Ich finde diesen Text, auch wenn er in Bezug auf Europa bzw. Deutschland aus einer anderen Region, nämlich Nordamerika, kommt, äußerst interessant. Natürlich ist es ein Essay, kein wissenschaftlicher Artikel, eigentlich ein Glaubenszeugnis, das würde allerdings der wissenschaftlichen Theologie auch gut anstehen. In diesem Rahmen macht der Autor seine Standpunkte klar und hat auch plausible Begründungen dafür, die ich - wenigstens zum Teil - gut nachvollziehen kann. Ja, so könnte er aussehen, der traditionelle Katholik und ein wenig von ihm erkenne ich auch in mir selbst wieder, allerdings ohne die Fixierung auf den tridentinischen Messritus, die ich zwar nicht verurteile, aber auch nicht teile. Das führt mich zum ersten von denjenigen Punkten, die hier erwähnt wurden:
taddeo hat geschrieben:Ich kann und will nicht auf alle Punkte eingehen, aber exemplarisch auf einen, der mir besonders auffällt: Die ständig verwendete Formulierung "lateinische Messe" als Synonym für den alten Meßritus. Das ist doch absoluter Blödsinn.
Der Terminus "lateinische Messe" könnte auf einen Übersetzungsfehler beruhen, da im Englischen "latin mass" mit "tridentinischer Ritus" gleichgesetzt wird. Inhaltlich stimmt deine Entgegnung natürlich, aber dein Bestehen auf dem korrekten Begriff ist Erbsenzählerei. Wir befinden uns hier ja nicht in einer akademischen Diskussion.
taddeo hat geschrieben:Also bin ich wirklich von klein auf in die lateinische Messe hineingewachsen und liebe sie bis heute über alles - aber in einer "alten Messe" war ich zum erstenmal mit gut 20 Jahren, und seither vielleicht zwei-, dreimal.
Da steckst du wahrscheinlich in einer Art "Zwischenstation" zwischen der Gläubigengeneration, die die tridentinische Messe noch sonntäglich mitgefeiert hat und derjenigen Generation, für die die Messe in der Volkssprache zur Normalität wurde. Es ist nicht untypisch für die erstgenannte Generation, dass sie die tridentinische Messe weithin ablehnt, weil sie sie bereits in der Jugend als "angestaubt", "langweilig", vielleicht auch nicht mehr vom Priester wirklich engagiert zelebriert, erlebt haben. Bei meinen Eltern ist z.B. genau
das der Fall. Ähnliches dürfte für die Zwischengeneration gelten, vor allem, weil ganz generell die im Artikel beschriebenen Folgen mancher recht eigenwillig erfolgten Konzilsexegese noch nicht eingetreten waren. Anders verhält es sich mit der nachfolgenden Generation und natürlich der dieser Generation Nachfolgenden unter den Gläubigen. Für die Avantgarde der von der tridentinischen Messe Begeisterten ist diese Messform immer noch neu, vielleicht liegt auch darin für manche dieser Gruppe Zugehörigen ihre Anziehungskraft, sicher aber auch die große und gleichmäßige Ruhe als Konstante in einer sich ständig verändernden Welt. Einstweilen setzt der Apparat der Hauptamtlichen in der kirchlichen Verwaltung noch Stolpersteine in den Weg, weil er sich vor allem aus der "Zwischengeneration" zusammensetzt, die ihre Felle davonschwimmen sieht. Mit der Zeit aber und vor allem mit den sinkenden Kirchensteuereinnahmen werden solche Hauptamtlichen buchstäblich aussterben.
taddeo hat geschrieben:Genau daran krankt die Liturgie in unseren Breiten, daß der wirklich vom Konzil vorgesehene Normalfall praktisch nicht mehr existiert: die Messe nach dem Missale von 1970 in lateinischer Sprache, mit deutschen Lesungen, und mit lateinischer Kirchenmusik. Wenn es das flächendeckend gäbe, wär die ganze Tradiszene von heut auf morgen tot bzw. auf Einzelpersonen geschrumpft.
Das hätte möglich sein können, das denke ich auch. Aber dafür ist es nun zu spät. Die Blockadehaltung unter den Hauptamtlichen über Jahrzehnte hinweg hat auf der "Gegenseite" auch eine Radikalisierung bewirkt, zu deren äußeren Zeichen auch die Piusbruderschaft zählt.
