Stechschritt

Sonstiges und drumherum.
Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Beitrag von Nietenolaf »

anneke6 hat geschrieben:Ich bin im Herzen immernoch nicht wirklich ganz deutsch. Kommt vielleicht noch.
Das kommt von allein, wenn Du erst Deine Spaziergänge im Stechschritt absolvierst.

Benutzeravatar
anneke6
Beiträge: 8493
Registriert: Montag 19. September 2005, 12:27

Beitrag von anneke6 »

Nietenolaf hat geschrieben:
anneke6 hat geschrieben:Ich bin im Herzen immernoch nicht wirklich ganz deutsch. Kommt vielleicht noch.
Das kommt von allein, wenn Du erst Deine Spaziergänge im Stechschritt absolvierst.
Ich werde den Rat beherzigen! Morgen gehts im Stechschritt (und mit teutonischer Pünktlichkeit) in die polnische Kirche!

@ raimund: Diese Meldung bekomme ich auch immer…aber ich dachte, da währe nur mein Apfelrechner dran schuld.
???

Benutzeravatar
ar26
Beiträge: 3245
Registriert: Sonntag 19. November 2006, 10:46
Wohnort: Sachsen

Beitrag von ar26 »

Stechschritt ist in Deutschland speziell in der Bundeswehr abgeschafft worden. Gilt als zu preußisch. Im Moskauer Frühling soll er allerdings noch zu beobachten sein.

Benutzeravatar
Sebastian
Beiträge: 1537
Registriert: Sonntag 20. August 2006, 11:23
Wohnort: Frag den Igel
Kontaktdaten:

Beitrag von Sebastian »

ar26 hat geschrieben:Stechschritt ist in Deutschland speziell in der Bundeswehr abgeschafft worden. Gilt als zu preußisch. Im Moskauer Frühling soll er allerdings noch zu beobachten sein.
Ich denke nicht, dass das "preußische" daran problematisch war, oder ist, sondern dass die Nazis den Stechschritt in Perfektion vorführten und es da verständlicherweise bei der Bundeswehr zu gewissen Assoziationen käme. Bei Rußland ist das anders: Stechschritt gab's schon bei den Zarentruppen (wurde wohl aus einer Bewunderung für Preussen übernommen).
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

Benutzeravatar
ar26
Beiträge: 3245
Registriert: Sonntag 19. November 2006, 10:46
Wohnort: Sachsen

Beitrag von ar26 »

Mit der Assoziation zur NS-Zeit magst Du Sebastian sicher recht haben, jedoch wurde der Stechschritt mE nach in der Wehrmacht, also einer Armee mit explizit preußischer Tradition, praktiziert. Dort kommt der Stechschritt ja auch her. Hingegen waren derartige Traditionen in der Waffen-SS eher verpönt. Da sich Gleichsetzung von Wehrmacht und NS-Staat verbietet, kann man den Hinweis auf die NS-Zeit nicht ganz unkommentiert stehen lassen.

Keinesfalls ist der Stechschritt aber typisch deutsch. Nur daher bin ich auf Nietenolafs dämliche Bemerkung eingegangen.

sofaklecks
Beiträge: 2776
Registriert: Sonntag 28. Mai 2006, 16:29

Wirklich?

Beitrag von sofaklecks »

"Da sich Gleichsetzung von Wehrmacht und NS-Staat verbietet."

Verbietet sich das wirklich?

sofaklecks

Benutzeravatar
ar26
Beiträge: 3245
Registriert: Sonntag 19. November 2006, 10:46
Wohnort: Sachsen

Beitrag von ar26 »

Ja das verbietet sich, denn andernfalls müsste man konstatieren, daß die Wehrmacht die ungehorsamste Armee der Militärgeschichte gewesen wäre.

Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Beitrag von Nietenolaf »

ar26 hat geschrieben:Keinesfalls ist der Stechschritt aber typisch deutsch. Nur daher bin ich auf Nietenolafs dämliche Bemerkung eingegangen.
Ganz Deiner Meinung. Ich unterschlug nämlich den Troß Orthopäden, der den stechschreitenden deutschen Batallionen aus offensichtlichen Gründen immer folgen mußte.

