Neuerscheinungen zum Thema "Alte Messe" und Tradition

Rund um den traditionellen römischen Ritus und die ihm verbundenen Gemeinschaften.
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ottaviani
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Beitrag von ottaviani »

die mir eigene güte

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overkott
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Beitrag von overkott »

wunderbar

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Kristall
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Beitrag von Kristall »

cantus planus hat geschrieben:
Natürlich kann ich hier in der gebotenen Kürze nicht das komplette Buch fachkundig rezensieren. Wie ich oben weiter schon geschrieben habe, findet der Fachmann keine grundlegend neuen Informationen, wohl aber eine gründliche und polemikfreie Analyse. Kunzler beschreibt die Vorzüge beider Ritusformen ebenso nüchtern wie ihre Nachteile.
Schönen Dank für die ausführliche Kommentierung des Buches von Kunzler. Der Autor ist ja ausgewiesener und sehr profunder Liturgiewissenschaftler mit Schwerpunkt Byzantinische Liturgie.
Hier liegt wohl auch die Klammer des Außerordentlichen Ritus zur Ostkirche und der Angleichung zu den Riten dort.

Bedauerlicherweise kann man alles logisch vernünfitg begründen - also die Frage der Ausrichtung, der Sprache, etc.
Es sind Entscheidungen, die Konsequenzen haben und niemand kann diese Konsequenzen jetzt überschauen.

Es ist natürlich ein wesentlicher Unterschied, ob ich den neuen Ritus mit dem alten, gewohnten vergleiche und ob ich mich auf das ungewohnte einlassen will, als Laie oder als Angehöriger des Klerus.

Letztlich ist die Sache beschlossen und man wird sehen, wie die Konflikte in den Gemeinden ausgetragen werden.

Wenn auch in den Werktagsmessen nur ein paar alte Damen sind - wie witzig - repräsentieren diese Frauen doch vor allem die Treue zu Christus und ihrem Glauben an ihn. Sie richten sich sicherlich in einem ganz anderen Sinn auf Christus aus, als dies Kunzler meint zu begründen.
Diese Frauen tragen die Kirche in ihren Familien und haben die Verantwortung für die Erziehung der Kinder im Glauben. Die heute 70jährigen haben das Vatikanum II als Aufbruch erfahren und sie sind in der Folge ständig enttäuscht worden, wie teils offen, teils subtil doch alles wieder versucht wird zurückzudrehen.
Ich empfehle doch mal sich in die Frauengemeinschaften hinein zu begeben. Noch sind sie da.

Lieben Gruß
Kristall

Raimund J.
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Beitrag von Raimund J. »

Kristall hat geschrieben: Wenn auch in den Werktagsmessen nur ein paar alte Damen sind - wie witzig - repräsentieren diese Frauen doch vor allem die Treue zu Christus und ihrem Glauben an ihn. Sie richten sich sicherlich in einem ganz anderen Sinn auf Christus aus, als dies Kunzler meint zu begründen.
Diese Frauen tragen die Kirche in ihren Familien und haben die Verantwortung für die Erziehung der Kinder im Glauben. Die heute 70jährigen haben das Vatikanum II als Aufbruch erfahren und sie sind in der Folge ständig enttäuscht worden, wie teils offen, teils subtil doch alles wieder versucht wird zurückzudrehen.
Herzlich willkommen im Forum!

Gerade Kunzler arbeitet doch in seinem Buch sehr schön auch heraus warum es seines Erachtens nach einer Reform der Liturgie bedurfte.

Was genau meinst Du damit, das versucht werden soll etwas "zurückzudrehen"? Was genau vermissen denn die o.g. Senioren?
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
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Kristall
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Beitrag von Kristall »

Raimund Josef H. hat geschrieben:
Herzlich willkommen im Forum!

Gerade Kunzler arbeitet doch in seinem Buch sehr schön auch heraus warum es seines Erachtens nach einer Reform der Liturgie bedurfte.

Was genau meinst Du damit, das versucht werden soll etwas "zurückzudrehen"? Was genau vermissen denn die o.g. Senioren?
Danke für das herzliche Wilkommen - .

Ich habe leider das Buch mir noch nicht gekauft, finde es aber von der Gliederung her ganz interessant.
Vielleicht kannst du ja kurz beschreiben, was denn Kunzler für Gründe aufweist, die diese "Liturgiereform" nötig machten.

Ich nehme teil an Diskussionen zum neuen Meßritus und der Möglichkeit, daß die Gemeinde durch den Priester damit "konfrontiert" werden kann. Auch erlebe ich bereits Diskussionen über die Frage, ob und wenn ja, wann nach dem neuen Ritus gefeiert werden soll. Und daß viele Gemeinden dies ablehnen.

In den Gemeinden, in denen ich diskutiere , geht es um die Frage der Beteiligung der Laien an der Liturgie und wer denn die Messe feiert.

Ich zitiere hier mal den Benediktiner P. Oliver Kaftan von der Abtei Kornelimünster
Zunächst wohl noch unbewusst wurde durch das Bemühen um eine Mitfeier aber auch das Grundverständnis der Messe in Frage gestellt, dass allein der Priester den Gottesdienst feiert. Es war ein „Volks-Empfinden“ wieder entdeckt worden. Wie zu in den ersten christlichen Jahrhunderten wurde wieder die ganze Gemeinde als diejenige angesehen, die Gottesdienst feiert. Das Grundverständnis der Liturgie zu ändern bedurfte es des Anstoßes durch die Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils. Was Pius XII. bereits im Zusammenhang mit der Kirchenmusik geschrieben hatte, wurde nun auf die gesamte Liturgie übertragen. Alle sollten die Möglichkeit zu einer bewussten innerlich engagierten Teilhabe – actuosa participatio – haben.

In der Liturgiekonstitution wird der Auftrag erteilt, die liturgischen Bücher entsprechend diesem Selbstverständnis zu überarbeiten. 1970 erschien das erneuerte lateinische Messbuch, 1975 die deutsche Fassung, die keine genau Übersetzung ist, sondern wenige leicht anders gestaltete Elemente und eine Reihe zusätzlicher Gebete enthält. Dieses deutsche Messbuch ist wie alle anderen volkssprachlichen Fassungen von der römischen Behörde bestätigt worden. Inzwischen hat es mehrere Instruktionen gegeben, die immer schärfere Bestimmungen für die volkssprachlichen Ausgaben machen und nun eine sehr wörtliche Übersetzung der lateinischen Texte fordern.

Die Bemühungen um ein für heute angemessenes Messbuch waren von Anfang an von heftiger Polemik begleitet. Das Grundverständnis, die ganze Gemeinde feiere Liturgie, wurde als demokratisch und lutherisch abgestempelt. Beide Begriffe wurden als Schimpfworte gebraucht. Andererseits wurde oft rein negativ besetzt von der Zelebration mit dem Rücken zum Volk gesprochen, im Sinne von, er wendet dem Volk schnöde den Rücken zu. Man kann aber ebenso sagen, zusammen mit dem Volk wendet er sich Gott zu. Dies kommt bis heute in der Haltung mancher Zelebranten nicht zum Ausdruck. Sie geben sich, als seien sie selbst der Zielpunkt der Gebete und der Mittelpunkt der Gemeinde. Bei manchen Vorbereitungen auf Gottesdienste ist der Blick darauf gerichtet, dass wir den Gottesdienst machen, statt dass zunächst einmal Gott in dieser Feier einen Dienst an uns tut. Hier sehe ich berechtigte Kritik an der Art und Weise, wie heute teilweise Gottesdienst gefeiert wird. Wir brauchen nach meiner Einschätzung kein Zurück zur alten Liturgie, sondern eine gute Kultur des Feierns.

