Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

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Lutheraner
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Lutheraner »

Hallo Monergist,
Monergist hat geschrieben: Du schreibst, dass die Ehre Gottes geschmälert würde, wenn der Mensch an der Erlösung mitwirkt. Wieso, weshalb, warum, woraus ergibt sich das?
Wenn ich im Sumpf stecke und am versinken bin und mir jemand die Hand reicht, dann habe ich die Wahl sie zu ergreifen und mich herausziehen zu lassen oder sie zu ignorieren und zu sterben. Wenn ich das Rettungsangebot annehme und mich an der dargebotenen Hand festhalte und dadurch herausgezogen werde, dann hat allein derjenige mich gerettet, der mir die Hand gereicht hat.
Wenn ich hinterher betone, dass ich auch gerettet wurde, weil ich dank meiner Kraft mich so gut an der Hand festhalten konnte, dann setze ich mich zu Unrecht in den Vordergrund und schmälere damit die Ehre desjenigen, der mich gerettet hat.
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

Evagrios Pontikos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Joseph hat geschrieben:... Gott ist, soviel ich weiß, nicht Mitglied einer Studentenverbindung und hat daher auch keinen Bedarf zur Satisfaktion seiner entehrten Ehre...
Aber Gott ist der König aller Könige, wie uns die Schrift bezeugt. Und deshalb gibt es durchaus so etwas, das man anthrophmorph gesprochen als "Majestätsbeleidigung" bezeichnen kann. Und dies wiederum hat zur Folge, dass Jesus Christus in seinem Sühnetod, wiederum anthropomorph gesprochen, "Genugtuung" geleistet hat, indem er die Strafe, die auf uns liegt, stellvertretend getragen hat (Jes 53,4+5).

"Anthropomorph" bedeutet hier, dass es eine Redeweise nach menschlicher Art ist, d.h. sie kann nicht eins zu eins von unserem Erfahrungshorizont als Menschen auf Gott übertragen werden. Sonst wird es grotesk: Stichwort "Studentenverbindung" oder "blutrünstiger Gott". Die Begriffe wie Sühne, Genugtuung, Zorn etc. haben von ihrer Bedeutung her einen Bereich, der quasi wie bei einer Schnittmenge auf unsere menschliche Erfahrungswelt und auf das Gottesverhätltnis zutrifft. Aber wie bei einer Schnittmenge gibt es eben auch Bereiche, die außerhalb derselben liegen und nicht auf das Gottesverhältnis übertragen werden können.

Trotzdem müssen wir daran festhalten, dass es diese Begrifflichkeiten braucht, weil Gott sonst sein Personsein, seinen Charakter als ein lebendiges Gegenüber verliert und zu einem rein geistigen Prinzip wird. Ich habe oben ja darauf hingewiesen, dass der Gott der Stoa und der Gott des christlichen Glaubens nicht dasselbe sind!

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Monergist
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Monergist »

Hallo Evagrios,

ich bleibe dabei, dass Jesaja 53, 4/5 auch auf "Christus Victor" zu 100% passt. Aus der Stelle kann man ableiten, dass Christus wegen unserer Sünden sterben musste, nicht aber, dass Gott, der Vater, hieraus einen Nutzen extrahiert hat, der Ihm die Vergebung erst ermöglichte. Man liest die Stelle so wie Du es tust nur, wenn man die genugtuuende Wirkung des Opfers Christi als wahr unterstellt, weil einem jeder schon immer erzählt hat, dass das so ist. Meine Freunde in Griechenland sagen mir immer wieder, dass dort "einfache" Christen (denen westliche Theologie bis dahin unbekannt war) es nicht glauben können und wollen, dass man "hier" dementsprechende Erlösungstheorien vertritt.

An dem Punkt wird man also nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen, wie auch immer man es formuliert und wird sich damit abfinden müssen, dass eine Seite Recht hat und die andere nicht. Welche das ist, werden wir vielleicht erst in der Ewigkeit erfahren. Insoweit ich persönlich auf eine Sichtweise "setze", so geben mir u. a. die angeführten Zitate und überhaupt die Stellungnahmen der Orthodoxen Kirche hierzu, genügend Sicherheit annehmen zu können, dass ich das glaube, was die Kirche schon immer gelehrt hat.

Viele Grüße
Zuletzt geändert von Monergist am Freitag 16. April 2010, 12:08, insgesamt 1-mal geändert.
1 Cor.11:30: That is why the work of a priest is not to distribute tickets, so that people might enter Paradise; he must heal people, so that when they encounter God, God will become light and not fire to them.

