Anselmus hat geschrieben:Kannst du dafür vielleicht ein paar Beispiele nennen? Das würde mich wirklich mal interessieren...
Gerne:
Anselmus hat geschrieben:...dass dort wirklich eine Göttliche Liturgie gefeiert wird, mit den Texten, die zur Liturgie gehören, die immer dieselben sind (bis auf kleine Abweichungen), ohne Eigendichtungen oder sonstige "Inspirationen". DAS nenne ich wahrhaft universal.
Abgesehen davon, dass ich die Bezeichnung
"Eigendichtung" für eine nicht wirklich sachliche Benennung halte und er nach meinem Dafürhalten auch keinen guten Willen zur unvoreingenommen Kommunikation verrät, kann ich nur Vermutungen darüber anstellen, welche Phänomene damit konkret gemeint sind. Falls damit aber die Auffassung vertreten werden sollte, dass die Ostkirchen im Besitz der
"reinsten" Schriftüberlieferung seien, muss ich ihr entschieden widersprechen, denn da der Urtext uns in keinem Fall als "Originaldokument" vorliegt, sind von vorneherein Schreib- und Übertragungsfehler sowie möglicherweise in einzelnen Fällen bewusste Hinzufügungen oder Weglassungen vernünftigerweise nicht auszuschließen, auch wenn wir dank der Synoptiker und sonstiger Parallelquellen recht gewiss sein können, dass kein
wesentlicher Inhalt grob verfälscht wurde. Ähnliches gilt logischerweise für die Liturgiegeschichte. Aber alle diese "Schlachten" wurden bereits über die Jahrhunderte hinweg oft mehrfach geschlagen, man erklärte sich gegenseitig zum Häretiker (nur von röm.-kath. Seite im II. Vatikanum aufgehoben, das Moskauer Patriarchat hat sich dieser Erklärung der Ostkirchen bemerkenswerterweise nie angeschlossen, obwohl es bis heute mehr als andere orth. Kirchen aus seiner Sicht unter der Präsenz der kath. Ostkirchen leidet) und betonte auf beiden Seiten das Unterscheidende statt dem Verbindenden. Ich sehe in jedem orthodoxen Christen auch einen katholischen Christen, wie es die Kirche auch tut. Wenn man aber die trennenden Gründe, welche sich aus der zeitlichen Distanz eher als Missverständnisse herausstellen, durchweg betont, kann ich das in Hinsicht auf die Zielführung (die für alle Christen immer die vollkommene kirchliche Einheit sein sollte) als nur wenig hilfreich bezeichnen. Für Außenstehende, in diesem Fall also nicht-orthodoxe Christen, muten solche Betonungen oft anachronistisch an, auf jeden Fall aber nicht sehr pragmatisch. Der Anachronismus, um den Bogen jetzt zurück zu schlagen, ist aber kein Kennzeichen des Konservativen, ganz besonders kann es kein plausibles theologisches Kennzeichen sein, denn der Inhalt, der nur noch dazu dient, sich abzugrenzen, wird absurd. Das gilt für mich übrigens auch hinsichtlich der protestantischen Denominationen, von denen einige Teile/Gläubige durchaus "katholischer" sind als so mancher "Berufskatholik".
Anselmus hat geschrieben:Ob das wirklich an der Inkulturations-Kompatibilität liegt, ist hier allerdings die Frage. Es könnte nämlich auch einfach damit zu tun haben, dass die Katholiken in der früheren Zeit durchaus etwas aggressiver bei der Missionierung neuer Gebiete war.
Es hat sicherlich auch geschichtliche Gründe, aber nicht nur. Der christliche Missionsbefehl galt und gilt ja für alle Christen. So gab es ja nicht nur die röm.-kath. Christianisierung zuerst durch Portugiesen und das spanische Weltreich, sondern auch eine orth. Version nach Osten (Sibirien, Usbekistan, Kasachstan etc.); einerseits also eine "Hispanisierung" bis heute und andererseits eine "Russifizierung", allerdings mit dem kulturgeschichtlichen Unterschied, dass die - gewollte oder ungewollte - Inkulturation beispielsweise im spanischen Weltreich spätestens im 19. Jahrhundert darin mündete, dass die ehemaligen Kolonien unabhängig wurden, aber ihre "neue" kulturelle Prägung behielten, während die "russifizierten" Teile spätestens nach dem Ende der Sowjetzeit immer mehr davon abrücken, auch durch den Einfluss des Islam. Die Grenzziehung des Zarenreiches im Zeitalter des kolonialen Imperialismus bestimmte deshalb aber auch die Grenzen der russ.-orth. Mission und auch die Betonung christlich-orthodoxer Werte von staatlicher Seite in Russland geschieht meiner Überzeugung nach nur aus Kalkül, weshalb ich denke, dass die russ-orth. Kirche nicht dieselben Fehler wie die röm.-kath. Kirche machen sollte. Ich möchte nämlich nicht davon sprechen, dass die russ.-orth. Kirche die Harmonielehre der "Symphonia" (von Kirche und Staat) zur Missionierung ausnutzte, weil ich glaube, dass es sich genau andersherum verhält - sie ist wohl vom Staat - dem Zarenreich - ebenso benutzt worden, wie dies bei der röm.-kath. Kirche und beispielsweise Spanien der Fall war. Erst in der Neuzeit sagte sich der Staat von der Kirche "los"; die Kirche, glaube ich, beginnt erst jetzt zu begreifen, dass das ein Glück war, denn die Interessen des Evangeliums und dasjenige der Menschen sind nun mal oft sehr verschieden. Die Kirche musste zu diesem "Lernprozess" aber erst durch Franz. Revolution, aber vor allem durch die Aufklärung, "motiviert" werden - wie ich eben finde, zu ihrem Glück, weshalb ich auch in Deutschland ein Ende des unehrlichen Konkordatswesens begrüßen würde, denn ich glaube, dass sich die Kirche hier seit dem "Pakt" mit Kaiser Konstantin in einer Art "babylonischer Gefangenschaft" befunden hat, aus der sie erst jetzt und nur zaghaft freikommt. In diesem Zusammenhang sehe ich auch den Rückgang der gläubigen Christen: Ein Staat, der sich durch nichts dazu bewegen lässt, christliche Werte in seine Handlungsmaximen aufzunehmen, weil diese Überzeugungen nicht mehr von einer Mehrheit mitgetragen werden, kann für die Kirche kein Vertragspartner sein. Im Gegenteil, ich denke, dass die Kirche - sowohl die orth. wie die röm.-kath. Kirche - am besten "fährt", wenn sie sich als "außerparlamentarische Opposition" oder sich zumindest als inoffizielles Kontrollorgan positioniert, wodurch ihre Glaubwürdigkeit - auch in Russland
durch Russen oder in Serbien
durch Serben (etc. ...) gestärkt werden würde. Dazu braucht es aber auf orthodoxer Seite wahrscheinlich ein Konzil, also Bestrebungen zu einer allgemein-orthodoxen Übereinkunft, bei denen die hierarchische Infrastruktur der röm.-kath. Kirche in den letzten Jahren auch schon öfter helfend einsprang, wie ich einmal erfuhr. Ich bin deshalb auch gespannt, wie der orthodox-römische Dialog weitergeht. Es waren ja hoffnungsvolle Zeiten mit Benedikt XVI., der ja die Orthodoxie gut kennt. Wie es mit Papst Franz aussieht, kann ich nicht sagen. Viel Kontakt mit Orthodoxen dürfte er in Argentinien ja nicht gehabt haben, schätze ich. Aber vielleicht täusche ich mich ja auch.
LG Yeti