Weihehindernis nach dem alten Kirchenrecht

Rund um den traditionellen römischen Ritus und die ihm verbundenen Gemeinschaften.
Raimund J.
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Weihehindernis nach dem alten Kirchenrecht

Beitrag von Raimund J. »

In der Moraltheologie von Pater Jone habe ich gelesen, daß, wenn jemand als Richter ein Todesurteil gesprochen hat, dieser nicht (oder nur nach ausdrücklicher Dispens) zum Priester geweiht werden könne.

Andererseits billigt die o.g. Moraltheologie doch auch ausdrücklich die Todesstrafe.

Wie ist das dann mit dem Weihehindernis zu verstehen?
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Maurus
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Re: Weihehindernis nach dem alten Kirchenrecht

Beitrag von Maurus »

Raimund Josef H. hat geschrieben:In der Moraltheologie von Pater Jone habe ich gelesen, daß, wenn jemand als Richter ein Todesurteil gesprochen hat, dieser nicht (oder nur nach ausdrücklicher Dispens) zum Priester geweiht werden könne.

Andererseits billigt die o.g. Moraltheologie doch auch ausdrücklich die Todesstrafe.

Wie ist das dann mit dem Weihehindernis zu verstehen?
Wer ein geistliches Amt anstrebt, an den werden andere Maßstäbe angelegt. Die grundsätzliche Erlaubtheit ist dabei nicht von Belang. Die Ehe zB ist sogar ein Sakrament, aber wer Priester werden will, darf keine gültige Ehe geschlossen haben.

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Gamaliel
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Re: Weihehindernis nach dem alten Kirchenrecht

Beitrag von Gamaliel »

Raimund Josef H. hat geschrieben:Wie ist das dann mit dem Weihehindernis zu verstehen?
Maurus hat geschrieben:Wer ein geistliches Amt anstrebt, an den werden andere Maßstäbe angelegt.
So ist es.

Früher nannte man dieses Hindernis "defectus lenitatis", also "Mangel an (Herzens-)Milde".

Die frühe Kirche hat es mit Rücksicht auf das Beispiel des Heilands (Mt 11,29 - "...sanftmütig und demütig von Herzen...") und die Forderung des hl. Paulus (1 Tim 3,3 - "...nicht gewalttätig, sondern mild...") eingeführt.

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holzi
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Re: Weihehindernis nach dem alten Kirchenrecht

Beitrag von holzi »

Raimund Josef H. hat geschrieben:In der Moraltheologie von Pater Jone habe ich gelesen, daß, wenn jemand als Richter ein Todesurteil gesprochen hat, dieser nicht (oder nur nach ausdrücklicher Dispens) zum Priester geweiht werden könne.

Andererseits billigt die o.g. Moraltheologie doch auch ausdrücklich die Todesstrafe.

Wie ist das dann mit dem Weihehindernis zu verstehen?
Ich hab mal von Nassos erfahren, daß in Griechenland die Priester nur ungern (eigentlich gar nicht, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt) Auto fahren. Denn wenn dadurch ein Mensch zu Tode käme, dürfte der Priester keine Liturgie mehr zelebrieren. Auch wenn jemand vor der Priesterweihe einen Menschen getötet bzw. dessen Tod auch unabsichtlich verursacht hätte, dürfte der nicht mehr geweiht werden.

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Protasius
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Re: Weihehindernis nach dem alten Kirchenrecht

Beitrag von Protasius »

Maurus hat geschrieben:
Raimund Josef H. hat geschrieben:In der Moraltheologie von Pater Jone habe ich gelesen, daß, wenn jemand als Richter ein Todesurteil gesprochen hat, dieser nicht (oder nur nach ausdrücklicher Dispens) zum Priester geweiht werden könne.

Andererseits billigt die o.g. Moraltheologie doch auch ausdrücklich die Todesstrafe.