Benutzeravatar
anneke6
Beiträge: 8493
Registriert: Montag 19. September 2005, 12:27

Beitrag von anneke6 »

Ich habe das Wort zuerst in einer Geschichte von Ephraim Kishon kennengelernt. Der Ich-Erzähler will sich als Arzt ausgeben, und marschiert deshalb im "teutonischen Stechschritt". Eine Anmerkung erklärt, daß fast alle israelischen Ärzte alte Deutsche seien, und daß man, wenn man im Land der Zionisten jemanden deutsch sprechen hört, die Anrede "Herr Doktor" immer gut sei.
Aber gestern, nach der Kirche. Ich erzählte, in Gegenwart von Pastor Józef, einem Aushilfsgeistlichen, daß ich bald zu meiner Familie fahren will. Plötzlich machte ein junges Mädchen, das ich gar nicht kenne, die Bemerkung: "Sie ist eine Deutsche."
Objektiv gesehen stimmt das ja.
???

Benutzeravatar
ar26
Beiträge: 3245
Registriert: Sonntag 19. November 2006, 10:46
Wohnort: Sachsen

Beitrag von ar26 »

Hast Du erzählt, daß Du aus dem Oppelner Land / Opolszczyzna stammst? :D

PS: Findest Du wirklich, daß "Pastor" wirklich die beste Übersetzung für "ksiądz" ist? Als Tradi fänd ich "Hochwürden" besser. In Sachsen sagt man Pastor zu den prot. Gemeindeleitern.

Benutzeravatar
anneke6
Beiträge: 8493
Registriert: Montag 19. September 2005, 12:27

Beitrag von anneke6 »

Die beste Übersetzung ist das bestimmt nicht. Ich habe früher "ksiądz" meistens ausgeschrieben. Aber das Problem fängt schon damit an, daß der Durchschnittsleser, der meinen Beitrag liest, nicht weiß, wie er das Wort aussprechen soll. Wenn ich nur die Abkürung Ks. davor schreibe, denken die Leute, ich schreibe über einen Kammersänger.
Die wörtliche Übersetzung mit "Prinz" oder "Fürst" ist äußerst unpraktisch.
Und das deutsche "Hochwürden" wird meines Wissens mit dem Nachnamen geführt, und nicht mit dem Vornamen, wie es i.R. mit dem polnischen "ksiądz" gemacht wird.
???

Benutzeravatar
Yeti
Beiträge: 2843
Registriert: Donnerstag 10. Februar 2005, 14:39
Wohnort: In the middle of the Ländle

Stechschritt

Beitrag von Yeti »

Hier der Artikel zum Stechschritt bei Wikipedia. Am Tag der Kapitulation des "Großen Vaterländischen Krieges" scheint er tatsächlich noch vorgeführt zu werden. Darüber, daß die zaristische Armee den Stechschritt von Preußen übernahm, steht nichts in dem Artikel, aber es ist sehr wahrscheinlich. Noch heute finden sich im Russischen in der Militärsprache besonders viele Wörter mit deutscher Herkunft, aber nicht nur dort. Über "Курорт" musste ich sehr schmunzeln. Und in einem "Maрщрут такси" zu fahren, war für mich auch ganz neu - aber aufregend.
sofaklecks hat geschrieben:"Da sich Gleichsetzung von Wehrmacht und NS-Staat verbietet."

Verbietet sich das wirklich?

sofaklecks
Ja, das verbietet sich. Mein Opa war kein Nazi und viele andere damals sicher auch nicht. Daß Reemtsma und Consorten der damaligen militärischen Führung aus sicherer zeitlicher Entfernung den Gehorsam vorwerfen, ist perfide, wenn auch für Gutmenschen typisch. Aber man hat ja gesehen, daß er nicht mal vor Fälschungen zurückschreckt. Wenn man bedenkt, wie "unpreussisch" und ganz unmöglich ein solcher Akt des Widerstandes wie derjenige von Stauffenberg damals in der Wehrmacht gesehen wurde, relativiert sich vieles. Natürlich war das Kadavergehorsam, der heute in der Bundeswehr zum Glück überwunden ist. Aber so war eben die Zeit und Geschichte sollte immer aus dem zeitlichen Kontext betrachtet werden, beurteilt sowieso.