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Ilija
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Ilija »

Monergist hat geschrieben:Hallo Evagrios,

ich bleibe dabei, dass Jesaja 53, 4/5 auch auf "Christus Victor" zu 100% passt. Aus der Stelle kann man ableiten, dass Christus wegen unserer Sünden sterben musste, nicht aber, dass Gott, der Vater, hieraus einen Nutzen extrahiert hat, der Ihm die Vergebung erst ermöglichte. Man liest die Stelle so wie Du es tust nur, wenn man die genugtuuende Wirkung des Opfers Christi als wahr unterstellt, weil einem jeder schon immer erzählt hat, dass das so ist. Meine Freunde in Griechenland sagen mir immer wieder, dass dort "einfache" Christen (denen westliche Theologie bis dahin unbekannt war) es nicht glauben können und wollen, dass man "hier" dementsprechende Erlösungstheorien vertritt.

An dem Punkt wird man also nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen, wie auch immer man es formuliert und wird sich damit abfinden müssen, dass eine Seite Recht hat und die andere nicht. Welche das ist, werden wir vielleicht erst in der Ewigkeit erfahren. Insoweit ich persönlich auf eine Sichtweise "setze", so geben mir u. a. die angeführten Zitate und überhaupt die Stellungnahmen der Orthodoxen Kirche hierzu, genügend Sicherheit annehmen zu können, dass cih das glaube, was die Kirche schon immer gelehrt hat.

Viele Grüße
:klatsch:

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Joseph
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Joseph »

Monergist hat geschrieben:Hallo Evagrios,

ich bleibe dabei, dass Jesaja 53, 4/5 auch auf "Christus Victor" zu 100% passt. Aus der Stelle kann man ableiten, dass Christus wegen unserer Sünden sterben musste, nicht aber, dass Gott, der Vater, hieraus einen Nutzen extrahiert hat, der Ihm die Vergebung erst ermöglichte. Man liest die Stelle so wie Du es tust nur, wenn man die genugtuuende Wirkung des Opfers Christi als wahr unterstellt, weil einem jeder schon immer erzählt hat, dass das so ist. Meine Freunde in Griechenland sagen mir immer wieder, dass dort "einfache" Christen (denen westliche Theologie bis dahin unbekannt war) es nicht glauben können und wollen, dass man "hier" dementsprechende Erlösungstheorien vertritt.

An dem Punkt wird man also nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen, wie auch immer man es formuliert und wird sich damit abfinden müssen, dass eine Seite Recht hat und die andere nicht. Welche das ist, werden wir vielleicht erst in der Ewigkeit erfahren. Insoweit ich persönlich auf eine Sichtweise "setze", so geben mir u. a. die angeführten Zitate und überhaupt die Stellungnahmen der Orthodoxen Kirche hierzu, genügend Sicherheit annehmen zu können, dass ich das glaube, was die Kirche schon immer gelehrt hat.

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Mary
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Mary »

Evagrios Pontikos hat geschrieben: Und dies wiederum hat zur Folge, dass Jesus Christus in seinem Sühnetod, wiederum anthropomorph gesprochen, "Genugtuung" geleistet hat, indem er die Strafe, die auf uns liegt, stellvertretend getragen hat (Jes 53,4+5).
5 Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.
Hallo Evagrios,

es steht bei Jesaja nicht, dass die Strafe von Gott verhängt sei.
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Lutheraner
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Lutheraner »

@Mary: Von wem wurde die Strafe Deiner Meinung nach verhängt?
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

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holzi
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von holzi »

Lutheraner hat geschrieben:@Mary: Von wem wurde die Strafe Deiner Meinung nach verhängt?
Angenommen, deine Mutter verbietet dir, den Topf mit heißer Suppe vom Herd zu nehmen, ansonsten verbrennst du dir deine Finger. Du tust es trotzdem und nun tut die verbrühte Hand weh. Wer hat dich gestraft? Deine Mutter?

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Monergist
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Monergist »

Hallo allerseits,

ich habe nun einmal "in Griechenland" (bei den Erstellern der http://www.oodegr.com -Seite) angerufen, um von dort eine kurze Einschätzung zu der Jesaja-Passage, gerade auch in Anbetracht der hier vorgebrachten lutherischen Einwände, zu erhalten. Dies ist die Antwort:

Die betreffenden Jesaja-Verse lauten auf Griechisch wie folgt (kann ich persönlich leider nicht):

4 οὗτος τὰς ἁμαρτίας ἡμῶν φέρει καὶ περὶ ἡμῶν ὀδυνᾶται, καὶ ἡμεῖς ἐλογισάμεθα αὐτὸν εἶναι ἐν πόνῳ καὶ ἐν πληγῇ ὑπὸ Θεοῦ καὶ ἐν κακώσει. 5 αὐτὸς δὲ ἐτραυματίσθη διὰ τὰς ἁμαρτίας ἡμῶν καὶ μεμαλάκισται διὰ τὰς ἀνομίας ἡμῶν· παιδεία εἰρήνης ἡμῶν ἐπ᾿ αὐτόν. τῷ μώλωπι αὐτοῦ ἡμεῖς ἰάθημεν

In relativ simples Englisch übersetzt heißt das Folgendes:

4 He bore our sins and he sorrowed for us, and we thought Him to be in pain and punished by God and injured. 5 But He was wounded for our sins and He was bruised for our iniquities; He was an education of peace for us - through His bruises, we have been healed.

