Priesterausbildung

Klöster, Klerus, Laienschaft. Besondere Nachfolge.
Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Slomo hat geschrieben:
Stephen Dedalus hat geschrieben:alle Priester haben natürlich eine Kenntnis der Hl. Schrift, jedoch hat nicht jeder ein Theologiestudium.

Auch die Nebenämtler durchlaufen ja eine Ausbildung, in der Regel drei Jahre nebenberuflich oder zwei Jahre vollzeitlich.
Ja das ist mir auch klar, dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass du mit einer Ausbildung nicht den Input bekommst den du bei einem Theo. Studium erhalten würdest.
Stimmt. Das ist so.
Warum dürften diese Priester denn sonst keine eigene Gemeinde haben? Warum müssten sie immer mit einem studierten Priester zusammen arbeiten?
Nun ja, die Grenzen sind allerdings durchlässig. Ein Priester im Nebenamt (non stipendiary priest) kann sich auf jede Stelle bewerben, d.h. er kann auch auf eine stipendiary-Stelle gesetzt werden und dann vollzeitlich arbeiten, wenn er das wünscht. In diesem Falle wird der Bischof die jeweilige Qualifikation des Priesters prüfen. Nur ist eben eine feste Regel, daß die Leitung einer Pfarrei nicht von einem Nebenämtler geleistet werden kann, wofür es imho auch gute Gründe gibt.

Daher ist der Vergleich mit dem Ahlener Modell auch nur bedingt möglich. Wir reden über zwei grundsätzlich unterschiedliche Dinge:

1. Priester im Nebenamt
2. Priester mit eingeschränkter theologischer Ausbildung

Da in Deutschland die eingeschränkte theologische Ausbildung zwangsläufig in den vollzeitlichen Dienst führt, sollte man hier besonders vorsichtig sein.
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Slomo
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Beitrag von Slomo »

Stephen Dedalus hat geschrieben:Daher ist der Vergleich mit dem Ahlener Modell auch nur bedingt möglich. Wir reden über zwei grundsätzlich unterschiedliche Dinge:

1. Priester im Nebenamt
2. Priester mit eingeschränkter theologischer Ausbildung

Da in Deutschland die eingeschränkte theologische Ausbildung zwangsläufig in den vollzeitlichen Dienst führt, sollte man hier besonders vorsichtig sein.
Richtig!!
Ich habe aber auch nur geschrieben, dass ich das Model aus England nicht ganz so Ideal finde.
Wegen des katholischen Know-How´s.
Ich habe in keiner Form den deutschen Bildungsweg mit dem Englischen verglichen.

Ich habe die ganze Zeit den Priester im Nebenamt gemeint, der bei einer theo. Fragen dann auf den Studierten verweisen muss.
Da ich der Überzeugung bin, dass ein Diplom-Theologe mehr Wissen über die Kirche im allgemeinen hat, als ein Man der dieses Wissen in einer dreijährigen Ausbildung erlangte!
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holzi
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Beitrag von holzi »

Slomo hat geschrieben:Da ich der Überzeugung bin, dass ein Diplom-Theologe mehr Wissen über die Kirche im allgemeinen hat, als ein Man der dieses Wissen in einer dreijährigen Ausbildung erlangte!
Das mit dem theologischen Wissen mag gut sein. Hat der Theologe aber zwangsläufig einen festeren Glauben, eine tiefere Frömmigkeit, ein höheres Einfühlungsvermögen als der "Leutpriester"? Wenn man rein die theologische Ausbildung berücksichtigt, dann waren viele Heilige "erschreckend" ungebildet! Von den Aposteln war allein Paulus theologisch gebildet - alle anderen hätten nie missionieren dürfen! ;)

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Slomo hat geschrieben: Richtig!!