Obwohl Latein weiterhin die Grundsprache unserer Liturgie ist, hat sich die Feier in der Volkssprache weitgehend durchgesetzt. Dazu hat auch beigetragen, dass die Feier in Latein als traditionalistisch gebrandmarkt wird. Wenn sich ein Zelebrant allerdings nicht um eine gute Kultur der Feier bemüht, wird dies bei einer Feier in der Volkssprache viel deutlicher als bei einem kaum bis gar nicht verstandenen Latein. So wird hier und da auch eine Sehnsucht nach der „guten alten lateinischen Messe“ geweckt. Dabei ist wohl vielen, die so denken der Unterschied zwischen der tridentischen und der heutigen Form der Messe gar nicht bewusst. Echte Traditionalisten wollen nicht die lateinische Sprache, sondern die lateinische tridentinische Messe, die ein ganz bestimmtes Priester- und Kirchenbild mit transportiert. Sie halten an einem Standesdenken fest, das 1570 noch ganz fraglos war, den meisten heute aber als unangemessen elitär gilt.
Das zeigt m.E. die Problematik auf - gemeinsame Feier der Gemeinde, auch demokratisch in der Beteiligung verstanden, oder Feier des Klerus FÜR die Gemeinde.
Dieses Bedürfnis nach Beteiligung ist ganz wesentlich.
Die Beteiligung hat ja einen viel tieferen Sinn. Sie ist auch ein ernst nehmen und ermöglicht auch einen wirklichen Anteil an der Vorbereitung der Feier, die neben der äußeren Form auch eine innere Form und Anteilnahme hat.
Vor allem ist Liturgie Gottes Dienst an uns, der uns mit seiner Gegenwart beschenken will. Dies macht weder die tridentische, noch die heutige Form der Messe aus sich heraus deutlich. Dazu bedarf es der rechten Einstellung der Feiernden. Wenn wir heute die ganze Gemeinde als diejenige ansehen, die Gottesdienst feiert, so tut sie dies immer als Teil der gesamten Kirche, dem Leib mit vielen unterschiedlichen Gliedern, der in Christus ist (vgl. Röm 12, 5). Letztlich ist es Christus, der in der Liturgie handelt. So ist es nicht ganz treffend, wenn wir sagen, dass wir eine Messe vorbereiten. Wir bereiten uns auf die Feier der Messe vor, wenn wir die Gestalt suchen, die jeweils angemessen ist für diejenigen, die sich zur Feier versammeln. Dies ist das Grundanliegen der Liturgiekonstitution.
Genau das ist den Bach runter gegangen, aufgrund der ständigen Auseinandersetzungen um die Äußerlichkeiten und genau das, diese Gemeindearbeit und dieses Gemeindeverständnis vermissen die "Senioren" bei vielen Priestern.

Konkret ist das ja so, daß der Pfarrgemeinderat mit dem Pfarrer über die Liturgie berät und da kommt es dann darauf an, wie das Verhältnis von Laien und Klerus in der Gemeine aussieht.

Und wenn der Pfarrer der Ansicht ist, ihn interessiere die Meinung des Pfarrgemeinderat in dieser Frage nicht, dann ist das schon eine herabsetzende Haltung oder anders gesagt - eine sich selbst erhöhende Haltung des Priesters.

Raimund J.
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Beitrag von Raimund J. »

Kristall hat geschrieben: Ich habe leider das Buch mir noch nicht gekauft, finde es aber von der Gliederung her ganz interessant.
Vielleicht kannst du ja kurz beschreiben, was denn Kunzler für Gründe aufweist, die diese "Liturgiereform" nötig machten.
Kunzler widmet dem Thema "Wie die Liturgie reformbedürftig wurde" das 3. Kapitel und zeigt darin an etlichen Beispielen wie Einbindung der Gemeinde, Verkündigung der Heiligen Schrift, Sakramente, etc. immer im Kontext der Gesamtentwicklung des römischen Ritus die Beweggründe der Reform. Er arbeitet heraus, daß man sich im Grunde genommen nichts Neues ausgedacht hat, sondern auch viele noch ältere Elemente wieder neu belebt hat.

Da es in diesem Thread um das Buch geht, möchte ich für eine Diskussion um den Ritus oder über das Motu Proprio auf die vielen bereits geführten Diskussionen hier im Kreuzgang verweisen.

Je mehr Information über den römischen Ritus und die Entwicklung seiner Ausprägungen vorhanden ist, desto leichter lassen sich gegenseitige Missverständnisse oder gar Ablehnung vermeiden. Kunzler trägt meines Erachtens mit seinem Buch zu einer Verständigung sehr gut bei.
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overkott
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Beitrag von overkott »

Das neue Buch scheint ja für Liturgieinteressierte mal einen echten Vergleich zu bieten und ist nicht einmal so teuer.

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Niels
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Noch ein neues Buch

Beitrag von Niels »

Out now:
Max Ziegelbauer (Weihbischof em. von Augsburg): Angst vor der Tradition? Die heilige Messe und die Kirche von heute, broschiert, 80 Seiten, Fe-Medienverlag, Kisslegg 2008, ISBN 978-3-939684-24-4, € 4,50

Siehe auch hier.
Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

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overkott
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Beitrag von overkott »

Ich finde Ziegelbauers Argument des Theozentrismus bemerkenswert.

conscientia
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wie soll eine reformierte reformmesse konkret ausschauen?

Beitrag von conscientia »

Cantus planus schreibt: "So, jetzt ein paar kleinere Details. Das Buch umfasst 126 Seiten, bzw. 10 Kapitel. Ich zitiere aus dem Inhaltsverzeichnis:


Einführung

1. Kapitel: Die "Tridentinische" Messe - ein kleiner Gang durch die Geschichte bis zum II. Vaticanum

2. Kapitel: Humanistenträume: Die vergebliche Suche nach der ältesten Form der Messe

3. Kapitel: Wie die Liturgie reformbedürftig wurde

4. Kapitel: "Schiefgelaufen" - oder Liturgische Altlasten aus dem 20. Jahrhundert

5. Kapitel: Die Zelebrationsrichtung "mit dem Rücken zur Gemeinde" - Markenzeichen der "alten Liturgie"?

6. Kapitel: Latein - wirklich die "Muttersprache" der Kirche?

7. Kapitel: Die Einheit der Kirche: bedroht, zerbrochen, zurückzugewinnen

8. Kapitel: Es gibt keinen "Tridentinischen Ritus"

9. Kapitel: Die Notwendigkeit einer ars celebrandi und einer mystagogischen Erschließung

10. Kapitel: Aufbruch oder Rückschritt? "Die Schönheit wird die Welt retten" (Dostojewskij)

Weiterführende Literatur


Natürlich kann ich hier in der gebotenen Kürze nicht das komplette Buch fachkundig rezensieren. Wie ich oben weiter schon geschrieben habe, findet der Fachmann keine grundlegend neuen Informationen, wohl aber eine gründliche und polemikfreie Analyse. Kunzler beschreibt die Vorzüge beider Ritusformen ebenso nüchtern wie ihre Nachteile.

Schön ist ein Vergleich der Abläufe beider Messriten ab Seite 47. Auf den Seiten 50 bis 52 findet man eine gute Tabelle, in der Kunzler die Unterschiede zwischen beiden Formen sammelt. Ein Vergleich der Außerordentlichen Form mit der Ordentlichen lässt in der Tat einige Fragen offen, über die sich nachzudenken lohnt - für Anhänger beider Formen gleichermaßen.

Ein bemerkenswert schönes Kapitel widmet Kunzler der Frage nach der Zelebrationsrichtung ab Seite 75 unter der Überschrift: "Gleiche Gebetsrichtung aller - heute auch noch ein wertvolles Zeichen?". Ein kurzes Zitat daraus:
Zitat:Die gemeinsame Ausrichtung aller auf Christus hin bringt diese Begegnung mit dem Herrn zum Audruck und überwindet die Gefahr des Kreisens um sich selbst, wie sie in einer kreisförmigen Versammlung um den Altar sich manifest machen kann [...]

Die Zelebration der Messe versus populum, wie wir sie heute haben, kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein! [...]

