Studie gesehen habe. Deutschland schneidete kaum besser als die USA, ja teilweise sogar schlechter ab. Und das, meine Damen und Herren, sagt sehr viel Schlimmes über Euch.

Wenn man weiss wie die Studien zustanden kamen wundert einen auch nichts mehr. Ein Patenonkel sitzt mit baden-wuerttembergischen Ministerium fuer Kultus, Jugend und Sport und koennte ein Lied darueber singen. Und was die USA betrifft handelt es sich immer noch um den G8-Staat mit der hoechsten Analphabetenquote.
Es heisst uebrigens: "Deutschland schnitt kaum besser ab als die USA...". Verzeihung, ich konnte nicht widerstehen.
John Grantham hat geschrieben: Wenn man zu sehr auf den eigenen Sprachraum konzentriert, befürchte ich, daß man dabei Nationalismus und eine enge Weltsicht fördert -- und das kann man heutzutage einfach nicht gebrauchen.
Wie wahr. Das manifestiert sich ja in der US-amerikanischen Aussenpolitik. Die beschriebene Konzentration auf den eigenen Sprachraum (und wie ich finde eine gewisse Ignoranz) hab ich uebrigens in angelsaechsischen Laendern als am ausgepraegtesten erlebt (in England natuerlich sehr abhaengig von der sozialen Schicht), noch lange vor Franzosen und anderen. Warum allerdings die Italiener so fremdsprachenfaul sind hab ich bisher noch nicht herausgefunden. Sogar auf dem Flughafen Fiumicino/Leonardo da Vinci in Rom haben die Angestellten oft kaum Englisch- , Deutsch- oder Franzoesischkenntnisse.
Aber zum Thema:
Der polnische Ministerpräsident hatte diese Woche in einem Radiointerview die Tonlage noch einmal verschärft: "Wenn Polen nicht die Jahre 1939 bis 1945 durchgemacht hätte, wäre Polen heute ein Land mit einer Bevölkerung von 66 Millionen." Das Land dürfe daher bei Abstimmungen in der EU nicht wesentlich weniger Stimmen erhalten als große Mitgliedstaaten wie Deutschland.
Wenn sich ein Staatsfuehrung dermassen kaprizioes und seltsam verhaelt sehe ich nicht ganz ein warum man dann nicht gleiches Recht fuer alle gelten laesst. Als in Oesterreich der Rechtspopulist Haider mit in die Regierung gewaehlt wurde, beteiligten sich die meisten EU-Staaten an einem "Boykott". Aehnliches faende ich fuer Polen schon lange angemessen. Schliesslich ist es ja wenig plausibel im einen Fall keinerlei Ruecksicht auf die Bevoelkerung zu nehmen (sie hat die Regierung im einen wie im anderen Fall ja gewaehlt), im anderen jedoch damit zu kommen, dass "die Polen ja ganz anders seien"; ich kenne einige Polen die ganz- und gar unzufrieden sind mit ihrer Regierung (und das ist noch hoeflich ausgedrueckt), aber das sind Intellektuelle. Die Mehrheit im Land hat sich fuer dieses Duo inferniale ausgesprochen.
Gruss Yeti
Verfasst: Freitag 22. Juni 2007, 10:48
von John Grantham
Yeti hat geschrieben:John Grantham hat geschrieben:Umso größer war mein Schock, als ich die jüngste PISA-Studie gesehen habe. Deutschland schneidete kaum besser als die USA, ja teilweise sogar schlechter ab. Und das, meine Damen und Herren, sagt sehr viel Schlimmes über Euch.

Wenn man weiss wie die Studien zustanden kamen wundert einen auch nichts mehr. Ein Patenonkel sitzt mit baden-wuerttembergischen Ministerium fuer Kultus, Jugend und Sport und koennte ein Lied darueber singen. Und was die USA betrifft handelt es sich immer noch um den G8-Staat mit der hoechsten Analphabetenquote.
Dafür auch z.B. mit der höchsten Nobelpreisträgerquote und mit den besten Unis. *schulterzuck* Es ist eben ein Land der Extremen.
Yeti hat geschrieben:Es heisst uebrigens: "Deutschland schnitt kaum besser ab als die USA...". Verzeihung, ich konnte nicht widerstehen.
Tja, ich hatte nur drei Jahre Deutschunterricht in der middle school. Mea culpa.
Yeti hat geschrieben:John Grantham hat geschrieben:Wenn man zu sehr auf den eigenen Sprachraum konzentriert, befürchte ich, daß man dabei Nationalismus und eine enge Weltsicht fördert -- und das kann man heutzutage einfach nicht gebrauchen.
Wie wahr. Das manifestiert sich ja in der US-amerikanischen Aussenpolitik. Die beschriebene Konzentration auf den eigenen Sprachraum (und wie ich finde eine gewisse Ignoranz) hab ich uebrigens in angelsaechsischen Laendern als am ausgepraegtesten erlebt (in England natuerlich sehr abhaengig von der sozialen Schicht), noch lange vor Franzosen und anderen.
Das ändert sich so langsam, zwangsläufig, teilweise wegen der großen Zahl von Einwanderern. Das interessante ist, die Geburtsrate der "Einheimischen" in Amerika ist fast genau so niedrig wie in Deutschland. Das wird aber nicht berichtet, weil die Bevölkerung stark wächst -- wegen der Einwanderer und deren starken Geburtsrate. Es fällt aber auch weniger auf, weil dort die Einwanderung nicht so einseitig ist wie hierzulande (wo die meisten Türken sind) und man ist es auch relativ gewohnt, Einwanderer zu haben.
Die Debatte zur Zeit dreht sich meistens um
illegale Einwanderer, denn die Grenzen in Amerika sind tatsächlich porös (wobei ich eigentlich kein Problem damit habe -- von mir aus keine Grenzen). Aber auch nach einer Reform würde man relativ viele jährlich reinlassen, und die, die bereits im Lande sind, würden weiterhin viele Babys machen. Amerika ist längst kein weißeuropäisch dominiertes Land mehr, und Englisch wird dort nicht mehr so dominant sein, wie es mal war.
¡Hola! Yo soy americano.
Cheers,
John
Verfasst: Freitag 22. Juni 2007, 10:56
von Petra
John Grantham hat geschrieben:
Dafür auch z.B. mit der höchsten Nobelpreisträgerquote und mit den besten Unis. *schulterzuck* Es ist eben ein Land der Extremen.
Es ist auch ein Land mit extrem guten Konditionen für Wissenschaftler an den Unis und mit teils extrem hohen Studiengebühren.