Ich habe die ganze Zeit den Priester im Nebenamt gemeint, der bei einer theo. Fragen dann auf den Studierten verweisen muss.
Da ich der Überzeugung bin, dass ein Diplom-Theologe mehr Wissen über die Kirche im allgemeinen hat, als ein Man der dieses Wissen in einer dreijährigen Ausbildung erlangte!
Klar, da hast Du recht.

Jemand, der die kurze Ausbildung durchlaufen hat, kann nicht wissen, was ein Volltheologe weiß. Allerdings halte ich das Modell der NSMs trotzdem für genial und zukunftsweisend, aus verschiedenen Gründen:

1. Die NSMs bringen Erfahrungen ein, die ein Priesteramtskandidat nicht hat, der nur Schule, Uni und Gemeindearbeit kennt. Jemand, der außer der Arbeit in der Gemeinde noch in einem Arbeitsprozeß außerhalb steht, kann ganz anders mit Erfahrungen und Erlebnissen seiner Gemeindeglieder umgehen. Das ist für die Seelsorge insgesamt eine Bereicherung!

2. Abgesehen von der Erfahrung: Nicht jeder Priester kann alles gleich gut, aber jemand, der eine Sache besonders gut kann, muß unbedingt Theologe sein. Ein NSM kann ein besserer Prediger oder ein besserer Seelsorger oder Organisator oder Motivator sein als der Vollzeitpriester, obwohl er kein Griechisch kann und nie Thomas von Aquin gelesen hat. Theologisches Wissen ist nur ein Teilbereich priesterlichen Arbeitens und Seins, und da können NSMs eine Menge einbringen.

3. Wir verstehen Priester sozusagen als "wandelndes Sakrament". Der Priester bringt durch seine Person die Gegenwart Christi in seine Umgebung. Geweihte Priester, die durch ihren Zivilberuf in andere Lebensumfelder eingebunden sind, sind ein Zeugnis des Evangeliums in Lebensbereichen, wo andere Priester oft gar nicht hinkommen. Das eröffnet seelsorgliche Möglichkeiten. Viele der Menschen, die mit solchen Priestern zusammenarbeiten etc. würden niemals in die Kirche gehen. Trotzdem ist die Kirche da. Ein Stück weit vielleicht das Modell, wie es das mal bei den "Arbeiterpriestern" gegeben hat. Die VErnetzung von Kirche und Alltagswelt war in früheren Jahrhunderten selbstverständnlich. Sie ist in unserer urbanisierten, säkularisierten und fragmentisierten Gesellschaft komplett verloren gegangen. Die Menschen begegnen der Kirche in ihrem Leben gar nicht mehr, wenn sie nicht bewußt danach suchen. Priester mit Zivilberuf können das ein bißchen verändern. Natürlich gilt dies mit Einschränkungen. Wir haben eine NSM-Priesterin in der Gemeinde, die im Hauptberuf als IT-Frau arbeitet. Wenn die ihren Kollegen erzählt, daß sie nebenberuflich als Priesterin in einer Gemeinde arbeitet, verstehen die gar nicht, was das ist ...)

4. Durch den nebenamtlichen Dienst von Priestern wird eine bessere seelsorgliche Versorgung der Gemeinden gewährleistet. Wir haben in meiner Gemeinde drei Priester, von denen aber nur ein Pater hauptamtlich arbeitet und voll bezahlt wird. Allein würde er unter der Arbeitslast vielleicht zusammenbrechen, aber mit der Hilfe der NSMs ist es zu bewältigen. Er muß nicht jede Messe selbst machen, nicht jeden Hausbesuch selbst erledigen, nicht jedes Traugespräch führen. Er ist zwar der Leiter der Pfarrei, aber er hat ein Team. Das ist besonders da wichtig, wo ein Priester mehrere Kirchen zu versorgen hat. In Zukunft wird die Kirche immer weniger Möglichkeiten haben, alle Leute zu bezahlen. Und da ist das Modell der NSMs sehr gut.
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