Vielleicht sind wir eines Tages wieder so weit, für die Herzmitte der Eucharistiefeier diese gemeinsame Ausrichtung [Zelebration versus orientem - Anmerkung cp.] zurück gewonnen zu haben


Ein wunderbares Zitat aus diesem Zusammenhang ist die "Entklerikalisierung", die in einer gemeinsamen Gebetshaltung liegt. Kunzler begründet damit, dass die Zelebration "mit dem Rücken zum Volk" eben keine Absonderung des Klerikers beinhaltet. Eine wunderbare Argumentation!"


cantus planus hat recht. Es gibt noch mehr solcher argumente zu bedenken. meine frage: wie soll die hl. messe nach dem usus recentior (missale von 1970/75) konkret gestaltet/gefeiert werden, welcher der neuen leitlinie einer "reform der reform" = reformierten reform bzw. papst benedikts XVI. hermeneutik einer kontinuität des zweiten vatikanischen zu allen anderen vorherigen konzilien des römischen patriarchats (einschließlich des lateranense IV, des tridentinum, des vaticanum I) folgt?
ich bitte die verehrten liturgie- und kirchenmusikkundigen hier im forum, einmal wirkliche butter bei die fische zu tun!
hinweis am rande: das ist ein weites feld! unterschied zwischen hochamt und sonntag-neben(früh- oder vorabend-)messe in der pfarrei, werktagsmesse, gelegentlich vorkommende gruppenmessen im jugendheim oder im zeltlager.... nicht alles, was der nachkonzilsgeneration heilig und wichtig war, was sie geprägt hat, kann jetzt auf einmal schlecht sein.

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cantus planus
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Re: wie soll eine reformierte reformmesse konkret ausschauen

Beitrag von cantus planus »

conscientia hat geschrieben:cantus planus hat recht. Es gibt noch mehr solcher argumente zu bedenken. meine frage: wie soll die hl. messe nach dem usus recentior (missale von 1970/75) konkret gestaltet/gefeiert werden, welcher der neuen leitlinie einer "reform der reform" = reformierten reform bzw. papst benedikts XVI. hermeneutik einer kontinuität des zweiten vatikanischen zu allen anderen vorherigen konzilien des römischen patriarchats (einschließlich des lateranense IV, des tridentinum, des vaticanum I) folgt?
ich bitte die verehrten liturgie- und kirchenmusikkundigen hier im forum, einmal wirkliche butter bei die fische zu tun!
hinweis am rande: das ist ein weites feld! unterschied zwischen hochamt und sonntag-neben(früh- oder vorabend-)messe in der pfarrei, werktagsmesse, gelegentlich vorkommende gruppenmessen im jugendheim oder im zeltlager.... nicht alles, was der nachkonzilsgeneration heilig und wichtig war, was sie geprägt hat, kann jetzt auf einmal schlecht sein.
Dafür sind die Kirchenmusik- und Liturgiekundigen hier im Forum nicht zuständig, sondern die Bischöfe. Zur konkreten Ausgestaltung: natürlich kann man das Rad nicht einfach vor das Konzil zurückdrehen, und natürlich war nicht alles falsch, was in den letzten 40 Jahren gewachsen ist.

Wie eine würdige Liturgie in der Ordentlichen Form zu feiern ist, dazu hat der Vatikan in den letzten Jahrzehnten Berge von Papier veröffentlicht:

Instruktion der Kongregation für das Bildungswesen über die liturgische Ausbildung der Priesteramtskandidaten (1979); Schreiben „Über das Geheimnis und die Verehrung der heiligsten Eucharistie“ (1980); Instruktion „INAESTIMABILE DONUM“ der Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst über einige Normen zur Feier und Verehrung des Geheimnisses der heiligsten Eucharistie (1980); Instruktion über die Kindertaufe der Kongregation für die Glaubenslehre (1980); Schreiben der Kongregation für die Glaubenslehre an die Bischöfe der katholischen Kirche über einige Fragen bezüglich des Dieners der Eucharistie (1983); Apostolisches Schreiben zum XXV. Jahrestag der Konzilskonstitution Sacrosanctum Concilium über die heilige Liturgie, 1988 (1989); Kongregation für den Gottesdienst: Direktorium „Sonntäglicher Gemeindegottesdienst ohne Priester“ 1988 (1990); Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung: Römische Liturgie und Inkulturation (1994); Instruktion zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien im Dienst der Priester (1997); Kongregation für den Klerus: Der Priester, Lehrer des Wortes, Diener der Sakramente und Leiter der Gemeinde für das dritte christliche Jahrtausend (1999); Apostolisches Schreiben MISERICORDIA DEI als „Motu proprio“ erlassen über die Aspekte der Feier des Sakramentes der Buße (2002); Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung: Der Gebrauch der Volkssprache bei der Herausgabe der Bücher der römischen Liturgie LITURGIAM AUTHENTICAM (2001); Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung: Direktorium über die Volksfrömmigkeit und die Liturgie 2001 (2003); Instruktion REDEMPTIONIS SACRAMENTUM über einige Dinge bezüglich der heiligsten Eucharistie, die einzuhalten und zu vermeiden sind (2004); Apostolisches Schreiben MANE NOBISCUM DOMINE zum Jahr der Eucharistie Oktober 2004 – Oktober 2005 mit den Ausführungsbestimmungen für den Gottesdienst (2004); Nachsynodales Apostolisches Schreiben SACRAMENTUM CARITATIS Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. an die Bischöfe, den Klerus, die Personen gottgeweihten Lebens und an die christgläubigen Laien über die Eucharistie Quelle und Höhepunkt von Leben und Sendung der Kirche (2007); PAPST BENEDIKT XVI. Apostolisches Schreiben Motu proprio SUM-MORUM PONTIFICUM. Brief des Heiligen Vaters an die Bischöfe anlässlich der Publikation (2007).

Das ist wohlgemerkt nur ein Auszug. Es gibt noch viel mehr. Vor allem sind auch die vielen Schriften des gegenwärtigen Papstes zu bedenken, der die erneuerte Liturgie von Anfang an im Lichte der Tradition interpretiert sehen wollte.
Über andere Fachbücher, die in deutscher oder anderen Sprachen von namhaften Wissenschaftlern herausgegeben wurden, ganz zu schweigen.
Auch von Seiten der Bischofskonferenzen gibt es eine Fülle von Papier, das sich mit der würdigen Feier der Liturgie auseinandersetzt. Nur halten sich die Bischöfe selbst nicht an ihre klugen Papiere.
Die Überwachung der liturgischen Normen innerhalb seiner Diözese kommt dem Diözesanbischof zu. Solange es immer noch möglich ist, dass sogar in kirchlichen Ausbildungseinrichtungen Kleriker und Laien vollkommen gegen den Wortlaut der Verlautbarungen des II. Vaticanums und der Tradition ausgebildet und in einem diffusen "Konzilsgeist" erzogen werden, kommen die Bischöfe ihrer Hirtensorge nicht nach.
Was die von dir weiter unten angesprochenen Messen angeht: die Unterschiede zwischen Werktags-, Gruppenmessen und einem sonntäglichen Hochamt sind klar definiert. Auch da sollte es normalerweise keine Schwierigkeiten geben. Hier kommt allerdings wieder die unselige Tatsache zum Tragen, dass das Konzil in vielen Formulierungen einfach nur schwammig ist. Zu viel wird beispielsweise in diesem Bereich durch "pastorale Gründe" auseinandergehebelt. Ich sehe keinen (KEINEN!) pastoralen Grund, warum man im Sonntagshochamt auf die zweite Lesung verzichten sollten. Wenn die Leute zweieinhalb Stunden im Kino sitzen können, kann eine maximal zweiminütige Lesung keine Überforderung sein.
Natürlich könnte ich hier noch wesentlich weiter ins Detail gehen, aber wie du richtig sagst: das Feld ist weit. Ohne weitere Eingrenzung führt dieser Beitrag ins Uferlose.
Wie gesagt: unsereiner weiss ziemlich genau, was geht und was nicht geht; darüber hinaus habe ich private Vorstellungen, was wünschenswert wäre.
Aber solange sich niemand an die schon vorhandenen Dokumente hält, halte ich es für Gefährlich, weiter am Ritus herumzuschrauben. Einige Schnellschüsse des Konzils, bei dem niemand die Folgen in ihrer ganzen Tragweite bedacht hat (oder damals [noch] nicht einschätzen konnte), haben Schaden genug angerichtet.
Daher sollte man eine - notwendige! - Reform der Reform behutsam und in kleinen Schritten angehen.
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‎Tradition ist das Leben des Heiligen Geistes in der Kirche. — Vladimir Lossky

conscientia
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Beitrag von conscientia »

die genannten titel sind mir bekannt. den größten teil davon habe ich gelesen. gleichwohl ist das detail wichtig. vielleicht solltest du wirklich einmal wagen, deine privaten vorstellungen von kleinen schritten zu formulieren, sonst bleiben "reform der reform" und "hermeneutik der kontinuität" schlagwörter - wie so vieles.

