Nun denn.
Ich fühle mich nach diesen nahezu belanglosen Ergüssen fast genötigt, eine etwas intensivere und vor allem ernsthaftere Erklärung abzugeben, als ich das eigentlich tun möchte. Aber, wenn dann die lieben Seelen Ruhe geben….
Es ist schon auffallend, dass niemand so richtig weiß, über wen, bzw. über was eigentlich geschrieben wird.
Ist es möglich, dass Carl Kaiser sich hauptsächlich darin zu gefallen scheint, gegen den so genannten Kreationismus anzugehen? Ich frage mich auch, wieso er sich anscheinend über einen Grundgedanken Teilhards erstaunt zeigt, und diesen als „komprimierte Definition“ von sofaklecks wertet. Robert Ketelhohn möge es mir nachsehen, wenn ich behaupte, dass er zwar logisch richtig argumentiert (vielleicht sollte man die Prämissen nochmals überprüfen), es aber unwahrscheinlich ist, dass Teilhard sich in diesen Pauschalierungen wieder finden würde; abgesehen davon, dass Teilhard sich immer gegen solche gewehrt hat.
Nun habe ich mich in den letzten Tagen aus reiner Neugierde nochmals mit Teilhard beschäftigte und ich mußte erkennen, dass die früheren Erkenntnisse teilweise aufgrund neuer wissenschaftlicher (und überzeugender) Erkenntnisse wohl überholt sind. Teilweise also wird Teilhard durch die neuere Wissenschaft bestätigt und zwar insofern, als dass das heutige Verständnis der Anthro- und der Biogenese schon recht gut umrissen bei Teilhard vorzufinden ist. Auch das wissenschaftlich geführte anthropische Prinzip (Fine-Tuning der Naturgesetze) ist im eigentlichen Sinne genau das, was Teilhard mit seiner radikalen Energie als Erklärung der evolutiven Kraft meinte.
Ach ja: Ich bezweifle, dass Teilhard de Chardin ohne die Lehren des Henri Bergson (élan vital, Lebenskraft also, welche überall im Kosmos existiert) überhaupt zu verstehen ist. Teilhard las das 1905 erschienene Werk Lévolution créatrice (Schöpferische Entwicklung) von Henri Bergson; es hinterließ bei ihm den größten Eindruck und es steuerte vor allen Dingen dessen wissenschaftliche Arbeit.
Kommen wir zur Kritik, die trotz allem an Teilhard berechtigterweise geübt werden muß:
Nehmen wir die Schöpfung an auf der Basis solcher der Evolution innewohnenden Kräfte, dann könnten diese nur das Potential für Leben planen, nicht aber dessen Ort und Zeit. Dies würde an diesem Punkt durchaus heutigen wissenschaftlichen Ansichten entsprechen. Zudem würde es Freiheit ermöglichen, ohne diese das Gute und das Böse, Liebe und Hass nicht möglich wären.
Das Problem: Hat Gott auf ein Ziel hin geschaffen und dabei Ort/Zeit dem Zufall überlassen?
Ansonsten findet sich sein gesetzmäßiger evolutiver Ansatz auch im geistig-kulturellen Bereich heute bestätigt in der Entwicklung von Sprache und Schrift. Weiter scheint die Verbindung materiell-körperlicher und geistiger Evolution bei Teilhard durch die moderne Neurologie und Hirnforschung bestätigt (interessant:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25961/1.html )
Was macht Teilhard de Chardin so streitig? Es ist seine Vermischung von reiner Naturwissenschaft und Glaube! Da man es als notwendig ansieht, immer wieder darauf hinzuweisen, dass es keinen Widerspruch zwischen Naturwissenschaft und Glauben geben kann, sieht man nunmehr Teilhard weitaus positiver als früher. Teilhard wollte das mit und durch die Naturwissenschaft Erkannte (er war auch Paläontologe) am Werk Gottes darstellen, wobei er wissenschaftliches Arbeiten als Weg zur Erkenntnis des göttlichen Heilsplans geradezu mystifizierte.