holzi hat geschrieben:
Slomo hat geschrieben:Da ich der Überzeugung bin, dass ein Diplom-Theologe mehr Wissen über die Kirche im allgemeinen hat, als ein Man der dieses Wissen in einer dreijährigen Ausbildung erlangte!
Das mit dem theologischen Wissen mag gut sein. Hat der Theologe aber zwangsläufig einen festeren Glauben, eine tiefere Frömmigkeit, ein höheres Einfühlungsvermögen als der "Leutpriester"? Wenn man rein die theologische Ausbildung berücksichtigt, dann waren viele Heilige "erschreckend" ungebildet! Von den Aposteln war allein Paulus theologisch gebildet - alle anderen hätten nie missionieren dürfen! ;)
Und Paulus war auch nur Apostel im Nebenamt. :D :D :D
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taddeo
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Beitrag von taddeo »

Aus römisch-katholischer Sicht wird eine Grundfrage zu diesem Thema die sein:

Wollen wir möglichst viele Priester, die die Gemeinden "pastoral versorgen", sozusagen als Sozialarbeiter mit kirchlichem Background, oder wollen wir Priester, die mit hoher menschlicher und intellektueller Kompetenz in einer säkularen und "aufgeklärten" Gesellschaft davon Zeugnis ablegen, daß Glaube etwas vernünftiges ist, ja, daß der Gott, an den wir glauben, die Vernunft (= der Logos) selbst ist?

Wenn wir das erstere wollen, reicht es vielleicht, daß viele Priester ein theologisches Basiswissen haben. Wenn wir aber - und unser Papst scheint da der oberste Zeuge zu sein - Glauben und Vernunft in Übereinstimmung bringen und auch so verkündigen wollen, brauchen wir eindeutig Priester, die sowohl menschliche und charakterliche Reife als auch ein fundiertes theologisches und allgemeinbildendes Wissen in sich vereinen. Mir ist klar, daß sowohl das eine wie das andere heutzutage schon bei vielen katholischen Priestern Mangelware ist - als Postulat muß es dennoch bestehen.

Der "Priestermangel" heutzutage ist in unseren Breiten weniger ein Problem fehlenden Personals (das zahlenmäßige Verhältnis von Priestern zu "Kunden", sprich Kirchgängern ist heute günstiger denn je!), sondern von alten Zöpfen in der Organisation. Wenn sich die vorhandenen Priester auf ihr seelsorgliches und liturgisches "Kerngeschäft" konzentrieren könnten, wäre die Versorgung der Pfarreien überhaupt kein Problem. Man müßte dazu halt zB Verwaltungsaufgaben, die vom Zeitaufwand und vom Fachwissen her Laien genausogut oder besser erfüllen könnten, vom Klerus abziehen. Oder zB die zahllosen Minipfarreien, die im 19. und 20. Jahrhundert in Zeiten des Priesterüberschusses gebildet wurden, wieder auf ein realistisches Maß zurückstutzen, damit ein Pfarrer nicht im Pfarrverband fünf Kirchenverwaltungen, fünf Pfarrgemeinderäte, fünf X-Arbeitskreise usw. hat, sondern jeweils nur einen. Eine Mutterpfarrei mit vier unselbständigen Filialkirchen wäre da die einzige Lösung, die auch historisch wohlbegründet wäre.
Und da fangen die Probleme schon an, aber weniger bei den Priestern, als bei den Gläubigen: Keiner will etwas von seinem Besitzstand hergeben. Man schimpft sich "katholisch", also "allumfassend", aber wenn man zum Sonntagsgottesdienst in die Nachbarkirche fahren müßte, dann ist das eine Zumutung ("das ist so weit weg", nämlich zwei oder drei Kilometer! Wenn der nächste Baumarkt ein Sonderangebot hat, fährt man hingegen locker 40 km einfach, um ein paar lumpige Euro zu sparen, die man schon längst fürs Benzin wieder ausgegeben hat, bevor man überhaupt dort ist!) Im Grund will man aber nur nichts mit den Leuten von der anderen Gemeinde zu tun haben. Ich kann das aus eigener Anschauung sagen.

