Das Wesentliche ist hier schon gesagt: es gibt keine grundsätzliche Einengung oder Gleichmacherei des Verhaltens jener, die einer Messe beiwohnen. Solange das Verhalten ehrfurchtsvoll und angemessen ist, ist es in Ordnung.
Man kann demnach 1. die Texte der Messe im persönlichen Meßbuch mitlesen und mitbeten (aber das ist etwas Neuzeitliches, undenkbar vor der Erfindung des Buchdrucks und der allgemeinen Schulpflicht, und strenggenommen vor der allgemeinen Verbreitung von Volksmeßbüchern im 19. Jh.: allein diese Tatsache kann diese Praxis nicht zum alleinigen Maßstab werden lassen), oder man kann 2. ohne Text, nur
ex auditu, den betenden Priester verfolgen (das gelingt aber nur bei entsprechenden Kenntnissen des Hörenden, und, zumal bei einer Stillmesse, in kleineren Kirchen, und wenn der Priester deutlich artikuliert), oder man kann 3. aus einem Andachtsbuch beten, das zwar nicht die Meßtexte, aber auf die Messe und die zu feiernden Geheimnisse bezogene Gebete enthält (das findet man öfter in älteren Andachtsbüchern des 17. und 18. Jh., beispielsweise im
Paradisus animae christianae von Merlo Horstius, oder bei St. Louis Grignion de Montfort, auch volkssprachlich), oder man betrachtet 4. rein visuell ohne den Intellektualismus der Moderne die Bilder und Glasfenster, und den Altar, wo zelebriert wird, und läßt sich wortlos von der äußeren Atmosphäre der göttlichen Geheimnisse einnehmen (so dürften viele im Mittelalter und auch noch viel später die Gnaden der Messe erfahren und ergriffen haben ohne dies rationalisieren zu können und zu brauchen), oder man kann 5., und dies ist von den Päpsten oft empfohlen worden, zuletzt von Papst Pius XII. in
Mediator Dei, betrachtend den Rosenkranz beten, wobei die verschiedenen Geheimnisse auch den Teilen der Messe angepaßt werden können, ...
Einige Verhaltensregeln für die
Circumstantes, die Umstehenden, geben allerdings die Rubriken unseres Meßbuchs (letzte typica 1920) sehr wohl.
Wortlaut:
Rubricae generales XVII,2 :
Circumstantes autem in Missis privatis semper genua flectunt, etiam Tempore Paschali, praeterquam dum legitur Evangelium.
In den Stillmessen ist die Grundhaltung also die kniende, auch zur österlichen Zeit, außer beim Evangelium (auch Schlußevangelium: dann steht man).
Um den Satz richtig zu verstehen, muß man wissen, daß unsere Rubriken in ihrer heutigen Form (zuletzt 1920! denn 1962 ist eine vollständige Neuschöpfung!) aus dem Spätmittelalter stammen (auf älteren Vorlagen beruhend) und 1502 vom päpstlichen Zeremoniar Johannes Burchardus aus diversen Quellen kompiliert, sodann 1570 in die vom hl. Pius V. veranstaltete editio princeps
ex decreto SS. Concilii Tridentini erstmals allgemeinverbindlich aufgenommen wurden.
Die
Circumstantes sind demnach in erster Linie die Diener und jene, die sich in direkter Nähe zum Altar befinden. Das erklärt sich aus der historischen Tatsache, daß die Kirchen keine Bänke hatten, und oft mehrere Messen gleichzeitig an verschiedenen Altären gefeiert wurden. Man konnte also in einer Kirche frei herumgehen, zumal in einer größeren, und verschiedenen Messen begegnen, die an verschiedenen Zeitpunkten ihrer Feier angelangt waren, man konnte sich einer anschließen, oder keiner, oder von einer zur anderen gehen. Daher die Beschränkung der Rubrik auf die direkten Umstehenden.
Das konnte etwa so aussehen:
Nun ist diese Situation teilweise noch heute denkbar (ich erlebe regelmäßig, daß in unserem Oratorium an den beiden vorhandenen Altären zugleich eine Messe stattfindet), aber generell sind heute die Verhältnisse so, daß alle in der Kirche anwesenden Gläubigen sich auf die eine (einzige) dort gefeierte Messe fixieren. Dann liegt es nahe, was in der Rubrik für die Umstehenden gesagt wird, auf alle Anwesenden zu beziehen.
Nun betrifft diese Rubrik nur die Stillmesse (
missa privata).
Für die gesungenen Ämter (
in Missa sollemni) sind die
Rubricae generales unter XVII (
De Ordine genuflectendi, sedendi, et standi in Missa privata et sollemni) schweigsamer was die verlangte äußere Haltung der
Circumstantes angeht, wohl weil solche Messen in der Regel nur im Hohen Chor stattfinden, weiter entfernt von der Gemeinde, es ist darum nur die Rede von den
Ministri (den eigentlichen Meßdienern), und jenen, die
in Choro, also in unmittelbarer Nähe zum Altargeschehen, in der Regel der Klerus der betreffenden Kirche, anwesend sind.