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ar26
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Beitrag von ar26 »

conscientia hat geschrieben:hinweis am rande: das ist ein weites feld! unterschied zwischen hochamt und sonntag-neben(früh- oder vorabend-)messe in der pfarrei, werktagsmesse, gelegentlich vorkommende gruppenmessen im jugendheim oder im zeltlager.... nicht alles, was der nachkonzilsgeneration heilig und wichtig war, was sie geprägt hat, kann jetzt auf einmal schlecht sein.
Ich verkneif mir mal ne direkte Erwiderung. Was das MR 1970 angeht, so denke ich, sollte man sich die Art und Weise wie die SJM oder das Brompton Oratory diesen zelebrieren, mal genauer anschauen. Bei den Servi dürfte man auch die Antwort auf die Frage finden, wie man würdige Liturgie und Jugendarbeit unter einen Hut bringt. Eine Rettung dieses Missale kann - wenn überhaupt - nur aus dieser Richtung kommen.

Vielleicht kann man das Rad nicht zurückdrehen. Es wäre aber an der Zeit, daß man erstmal sagt, was denn am MR 1962 so störend war, daß es "reformiert" werden musste. Mir erschließt sich der Reformbedarf nämlich nicht.

conscientia
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Beitrag von conscientia »

ar 26 schreibt:
Es wäre aber an der Zeit, daß man erstmal sagt, was denn am MR 1962 so störend war, daß es "reformiert" werden musste. Mir erschließt sich der Reformbedarf nämlich nicht.
zunächst der verweis auf Kunzler, Die "Tridentinische" Messe, 3. Kap.: Wie die Liturgie reformbedürftig wurde".Dort S. 31ff.: Erneuerung der Eucharistiefeier.
kunzler hebt, was den ordo missae angeht, besonders auf folgenden punkten ab: a) dass die gesamte sicht auf und die praxis der messfeier geprägt war von jahrhundertelanger tradition der privatmesse (also der missa lecta eines einzelpriesters), nicht - wie es eigentlich sinnvoll gewesen wäre - von der missa sollemnis oder der missa cantata, deren regeln in geronnener form die eines spätantiken gemeinde-usus boten;
b) die missverständlichkeit des offertoriums (naturalopfer statt gabenbereitung);
c) den ausschließlichen gebrauch des canon romanus, der den anamnetisch-epikletischen sinn der prex eucharistica nur sehr verkürzt wiedergibt (jedenfalls im vergleich zu den verschiedenen ostkirchlichen anaphoren, zu der auch die der so gen. "traditio apostolica" gerechnet werden kann);
d) die verwirrungen und verflechtungen in den kommunionriten. -
ich selbst würde hinzufügen: die so genannte altkirchliche leseordnung des missale von 1570 gibt kein sinnvollen einblick in die schätze der heiligen schrift. vorwiegend werden matthäus und johannes gelesen, das alte testament fehlt fast ganz, die psalmen sind noch mehr zerstückelt und zerstört in der leseordnung des missale von 1970. (ich finde die neue leseordnung im großen ganzen super und möchte nicht auf sie verzichten. dass die psalmen und das at zu sehr zerstückelt sind, ist klar. dass das geändert gehört, wäre ein sinnvolles anliegen der reform der reform.
dass die messordnung des missale von 1570 der neustrukturierung bedurfte, war spätestens in den fünfzigerjahren in allen deutschsprachigen landen klar. dementsprechend haben auch nicht wenige theologen, professoren und pfarrer, diskutiert (nachzulesen etwa in den zeitschriften "liturgisches jahrbuch" und "heiliger dienst"). dass das missale romanum von 1570 im jahre 1962 neu herauskam, nimmt die liturgische erneuerungsbewegung von mecheln 1906 (u. hl. pius X.: oft-kommunion-dekret; partecipazione attuosa) bereits auf (23.6.62 neuerscheinen des missale im anschluss an den codex rubricarum der ritenkongregation vom 26.7.60).

conscientia
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Beitrag von conscientia »

nachtrag zu meinem heute nacht formulierten beitrag

reformbedürftig erschien das missale von 1570/1962 auch, weil es keine möglichkeit gab, die theoretisch reflektierte, aber praktisch kaum vorhandene gemeinschaftlichkeit der feier von priester/vorsteher und volk auch durch den gemeinschaftlichen gebrauch der landessprache zu pflegen. dass auch dieses manko bereits in der mitte des 20. jhs. in rom anerkannt worden war, lässt sich daran sehen, dass in den vierzigerjahren eine chinesische voll-übersetzung des missale romanum 1570 gedruckt worden ist, die dann aber wegen maos machtübernahme in china nicht mehr zu entfaltung gelangte.

es gibt auch eine gewisse, viel zu subjektive spiritualität, die sich im ordo missae 1570 besonders in den priestergebeten und allzu häufigen schuldbekenntnissen zeigt. entscheidender nachteil dieser spiritualität: die objektive spiritualität der amtsgebete (und wohl auch, so weit rekonstruierbar) des feierrituals in den großen und kleinen kirchen der stadt rom (also in etwa die in den alten sakramentaren ausgedrückten inhalte) werden von subjektivismen aller art dominiert und bei seite gerückt (beispiele: stufengebet, die privaten gebete des priesters bei liturgischen handlungen, das schlussevangelium, auch die leoninischen gebete, deren inhalt sachgemäß in einer fürbittlitanei unterzubringen wäre).

schließlich die ostervigil, die im missale 1962 ein krampf ist (da ist die ursprungsfassung von 1570 besser): wie kann man eine nachtwache auf vier alttestamentliche lesungen kürzen! (dass die osternachtwache mit zwölf atl. lesungen restauriert und tatsächlich auch als ganznachtfeier begangen wird, wäre ein sehr wichtiges anliegen für eine reform der reform!)

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ar26
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Beitrag von ar26 »

Danke zunächst erstmal für Deinen Beitrag conscientia. Es ist offenkundig, daß Du liturgisch wohl bewandert bist, im Gegensatz zu mir, der als Laie ohne Vorbildung hier schreibt. Aus diesem Grund kann ich auch nicht ohne eingehendere Beschäftigung auf alle Punkte eingehen.

Folgendes möchte ich aber anmerken.

1. Landessprache
Halte ich schon aus symbolischen Gründen für einen Fehler. Das Latein als gemeinsame Sprache symbolisiert die Einheit der Kirche. Es ist zudem Wurzelsprache der meisten von den Katholiken als Erste oder Zweite Sprache gesprochenen Alltagssprache (außer chinesisch vielleicht). Von daher halte ich es für gemeinschaftsfördernd.

2. Neue Leseordnung
Kann ich nicht nachvollziehen. Bei mir überwiegt jetzt die Möglichkeit , mit einem bestimmten Proprium ein bestimmtes Fest zu assozieren, daß ist mir mit den ABC-Jahren früher nie gelungen. Allgemein verstärkt daher die alte Leseordnung meine Kenntnis der Schrift. Es hilft viel halt nicht immer viel.

3. "Subjektive" Spiritualität
Ich habe die dem Priester obliegenden Gebete persönlich bisher nie als subjektive Spiritualität empfunden. Viel störender empfinde ich Gemeindelieder während der Gebete. Das Eingangslied gehört zum Einzug bzw. zwischen Asperges und Stufengebet.

Ansonsten hätte man ja, wie ich es schon erlebt habe, diese Gebete im Wechsel von Priester und Gemeinde beten lassen können. Man hat aber das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

4. Römischer Kanon
Ich hab noch nie gehört, daß die Ostkirchen diesen als theologisch unzureichend erachtet haben. Die positive Stellungnahme des russischen Patriarchen bezüglich des Motu Proprio habe ich dagegen
wohl vernommen.

