Vir Probatus hat geschrieben:Ich trete mal zuerst Frau Wagner unvoreingenommen gegenüber.
(Deshalb habe ich mir auch mehrere Interviews mit Ihr angesehen resp. angehört und deshalb habe ich sie angeschrieben). Ich hatte gedacht, sie schaltet sich in die Diskussion hier ein. Ich respektiere, daß sie es nicht tut, die Gründe habe ich hier eingestellt.
Auch ich finde es äußerst merkwürdig, dass Sie Ihren Brief sowie Frau Wagners Antwort hier herein gestellt haben. Hat Frau Wagner Ihnen erlaubt, ihren Brief hier im Forum zu veröffentlichen?
Generell finde ich es nicht unproblematisch, dass hier von Leuten, die weder Frau Wagner noch die Gemeinschaft persönlich kennen, geurteilt wird. Das Buch habe ich mir jetzt erst bestellt und werde es lesen und ich denke, eine der Hauptantriebsfedern für die Tingelei durch Talkshows ist, das Buch bekannt zu machen und somit zu verkaufen. Vielleicht stecken also ganz simple materielle Interessen ebenfalls dahinter.
Vielleicht bin auch ich in Ihren Augen eine "arme Figur", dennoch möchte ich einige Ihrer Aussagen in Frage stellen, als ebenfalls Ausgetretene, jedoch einer anderen Gemeinschaft.
Vir Probatus hat geschrieben:Das Thema ist: Wo beginnt der Missbrauch junger Menschen?
Ich würde eher sagen, was verstehen SIE unter Missbrauch? So gesehen ist natürlich schon die Frage, wann er beginnt.
Vir Probatus hat geschrieben:- Ansprache und Anwerbung durch die Gemeinschaft (Das "Produzieren" von Berufungen)
Hm, in der Tat nicht unproblematisch, aber ist es tatsächlich "verboten", jemanden, bei dem man spürt, dass er tiefer geht, dafür zu sensibilisieren? Jesus selber hat seine Jünger gerufen: "Folge mir nach!" Was ist jetzt daran Missbrauch? Jeder Mensch ist auch frei, wieder zu gehen - und auch Frau Wagner durfte gehen. Aber vielleicht ist es einfach bitter, sich eingestehen zu müssen, dass man die Berufung, die man gerne gehabt hätte, nun doch nicht hatte. Dann sind die anderen die "Bösen" und nicht ich habe einen Fehler gemacht?
Mir stellt sich hier grundsätzlich die Frage: Was ist Berufung? Woran erkenne ich, dass ICH berufen bin? Wozu binn ich berufen? Was ist mein Weg? Warum scheitern so viele Berufungen? Wie kann es sein, dass der, der doch angeblich treu ist, so etwas zulässt?
Vir Probatus hat geschrieben:- Zulasssen des Ordenseintritts ohne Berufsausbildung
- Zulassen des Ordenseintritts ohne ein akzeptables Reifealter (das nach Meiner Meinung nicht unter 25 Jahre liegen sollte)
Erklären Sie das mal einem hochmotivierten, idealistischen jungen Menschen, dass er warten muss, seine Ausbildung fertig machen muss, womöglich in einem Beruf, der dem Klosterleben nicht dient. Jesus hat übrigens auch gesagt, wer die Hand an den Pflug legt und zurückschaut, ist meiner nicht wert. Die Ausbildung erfolgt ja auch im KLoster, hat nicht Frau Wagner mehrere Jahre studiert auf Kosten des Klosters? Hätte sie sich ein Studium selber leisten können? Wenn sie BAFÖG bezogen hätte, dann wären nämlich da die nächsten Probleme aufgetreten.
Und wie bereits von HeGe angesprochen, liegt das Alter bei der endgültigen Bindung ohnedies in diesem Bereich, also wo ist hier das Problem?
Mir scheint jedoch, Sie stehen dem Ordensleben grundsätzlich eher ablehnend gegenüber.
Vir Probatus hat geschrieben:- Kein unmittelbarer Eintritt in eine Berufsausbildung nach Eintritt in die Gemeinschaft. Das Verlieren wertvoller Jahre.
Verzeihung, dieses Argument finde ich äußerst albern. Ein Mensch soll sich entscheiden, ob er zu dieser Gemeinschaft passt. Dazu muss er sie kennenlernen, indem er in verschiedenen Bereichen dieser Gemeinschaft mitarbeitet. Ich kann mich nur für etwas entscheiden, was ich durch und durch kenne. Eine Berufsausbildung außerhalb fördert nicht gerade das Mitleben in dieser Gemeinschaft, eventuell oder sogar ziemlich sicher bin ich bei Gebetszeiten, bei gemeinsamen Mahlzeiten oder Aktivitäten gar nicht dabei. Wie soll ich so eine Gemeinschaft kennenlernen und entscheiden, ob dort mein Platz ist. Niemand zwingt mich in eine Gemeinschaft einzutreten. Wenn ich also keiner wertvollen Jahre (???) verlieren will, kann ich genauso gut vorher meine Ausbildung machen.