Der immer wieder auftauchende Punkt Omega ist, entgegen der Ansicht eines Forumsmitglieds, kein deterministischer Fortschrittsglaube. Er hat mit der physikalischen Evolution nichts zu tun. Omega (Christus) ist für Teilhard das Ende der Geistesentfaltung und es ist vollkommen offen, wann dieser potentielle Punkt im Kosmos erreicht wird, auch vollkommen unabhängig, ob der Mensch sich selbst zerstört oder einmal ausstirbt oder was auch immer. Für Teilhard vollendet sich alle Entwicklung an diesem Punkt. Wer zitierte irgendwo den Vers: „Die ganze Schöpfung harrt auf das Offenbar-Werden Gottes.“ Das genau ist es!
Teilhard de Chardins Verdienst, sich dem Thema Evolution und Glauben gewidmet zu haben, ist bis heute kaum übertroffen worden. Für viele Ansichten brachte man ihn in Verdacht der Häresie; heute entsprechen diese Ansichten naturwissenschaftlichen Standards und werden auch von der Kirche nicht mehr abgelehnt. Z. B. gibt es nach Kardinal Schönborn in der Frage Evolution – Schöpfungsglaube keinen Widerspruch, wenn man Gott als Urheber und eigentlichen Schöpfer anerkennt.
Einmal wurde Teilhard Deismus und das andere Mal Pantheismus vorgeworfen. Dies zeigt deutlich, wie unverstanden er eigentlich ist. Hier im Forum den Forum den Vorwurf hören zu müssen, man hätte Teilhard nicht verstanden oder gleich gar nicht gelesen, ist gedankenloses Gequatsche derjenigen, die ihn selbst nicht verstanden haben. Es gibt kaum jemanden, der Teilhard und seine wissenschaftliche Arbeit vollkommen würdigen könnte.
Wie man sieht, ist Teilhard de Chardin also durchaus und nicht unbedingt nicht das, was man sowohl als Gegner als auch als Gleichgesinnter glaubt, in ihm sehen zu müssen.
Aber es gibt einige Punkte, die hinterfragt werden müssen und die vor allen Dingen deutlich machen, dass es für den Glaubenden besser ist, in Zweifelsfällen auf die Auslegungen des kirchlichen Lehramtes zu hören, als auf die Teilhard de Chardins.
Ein Schöpfungsglaube nach Teilhard verabschiedet sich von Eingriffen des Schöpfers, er verabschiedet sich auch davon, dass dieser vorherbestimmt, wann und wo er den Menschen a oder b erschafft.
Frage:
Genügt es dem christlichen Glauben, dass Gott vor aller Zeit in den Naturgesetzen Potentiale für alles Leben, für Kultur und Religion, schließlich für die Erlösung und Vollendung der Schöpfung selbst angelegt hat, die sich frei in Zeit und Raum entfalten?
Frage:
Ist der Noogenese Teilhards folgend der Mensch Jesus Christus nur ein Höhepunkt der geistig kulturellen Evolution, in der ja die Erlösungsfähigkeit des Menschen / der Schöpfung angelegt ist, von der aus eine neue kosmische Entwicklungsstufe (Punkt Omega) angestrebt wird? Oder ist der Jesus des christlichen Glaubens nicht doch mehr?
Noch ein weiterer Hinweis zur Beurteilung: der bekannte (spätere Kardinal) Henri de Lubac war zeitlebens der beste Freund Teilhards! Gibt das nicht zu denken?
Damit ist für mich aber das Thema endgültig beendet, weil ich keine Lust habe, mit meinen, zugegebenermaßen, eingeschränkten Kenntnissen mit jemandem zu diskutieren, der eindeutig weitergehende und tiefergehende Kenntnisse ebenfalls nicht besitzt.
Gruß, ad_hoc
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)