Meine Ansicht, aus der Erfahrung genährt, ist: Wir haben nicht zuwenig Priester (höchstens zuwenig qualifizierte), sondern zu egoistische Gläubige.

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

taddeo hat geschrieben: Wollen wir möglichst viele Priester, die die Gemeinden "pastoral versorgen", sozusagen als Sozialarbeiter mit kirchlichem Background, oder wollen wir Priester, die mit hoher menschlicher und intellektueller Kompetenz in einer säkularen und "aufgeklärten" Gesellschaft davon Zeugnis ablegen, daß Glaube etwas vernünftiges ist, ja, daß der Gott, an den wir glauben, die Vernunft (= der Logos) selbst ist?
Hallo Taddeo!

Ich sehe nicht, warum der von Dir aufgestellte Gegensatz notwendigerweise etwas mit der hier diskutierten Frage zu tun hat. Holzi hat darauf schon hingewiesen. Den Typ "Sozialarbeiter" findest Du auch bei den Volltheologen. Ich sehe in meinem Umfeld, daß die priesterlichen Qualitäten (durchaus auch geistlicher Natur!) weder an einem Theologiestudium noch am vollzeitlichen Dienst hängen. Und auch Leute mit einer kürzeren Ausbildung müssen ja keine intellektuellen Tiefflieger sein.

Ein Beispiel, das mir nur spontan einfällt: http://www.theologie-examen.de/polkinghorne/

Solche Leute machen sicher auch dem Papst Freude! Davon bräuchten wir mehr...
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taddeo
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Beitrag von taddeo »

Stephen Dedalus hat geschrieben:
taddeo hat geschrieben: Wollen wir möglichst viele Priester, die die Gemeinden "pastoral versorgen", sozusagen als Sozialarbeiter mit kirchlichem Background, oder wollen wir Priester, die mit hoher menschlicher und intellektueller Kompetenz in einer säkularen und "aufgeklärten" Gesellschaft davon Zeugnis ablegen, daß Glaube etwas vernünftiges ist, ja, daß der Gott, an den wir glauben, die Vernunft (= der Logos) selbst ist?
Hallo Taddeo!

Ich sehe nicht, warum der von Dir aufgestellte Gegensatz notwendigerweise etwas mit der hier diskutierten Frage zu tun hat.
Lieber Stephen,

notwendigerweise hat er vielleicht nichts damit zu tun, aber in der Praxis schon.

Nur ein Beispiel: In meiner früheren Heimatpfarrei hatten wir mal einen Hilfsmesner, etwa in meinem Alter. Der ist mittlerweile auf dem Weg zum Priestertum, ich weiß nicht genau, über welche Ausbildungswege. Geweiht ist er, glaube ich, noch nicht, aber das dauert wohl nicht mehr lange.
Der gute Mann war intellektuell schon in seinem Job als Hilfsmesner an der Leistungsgrenze, wie man bei verschiedenen Gelegenheiten immer wieder gemerkt hat. Daß er - trotz "Studium" - als Priester einmal auch nur den leisesten Schimmer von Dingen wie Philosophie, Fundamentaltheologie, Dogmatik und dergleichen haben wird, ist eher nicht anzunehmen. Er kann vielleicht das Messelesen (sic!) einüben und die paar Vorschriften des Kirchenrechts, die er für Tauf- und Traugespräche braucht, und ansonsten für alles und jeden Verständnis haben, wenn er eigentlich was sagen sollte, aber inhaltlich keine Ahnung hat. Ob das die Art Priester ist, die wir eigentlich bräuchten?

