Reinhard hat geschrieben:Es war ja wohl ein weit verbreitetes Phänomen früher, dass der "einfache Mann" in der Messe die Worte nicht verstand, und sich dann mehr oder weniger aus Katechese und eigener Phantasie seinen Glauben zusammengebastelt hat. Das Ergebnis war ein Volksglaube, der oft mehr den persönlichen Ansichten der örtlichen Pfarrers und überlieferten Mythen entsprach als der Lehre Roms.
Heute würde das so nicht mehr funktionieren, nicht zuletzt weil alle Texte in Landessprache vorliegen.
Das halte ich für unzutreffend, sowohl den ersten Satz, als auch den letzten. Ganz im Gegenteil: Ich bin überzeugt davon, dass die Katholiken heute in der Bundesrepublik ein wesentlich geringeres Glaubenswissen haben als es ihre Urgroßväter und Urgroßmütter hatten.
Reinhard hat geschrieben:Selbst für mich, der immerhin Schullatein kann, wäre das sprachlich ziemlich weit weg, und etwas unnahbar.
Ja, natürlich. Das ist doch der Sinn dahinter: das heilige Geschehen mit einem gewissen Schleier der Demut zu versehen.
Ich zitiere mal eine wichtige Stelle aus einem Aufsatz Daniels Mitsuis mit dem Titel
Die Eucharistie und die Massenmedien:
Ein Leben voller Kinobesuche schafft in einem das Gefühl, dass man als Zuschauer bestimmte Rechte hat. Wer zehn Dollar zahlt, um einen Film zu sehen, fühlt, dass man ihm gewisse Produktionsstandards, gewisse Konventionen für Regie und Aufbereitung schuldig ist. Alles Wichtige sollte hörbar aufgenommen und wenn nötig synchronisiert oder untertitelt sein. Jede wichtige Handlung sollte aus günstigem Winkel und von nah genug aufgenommen sein, so dass Einzelheiten zu sehen sind. Wenn der Kinobesucher etwas nicht sieht, hört oder versteht, fühlt er sich betrogen und kritisiert den Film. Wenn er die Messe besucht, trägt er oft dieselben Erwartungen mit sich — und schon die bloße Vorstellung eines stillen Kanons, von unübersetztem Latein, von Schleier und Sichtschirm wird zur Beleidigung.
Reinhard hat geschrieben:Das deckt sich mit den Beobachtungen der Wicliffe Übersetzer (die sich hauptberuflich mit Bibelübersetzungen und Linguistik befassen), die regelmäßig in vielen Regionen der Welt ein Aufblühen des Glaubens beobachten, sobald ein der jeweiligen Volkssprache (und nicht nur in der Amtssprache) eine Bibel erscheint. Dass dann nämlich der Glaube viel mehr zu einer Herzenssache wird, statt nur etwas fernem, äußeren, "offiziellen".
Das nicht als Automatismus, aber als ein wichtiger Stein zum Ganzen.
Ich rede hier nicht von der Bibel, sondern von der hl. Messe. Fakt ist: Seit die hl. Messe hier gänzlich auf Deutsch gefeiert wird, kann ein rasantes Absterben des Glaubens in bisher ungekanntem Ausmaß beobachtet werden.
Reinhard hat geschrieben:Ich wage sehr zu bezweifeln, dass sich der Unglaube in der Welt durch massive Einführung der lateinischen Sprache heilen ließe !
Tatsache ist, dass er sich durch Aufgabe der Sakralsprache nicht heilen ließ, sondern ab diesem Zeitpunkt sogar massiv in die Kirche übergriff. Jetzt muss schon allein zur Heilung der Kirche selber diese Maßnahme zurückgenommen werden. Das ist notwendig, wenn auch selbstverständlich nicht ausreichend.
»Was muß man denn in der Kirche ›machen‹? In den Gottesdienſt gehen und beten reicht doch.«