Circumstantes generell werden hier nicht mehr genannt.
Wir können uns aber ein Bild machen indem wir den bereits erwähnten Johann Burckard aus Niederhaslach i.E. zu Rate ziehen. Dieser Kleriker war von 1484 bis 1506 päpstlicher Zeremoniar in Rom und ihm verdanken wir wie oben gesagt eine Kompilation existierender liturgischer Texte, die dann 1570 auch der Erstausgabe des römischen Missale zugute gekommen sind.
Sein 1502 in zweiter Auflage erschienener
Ordo Missae für die Stadt Rom wurde 1904 von dem englischen Forscher J. W. Legg ediert (
Tracts on the Mass, SS. 134-135, hier bereits mehrfach verlinkt). Darin steht zu den "Interessentes (sic!) Miss<a>e", denjenigen also, die einer (gesungenen) Messe an Sonn- und Festtagen oder an Wochentagen in der österlichen Zeit beiwohnen, daß sie durchgehend stehen, nur eingangs während des Confiteor, des
Et incarnatus est im Credo und der Wandlung (genauer der Elevation:
cum celebrans illud ostendit populo adorandum) wird gekniet.
Sitzen kann man (wenn ein
locus conveniens sedendi vorhanden ist, eine passende Sitzgelegenheit, was bei weitem nicht überall der Fall war bzw. ist, sonst bleibt man stehen), während der Chor das Kyrie singt, ferner während Gloria und Credo (sobald sich der Klerus gesetzt hat), während der Epistel und des Graduale, vom Offertorium zur Präfation, und von der Purifikation bis zur Postkommunion.
Fazit:
Generell würde ich raten, bei einem Meßbesuch sich dem örtlichen Usus anzupassen. Das dürfte nicht allzu schwerfallen. Es gibt schließlich legitime Gewohnheiten, die von Ort zu Ort unterschiedlich sein können, und die findet man schnell heraus.
Vermutlich wird aber die angestrebte Meßgelegenheit eine ED-Veranstaltung oder ein FSSPX-Priorat sein, oder irre ich mich da?
Ohne hier jemandem zu nahe treten zu wollen, ist dann damit zu rechnen, daß exklusive das Missale von 1962 zur Anwendung kommt (das die erwähnten überlieferten Rubriken nicht mehr kennt), wobei, wenn es eine Stillmesse ist, zudem durchgehend die sog.
Missa dialogata praktiziert wird, d.h. daß die Gläubigen in der Kirche nicht nur alle Antworten der Meßdiener, sondern auch Gloria, Credo, Sanctus, Agnus Dei, und vielleicht noch weiteres, laut mitsprechen. Dann bleibt praktisch als Teilnahmemodus nur die eingangs erwähnte Nr. 1. (unter Umständen auch Nr. 2) übrig, und ist der persönlichen Andacht kein Raum mehr gegeben. Dafür gibt es aber überhaupt keinen liturgiehistorischen oder theologischen Anhaltspunkt in der Tradition der Kirche.
Man muß wissen: Die "Dialogmesse" ist eine Erzwungenschaft der liturgischen Bewegung, etwa seit den 20er Jahren v.a. in Deutschland aufgekommen, 1922 gestattete die Ritenkongregation (AAS 14, 505), daß gewisse Gläubigen die Antworten sprachen
loco ministri, statt des Meßdieners, also nur für den Fall, daß kein Meßdiener da war. 1943 schrieb dann Kardinalstaatssekretär Maglione an die Bischöfe Großdeutschlands (wie es damals hieß) und erlaubte den Ortsordinarien selber über die Praxis der Dialogmesse in ihren Bistümern zu bestimmen, was einige taten, andere nicht. Dieser Brief steht nicht in den AAS (hat also keine allgemeine Rechtskraft), und ist vom Staatssekretariat, nicht von der Ritenkongregation ergangen, also im Prinzip von einer liturgisch nicht befugten Stelle, was doch sehr merkwürdig ist. Aber erst in der Instruktion der Ritenkongregation vom 3. 9. 1958 wurde die
Missa dialogata allgemein erlaubt, allerdings, wie es Nr. 31-32 (AAS 50, 642-643) sehr unschön heißt, in ihrer "Idealform" nur
selectis cultioribus coetibus bene institutis, nur in "ausgewählten, besser entwickelten und gut instruierten Gemeinden", sprich: die Dummen können weiter den Rosenkranz beten. Das riecht nach Pistoia, nach liturgischem Jansenismus, und steht im Gegensatz zu den Prinzipien von
Mediator Dei, nur 11 Jahre vorher. Nun gut, einen Monat später war der bereits schwerkranke Papst tot.
Wie dem auch sei, ich wünsche von dem bevorstehenden Meßbesuch möglichst reichlich Frucht und Segen!