Ketelhohn hat geschrieben:Peter, die gestandenen Männer erwachsen gerade aus einer strengen Erziehung. Und das Seminar muß erziehen. Ein Seminar, daß alles erlaubt, bringt ungezogene Jungen hervor, die nie erwachsen werden. (Ich habe leider selber keine allzu strenge Erziehung genossen. Bloß mal am Rande.)
Ich habe eine strenge Erziehung genießen dürfen, mit der Folge,
daß ich mir mit Anfang 20 solche Regelungen nicht mehr hätte gefallen
lassen.
Wenn bis zu diesem Alter, meine Mutter setzte da (ohne das jemals ausgesprochen zu haben) so etwa 16-18 Jahre an,
nicht ein paar grundsätzliche Dinge klar sind, ist ohnehin alles zu spät.
Ganz so teile ich diese Haltung nicht, aber klar ist, daß es danach sehr viel schwerer wird nochzu erziehen. Manche dieser Beschränkungen und Regelungen mögen sinnvoll sein, sie nützen aber nichts, wenn die Betroffenen im Alter von anfang 20 so etwas nicht selber einsehen.
Wie soll eine "hohe Schule" (geistlicher und menschlicher) Lebensführung
funktionieren, wenn die Essentials nicht stimmen.
Und genau an dem Punkt komme ich zu einer anderen Einsicht als meine Eltern, weil ich weiß,
daß die wenigsten Kinder und Jugendlichen heute eine "strenge" Erziehung
erhalten. Sie müssen dann selber dahinter kommen, was geht und was nicht. Sie müssen dies in einem Alter tun, in dem "normalerweise" diese Dinge längst gegessen sind. Wer nicht hören will muß fühlen.
Ketelhohn hat geschrieben:
Was die Vikare oder Kapläne betrifft, Peter, deretwegen du fragst, was man denen auch alles noch verbieten soll, so geht es eben darum, die Kandidaten im Seminar zu reifen Persönlichkeiten zu erziehen, die den Anfechtungen der Welt gegenüber gewachsen sind. Dennoch ist es auch für die „fertigen“ Priester besser, wenn sie wenigstens nicht alleine sind. Sondern zum Beispiel in Gemeinschaften leben.
Eindeutig
Aber in Gemeinschaft leben, setzt an sich schon mal eine gewisse Reife
voraus. Diese Reife muß erworben werden, soweit d'accor.
Wir gehen nur darin auseinander, wie diese Reife erworben wird.
Ich kann an junge Männer, die eine allgemeine Hochschulreife erworben
haben nicht mehr dieselben Kriterien anlegen, wie an Internatsschüler.
Die oben zitierten Regelungen in einem Internat würde ich sofort
unterschreiben. Nicht aber für eine Hausgemeinschaft junger Männer.
Ich habe oben von hoher Schule der Lebensführung geschrieben.
Hohe Schule meint eben genau, daß ich nicht mehr jede Versuchung
verbieten muß, sondern daß ich gemeinsam persönliche Regeln
erarbeite. Das muß jede Familie auch tun. Jeder in der Familie
nimmt nach seiner Stellung in der Familie an der Er- und Überarbeitung
dieser Regeln teil. Jeder muß nach dem Grad seiner persönlichen Reife
für sich entscheiden und ggf. darum kämpfen, ob ein Regelwerk so noch
Geltung haben kann. Und das fängt schon im Kindesalter an.
Das rechte Maß an Freiheit und Beschränkung zu finden, ist das
Werkzeug für Erziehung. Und genau dieses Maß halte ich bei einer solchen
Regelung für verfehlt, ja sogar für kontraindiziert.
Ketelhohn hat geschrieben:Oder kennst du nicht zahlreichen Fälle vereinsamter und frustierter Priester, die sich mit Alkohol, Fernsehen, Freundinnen oder was auch immer zu betäuben suchen?
Ja, und ich krieg die Krise, wie von Seiten der Bistumsleitungen damit
umgegangen wird.
"So etwas sind doch Ausnaaaaaaaaahmen."
Darüber reden darf man schon gar nicht.
Dennoch bewundere ich diejenigen, die als menschlich und geistlich reife
Priester, nicht nur das Konvikt und das Seminar, sondern auch die
Konfrontation mit der wirklichen Welt in der Gemeinde hintersich gelassen
haben. Wenn Du da nachforschst, waren sie schon zu Beginn der Ausbildung reifer als ihre Kollegen und/oder sie haben außerhalb des
Seminars in einer Gemeinschaft oder bei einem geistlichen Begleiter Halt
gefunden.