Hallo allerseits,
nochmal zu dem Thema Selbsterlösung. An dem von mir oben wiedergegeben Text halte ich selbstverständlich fest.
Dazu aber noch einmal einige Klarstellungen, die deutlich machen sollten, dass das Verständnis zwar östlich, aber nicht fernöstlich ist

:
1.) Bis zu dem Kommen Christi gingen die Versuche der Menschen, das Heil zu erlangen, zu 100% schief. Alle waren von Sünde, Tode und Teufel gefangen und landeten im Hades, selbst die Frommsten und Gottesfürchtigsten. Die Menschen befanden sich in der Gottesferne und konnten die Gemeinschaft mit Ihm nicht wiedererlangen, die im Sündenfall verloren ging.
2.) Das Kommen Christi war ein dramatischer Wendepunkt, denn nun wurden die Bedingungen dafür wieder geschaffen, dass der Mensch zu seiner Bestimmung zurückfindet, der Kommunion mit Gott. "Gott wurde Mensch, damit der Mensch Gott werde": Durch das gesamte Heilsgeschehen wurde die Situation hier völlig umgekrempelt. Inkarnation, Christi Leben und Lehre, Kreuzigung, Hadesfahrt (Folge: Eindringen des göttlichen Lichtes in das Reich der Finsternis und dessen Zerstörung), Auferstehung, Erschaffung, Sendung des Heiligen Geistes etc. etc. wurde für uns, wegen unserer Sünden, durch den Herrn Selbst innerhalb der Welt ein Raum des Lebens geschaffen. Entscheidend ist hier aus orthodoxer Perspektive, dass uns der unendlich entfernte Gott ganz nah kommt, für jeden insbesondere in der Eucharistie zu erfahren.
3.) Am Jüngsten Tag werden in der Tat alle Menschen mit der Gegenwart Gottes konfrontiert werden und diese Begegnung als "Himmel" oder "Hölle" wahrnehmen. Nach dem oben Gesagten sollte allerdings klar sein, dass man sich insoweit nicht dem Heil zuwendet, indem man sich ein wenig ethisch verhält oder durch fernöstliche Übungen das Selbst trainiert. Sondern man muss das "Angebot" Gottes zur Wiedervereinigung mit Ihm annehmen, dadurch zu einer völlig neuen Schöpfung werden und die Krankheit der Sünde durch Teilnahme an der ungeschaffenen Gnade Gottes heilen. Der Eingang in das "geistliche Sanatorium" (hl. Johannes Chrysostomus) ist die Orthodoxe Kirche. Mit ihren Mysterien - Taufe, Salbung, Kommunion, Beichte etc. - bietet sie die Heilmittel an, die den Menschen (durch die Teilhabe an Christi Auferstehung) auferstehen lassen, wenn er dies möchte und den Ratschlägen der "Ärzte" Folge leistet, etwa nach Unterstützung der Therapie durch Askese.
4.) So sieht sich also die Orthodoxe Kirche nicht als Religion oder Institution, die ihren Mitgliedern, Plätze im Himmel anbietet und die Anderen in die Hölle schickt, sondern als die Einrichtung, die uns darauf einstellt, die Gegenwart Gottes nicht als verzehrendes Feuer zu empfinden. Wir sehen an dieser Stelle übrigens auch nebenbei, dass dem Problem unserer seinsmäßigen Abweichung von der vorgesehenen Bestimmung nicht ausschließlich durch eine Vergebung begegnet werden kann.
5.) Auch wenn die Orthodoxe Kirche der einzige Weg ist, die Heilung zu erlangen, so bedeutet dies jedoch nicht, dass alle Anderen in der Hölle landen. Wie ich schon einmal geschrieben habe, besteht insoweit zwar nicht die Chance, hier den Weg der Theosis zu beschreiten, doch haben wir angesichts der Liebe unseres Herrn die Hoffnung, dass Gott (in Seiner Kirche und durch sie!) bei den Gutmütigen und Irrenden den Mangel bei der Auferstehung der Toten ersetzt.Die Orthodoxe Kirche wünscht ihren Feinden auch nicht die "Hölle", sondern betet inständig für die Errettung derjenigen, die sie hassen und verfolgen.
Wenn wir all dieses überlegen, wo ist da ein Raum für denjenigen, der gerettet wird, sich zu rühmen? Wer sich im "Krankenhaus" behandeln lässt und durch die vorzüglichsten Therapien, exzellente Geräte und kundigste Ärzte heilen lässt, hat er dies dann selbst getan, weil er in den Röntgenraum und zur Reha glaufen ist oder auch, wenn er die ihm verschriebene Medizin eingenommen hat? Die orthodoxe Antwort lautet: Nein, selbstverständlich ist alles der Gnade Gottes zuzuschreiben, doch rettet Er niemanden ohne diesen oder gar gegen seinen Willen, sondern auf den Weg der Synergie, wie Mary schon sagte.
Viele Grüße
1 Cor.11:30: That is why the work of a priest is not to distribute tickets, so that people might enter Paradise; he must heal people, so that when they encounter God, God will become light and not fire to them.