Gruß, Yeti

sofaklecks
Beiträge: 2776
Registriert: Sonntag 28. Mai 2006, 16:29

Gleichsetzungen

Beitrag von sofaklecks »

War Deutschland zu Beginn des Krieges ein NS-Staat?

Wenn ja, was war dann die Armee dieses Staates.

Was war ihr Zweck?

Wer hatte sie zu diesem Zweck reorganisiert?

Bestand zu dieser Reorganisation breite Zustimmung im Staat und in der reorganisierten Armee?

Wohlgemerkt, es war nach dem NS-Staat gefragt, nicht nach der Partei.

Und nicht nach einer etwaigen verbrecherischen Gesinnung einzelner Wehrmachtssoldaten.

Aber dass Deutschland im Jahre 1939 ein NS-Staat und die Wehrmacht dessen Armee war, das wird doch kaum zu bestreiten sein.

Und nur am Rande, dass es Kriegsverbrechen der Wehrmacht gab, das muss man nicht erst aus einer Ausstellung lernen. Kefalonia reicht aus, um das unschwer und deutlich zu belegen. Und das kennt jeder spätestens seit Corellis Mandoline. Natürlich ist das ein Propagandafilm der Gutmenschen.

sofaklecks

Benutzeravatar
pierre10
cum angelis psallat Domino
Beiträge: 2297
Registriert: Sonntag 4. September 2005, 06:23

Beitrag von pierre10 »

Um Sofaklecks zu antworten: Natürlich war Deutschland zu Beginn des Krieges ein NS Staat.

Die Probleme der Wehrmacht haben sicher mit dem deutscheigenen Bedürfnis nach Gehorsam, Fleiss und auch Perfektion zu tun.

Nie hat ein Land, eine Nation Vernichtungsaktionen so perfekt organisiert wie das Nazideutschland. Ich kann immer noch nicht so richtig verstehen, warum ich selbst, aber auch meine Familie überlebt haben. Vielleicht gab es da zu meinem Glück auch ein paar Unperfektionen.

;)

Der Stechschritt ruft heute noch bei mir ein Gefühl der unangenehmen Art hervor, selbst wenn er von russischen oder chinesischen (wie jetzt bei Olympia) Soldaten gezeigt wird.

Pierre

ps: Um einer Diskussion vorzugreifen: Sicher haben viele andere Staaten in dieser Welt unliebsame Bürger getötet, das ist keine deutsche Exklusivität..... nur die Größenordnung und Perfektion sind das Besondere.

Ich erinnere mich, dass ich mit meinen Eltern vor unserem Volksempfänger saß und hörten, wie Goebbels die Frage rief: Wollt Ihr den totalen Krieg? und Tausende riefen Ja.

Wir waren alle entsetzt, meine Mutter weinte.

Die Strafe folgte auf dem Fuße, Deutschland wurde weitgehend zerstört. Und dass dieses Lend dann wieder aus den Trümmern aufstand, ist sicher auch eine Folge von Gehorsam, Fleiss und auch Perfektion.

Was dann die Frage aufkommen lässt: Hat die heutige Generation noch diese Werte?

P.
Grenzen im Kopf sind sehr hinderlich

Benutzeravatar
Linus
Beiträge: 15072
Registriert: Donnerstag 25. Dezember 2003, 10:57
Wohnort: 4121 Hühnergeschrei

Beitrag von Linus »

pierre10 hat geschrieben: nur die Größenordnung und Perfektion sind das Besondere.
Die Größenordnung war kleiner als im stalinistischen Gulag. Die Perfektion? Na da magst du recht haben. Wobei: Die Mercedes der Jahre 2002/03 sollen auch nicht mehr so perfekt sein wie ehedem
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
"Black holes are where God divided by zero. - Einstein

