Es ist im Gegenteil so, daß Eckhart unter die Räder des Konflikts zwischen Franziskanern und Dominikanern kam, denn das Verfahren gegen ihn wurde vom Franziskanischen Erzbischof von Köln angestrengt als dieser Konflikt in seiner heißesten Phase war. Eckhart wurde nie persönlich als Häretiker verurteilt, und "seine" 28 Thesen die schließlich verurteilt wurden wurden offiziell "dem Hörensagen nach" (prout verba sonet) verurteilt. Dabei wurden weder Manuskripte noch Mitschriften seiner Reden gesichtet, noch kann man diese Thesen klar zuordnen. Es besteht auch wenig Zweifel dran, daß hier der Erzbischof von Köln politisch Druck auf Papst Johannes XII ausübte (als Elektor im HRR). Die Anklage gegen Eckhart hatte wenig Substanz, war aber extrem erfolgreiche als Rufmord - halt bis heute noch. Es gibt Kommunikationen zwischen den Dominikanern und dem Vatikan bzgl. einer Rehabilitierung von Eckhart in den 90ern, mit der Antwort daß es da im Wesentlichen nichts zu rehabilitieren sei (weil halt weder persönlich verurteilt, noch identifizierbare Schriften verurteilt). Und JP2 hat Eckhart in einer Audienz in den späten Achtzigern zitiert, was auch für einen ungezwungenen Umgang mit seinen Materialien spricht.Bruder Donald hat geschrieben: ↑Donnerstag 8. April 2021, 12:10Obwohl ich Meister Eckhart bereits "kannte" (naja, ich hab von ihm vernommen, besonders die Häresievorwürfe und er hatte eher den Ruf für einen liberalen, heterodoxen Katholizismus zu stehen, also habe ich ihn nie angefasst), habe ich erst vor "kurzem" erfahren, dass er Dominikaner ist. Hat mich sehr verwundert, denn von den Dominikanern habe ich mehr das Bild von bodenständigen Gelehrten, also TvA als Prototyp, zu denen ein "Mystiker" (soll ja wissenschaftlich umstritten sein, ob das zutrifft) wie Eckhart gar nicht passt. Hätte ihn eher bei den Franziskanern verortet.
Eckhart war ein hochrangiger Theologe, und es gibt von ihm entsprechende lateinische "akademische" Schriften im scholastischen Stil. Aber berühmt ist er für seine deutschen Volkspredigten, die ganz klar auf "mitreißen" und "überraschen" ausgelegt sind. Und thematisch steht er zwar sicher nicht gegen die Kirche, aber er ist mehr an individueller Praxis interessiert, an spiritueller Lebensführung. Insofern ist es weder ein Wunder, daß er damals den Erbischof von Köln zum Gegner kriegte (nicht nur aus dem Konflikt der Orden heraus), noch daß er heute gerne von liberalen Katholiken vereinnahmt wird.
Ich sehe ihn hingegen als ein Modell für die Zunkunft der Kirche im Westen. Ein gebildeter - und m.E. durchaus orthodoxer - Theologe, der die Menschen mit brennender Rede zu einem spirituellen Leben begeistern kann. Auf jeden Fall ist er aber ein "sine qua non" für jeden der auch nur irgendwie an deutscher (und niederländisch-flämischer) Mystik interessiert ist. Muß man einfach mal gelesen haben... Das Insel Taschenbuch bietet eine schöne Auswahl für wenig Geld.