Wie ist das dann mit dem Weihehindernis zu verstehen?
Wer ein geistliches Amt anstrebt, an den werden andere Maßstäbe angelegt. Die grundsätzliche Erlaubtheit ist dabei nicht von Belang. Die Ehe zB ist sogar ein Sakrament, aber wer Priester werden will, darf keine gültige Ehe geschlossen haben.
Das ist aber ein einfaches Hindernis mit Dispensmöglichkeit, oder?
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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Maurus
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Re: Weihehindernis nach dem alten Kirchenrecht

Beitrag von Maurus »

Protasius hat geschrieben:
Maurus hat geschrieben:
Raimund Josef H. hat geschrieben:In der Moraltheologie von Pater Jone habe ich gelesen, daß, wenn jemand als Richter ein Todesurteil gesprochen hat, dieser nicht (oder nur nach ausdrücklicher Dispens) zum Priester geweiht werden könne.

Andererseits billigt die o.g. Moraltheologie doch auch ausdrücklich die Todesstrafe.

Wie ist das dann mit dem Weihehindernis zu verstehen?
Wer ein geistliches Amt anstrebt, an den werden andere Maßstäbe angelegt. Die grundsätzliche Erlaubtheit ist dabei nicht von Belang. Die Ehe zB ist sogar ein Sakrament, aber wer Priester werden will, darf keine gültige Ehe geschlossen haben.
Das ist aber ein einfaches Hindernis mit Dispensmöglichkeit, oder?
Ja. Die Dispensgewalt liegt allerdings in beiden Fällen beim Apostolischen Stuhl (c. 1047 §§ 1,2 Nr. 3).

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anneke6
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Re: Weihehindernis nach dem alten Kirchenrecht

Beitrag von anneke6 »

Dürfte wohl sowieso nicht so oft vorkommen, daß ein Richter zum Priester geweiht werden möchte…
???

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Linus
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Re: Weihehindernis nach dem alten Kirchenrecht

Beitrag von Linus »

Warum nicht - nur der Richterstuhl wandelt sich dann in den Beichstuhl um, sonst ist die Jobdescription schon sehr ähnlich.... ;D (Abgesehen davon sind die Diözesanrichter idR wohl Priester)
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holzi
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Re: Weihehindernis nach dem alten Kirchenrecht

Beitrag von holzi »

Linus hat geschrieben:Warum nicht - nur der Richterstuhl wandelt sich dann in den Beichstuhl um, sonst ist die Jobdescription schon sehr ähnlich.... ;D (Abgesehen davon sind die Diözesanrichter idR wohl Priester)
Is' aber schon eine Weile her, daß von diesen jemand zum Tode verurteilt wurde.

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taddeo
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Re: Weihehindernis nach dem alten Kirchenrecht

Beitrag von taddeo »

holzi hat geschrieben:
Linus hat geschrieben:Warum nicht - nur der Richterstuhl wandelt sich dann in den Beichstuhl um, sonst ist die Jobdescription schon sehr ähnlich.... ;D (Abgesehen davon sind die Diözesanrichter idR wohl Priester)
Is' aber schon eine Weile her, daß von diesen jemand zum Tode verurteilt wurde.
Wieso? Das passiert immer wieder ... :pfeif:

(siehe Kreuzworträtsel: "Lebensende mit drei Buchstaben" -> ... ) ;D

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ad-fontes
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Re: Weihehindernis nach dem alten Kirchenrecht

Beitrag von ad-fontes »

anneke6 hat geschrieben:Dürfte wohl sowieso nicht so oft vorkommen, daß ein Richter zum Priester geweiht werden möchte…
Gilt das Weihehindernis auch für Staatsanwälte?
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

Raimund J.
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Re: Weihehindernis nach dem alten Kirchenrecht

Beitrag von Raimund J. »

ad-fontes hat geschrieben: Gilt das Weihehindernis auch für Staatsanwälte?
Lt. Jone werden diejenigen nicht irregulär (also kanonisch an einer Weihe gehindert), die nur die Schuldfrage bejahen aber nicht über die Strafe bestimmen, wie bspw. Geschworene. Ähnlich verhält es sich wohl auch bei Staatsanwälten. Der Staatsanwalt fordert zwar eine bestimmte Strafe, aber er übt natürlich keine Richterfunktion aus. Wenn die Geschworenen tatsächlich an der Bestimmung der Strafe mitwirken, dann würden auch diese tatsächlich einer Irregularität (die Irregularität unterscheidet sich vom einfachen Weihehindernis dadurch, daß sie ihrer Natur nach dauernd ist) unterliegen. Vorausgesetzt ist aber immer, daß das Todesurteil auch tatsächlich ausgeführt wird.
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