Benutzeravatar
Yeti
Beiträge: 2843
Registriert: Donnerstag 10. Februar 2005, 14:39
Wohnort: In the middle of the Ländle

Beitrag von Yeti »

Linus hat geschrieben:
pierre10 hat geschrieben: nur die Größenordnung und Perfektion sind das Besondere.
Die Größenordnung war kleiner als im stalinistischen Gulag. Die Perfektion? Na da magst du recht haben. Wobei: Die Mercedes der Jahre 2002/03 sollen auch nicht mehr so perfekt sein wie ehedem
Genau das ist der Punkt. Nicht die Größenordnung des Mordens ist in der Beurteilung heute entscheidend, sondern die Perfektion. Da dies aber kein moralisches Kriterium ist, kann der Grund nur in der Psychologie liegen. Und weil Gehorsam, Fleiß und Perfektion vor 40 Jahren zu Sekundärtugenden erklärt wurden, sieht's auch heute so aus in Deutschland. Wieder ein wenig mehr positive preußische Tugenden täte allen gut. Daß dieses Land nach dieser totalen Zerstörung wieder so aufgebaut wurde, ist in der Tat eine Folge von Fleiß, Gehorsam und Perfektion. Frankreich oder England hätten das niemals geschafft. Da ist auch sehr viel Neid dabei, war es immer. Neid aber ist die ehrlichste Form der Anerkennung.
sofaklecks hat geschrieben:War Deutschland zu Beginn des Krieges ein NS-Staat?
Ja, so sind die historischen Fakten. Und?
sofaklecks hat geschrieben:Wenn ja, was war dann die Armee dieses Staates.

Was war ihr Zweck?
Ihr Zweck war die Kriegsführung, wie von jeder Armee dieser Welt. Deshalb hieß das entsprechende Ministerium auch "Kriegsministerium". Das war noch ehrlicher.
sofaklecks hat geschrieben:Wer hatte sie zu diesem Zweck reorganisiert?
Sie wurde nicht reorganisiert, sondern aufgebaut und vergrößert, schließlich bestand ja die Reichswehr auch schon vorher. Und natürlich wurde sie vergrößert, um besser Krieg führen zu können. Wozu sonst?
sofaklecks hat geschrieben:Bestand zu dieser Reorganisation breite Zustimmung im Staat und in der reorganisierten Armee?
Natürlich bestand breite Zustimmung. Schließlich ist die nationale Armee immer auch ein identifikationsstiftendes Instrument des Staates, das sichtbare Zeichen seines Hoheitsrechtes. Und nach der unklugen Demütigung des Versailler Vertrages war das Volk dankbar für jede Art von nationalem Trost.

sofaklecks hat geschrieben:Wohlgemerkt, es war nach dem NS-Staat gefragt, nicht nach der Partei.
Das ist mir schon klar. Der NS-Staat bestand aus dem Deutschen Volk, woraus sonst? Etiketten oder Schubladen helfen aber da nicht weiter.
sofaklecks hat geschrieben:Und nicht nach einer etwaigen verbrecherischen Gesinnung einzelner Wehrmachtssoldaten.
Eine Armee besteht aber aus einzelnen Soldaten. Es erscheint mir recht sinnlos und widersprüchlich, die Wehrmacht schuldig zu sprechen, aber die einzelnen Individuen, die sie bilden, unberücksichtigt zu lassen. Du zäumst das Pferd falsch herum auf. Schuld tragen immer nur Individuen und ebensolche schuldigen Individuen gab es mit Sicherheit auch in der Wehrmacht.
sofaklecks hat geschrieben:Aber dass Deutschland im Jahre 1939 ein NS-Staat und die Wehrmacht dessen Armee war, das wird doch kaum zu bestreiten sein.
Das bestreitet auch keiner, nur die Schlußfolgerungen.
sofaklecks hat geschrieben:Und nur am Rande, dass es Kriegsverbrechen der Wehrmacht gab, das muss man nicht erst aus einer Ausstellung lernen. Kefalonia reicht aus, um das unschwer und deutlich zu belegen. Und das kennt jeder spätestens seit Corellis Mandoline. Natürlich ist das ein Propagandafilm der Gutmenschen.
Sicher, keiner bestreitet daß es Kriegsverbrechen in der Wehrmacht gab. Darum ging es gar nicht. Nur daß dadurch die ganze Organisation verbrecherisch war, kann man daraus nicht schlußfolgern, ohne der Logik Gewalt anzutun. So gesehen waren alle am Weltkrieg beteiligten Armeen Kriegsverbrecher. Den Film "Corellis Mandoline" kenne ich nicht, aber nachdem ich mir die
Kritik durchgelesen habe, muß ich ihn auch nicht mehr sehen. Ich hatte ein Jahr Zeit in Rom mir die antideutschen Kriegsfilme im italienischen Fernsehen anzutun. Man gefällt sich dort recht gut in der historisch unzutreffenden Gestalt des Opfers. Dabei kann man an jeder Ecke Mussolini-Büsten und Bilder kaufen. Es ist kein Wunder, daß man Berlusconi erneut gewählt hat. Ein Italiener sagte mir, daß dieser Staat anders als durch seine hemdsärmelige Art gar nicht zu führen sei.

