ieromonach hat geschrieben:+ In meinem 25jährigen priesterleben habe ich vielleicht zwei oder dreimal schwierige theologische fragen beantworten müssen. Der ganz normale priester hat mit ganz normalen gläubigen zu tun die weder mit philosophischen noch mit theologischen problemen zum priester kommen. Ein grosser teil der seelsorge ist hilfestellungen im alltäglichen leben zu geben. + ieromonach theodoros
Ehrwürdiger Vater Theodoros,
da hast Du sicher recht: Es kommt sehr darauf an, wo ein Priester eingesetzt ist. Ich gehe von der Situation in den bayerischen Bistümern aus, wo ich wohne bzw. gewohnt habe. Und dort ist es eben heute so, daß nur ca. 10% der eingeschriebenen Katholiken auch tatsächlich die Seelsorge der Kirche in Anspruch nehmen, die meisten davon ausschließlich durch den mehr oder weniger regelmäßigen Gottesdienstbesuch am Sonntag und dann bei den üblichen Kasualien wie Kindstaufen, Erstkommunion, Firmung, Hochzeiten und Beerdigungen.
Worauf es aber meiner Meinung nach ankäme, wäre, auch den übrigen 90% Katholiken und den inzwischen zahlreichen Nicht- bzw. Nicht-Mehr-Christen ein kompetenter Ansprechpartner sein zu können, wenn sich die Kirche nicht in ein kleines, überschaubares Ghetto zurückziehen und den Auftrag zur Evangelisierung der Gesellschaft von vorneherein abschreiben will. Die Kirche darf sich nicht darauf beschränken,
nur für ihre Schäfchen "Hilfestellungen im alltäglichen Leben" zu geben, sie muß auch aus dem Glauben heraus offensiv Einfluß auf die Gesellschaft nehmen. Schwierig ist es, an die Leute ranzukommen, die einfach keinerlei Ambitionen haben, sich mit religiösen Fragen überhaupt zu befassen. Aber die anderen, die durchaus interessiert sind, haben meistens (pseudo-)philosophische Argumente für ihre Kirchendistanz zur Hand, denen leider viele Priester nicht adäquat begegnen können, weil ihnen schlicht die Kenntnisse dazu fehlen. (Das ist auch ein Grund, warum die Kirche dem herrschenden Relativismus, von dem der Papst so oft spricht, nichts entgegensetzen kann: Dazu müßte man die Gegenpositionen halt genauer kennen und auch philosophisch stringent argumentieren können. Das geht aber nur mit einer fundierten Ausbildung, um wieder zum Thema zurückzukommen.)
Was das selbst im kleinen konkret für Auswirkungen haben kann, sieht man immer wieder in den Lokalteilen der Zeitung: da "weihen" Priester etwa die neuen Geschäftsräume einer "Reiki-Praxis" ein oder segnen einen "Feng-Shui-Park" (beides in meiner Nähe passiert!), weil sie gar keine Ahnung davon haben, wie sehr diese Dinge auf blanker, mit dem Katholizismus unvereinbarer Esoterik beruhen. Anstatt einmal eine saftige Predigt gegen diesen ganzen magischen, synkretistischen Humbug zu halten, der hierzulande ganz selbstverständlich haufenweise verkauft und praktiziert wird (Gesundheitssteine, Pendeln, fernöstliche Zauberpraktiken usw.), erweckt man auch noch den Anschein, als wäre das alles völlig harmlos und mit dem christlichen Glauben vereinbar.
Früher haben die Missionare die heidnischen Donar-Eichen umgehauen, heute pflanzen sie noch welche dazu...