5. pianische Reformen
Hier stimme ich grundsätzlich zu. Allerdings halte ich den von Dir gewählten Zeitpunkten zumindest aus praktischen Gründen für inakzeptabel. Für Familien mit Kindern unter 10 Jahren ist das die Osternacht dann wohl erledigt.

6. Offertorium
Muss ich mich zugebener Maßen eingehender mit beschäftigen. Keine Stellungnahme.

PS: Ich will nicht nörgeln, aber bei Anwendung der Groß- und Kleinschreibung wären Deine Beiträge besser zu lesen.

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Ich mag die Leseordnung A-B-C. Auf altes Testament möchte ich nicht verzichten. Aber, wie bereits angemerkt, es ist ärgerlich, daß häufig ganze Verse fehlen. Ich merkte das einmal, als ich die Geschichte von David und Bathseba las. Hee, dachte ich, da fehlt doch was, irgendwas im Sinne von "sie aber hatte sich gerade gereinigt von ihrer Unreinheit" oder so…
Und mit der Kürzung der Psalmen bin ich auch nicht einverstanden. Aber dieses Problem hat sich noch schmerzlicher im Brevier niedergeschlagen. "Fluchpsalmen" sind beschnippelt worden, und der ärgste, der mit dem wie Schnecken zerfließen (58?) — fehlt ganz. Ich sehe ein, daß das nicht ohne Grund gemacht wurde, aber trotzdem wären mir die Psalmen so, wie David oder wer auch immer sie geschrieben hat, lieber.
Es gibt übrigens mindestens einen Tradi, der in einem anderen Forum zugegeben hat, daß er die neue Leseordnung gut findet.
Nachtrag:
Eine "Ganznachtsfeier" für die Osternacht finde ich aus pastoralen Gründen tatsächlich nicht gut. Es sind ja nicht alle Neukatekomis. Ich habe einmal versucht, die ganze Nacht durchzuwachen. Ist mir nicht gut bekommen, da mir zusätzlich die Aufregung auf den Magen geschlagen ist.

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Leguan
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Beitrag von Leguan »

anneke6 hat geschrieben:Ich mag die Leseordnung A-B-C. Auf altes Testament möchte ich nicht verzichten. Aber, wie bereits angemerkt, es ist ärgerlich, daß häufig ganze Verse fehlen. Ich merkte das einmal, als ich die Geschichte von David und Bathseba las. Hee, dachte ich, da fehlt doch was, irgendwas im Sinne von "sie aber hatte sich gerade gereinigt von ihrer Unreinheit" oder so…
Den absoluten Abschuß in dieser Beziehung leistet sich immer noch die Lesung aus der Offenbarung des Johannes (weiß jetzt nicht wann das ist, am vorletzten Sonntag des Kirchenjahres evtl., der letzte ist ja im NO Christkönig):
Erst werden alle "bösen" Verse weggelassen, von denen, die nicht in die Stadt eintreten dürfen, und dann wird auch der drittletzte Vers der gesamten Bibel weggelassen (der vorletzte und letzte sind wieder dabei). Und wie heißt der?
Und wer etwas wegnimmt von den prophetischen Worten dieses Buches, dem wird Gott seinen Anteil am Baum des Lebens und an der heiligen Stadt wegnehmen, von denen in diesem Buch geschrieben steht.

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Während ich über den traditionellen Katholiken, der das A-B-C System akzeptiert, nachgesinnt habe, sind mir ältere, unangenehmere Erinnerungen hochgekommen.
Erinnerungen an "Hybrid-Priester", die weder Fisch noch Fleisch sind. Da war zum Beispiel einer, der mit vollem Leibeseinsatz sicherstellte, daß ich nicht die liturgischen Bücher berühre…nur widerwillig ließ er es zu, daß ich von außerhalb des Altarraumes die Glocke geläutet habe…er trug seine eigenen, sehr schmuckvollen Gewänder, trug jedoch die Stola über der Kasel und brach die Hostie bei den den Einsetzungsworten.
Oder dieser Marianer, der (angeblich) von seiner vorigen Stelle entfernt wurde, weil er nur die Traditionelle Lateinische Messe feiern wollte — der aber regelmäßig nach Medjugorje fuhr und einen stark charismatischen Touch hatte.
Nee, wenn schon denn schon, halbherzige Tradis verwirren nur.

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Linus
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Beitrag von Linus »

anneke6 hat geschrieben:Aber dieses Problem hat sich noch schmerzlicher im Brevier niedergeschlagen. "Fluchpsalmen" sind beschnippelt worden, und der ärgste, der mit dem wie Schnecken zerfließen (58?) — fehlt ganz.
Es fehlen 3 Psalmen - 58, 83, 109 ganz rausgenommen worden. und dann Teilabschnitte anderer psalmen, nämlich 5,11; 21,9-13; 28,4f; 31,18f; 35,3a4-8.24ff; 40,15f; 54,7; 55,16; 56,8; 59,6-9.12-16; 63,10ff; 69,23-29; 79,6f.12; 110,6; 137,7ff; 139,19-22; 140,10ff; 141,10; 143,12
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conscientia
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Beitrag von conscientia »

Lieber ar26, danke für die Blumen. Da will ich mich der Groß- und Kleinschreibung befleißigen.
Du schreibst:
1. Landessprache
Halte ich schon aus symbolischen Gründen für einen Fehler. Das Latein als gemeinsame Sprache symbolisiert die Einheit der Kirche. Es ist zudem Wurzelsprache der meisten von den Katholiken als Erste oder Zweite Sprache gesprochenen Alltagssprache (außer chinesisch vielleicht). Von daher halte ich es für gemeinschaftsfördernd.
- Es ist den Vätern des Konzils ja nur darum gegangen, der Landessprache in der Liturgiefeier einen größeren Raum zuzugestehen, als das bis dato der Fall war. Dass das prinzipiell auch in Rom so gesehen wurde, lässt sich an der 1948 erschienen Collectio rituum (Sammlung von die Feiern vonLebenswenden wie Taufe, Firmung usw.) für die deutschen Bistümer sehen, in der der Landessprache ein viel größerer Spielraum gegeben wurde, als das noch in den Vorkriegs-Ritualien der Fall war. -- Bitte sei vorsichtig mit der These, dass das Latein als gemeinsame Sprache die Einheit der Kirche symbolisiere. Die Kirche spricht viele Sprachen (Latein, Griechisch, Kirchenslawisch, Syrisch usw.). Selbst die Kirche des römischen Ritus war da nicht einheitlich: In Kroatien gab es noch nach 1918 Pfarreien, in denen die Messe nach einer altslawischen Fassung des Missale 1570 gehalten wurde. -- Dass nach der Erneuerung der liturgischen Bücher das Latein und der Altargesang so nach und nach aus der Mode gekommen sind (obwohl das deutsche Messbuch I einen sehr starken Lateinteil enthält), liegt an einem Missverständnis der Grundanliegen der Liturgiereform seitens der SeelsorgerInnen und der Gemeinden.
2. Neue Leseordnung
Kann ich nicht nachvollziehen. Bei mir überwiegt jetzt die Möglichkeit , mit einem bestimmten Proprium ein bestimmtes Fest zu assozieren, daß ist mir mit den ABC-Jahren früher nie gelungen. Allgemein verstärkt daher die alte Leseordnung meine Kenntnis der Schrift. Es hilft viel halt nicht immer viel.
- Ist Dir aufgefallen, dass sich im Zyklus der drei Lesejahre ein einjähriger Zyklus findet, der die wesentlichen Teile der so gen. altkirchlichen Leseordnung enthält, wie sie im Missale 1570 und auch in der Ev.-luth. Kirchenagende vorgesehen ist? Dazu grundlegend: Elmar Nübold (Dr. theol. und Propst-Pfarrer in Paderborn), Entstehung und Bewertung der neuen Perikopenordnung des Römischen Ritus für die Messfeier an Sonn- und Festtagen, Paderborn 1986. - Ich lese gern im "Schott" die Schriftlesungen vorher und nachher und komme damit schon seit Jahren gut zurecht. - Übrigens ist die kath. Leseordnung von 1969/70 so gut, dass sie von einer Reihe protestantischer Kirchen, besonders in Nordamerika, mit geringfügigen Änderungen, übernommen worden ist.
3. "Subjektive" Spiritualität
Ich habe die dem Priester obliegenden Gebete persönlich bisher nie als subjektive Spiritualität empfunden. Viel störender empfinde ich Gemeindelieder während der Gebete. Das Eingangslied gehört zum Einzug bzw. zwischen Asperges und Stufengebet.