Der Papst hat vor seiner Wahl in einer Predigt ganz deutlich gesagt, was er für die Herausforderungen der Kirche heute hält: Relativismus etc., ihr erinnert euch sicher. Und das sind beileibe keine Phänomene, die nur im globalen Maßstab auftreten, die existieren in jeder noch so kleinen Pfarrei genauso ("katholisch und evangelisch ist doch eh fast dasselbe" und solche Sprüche kennt bestimmt jeder). Ich meine halt, daß man für solche Anforderungen auch Priester braucht, die von den Voraussetzungen und von der Ausbildung her dem Umgang mit unserer Umgebung gewachsen sind.

Man wird mir jetzt wahrscheinlich wieder den hl. Pfarrer von Ars als Gegenbeispiel vorhalten. Der war aber wenigstens von seiner persönlichen Frömmigkeit her ein Heiliger und ein Vorbild, das bewirkt hat, was er intellektuell nicht leisten konnte. Aber kennt ihr so einen Pfarrer heuzutage persönlich? Ich leider nicht...

ieromonach
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Priesterausbildung

Beitrag von ieromonach »

+ In meinem 25jährigen priesterleben habe ich vielleicht zwei oder dreimal schwierige theologische fragen beantworten müssen. Der ganz normale priester hat mit ganz normalen gläubigen zu tun die weder mit philosophischen noch mit theologischen problemen zum priester kommen. Ein grosser teil der seelsorge ist hilfestellungen im alltäglichen leben zu geben. Dies ist aber nur priesterlich möglich wenn der priester ein beter ist. In Hellas sind auf den dörfen ungebildete priester mit kleiner seminarausbildung. Da jene aber ein vorbildliches familienleben führen sind sie in der verkündigung glaubwürdig.
.In den kleineren städten sind dann meistens priester mit theologischer bildung und in den städten wie Athen sogar welche mit akademischen graden. Doch ein "Pnevmatikos" ist sehr oft ein schlichter "ungebildeter" mönch. + ieromonach theodoros

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taddeo
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Re: Priesterausbildung

Beitrag von taddeo »

ieromonach hat geschrieben:+ In meinem 25jährigen priesterleben habe ich vielleicht zwei oder dreimal schwierige theologische fragen beantworten müssen. Der ganz normale priester hat mit ganz normalen gläubigen zu tun die weder mit philosophischen noch mit theologischen problemen zum priester kommen. Ein grosser teil der seelsorge ist hilfestellungen im alltäglichen leben zu geben. + ieromonach theodoros
Ehrwürdiger Vater Theodoros,

da hast Du sicher recht: Es kommt sehr darauf an, wo ein Priester eingesetzt ist. Ich gehe von der Situation in den bayerischen Bistümern aus, wo ich wohne bzw. gewohnt habe. Und dort ist es eben heute so, daß nur ca. 10% der eingeschriebenen Katholiken auch tatsächlich die Seelsorge der Kirche in Anspruch nehmen, die meisten davon ausschließlich durch den mehr oder weniger regelmäßigen Gottesdienstbesuch am Sonntag und dann bei den üblichen Kasualien wie Kindstaufen, Erstkommunion, Firmung, Hochzeiten und Beerdigungen.

Worauf es aber meiner Meinung nach ankäme, wäre, auch den übrigen 90% Katholiken und den inzwischen zahlreichen Nicht- bzw. Nicht-Mehr-Christen ein kompetenter Ansprechpartner sein zu können, wenn sich die Kirche nicht in ein kleines, überschaubares Ghetto zurückziehen und den Auftrag zur Evangelisierung der Gesellschaft von vorneherein abschreiben will. Die Kirche darf sich nicht darauf beschränken, nur für ihre Schäfchen "Hilfestellungen im alltäglichen Leben" zu geben, sie muß auch aus dem Glauben heraus offensiv Einfluß auf die Gesellschaft nehmen. Schwierig ist es, an die Leute ranzukommen, die einfach keinerlei Ambitionen haben, sich mit religiösen Fragen überhaupt zu befassen. Aber die anderen, die durchaus interessiert sind, haben meistens (pseudo-)philosophische Argumente für ihre Kirchendistanz zur Hand, denen leider viele Priester nicht adäquat begegnen können, weil ihnen schlicht die Kenntnisse dazu fehlen. (Das ist auch ein Grund, warum die Kirche dem herrschenden Relativismus, von dem der Papst so oft spricht, nichts entgegensetzen kann: Dazu müßte man die Gegenpositionen halt genauer kennen und auch philosophisch stringent argumentieren können. Das geht aber nur mit einer fundierten Ausbildung, um wieder zum Thema zurückzukommen.)