Eventuell stehen hier die Oberen in einer größeren Verantwortung, aber durch das Mitleben in der Gemeinschaft lernen sie erst den Kandidaten/Novizen respektive die weibliche Form kennen. Umgekehrt könnte eine sofortige Berufsausbildung auch als verlorene Zeit angesehen werden: Wenn nämlich 1. sich dadurch erst nach Jahren herausstellt, dass dieser Mensch nicht zur Gemeinschaft passt (und nicht schon in der ersten Zeit) und 2. ein für die Gemeinschaft nützlicher Beruf gewählt wurde, der aber wiederum nicht zur Persönlichkeit des/der Betreffenden passt (auch ein solcher Fall ist mir bekannt).
- Postkontrolle
- Das Verbot, über negative Dinge zu berichten
- Fermeldekontrolle (Telefon, SMS, Mailverkehr, Internet)
- Kontaktsperre mit Eltern, Angehörigen
- Besuchserlaubnis (kommend und gehend) (Ein Aussteiger durfte nicht zur Beerdigung seines Großvaters: Das wird natürlich bestritten, oder gesagt es sei jetzt abgestellt, wie vieles andere auch)
- Bücher-Leseverbot
- Verbot des Rundfunk-/Fernsehempfangs
- Freundschaftsverbot
Worum geht es bei einem Ordenseintritt? Um Selbstverwirklichung oder um Nachfolge nach den evangelischen Räten? Um Verbote? Oder doch eher um (freiwillige) Verzichte zur Selbstabtötung, um frei zu werden für Gott? Ich gebe meine Freiheit in Gottes Hand (und in die der Oberen). Wer es fassen kann, der fasse es, wer nicht, der lasse es bleiben. Bestimmte Dinge sind mit weltlichen Maßstäben nicht zu messen. Das hat aber in meinen Augen nichts mit Missbrauch junger Menschen zu tun. Ich verbiete meinen Kindern auch bestimmte Sachen - missbrauche ich sie damit ebenfalls?
Kann ich um Jesu willen auf etwas verzichten? Wer eine Familie hat, muss auch auf bestimmte Dinge verzichten.
Diese ganzen Verbote dünken aus "weltlicher" Sicht und natürlich aus der Sicht eines Aussteiger wie Willkür, nicht Gewähren von Menschenrechten o.ä. Aber vielleicht gibt es in der Tat einen spirituellen Sinn. Ich weiß es nicht: freimachen von irdischen Bindungen und sich ganz Gott hingeben.
Jetzt soll ich schon nach Thalbach fahren, vorher wird mit mir nicht mehr diskutiert.
Als wenn man mir in Thalbach darüber wahrheitsgemässe Auskunft geben würde, das ist doch lachhaft.
Solange Sie es nicht ausprobieren, werden Sie es nicht erfahren. Ich denke mal, über die Einführung ins Ordensleben mit all den Bedingungen etc. werden Sie wahrheitsgemäße Auskunft bekommen, und alles das, was Sie als so negativ empfinden, wird Ihnen wohl auch mitgeteilt werden. Über Doris Wagner werden Sie zu deren Schutz wohl nicht allzu viel erfahren. Ich glaube nicht, dass die Oberen dort Ihnen persönliche Briefe von Frau Wagner zeigen werden, wie war das mit dem Postgeheimnis?
Diskutieren kann ich nur über etwas, wo ich mich auskenne. Und ich kenne bislang weder das Buch noch die Gemeinschaft. Die ganzen Interviews habe ich auch nicht gesehen/gehört. Ich beziehe meine Kenntnisse also allein aus dem Mitlesen in diesem Strang. Zur Angelegenheit des sexuellen Missbrauchs kann ich nicht wirklich etwas sagen. Erinnert mich an die Vergewaltigungsaffäre von Kachelmann oder viele derartiger Geschichten. Es ist sehr schwer, zwischen subjektivem Erleben zum Tatzeitpunkt, zum späteren Zeitpunkt und objektivem Geschehen zu unterscheiden, da sich ja auch das Empfinden ändern kann.
Ein derartiges Erlebnis ist immer in gewisser Weise traumatisch, ebenso wie ein Klosteraustritt seine Spuren hinterlässt. Die Tatsache, dass Frau Wagner nicht die Rezensionen ihres Buches liest, zeigt mir, dass sie mit der Geschichte immer noch nicht fertig ist, und es wohl auch nie sein wird.
Hier ist ein Mensch schwer verletzt worden, aber ich hüte mich die Schuld auf die Oberen zu schieben, auf das Kloster, gar auf die Kirche. Das bringt den Menschen auch nicht weiter und lässt die Verletzungen nicht heilen.
Hier stellt sich wieder meine Frage: Warum lässt Gott das zu? Dass in SEINEM Namen anderen Leid zugefügt wird.