Ansonsten hätte man ja, wie ich es schon erlebt habe, diese Gebete im Wechsel von Priester und Gemeinde beten lassen können. Man hat aber das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.
- Für den Nachweis der subjektiven Spiritualität habe ich im Moment keine Zeit. So viel zum Thema: Ein Einzugslied ist ein Prozessionsgesang (ursprünglich ein Psalm), der zur Prozession gesungen wird. Wird nicht prozediert, ist das Einzugslied eigentlich sinnlos. Das Stufengebet der alten Messe ist ein Vorbereitungsgebet, das der Priester gemeinsam mit einem Altardiener/Assistenten/Mitbruder betet: Es von Priester und Gemeinde im Wechsel beten zu lassen, ist eigentlich sinnlos. In der neuen Messe sind die subjektiven Gebete nicht alle beseitigt, traditionell erzogene Priester könnten sich also weiterhin an ihnen erfreuen (wenn Du mich fragst: ich hätte mit dem neuen Ordo missae ihren Vollzug für freiwillig erklärt).
4. Römischer Kanon
Dass den Ostkirchen der Römische Kanon unzureichend erschien, habe ich nicht geschrieben. Liturgie- und ostkirchenkundigen Theologen, Gelehrten und Gemeindeseelsorgern, erschien der Römische Kanon im Vergleich zu ostkirchlichen Anaphoren defizitär, weil er stark die Darbringung der Gottesgabe betont und wohl ein Reflex der altrömisch-heidnischen Gebetstradition sein dürfte, von der wir kaum etwas wissen. Also sozusagen eine gelungene Inkulturation des altkirchlichen Christentums bei den ollen Römern, aber, gerade wenn er in der Landessprache verwendet wird, keine gelungene Inkulturation der kirchlichen Lehrverkündigung für die zweite Hälfte des 20. Jhs. Schau Dir im Vergleich zum Römischen Kanon das Hochgebet III an, vom Hochgebet IV und seinem ostkirchlichen Vorbild, der Jakobus-Anaphora, ganz zu schweigen!
5. pianische Reformen
- Was ist Osternacht angeht, ist sie eine feiernde Vergegenwärtigung des Übergangs vom Dunkel zum Licht, von der Sklaverei (Israel! die erwachsenen Täuflinge!) zur Freiheit, von den Fesseln von Sünde und Tod zur Herrlichkeit der Auferweckung und Himmelfahrt (Christus Jesus! die Ihm in der Taufe ähnlich Gewordenen!): Wenn es den Übergang vom Dunkel zum Licht nicht gibt, ist die Symbolik im Eimer. Dann braucht man keine Osternacht mehr ansetzen. Mir ist ganz wichtig, dass Christentum und christlicher Gottesdienst unverkürzt und unverwässert weitergegeben und gefeiert werden. Deshalb meine ich, es hat keinen Sinn, den Zeitansatz für die Osternachtwache von Familien mit Kindern unter zehn Jahren abhängig zu machen. Um es zu verdeutlichen, sei es krass gesagt: Die Osternacht ist nichts für Kinder (d. h. für Leute bis zum vollendeten 14. Lebensjahr). Wer noch nicht sozial-kulturell dem Jugendalter angehört, hat in der Osternacht nichts verloren. Auch 14-, 15-Jährige sind oft noch zu albern, zu verspielt, zu kircherig, können daher mit der Osternacht nichts anfangen. Und, von der Sexualmoral her gesehen: Man muss auch lernen zu warten. Unser Ideal ist, dass Menschen mit ihrem ersten Geschlechtsverkehr bis nach der Eheschließung. Wie soll man da warten, wenn man das Warten nicht gelernt hat?
Eine gute Nacht wünscht ein nachdenklicher
conscientia.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

conscientia hat geschrieben:Um es zu verdeutlichen, sei es kraß gesagt: Die Osternacht ist nichts für Kinder (d. h. für Leute bis zum vollendeten 14. Lebensjahr). Wer noch nicht sozial-kulturell dem Jugendalter angehört, hat in der Osternacht nichts verloren.

Auf vieles oben müßte ich erwidern, hätte ich gegenwärtig Nerv und Zeit dazu. Aber das eine, das muß sein. Solch einen Stuß wie dies Verdikt über Kinder, die nicht in die Osternacht gehörten, habe ich lang nicht gehört.

Wir waren, seit wir Kinder haben (und auch zuvor) immer in der Osternachtsliturgie, und zwar immer mit allen Kindern. Das jüngste hatten wir dies Jahr dabei: etwa dreißig Stunden pränatal, sich aber schon durch Wehen ankündigend, jedoch den Plumps in den frischen Taufbrunnen leider noch unterlassend. Das älteste war logischerweise auch dieses Mal dabei: unsere „große“ Tochter mit rund siebeneinhalb Jahren.

Zwar nicht diesmal, wohl aber in früheren Jahren, gingen die Liturgien oft von 23.00 bis 5.00 Uhr. So dreieinhalb Stunden müssen’s aber diesmal auch gewesen sein, und hintendran kommt immer noch eine Agape.

Ihr „komischen Theologen“ haltet die Kinder von Gott fern – nämlich von der Liturgie, in welcher er sich berühren läßt, indem der Himmel zur Erde herabsteigt –, erfindet allerhand hanebüchenen Ringelpiez und sonstig pseudo-kindgerechtes Zeug und wundert euch, daß die Bälger „trotzdem“ kaum je dauerhaftes Interesse haben.

Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild Bild

[Bilder 1-2: Osternacht 2001; Bilder 3-7: Osternacht 2003; Bild 8: Osternacht 2008. Bild 1 und drei zeigen jeweils eine Taufe während der Osternachtfeier, alle übrigen
Bilder zeigen Szenen von den jeweiligen Agapefeiern.]
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

conscientia
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Beitrag von conscientia »

Lieber Robert,
halten zu Gnaden: Im Wesentlichen bleibe ich bei meiner Meinung.
Wenn Kinder eine vernünftige Osternachtwache aushalten, wie Ihr sie offensichtlich in Eurer Gemeinde feiert, habe ich nichts dagegen.
Wenn Eure Kinder das mitmachen und Ihr dann nicht zwei Tage Mühe habt mit übernächtigten Kindern, freut mich das. Ich selbst nähme unsere aus dem genannten Grunde nicht mit.
Ich wehre mich gegen zwei Punkte: a) Ich wehre mich gegen die Meinung unserer Mitdiskutantin anneke6:
Nachtrag:
Eine "Ganznachtsfeier" für die Osternacht finde ich aus pastoralen Gründen tatsächlich nicht gut. Es sind ja nicht alle Neukatekomis. Ich habe einmal versucht, die ganze Nacht durchzuwachen. Ist mir nicht gut bekommen, da mir zusätzlich die Aufregung auf den Magen geschlagen ist.
Die Ganznachtwache zu Ostern ist nicht eine Sache nur für Neukatekomis (= AnhängerInnen der neokatechumenalen Bewegung, richtig?), sondern für jede christliche Ortsgemeinde (= i. d. R. Ortspfarrei). Einverstanden?
b) Oft höre ich das Argument, die "normale" (= bis herab auf zwei, drei Lesungen beschnittene) Ostervigil (de facto also unsere "beliebte" Ostersonntag-Vorabendmesse mit'n paar Extras) ist zu lang für Familien mit Kindern, also muss sie noch gekürzt werden, die Vigil endgültig ihres Vigilcharakters entkleidet werden. Vigilcharakter der Vigil hängt an Zahl und Länge der Lesungen sowie am Beginn am späten Abend und am Schluss in der Frühe des Ostermorgens. Einverstanden? - Wenn beides nicht gegeben ist, ist der Vorbereitungsaufwand fast für die Katz, denn dann ist das Ganze keine Osternacht mehr. Einverstanden?