Was das selbst im kleinen konkret für Auswirkungen haben kann, sieht man immer wieder in den Lokalteilen der Zeitung: da "weihen" Priester etwa die neuen Geschäftsräume einer "Reiki-Praxis" ein oder segnen einen "Feng-Shui-Park" (beides in meiner Nähe passiert!), weil sie gar keine Ahnung davon haben, wie sehr diese Dinge auf blanker, mit dem Katholizismus unvereinbarer Esoterik beruhen. Anstatt einmal eine saftige Predigt gegen diesen ganzen magischen, synkretistischen Humbug zu halten, der hierzulande ganz selbstverständlich haufenweise verkauft und praktiziert wird (Gesundheitssteine, Pendeln, fernöstliche Zauberpraktiken usw.), erweckt man auch noch den Anschein, als wäre das alles völlig harmlos und mit dem christlichen Glauben vereinbar.

Früher haben die Missionare die heidnischen Donar-Eichen umgehauen, heute pflanzen sie noch welche dazu...

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ich meine, Taddeo, daß das Problem schon auf einer Ebene liegt,
welche jeder wissenschaftlichen Ausbildung vorausgeht. Denn was
von jenen esoterischen Praktiken zu halten ist, das müßte einem
jedem einfachen Gläubigen und erst recht einem jeden Priester der
gesunde Glaubenssinn sagen, ohne daß darüber viel nachzudenken
und zu studieren wäre.

Natürlich bedarf es zu einer gründlichen Auseinadersetzung mit sol-
chen Phänomenen auch vertieften Forschens. Aber das braucht nicht
jeder Priester zu leisten. Nötig wäre aber, daß er den Teufel an dessen
Schwefelgestank erkennt und seine Schäflein vor ihm warnen kann.

Daß viele Priester dazu nicht in der Lage sind, zeigt den desolaten
Zustand des Glaubens, und zwar nicht erst bei sublimen römischen
Lehren, sondern an den Grundmauern der apostolischen Überliefe-
rung.

Was bedeutet das für die Priesterausbildung? – Wegschmeißen.
Davon bin ich mittlerweile allerdings felsenfest überzeugt, daß wir
– mit wenigen Ausnahmen – die Diözesanseminarien in Deutsch-
land in die Tonne kloppen müßten. Die guten Priester, die dennoch
rauskommen, sind’s trotz ihrer Seminarienzeit geworden.

Zuerst müßten die Kandidaten in den Pflanzstätten das geistliche
und Gemeinschaftsleben erlernen. Denn kaum einer bringt doch das
noch mit. Dann die Grundlagen der artes liberales, was übrigens die
lateinische Sprache einschließt. Dann Philosophie, dan Theologie. Auf
der Basis der Väterlehre.

Aber woher Regenten für die Seminarien der oben beschriebenen
Art hernehmen, daß heißt: für echte Seminarien? Wo die Lehrer der
Philosophie und Theologie hernehmen, die wirklich im Glauben und
in der gesunden Lehre verwurzelt sind? – Da liegt doch der Hase im
Pfeffer.

Die dicksten Hunde allerdings sitzen meist auf den episkopalen Stüh-
len. Die räumt keiner weg. Vielleicht, wenn die Generation Lehmann
weggestorben ist …
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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taddeo
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Beitrag von taddeo »

@ Robert: :jump: :jump: :jump:

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