S. Basilius Magnus (de Spiritu Sancto XXVII,66) hat geschrieben:»Unter den in der Kirche bewahrten Glaubenslehren und Verkündigungen besitzen wir die einen aus der schriftlich festgelegten Unterweisung, die anderen haben wir von der Tradition der Apostel auf dem Weg der Mysterien überliefert empfangen. Beide haben für den Glauben die gleiche Bedeutung. Dieser Feststellung wird niemand widersprechen, der auch nur die geringste Erfahrung mit den geheiligten Satzungen der Kirche hat. Denn wenn wir es betrieben, den ungeschriebenen Brauch als minder gültig abzulehnen, dann würden wir unvermerkt auch das Evangelium an Stellen treffen, die ihrerseits von grundlegender Bedeutung sind.
Mehr noch, wir beschränkten die Verkündigung auf bloße Namen. Welche Anweisung aus der Schrift gibt es, um zunächst das Gebräuchlichste zu nennen, daß die auf den Namen unseres Herrn Jesus Christus Hoffenden sich mit dem Kreuzeszeichen bezeichnen? Welcher Buchstabe hat uns gelehrt, uns beim Gebet nach Osten zu wenden? Die Worte der Epiklese bei der Konsekration des Brotes der Eucharistie und des Kelches der Segnung - wer von den Heiligen hat sie uns schriftlich hinterlassen? Wir begnügen uns ja nicht mit dem, was der Apostel oder das Evangelium anführen, sondern sprechen vorher und nachher noch andere Worte, die wir aus der nichtschriftlichen Lehre empfangen haben und die eine große Bedeutung für das Geheimnis haben.
Wir segnen auch das Taufwasser und das Öl der Salbung und außerdem den Täufling selbst. Aufgrund welcher Schrifttexte tun wir das? Nicht aufgrund der verborgenen und geheimnisvollen Überlieferung? Mehr noch, welches geschriebene Wort lehrte uns die Salbung mit Öl ihrerseits? Das dreifache Untertauchen des Täuflings, woher kommt es? Und all die anderen Dinge bei der Taufe, das dem Teufel und seinen Engeln Entsagen, aus welcher Schrift stammt das? Etwa nicht aus dieser nichtöffentlichen, verborgenen Lehre, die unsere Väter in unbekümmertem und schlichtem Schweigen bewahrt haben, wohl darüber belehrt, daß die Ehrwürdigkeit der Geheimnisse durch Schweigen bewahrt bleibt? Was die Nichteingeweihten noch nicht einmal sehen durften, wie sollte es vernünftig sein, das als Lehre schriftlich auszuposaunen?
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Deshalb schauen wir alle zwar beim Gebet nach Osten, aber nur wenige von uns wissen, daß wir dabei die alte Heimat suchen, das Paradies, das Gott in Eden gegen Osten pflanzte (vgl. Gen 2,8). Aufrecht verrichten wir die Gebete am ersten Tag der Woche, aber nicht alle kennen den Grund. Denn nicht nur, weil wir mit Christus auferstehen und das, was droben ist, suchen sollen (vgl. Kol 3,1), erinnern wir uns am Auferstehungstag der uns geschenkten Gnade durch das Stehen beim Gebet, sondern weil dieser Tag gewissermaßen ein Bild des zukünftigen Äons zu sein scheint.
Deswegen nannte Moses den Anfang der Tage auch nicht "ersten" Tag, sondern "ein" Tag; er sagte nämlich: "Es ward Abend, und es ward Morgen, ein Tag" (Gen 1,5), als ob dieser Tag im Kreislauf wieder herbeigeführt werden sollte. Und fürwahr, er ist "ein" Tag und auch achter, weil er den "einen" und wahrhaft achten durch sich selbst offenbar macht, von dem der Psalmist in einigen Psalmüberschriften spricht (Ps 6; Ps 11 LXX), das heißt der Zustand nach dieser Weltzeit, der Tag, der nicht mehr aufhört, der Tag ohne Abend, der Tag, der keinen Nachfolger hat, der Äon, der kein Ende mehr hat und ewig jung bleibt. Notwendig hält die Kirche ihre Kinder dazu an, an diesem Tag ihre Gebete stehend zu verrichten, damit wir durch die ständige Erinnerung an das Leben, das kein Ende hat, die Reisezehrung für diese Veränderung unseres Wohnsitzes nicht vernachlässigen.
Jeder fünfzigste Tag seinerseits ist eine Erinnerung an die im zukünftigen Äon erwartete Auferstehung. Denn dieser eine und erste Tag vollendet, siebenmal versiebenfacht, die sieben Wochen der heiligen fünfzig Tage. Diese Zeit beginnt nämlich mit dem ersten und endigt mit demselben, in der Zwischenzeit sich fünfzigmal in ähnlichen Tagen entfaltend. Durch die Ähnlichkeit ahmt sie die Ewigkeit nach, fängt sie doch in einer Kreisbewegung bei den gleichen Zeichen an, wo sie aufhört. Die Gesetze der Kirche haben uns gelehrt, an diesem Tag die aufrechte Haltung beim Gebet vorzuziehen, sie wollen mit dieser deutlichen Erinnerung unseren Geist gewissermaßen aus der Gegenwart in die Zukunft versetzen. Bei jedem Beugen der Knie und bei jedem Aufstehen zeigen wir durch unser Tun an, daß wir durch die Sünde zur Erde fielen und durch die Menschenfreundlichkeit unseres Schöpfers zum Himmel zurückgerufen wurden.«