Was Kinder-, Familien- und Schülermessen angeht, habe ich so meine eigenen Ideen, die ganz wegweisen vom gegenwärtigen Gottesdienstmodell-Rummel. (Ideen, die für die entsprechenden Verlage alles andere als verkaufsförderlich sind.) Dazu ein andermal mehr.

Lieber ar26,
zur eigentlichen Sache: subjektive Frömmigkeit des Priesters, vorgeschrieben im Ordo missae. Beispiele dafür sind in der alten Messe das Stufengebet (das in unterschiedlichen hochmittelalterlichen Messordnungen unterschiedlich breit angelegt ist) samt den nachfolgenden Orationen Aufer a nobis und Oramus te (deren "wir" ich als pluralis modestiae interpretieren würde); das Munda cor vor dem Evangelium; die Gebete zur Darbringung des Brotes, zur Vermischung von Wasser und Wein, Darbringung des Weines, Selbst-Opfer und Anrufung des Hl. Geistes, Gebete zur Beräucherung, Lavabo, Suscipe, sancta Trinitas; Orate fratres und Suscipiat (an sich eine Aufforderung an die umstehenden Altardiener, mit dem Vorsteher zu beten); im Kommunionkreis das Domine Jesu Christe sowie das Perceptio Corporis, die Begleitsprüche vor der Selbstkommunion des Priesters, das nochmalige Confiteor, das Quod ore und das Corpus tuum. Alle diese Gebet sind eingefügt worden, um dem vorstehenden Priester den inneren Mitvollzug der Messfeier zu erleichtern, im gedruckten Text des Ordo missae scheinen sie sehr wichtig, besonders wenn sie dann noch halblaut vorgelesen werden, für den Gang der hl. Handlung als einer Gemeindefeier sind sie nicht sehr von Bedeutung.
Zum Ganzen: Josef Andreas Jungmann, Missarum Sollemnia. Eine genetisch-historische Erklärung der römischen Messe, 2 Bde., erstmals 1948, 5. Aufl. 1962 (jüngst ist ein Nachdruck erschienen im Verlag nova et vetera, Siegburg, dessen Daten ich im Moment nicht im Kopfe habe).
Wichtig ist: Ich behaupte nicht, dass Pater Jungmann sagt, dass alle oben genannten Gebete Ausdruck einer subjektiven Frömmigkeit seien. Meinerseits handelt es sich um Verdächtigungen. Ich möchte aber im Moment aus meinem Postskript keine Doktorarbeit machen.

conscientia
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Beitrag von conscientia »

Noch ein Nachtrag zum Nachtrag:
In der Messordnung von 1970 finden sich auch noch Passagen, die eher Ausdruck einer subjektiven Frömmigkeit sind und nicht ganz zum (von Guardini und Benedikt XVI. (Ratzinger) reflektierten) Geist der Liturgie passen, etwa das Allgemeine Schuldbekenntnis (GL 353, 3 - 8), das Gebet vor dem Evangelium (355, 5), die Gebete bei der Gabenbereitung (359, 2 - 6) (wobei die "Gepriesen sei" eigentlich Begleitsprüche zum Niederlegen der Gaben auf dem Altartisch sind, aber gerne zu Opferungsgebeten gemacht werden, was zeigt, welche Erblast eine sinnvolle Reform der Reform zu bewältigen hat) und die Gebete des Kommunionkreises (GL 364, 7; 365, 1 u. 4).
Damit verbleibe ich
mit verbindlicher Empfehlung
conscientia.

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Da, wie Robert ja in einem anderen Zusammenhang mal betont hat, in jeder Kirche nur eine Osternachtsfeier gefeiert werden darf, muß man sich schon arrangieren, damit die Bedürfnisse von Gläubigen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Gesundheit respektiert werden, und gleichzeitig die Osterliturgie nicht verzerrt wird. Ein paar Stunden sind schon okay, aber von Einbruch der Dunkelheit bis zur Messe des Ostersonntags…das würde ich nicht wollen.
Und das wäre sehr schade, denn die Osternacht ist für mich der schönste Tag (oder die schönste Nacht?) des ganzen Jahres.
Was nun das Problem mit dem "Kindgerechten" angeht…davon erzähle ich mehr, wenn ich Kinder habe… :D

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Conscientia hat geschrieben:Wenn Kinder eine vernünftige Osternachtwache aushalten, wie Ihr sie offensichtlich in Eurer Gemeinde feiert, habe ich nichts dagegen. Wenn Eure Kinder das mitmachen und Ihr dann nicht zwei Tage Mühe habt mit übernächtigten Kindern, freut mich das. Ich selbst nähme unsere aus dem genannten Grunde nicht mit.
Ich rate dennoch dazu, ohne natürlich etwas aufzwingen zu wollen. Man kann auch am Ostersonntag in der Früh in die Messe gehen. Aber die Osternacht ist doch etwas besonderes, die Wurzel und Quelle jeder Eucharistie, ja der ganzen Kirche. Hæc est nox, vere beata nox!

Die dingliche Symbolik der Liturgie dieser Nacht ist der Ausgangspunkt aller christlichen Mystagogie. Darum sollten Erwachsene möglichst in der Osternacht getauft werden und dann Firmung und Kommunion empfangen. Aber auch, wer als Kind getauft ist und dann nach und nach, dem Fortschritt des Verständnisses entsprechend, in die Mysterien einzuführen ist, der muß – müßte! denn allzu oft geschieht es nicht – nach einem allgemeinen Katechumenat in Gestalt der Erziehung in der Familie und besonderer Vorbereitung in der Kirche, wie etwa für Erstbeichte und Erstkommunion, diese Mystagogie der Osternacht durchlaufen.

Kinder wachsen auf natürliche Weise in die Liturgie hinein, wenn man sie von Anfang an dabei sein läßt. Man soll sie freilich auch nicht überfordern. Unsere haben jedes in der letzten Osternacht bestimmt eine Stunde verschlafen. Na und? – In dem Augenblick, wo Jesus Christus eins besonders anrühren will, schickt er schon einen Engel, es zu wecken. Und dann leuchten plötzlich die Augen. Es kommt natürlich auch vor, das eins plötzlich aufwacht und pullern muß – und daß dann schnell Tränchen fließen. Na ja, dann muß man eben mal flugs raus mit ihm, und dann ist’s wieder gut.

Es ist anstrengend, jawohl. Aber für die Eltern mehr als für die Kinder. Zwei Tage übernächtigt, das waren wir, meine Frau und ich. Die Kinder stecken’s binnen eines Tages weg, ist unsere Erfahrung. Mit der Christmette in der Nacht des Heiligen Abends ist es ähnlich. Danach schlafen wir uns Ostern wie auch Weihnachten erst mal ein wenig aus, und der folgende Festtag, nächtens in der Kirche begonnen, wird in der Familie gefeiert. (Darum gibt es bei uns auch die Weihnachtsbescherung wirklich erst Weihnachten und nicht schon Heiligabend.)

Conscientia hat geschrieben:Also, Pflicht ist es nicht, daß so zu machen: Aber ich meine, es lohnt sich, und kann nur dazu raten.
Ich wehre mich gegen zwei Punkte: a) Ich wehre mich gegen die Meinung unserer Mitdiskutantin anneke6:
Anneke hat geschrieben:Eine "Ganznachtsfeier" für die Osternacht finde ich aus pastoralen Gründen tatsächlich nicht gut. Es sind ja nicht alle Neukatekomis. Ich habe einmal versucht, die ganze Nacht durchzuwachen. Ist mir nicht gut bekommen, da mir zusätzlich die Aufregung auf den Magen geschlagen ist.