Es würde gut tun, das ganze Thema weniger emotional zu diskutieren. Aber damit hat sich schon Ernst Nolte im Historikerstreit eine blutige Nase geholt und ein Herr Jenninger musste zurücktreten. Heute kräht da kein Hahn mehr danach.

Gruß, Yeti

sofaklecks
Beiträge: 2776
Registriert: Sonntag 28. Mai 2006, 16:29

Sieh ihn dir an

Beitrag von sofaklecks »

Lass uns ruhig verschiedener Auffassung sein, solange wir die Fakten nicht entstellen, um Recht zu behalten.

Ach ja, sieh dir Corellis Mandoline an. Am besten mit der Dame deines Herzens. Und lad sie anschliessend zum Italiener ein. Und bring sie nach Hause.

sofaklecks

Benutzeravatar
Ewald Mrnka
Beiträge: 7001
Registriert: Dienstag 30. November 2004, 11:06

Beitrag von Ewald Mrnka »

ar26 hat geschrieben:Stechschritt ist in Deutschland speziell in der Bundeswehr abgeschafft worden. Gilt als zu preußisch. Im Moskauer Frühling soll er allerdings noch zu beobachten sein.
Die NVA hat den auch gepflegt. Die NVA war überhaupt sehr deutsch, sehr preußisch.
Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
WEN und WAS darfst Du NICHT kritisieren?
WESSEN INTERESSEN verfolgt das System?

Benutzeravatar
Ewald Mrnka
Beiträge: 7001
Registriert: Dienstag 30. November 2004, 11:06

Beitrag von Ewald Mrnka »

pierre10 hat geschrieben: Nie hat ein Land, eine Nation Vernichtungsaktionen so perfekt organisiert wie das Nazideutschland.
......über den Grad von "Perfektion" bei Vernichtungsaktionen möchte ich nicht diskutieren; das ist mir zu makaber.
Das trostlose 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert der Barbarei; da agierte nicht nur Hitler; auch Stalin und seine Clique hatten fürchterlich gewütet. Der Große Vorsitzende soll noch schlimmer gewesen sein und Pol Pot............
Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
WEN und WAS darfst Du NICHT kritisieren?
WESSEN INTERESSEN verfolgt das System?

Benutzeravatar
ar26
Beiträge: 3245
Registriert: Sonntag 19. November 2006, 10:46
Wohnort: Sachsen

Beitrag von ar26 »

Niemand bestreitet das es Kriegsverbrechen, welche durch Angehörige oder Truppenteile der Wehrmacht verübt worden sind, gab; aber Kriegsverbrechen scheinen wohl zum Krieg ansich zu gehören, auf allen Seiten. So wie es in einer zivilen Gesellschaft ebenso Verbrechen gibt. Es wird ja auch keiner bestreiten wollen, daß es auf Seiten der Alliierten Verstöße gegen Kriegsvölkerrecht gab.

