Alte Messe bei Gehörlosigkeit

Rund um den traditionellen römischen Ritus und die ihm verbundenen Gemeinschaften.
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Thomas Morus
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Alte Messe bei Gehörlosigkeit

Beitrag von Thomas Morus »

Seit geraumer Zeit treibt mich die Frage um, ob die Messe in der ao Form eigentlich auch etwas für Gehörlose ist.
Natürlich können die daran teilnehmen, das stelle ich nicht infrage. Und zweifellos gab es auch früher Gehörlose, die daran teilnahmen, einfach, weil es nichts anderes gab. Oder?
Aber unter heutigen Bedingungen betrachtet. Wenn man nun die Gregorianik nicht hören und mitsingen kann, selbst die laut gebeteten Teile nicht hören kann und es nur begrenzt sinnvoll ist, sie zu übersetzen (weiß man noch etwas über lateinische Gebärdensprache?) Zudem war Gebärdensprache über hundert Jahre lang quasi verboten (wurde erst 2002 offiziell anerkannt), weswegen viele Gehörlose auch ein gewisses Bildungsdefizit haben. Damit will ich mich nicht der These eines Kardinals anschließen, die Alte Messe sei ein intellektuelles Vergnügen, aber es erleichtert vermutlich den Zugang, wenn man das Geschehen am Altar besser nachvollziehen kann.
Man stelle sich also vor, daß man da sitzt und alles als Stummfilm vor einem abläuft.
Ist in diesem Zusammenhang die Liturgiereform eine Errungenschaft, die die Messe auch für Gehörlose nachvollziehbarer macht? Die für gläubige Gehörlose geradezu eine Erlösung darstellt?
Oder gab es für Gehörlose vielleicht Sonderformen der Messe, die man heute gar nicht mehr auf dem Radar hat? Immerhin waren oft Geistliche an der Entwicklung derGebärdensprache beteiligt, nicht zuletzt, um Kinder im Glauben zu unterweisen (z.B. Abbee de l'Epee)

Kennt jemand Äußerungen von Gehörlosen dazu? Hat eigene Erfahrungen? Antworten, Anregungen...

Sollte ich mich mißverständlich ausgedrückt haben, drescht nicht auf mich ein, sondern fragt nach.
Qui Mariam absolvisti, et latronem exaudisti, mihi quoque spem dedisti.

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Hubertus
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Re: Alte Messe bei Gehörlosigkeit

Beitrag von Hubertus »

Thomas Morus hat geschrieben:Ist in diesem Zusammenhang die Liturgiereform eine Errungenschaft, die die Messe auch für Gehörlose nachvollziehbarer macht?
:hae?: Wieso denn dieses?
Gerade die Neue Messe ist doch deutlich "textlastiger" (z.B. "Statio", 2. Lesung, Fürbitten) und gleichzeitig gestenärmer (fehlende Verneigungen, Kreuzzeichen beim Gloria u.ä. etc.).

Ich würde eher das Gegenteil vermuten.
Der Kult ist immer wichtiger als jede noch so gescheite Predigt. Die Objektivität des Kultes ist das Größte und das Wichtigste, was unsere Zeit braucht. Der Alte Ritus ist der größte Schatz der Kirche, ihr Notgepäck, ihre Arche Noah. (M. Mosebach)

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Siard
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Re: Alte Messe bei Gehörlosigkeit

Beitrag von Siard »

Hubertus hat geschrieben:Ich würde eher das Gegenteil vermuten.
Geht mir auch so.
[Exkurs Früher gab es Meßbücher im Großdruck für Priester, die schlecht sehen – für die ordentliche Form habe ich das noch nicht gesehen.]

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Thomas Morus
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Re: Alte Messe bei Gehörlosigkeit

Beitrag von Thomas Morus »

Ja eben wegen der "Textlastigkeit" und wegen der Zelebration zum Volk hin, Hochgebet laut in Volkssprache - das kann man m.E. leichter übersetzen (in Gebärdensprache) bzw. gleich so zelebrieren, wenn man die Sprache beherrscht.