Die Ganznachtwache zu Ostern ist nicht eine Sache nur für Neukatekomis (= AnhängerInnen der neokatechumenalen Bewegung, richtig?), sondern für jede christliche Ortsgemeinde (= i. d. R. Ortspfarrei). Einverstanden?
b) Oft höre ich das Argument, die "normale" (= bis herab auf zwei, drei Lesungen beschnittene) Ostervigil (de facto also unsere "beliebte" Ostersonntag-Vorabendmesse mit'n paar Extras) ist zu lang für Familien mit Kindern, also muss sie noch gekürzt werden, die Vigil endgültig ihres Vigilcharakters entkleidet werden. Vigilcharakter der Vigil hängt an Zahl und Länge der Lesungen sowie am Beginn am späten Abend und am Schluss in der Frühe des Ostermorgens. Einverstanden? - Wenn beides nicht gegeben ist, ist der Vorbereitungsaufwand fast für die Katz, denn dann ist das Ganze keine Osternacht mehr. Einverstanden?
Also, ich gebe zu, ich hatte oben bloß Weniges kurz quer gelesen, Annekes Beistrag, den du zitierst, gar nicht. „Neokatekomis“ klingt reichlich komisch. Wenn schon, dann „-kumis“. Klingt aber nach Dung, also auch nicht besser. Deine großen Binnen-Is nerven allerdings ebenso. Die Komis und die Is hindern mich, entspannt zu antworten.

Na gut. Genug des Metadiskurses. Es gibt keine Pflicht zur Mitfeier der Osternacht. Ich wiederhole das. Ratsam ist es dennoch jedem, der nicht ernsthaft daran gehindert ist. Man kann aber einige Vorkehrungen treffen. Zum Beispiel am Tag der Grabesruhe etwas auf Vorrat schlafen. Gilt besonders für Kinder, aber wer als Erwachsener die Möglichkeit hat, darf sie auch nutzen.

Ich habe früher Karfreitag und Karsonnabend strikt gefastet. Dann ist mir bei der Osteragape, zu welcher unklugerweise herrliches Lamm vorbereitet war, selbiges furchbar auf den Magen geschlagen. Solche Mißgriffe soll man vermeiden. Überhaupt muß ich seit einigen Jahren aus gesundheitlichen Gründen das Fasten etwas weiter fassen. Selbst den Karfreitag ohne feste Nahrung hält mein Verdauungstrakt nicht mehr unbeschadet aus.

Ferner soll man nicht meinen, nach der Osternacht und ggf. anschließender Agape müßte man nun auch noch den ganzen Ostertag durchmachen. Vom Klerus abgesehen haben fast alle die Möglichkeit, sich ein wenig aufs Ohr zu hauen, und sie sollten diese Möglichkeit auch nutzen, bevor sie an die Vorbereitung des Festmahls gehen.

Die Osternacht zu „beschneiden“ ist ganz verkehrt. Es gehören alle Lesungen hinein, Epistel und Evangelium, Osterfeuer, Exsultet, Taufwasserweihe, Litanei und Eucharistie und was ich auf die Schnelle noch vergessen habe. Sonst kann man sich das ganz schenken.
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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Na, vielleicht noch eine Taufe oder mehrere…
Was die Anhänger des Neokatechumenalen Wegs angeht: Ich meinte eigentlich "Neokatekombis". In den Sprachgebrauch mancher hier in D lebenden Polen hat sich nämlich das Wort "Neokatekombinat" eingeschlichen…

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Jacinta
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Beitrag von Jacinta »

Robert Ketelhohn hat geschrieben: Kinder wachsen auf natürliche Weise in die Liturgie hinein, wenn man sie von Anfang an dabei sein läßt. Man soll sie freilich auch nicht überfordern.
Mein Kind fragt mich regelmäßig, wann wir wieder in die Kirche gehen. Es gefällt ihr! Das ist für mich ein großer Erfolg. (Vor allem weil sie die Hl. Messe dem Luth. Gottesdienst offenkundig vorzieht.)

Für den Anfang hilft es Bilderbücher zu religiösen Themen mitzunehmen. Es ist auch gut, wenn man den Kindern leise ins Ohr flüstert, was gerade passiert, damit sie verstehen, was sie sehen und sich nicht langweilen.
Es ist anstrengend, jawohl. Aber für die Eltern mehr als für die Kinder.


So wirklich anstrengend sind die Kinder, die von ihren Eltern nicht zum Stillsitzen auf ihrem Platz in der Kirchenbank angehalten werden. Optimal finde ich Außenplätze zum Mittelgang hin und zwar möglichst weit vorn, weil sie da viel mitbekommen und nicht so sehr abgelenkt werden.
Mit der Christmette in der Nacht des Heiligen Abends ist es ähnlich. Danach schlafen wir uns Ostern wie auch Weihnachten erst mal ein wenig aus,
Viel mit ausschlafen ist da nicht, denn die Messe am folgenden Tag verlangt wieder frühes Aufstehen. Und dann Kochen, und die üblichen Verwandtenbesuche usw. usw.
und der folgende Festtag, nächtens in der Kirche begonnen, wird in der Familie gefeiert. (Darum gibt es bei uns auch die Weihnachtsbescherung wirklich erst Weihnachten und nicht schon Heiligabend.)
Das ist ein echtes Problem! Zumal wenn die Christmette schon weit vor Mitternacht liegt. Man bekommt es dann mit der Bescherung und dem Besuch der Christmette organisatorisch nicht auf die Reihe. So richtig deprimierend ist aber, wenn man allein zur Christmette geht und die Familie zu Hause zurück bleibt. Ostersonntag ist es genauso: Da kollidiert die Messe mit dem Familienereignis Ostereiersuchen. - In beiden Fällen ist der Zoff vorprogrammiert. :cry:

Ich habe es bisher nie gewagt, meine Tochter in den Abendstunden mitzunehmen und habe da auch nie kleine Kinder in der Messe gesehen. Aber vielleicht sollte ich einfach mal den Anfang wagen und sie mitnehmen...

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Benedictus
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Beitrag von Benedictus »

Jacinta hat geschrieben:
Mit der Christmette in der Nacht des Heiligen Abends ist es ähnlich. Danach schlafen wir uns Ostern wie auch Weihnachten erst mal ein wenig aus,
Viel mit ausschlafen ist da nicht, denn die Messe am folgenden Tag verlangt wieder frühes Aufstehen.
Mmhh :hmm: Wenn man am 24. Dezember nächtens in die Christmette geht, kann man doch am 25. genüsslich ausschlafen. Die nächste Messe die ansteht, ist doch dann erst wieder die zum 2. Weihnachtstag, eventuell vorher noch eine Weihnachtsvesper, aber die ist ja auch erst am ersten Weihnachtstag abends.

Oder reicht Dir die Christmette alleine nicht und Du nimmst deshalb noch die Hirtenmesse am nächsten Tag mit?
"Der größte Trick, den der Teufel je gebracht hat, war, die Welt glauben zu lassen, es gäbe ihn nicht" Verbal Kint: Die üblichen Verdächtigen

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Benedictus hat geschrieben:
Jacinta hat geschrieben:
Mit der Christmette in der Nacht des Heiligen Abends ist es ähnlich. Danach schlafen wir uns Ostern wie auch Weihnachten erst mal ein wenig aus,
Viel mit ausschlafen ist da nicht, denn die Messe am folgenden Tag verlangt wieder frühes Aufstehen.


Mmhh :hmm: Wenn man am 24. Dezember nächtens in die Christmette geht, kann man doch am 25. genüßlich ausschlafen.


Na ja, wenn man die Kinder endlich im Bett hat, muß man noch die Geschenke unterm Weihnachtsbaum placieren (oder Ostern die Eier & Co. verstecken), und am nächsten Vormittag holen einen die Kinder schon rechtzeitig wieder aus den Federn, weil sie an die Geschenke wollen, respektive Eier suchen. Wirklich ausschlafen ist also doch eher nicht angesagt, aber eine Mütze voll Schlaf kann man nehmen. Und richtig, die Messe vom Vormittag, die hatte man schon in der Nacht, die braucht man wirklich nicht noch mal. Man beginnt das Fest in der Nacht in der Kirche, hält ein Schläfchen und feiert dann als Familie zu Haus weiter. Jedenfalls wir machen’s so.
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Linus
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Beitrag von Linus »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Und richtig, die Messe vom Vormittag, die hatte man schon in der Nacht, die braucht man wirklich nicht noch mal.
Naja eigentlich ist die Nachtmesse ja ne "Vigil mit Wandlung und Kommunionausteilung" Also irgendwie keine "Messe"
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Im Gegenteil. Die Osternacht ist die Mutter aller Messen.
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