CIC_Fan hat geschrieben:Aus Wien kann ich etwas anderes berichten
hier sorgte der durchaus umstrittene Kardinal-Erzbischof Dr. König ab 1970 dafür daß es unter der Woche 3 Messen in lateinischer Sprache und Sonntags 5 lateinische Ämter im NOM gab jedich hatten sich in kürzester Zeit 2 "Meßzentren für die tridentinische Messe gebildet und Anfang der 80er Jahre kam die FSSPX in die Stadt
Seit 2007 also seit dem MP sind die lateinischen Ämter von 5 auf 1 und ein gelegentliches geschrumpft und die Wochentagsmessen von 3 ständigen in der Innenstadt auf eine außerhalb der Ferienzeit um 7 uhr Früh (Alles NOM)
inklusive FSSPx gibt es jetzt Sonntags 3 Hochämter und täglich 2-5 tridentinische Messen
Österreich hatte schon immer ein wacheres Takt- und Feingefühl gegenüber Traditionen und einen erfreulichen Mangel an militanten Bilderstürmern.
Libertas Ecclesiae hat geschrieben:Da stellt sich doch die Frage, warum das so gekommen ist und warum das Latein nahezu vollständig aus unseren Gemeindegottesdiensten verschwunden ist. Abgesehen von der lateinischen Sprache geht es ja auch um die Frage der Zelebrationsrichtung, der Mundkommunion, der Verwendung des Canon Romanus etc., alles Elemente, die sich theoretisch auch in der neuen Messe finden lassen könnten, die aber in der Praxis weitgehend unterdrückt werden.
Ja, die traditionelle Liturgie hätte die Sozialpädagogisierung der Liturgie empfindlich gestört.
Tinius hat geschrieben:Die Punkte 9 bis 11 sind an Idiotie nicht zu überbieten. Nach Luther tauchen sogar sexy Frauen auf, die den Priester anschauen wollen. Samt Handy..
Diese Punkte finde ich gar nicht idiotisch; es war und ist bei gewissen Frauen nicht unüblich, sich besonders für das für sie Unverfügbare ganz besonders zu interessieren; vielleicht mitunter auch aus einem Minderwertigkeitskomplex heraus, um den "eigenen Marktwert" zu testen. Früher wurden solche Exemplare auch als "Rochett-Wespen" bezeichnet, man findet sie mitunter heute auch als Tagesgäste in "liberalen" Priesterseminaren, wo das Frischfleisch noch unbedarft ist. Dieser "Sport" ist keine neue Erfindung; meine Mutter erzählte mir aus ihren Studientagen der 60er-Jahre in Tübingen, wo es sich einige ihrer Kommilitoninnen in den Kopf setzten, Priesteramtskandidaten den Kopf zu verdrehen, um sie dann, nach erfolgtem "Abfall", als erledigte Trophäe links liegen zu lassen. Tübingen war geradezu berüchtigt dafür. Deswegen nahm Herr Professor Küng in seinem Auto Studentinnen seiner St.Johannes-Studentengemeinde von außen auch stets nur bis zum Stadtrand Tübingens mit, damit keine Gerüchte entstehen konnten.
taddeo hat geschrieben:Was ich noch anmerken möchte: Wenn dieser oben verlinkte Text so tatsächlich von einem Diözesanpriester stammen sollte, dann würde ich als Bischof den schleunigst mal persönlich sprechen. So ein konfuses Zeug deutet sowohl auf Mängel in der Ausbildung als auch in der geistlichen Verfassung hin. Da faselt er am Ende davon, daß er als traditioneller Katholik Sünde noch für Sünde halte - und merkt nicht einmal, daß er sich mit seinen Verunglimpfungen selber am Glauben der Kirche versündigt, und vor allem an all den "nicht-traditionellen" Katholiken, die auch mit dem NOM noch wissen, was Sache ist und den Glauben der Kirche ernstnehmen.
"Konfus" ist der Text sicher nicht, ich sehe auch keine theologische Ausbildungslücken. Dass es in der Kirche starke Strömungen gibt, Sünde nicht mehr als Sünde zu bezeichnen, dürfte evident sein - bis in die praktizierte Liturgie hinein. Insofern sind das keine Verunglimpfungen (die betreibst du), sondern Feststellungen, die sich an seiner Meinung orientieren. Ohnehin sollte man sich nicht zu sehr über vermeintliche oder tatsächliche akademische oder geistliche Eignungen auslassen; wäre man selbst so unglaublich geeignet, säße man nicht hier und hätte Zeit, in diesem Forum zu schreiben.
Coturnix hat geschrieben: Beim Novus Ordo hören wir zumeist Lieder, die den Menschen gefallen (Hip Hop) [...]
Bitte was?

Ich habe auch schon einiges an Missbräuchen erlebt, aber HipHop ist mir in der Messe noch nie untergekommen und ich kann mir auch schwer vorstellen, dass das irgendwo die Praxis ist...
http://www.rockthechurch.de/ Nur als Beispiel. Muss man nicht mögen, aber mich zwingt ja auch niemand hinzugehen.