Die Frage wäre hier, inwieweit stumme Gesten aussagekräftig sind. Reicht es, nur im Schott mitzulesen?
Oder anders gefragt: In der ao Form zelebriert der Priester mit dem Volk zu Gott hin, was vom Volk möglicherweise deshalb nachvollzogen wird, weil es singt und hört und so mit dem Priester agiert.
In der neuen Form zelebriert der Priester bekanntlich zum Volk hin, was zwar oft als manko angesehen wird - aber ist das nicht hier nötig, um gehörloses Volk und Priester zusammenzubringen, denn wenn es nicht hört, muß es doch die Gebärden sehen Die Kommunikation findet hier nahezu ausschließlich visuell statt. Ich weiß nicht, wie das in der ao Form gehen soll, bzw. ob die dort gegebenen Möglichkeiten ausreichend sind.
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Protasius
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Re: Alte Messe bei Gehörlosigkeit

Beitrag von Protasius »

Also ehrlich gesagt finde ich es einfacher, die alte Messe ohne Ton nachzuvollziehen. Wenn ich eine stille Messe an der Orgel begleite, kann ich durch einen kurzen Blick in den "Rückspiegel" an der Orgel feststellen, was gerade passiert. Man denke nur an die Unterscheidung zwischen Evangelien- und Epistelseite, die vielen Verneigungen, Kniebeugen und Kreuzzeichen; diese stummen Zeichen sprechen eine beredte Sprache. Außerdem gibt es bei der alten Messe nicht die vielen Varianten, was als nächstes passieren kann.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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Hubertus
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Re: Alte Messe bei Gehörlosigkeit

Beitrag von Hubertus »

Protasius hat geschrieben:Also ehrlich gesagt finde ich es einfacher, die alte Messe ohne Ton nachzuvollziehen. Wenn ich eine stille Messe an der Orgel begleite, kann ich durch einen kurzen Blick in den "Rückspiegel" an der Orgel feststellen, was gerade passiert. Man denke nur an die Unterscheidung zwischen Evangelien- und Epistelseite, die vielen Verneigungen, Kniebeugen und Kreuzzeichen; diese stummen Zeichen sprechen eine beredte Sprache. Außerdem gibt es bei der alten Messe nicht die vielen Varianten, was als nächstes passieren kann.
:daumen-rauf:
Man kann ja mal vergleichen. Der Einfachheit halber nehme ich für die aoF das vorhin verlinkte Video (die hl. Wandlung beginnt ab ca. 45:00):
http://youtu.be/BQs8pNTE11c?t=45m

... und hier ebenfalls eine Ostersonntagsmesse, hier in der oF (die hl. Wandlung beginnt ab ca. 09:30):
http://www.youtube.com/watch?v=r5C_0q4J ... re&t=9m30s

Beide mal ohne Ton anhören. Ist die oF der aoF wirklich "voraus"?
Zumal die Frage der Zelebrationsrichtung ja (zumindest de jure) keine der beiden Formen ist (der in diesem Zusammenhang oft erwähnte Petersdom in Rom läßt grüßen).
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Quasinix
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Re: Alte Messe bei Gehörlosigkeit

Beitrag von Quasinix »

Die überlieferte Liturgie spricht alle Sinne an, die neue vor allem den Gehörsinn. Erschwerend kommt dazu, daß man an vielen Stellen gar nicht genau weiß, was gerade gesagt wird, eben bedingt durch die bunte Palette an vordefinierten und selbstgemachten Variationen. Ich würde auch sagen, daß man den beiden Formen generell auf eine andere Art folgt; der einen mehr mitbetend und mitopfernd, bei der anderen muß man schon auch mitbekommen, um was es gerade geht und welchen speziellen Akzent der Zelebrant setzen will.
Haltet die Welt an, ich will aussteigen!

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Hubertus
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Re: Alte Messe bei Gehörlosigkeit

Beitrag von Hubertus »

Hinweis der Moderation:
Eine sich hieran anschließende Diskussion zu liturgischen Mißbräuchen
im NOM wurde hierhin verschoben: viewtopic.php?p=719843#p719843.

Es wird gebeten, das Thema dort weiterzudiskutieren.

Hubertus als Mod.
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