Mir ging es um die Gleichsetzung von Wehrmacht und NS-Staat. Diese wäre nur gegeben, wenn die Wehrmachtsführung, das Offizierskorps etc. aus überzeugten Nationalsozialisten bestanden hätte. Das lässt sich schon anhand des militärischen Widerstand wiederlegen, aber auch an dem Fakt, daß für einen Großteil des Offizierskorps die "patriotische Pflichterfüllung" und nicht das Vertreten einer bestimmten Ideologie im Vordergrund stand.

Mein Filmtipp hierzu: Der Pianist. Der deutsche Hauptmann war übrigens, was im Film nicht deutlich wird, frommer Katholik und hat aus dieser Motivation heraus mehreren polnischen sowie jüdischen Bürgern das Leben gerettet. Gleichzeitig war er aber auch Parteimitglied, was aus einer Prägung durch die bündische Jugend und starkem Patriotismus herrührte. Er hat posthum 2007 den Orden "der Wiedergeburt Polens" verliehen bekommen, was wegen der Parteimitgliedschaft nicht ganz unumstritten war. Es existieren zudem Bestrebungen ihn zum "Gerechten der Völker" zu machen. Ich denke wenn selbst das Ausland und die Opfer des III. Reiches derart differenzieren können, sollten wir das auch tun.

Benutzeravatar
anneke6
Beiträge: 8493
Registriert: Montag 19. September 2005, 12:27

Beitrag von anneke6 »

Das ist in der Tat ein interessanter Film. Ich habe auch das Buch dazu, da steht schon etwas über den Glauben von Hauptmann Hosenfeld (?).
???

Benutzeravatar
pierre10
cum angelis psallat Domino
Beiträge: 2297
Registriert: Sonntag 4. September 2005, 06:23

Beitrag von pierre10 »

Wenn heute über dieses Thema diskutiert wird, sind die meisten Teilnehmer logischerweise keine Zeitzeugen sondern kennen die Details der Situation 1933 bis 45 weitgehend aus der Literatur, Filmen, in besten Fall durch Gespräche mit Menschen, die diese Zeit erlebten.

Aber auch diese waren nicht objektiv, weder die Betroffenen wie ich noch die Mitläufer, die ihre Teilnahme minimisierten, von den Tätern ganz zu schweigen.

Nun sind über 60 Jahre seit dem Ende der Nazidiktatur vergangen. Auch wenn wir die Dramen dieser Zeit nicht vergessen sollten, können wir doch sagen, dass durch die zumindest teilweise Aufarbeitung, durch Bücher und Forschung eine Ebene geschaffen wurde, die Ähnliches in Deutschland wohl unmöglich macht.

Darüber schreiben, sprechen und diskutieren ist ok, nicht vergessen aber sollten wir mit Vorwürfen aufhören. Wir sollten die Dämonen von einst nicht wecken, auch wenn die Neonazis das gerne tun.

Wenn ich mich 1957 entschloss, mein Leben nicht in Deutschland zu leben und nach Frankreich ging, dann vor allem da zu dieser Zeit noch zuviele "Ehemalige" in Amt und Würden waren.

Diese Entscheidung habe ich nie bereut, ich habe immer noch "nur den deutschen Pass" und habe nie verheimlicht, dass ich Deutscher bin. Was nach dem Krieg nicht ganz einfach war, gab es doch viele Ressentiments.

Ich kann nur hoffen und beten, dass unsere heutige Welt aus der tragischen Vergangenheit lernt und dass unsere Kinder und Enkel nie so eine Zeit erleben/erleiden müssen.

Pierre
Grenzen im Kopf sind sehr hinderlich

sofaklecks
Beiträge: 2776
Registriert: Sonntag 28. Mai 2006, 16:29

Bestreiten

Beitrag von sofaklecks »

"Mir ging es um die Gleichsetzung von Wehrmacht und NS-Staat. Diese wäre nur gegeben, wenn die Wehrmachtsführung, das Offizierskorps etc. aus überzeugten Nationalsozialisten bestanden hätte."

Die Richtigkeit dieser Formel bestreite ich.