Re: Dialekt
Verfasst: Freitag 22. Juni 2007, 10:58
von Raimund J.
sofaklecks hat geschrieben:Ich mag Schwyzerdütsch.
Im Basler Zoo hab ich mal gehört, wie eine Oma das Enkele auf die Känguruhs mit den Worten aufmerksam machte: "Lueg au, wie se gumpet!" Schön breit gesprochen. Denkt mir bis heute.
sofaklecks
Ich mag es auch sehr, wie die deutschsprachigen Schweizer ihre Sprache pflegen. Schon wenn ich auf der A5 richtung Grenze fahre und das erste Mal wieder im Radio "DRS drüü" erklingt, geht mir das Herz auf.

Hohe Studiengebühren
Verfasst: Freitag 22. Juni 2007, 11:08
von sofaklecks
Ja, das ist richtig.
Ich weiss aber aus eigener Erfahrung, dass es für gute Schüler auch ausreichend Stipendien gibt. Das gleicht vieles aus.
sofaklecks
Verfasst: Freitag 22. Juni 2007, 11:10
von John Grantham
Petra hat geschrieben:John Grantham hat geschrieben:Dafür auch z.B. mit der höchsten Nobelpreisträgerquote und mit den besten Unis. *schulterzuck* Es ist eben ein Land der Extremen.
Es ist auch ein Land mit extrem guten Konditionen für Wissenschaftler an den Unis und mit teils extrem hohen Studiengebühren.

Wem sagst Du das. Habe auch dort die Studiengebühren bezahlen müssen und bin zur Privatschule gegangen.
Andererseits stellt sich die Frage: Wenn man Wert auf gute Ausbildung legt, muß man sich fragen, ob das System hierzulande nicht zumindest ein paar Ideen übernehmen sollte. Außerdem finde ich es z.B. recht kindisch, über Studiengebühren von €500 je Semester zu beklagen, wenn ein deutscher städtischer Kindergarten das Mehrfache kostet.
Ich denke zwar schon, daß ein Uni-Studium für die breite Masse zugänglich sein sollte. Es darf nicht sein, daß ein Studium nur für die reiche Elite vorbehalten bleibt. Daher denke ich, daß die Regelzeit (aber *nur* die Regelzeit) weitgehend vom Staate mitfinanziert werden sollte, erst recht für die, die das Zeug dazu haben. Aber man sollte trotzdem bei der ganzen Geschichte die Perspektive nicht verlieren.
Cheers,
John
Verfasst: Freitag 22. Juni 2007, 18:09
von Linus
Yeti hat geschrieben:die meisten EU-Staaten
ist das ein neuer Euphemismus für "Alle"?
Verfasst: Samstag 23. Juni 2007, 11:13
von Yeti
Linus hat geschrieben:Yeti hat geschrieben:die meisten EU-Staaten
ist das ein neuer Euphemismus für "Alle"?
Nein, ich war mir nur nicht mehr sicher und hatte keine Lust gross zu recherchieren, aber ich konnte mich noch erinnern dass es viele waren. Ein Wiener mit dem ich mich gestern darueber unterhielt meinte dass der Grund fuer den damaligen fehlenden Widerstand gegen den Boykott die geringe Groesse Oesterreichs sei. Aber dann muesste es Daenemark auch treffen, dort ist ja oder war m.W. auch eine rechtspopulistische Partei mit an der Regierung.
Gruss Yeti
Verfasst: Sonntag 24. Juni 2007, 21:39
von mitsch
Liabe Lüt,
amaol ehrlich gsait:
wenn ihr euch von dene Polen soooo an der Nase rumführen lasset, seid ihr selber schuld - aber uns Schweizer könnt ihr mit SO EINER POLITIK nit fangen...
An liaba Gruaß us Bern / Stadt / Schwyz ( neutral us guatem Grund )
vom Mitsch