Wenn eine Armee die Ziele einer Staatsführung mit Gewalt durchsetzt, dann muss sie sich mit diesem Staat gleichsetzen lassen. Es gibt keine innere Emmigration bei einem rechtswidrigen Angriffskrieg.

Davon ganz unabhängig sind die Gewissensentscheidungen Einzelner zu beurteilen. Sie sind aber keine Rechtfertigung für die deren Gewissen nur deshalb rein blieb, weil sie es nicht benutzten.

Ein noch eindrucksvolleres Beispiel für solche Menschen ist Erwin Dold. Er war KZ-Kommandant. Als er angeklagt wurde, kam es zu unglaublichen Szenen vor dem französischen Militärgericht. Weinend baten Zeugen darum, ihn freizusprechen. Guckst du:

http://www.frsw.de/littenweiler/buchenb ... as%20Leben

Ein Katholik, der aus seinem Glauben heraus handelte.

sofaklecks

Benutzeravatar
Yeti
Beiträge: 2843
Registriert: Donnerstag 10. Februar 2005, 14:39
Wohnort: In the middle of the Ländle

Gleichsetzung von Wehrmacht und NS-Staat

Beitrag von Yeti »

Anlässlich der Reemtsma-Ausstellung 2004 hat der US-amerikanische Völkerrechtler und Historiker Alfred de Zayas einen Vortrag vor allem über den Vorwurf an die Wehrmacht gehalten, eine verbrecherische Organisation gewesen zu sein. Die Quintessenz dieses Vortrages, aber auch die Beurteilung der bekannten Anschuldigungen lässt sich m.E. mit diesem Zitat aus dem Beginn des Vortrages über die beiden Reemtsma-Ausstellungen zusammenfassen:

"Wir wissen alle, dass Wehrmachtsoldaten Kriegsverbrechen begangen haben. Dies war und ist nichts neues und war in etlichen Kriegsverbrecherprozessen der 40er, 50er und 60er Jahren bewiesen und in wissenschaftlichen Büchern ausreichend dokumentiert.Darum war diese Ausstellung wissenschaftlich nicht nötig. Sie verfolgte m.E. ein anderes Ziel: nämlich die Wehrmacht als Institution zu desavouieren. Viele Tausende haben die Ausstellung besucht, vor allem Schulklassen. Man weiß nicht, wie viel Schaden die Ausstellung verursacht hat."

Vermutlich mehr als er damals ahnte. Wir haben heute ein gebrochenes Verhältnis zu unserer Geschichte. Ich will und darf hier nicht wiedergeben, was viele meiner Schüler stöhnend meinen, wenn das Thema "Nationalsozialismus" auch nur am Rande gestreift wird.

Gruß, Yeti

Benutzeravatar
overkott
Beiträge: 19634
Registriert: Donnerstag 8. Juni 2006, 11:25

Beitrag von overkott »

Lass doch den Alten blubbern.....

Benutzeravatar
Yeti
Beiträge: 2843
Registriert: Donnerstag 10. Februar 2005, 14:39
Wohnort: In the middle of the Ländle

Beitrag von Yeti »

overkott hat geschrieben:Lass doch den Alten blubbern.....
:D Ich wollte es wäre so, wir haben ja auch als Schüler oft so reagiert...aber leider kommen oft echt heftigere Kommentare. :nein:

Benutzeravatar
Ewald Mrnka
Beiträge: 7001
Registriert: Dienstag 30. November 2004, 11:06

Re: Gleichsetzung von Wehrmacht und NS-Staat

Beitrag von Ewald Mrnka »

Yeti hat geschrieben:Ich will und darf hier nicht wiedergeben, was viele meiner Schüler stöhnend meinen, wenn das Thema "Nationalsozialismus" auch nur am Rande gestreift wird.

Gruß, Yeti
Das ist zwar bedauerlich, aber man kann es gut verstehen;
das unaufhörliche "mea culpa" über alle Kanäle erzeugt Überdruß.
Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
WEN und WAS darfst Du NICHT kritisieren?
WESSEN INTERESSEN verfolgt das System?

Antworten Vorheriges ThemaNächstes Thema