Es ist demnach festzuhalten, dass die Stelle auch nicht den geringsten Ansatz dafür liefert, die Position der Lutheraner zu stützen. Auch die im Internet zu findende englische Version (KJV) sagt nicht bzw. deutet noch nicht einmal leise an, dass Christus gestraft wurde, um dem Vater Satisfaktion zu leisten oder auch die göttliche Gerechtigkeit zu befriedigen bzw. wiederherzustellen. Vielmehr können wir auch dort sehen, dass "wir" dies dachten - genauso wie die Lutheraner es noch denken:

4 Surely he hath borne our griefs, and carried our sorrows: yet we did esteem him stricken, smitten of God, and afflicted. 5 But he was wounded for our transgressions, he was bruised for our iniquities: the chastisement of our peace was upon him; and with his stripes we are healed.

Das Wort "but" macht hingegen überdeutlich, dass "unsere" Gedanken falsch waren...

Man hat dort übrigens die Frage von Evagrios nach einer Auslegung von Galater 3,13 zum Anlass genommen, einen Text zu eben dieser Passage zu erstellen. Auf griechisch liegt er vor, die englische Version wird gerade angefertigt. Ich werde diese danach übersetzen und auf deutsch (auch) hier veröffentlichen.

Viele Grüße
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Joseph
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Joseph »

Monergist hat geschrieben:Hallo allerseits,

ich habe nun einmal "in Griechenland" (bei den Erstellern der http://www.oodegr.com -Seite) angerufen, um von dort eine kurze Einschätzung zu der Jesaja-Passage, gerade auch in Anbetracht der hier vorgebrachten lutherischen Einwände, zu erhalten. Dies ist die Antwort:

Die betreffenden Jesaja-Verse lauten auf Griechisch wie folgt (kann ich persönlich leider nicht):

4 οὗτος τὰς ἁμαρτίας ἡμῶν φέρει καὶ περὶ ἡμῶν ὀδυνᾶται, καὶ ἡμεῖς ἐλογισάμεθα αὐτὸν εἶναι ἐν πόνῳ καὶ ἐν πληγῇ ὑπὸ Θεοῦ καὶ ἐν κακώσει. 5 αὐτὸς δὲ ἐτραυματίσθη διὰ τὰς ἁμαρτίας ἡμῶν καὶ μεμαλάκισται διὰ τὰς ἀνομίας ἡμῶν· παιδεία εἰρήνης ἡμῶν ἐπ᾿ αὐτόν. τῷ μώλωπι αὐτοῦ ἡμεῖς ἰάθημεν

In relativ simples Englisch übersetzt heißt das Folgendes:

4 He bore our sins and he sorrowed for us, and we thought Him to be in pain and punished by God and injured. 5 But He was wounded for our sins and He was bruised for our iniquities; He was an education of peace for us - through His bruises, we have been healed.

Es ist demnach festzuhalten, dass die Stelle auch nicht den geringsten Ansatz dafür liefert, die Position der Lutheraner zu stützen. Auch die im Internet zu findende englische Version (KJV) sagt nicht bzw. deutet noch nicht einmal leise an, dass Christus gestraft wurde, um dem Vater Satisfaktion zu leisten oder auch die göttliche Gerechtigkeit zu befriedigen bzw. wiederherzustellen. Vielmehr können wir auch dort sehen, dass "wir" dies dachten - genauso wie die Lutheraner es noch denken:

4 Surely he hath borne our griefs, and carried our sorrows: yet we did esteem him stricken, smitten of God, and afflicted. 5 But he was wounded for our transgressions, he was bruised for our iniquities: the chastisement of our peace was upon him; and with his stripes we are healed.

Das Wort "but" macht hingegen überdeutlich, dass "unsere" Gedanken falsch waren...

Man hat dort übrigens die Frage von Evagrios nach einer Auslegung von Galater 3,13 zum Anlass genommen, einen Text zu eben dieser Passage zu erstellen. Auf griechisch liegt er vor, die englische Version wird gerade angefertigt. Ich werde diese danach übersetzen und auf deutsch (auch) hier veröffentlichen.

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Lutheraner
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Lutheraner »

holzi hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:@Mary: Von wem wurde die Strafe Deiner Meinung nach verhängt?
Angenommen, deine Mutter verbietet dir, den Topf mit heißer Suppe vom Herd zu nehmen, ansonsten verbrennst du dir deine Finger. Du tust es trotzdem und nun tut die verbrühte Hand weh. Wer hat dich gestraft? Deine Mutter?
Ich halte das nicht nur für einen falschen, sondern auch für einen gefährlichen Vergleich. Wenn Deine Mutter sagt, dass Du bestraft wirst, wenn Du den Topf vom Herd nimmst, dann erwartest Du, dass Sie dir dann ein paar hinter die Löffel gibt. Wenn sie sagt, dass Du Dir weh tun wirst, dann rechnest Du eher damit, dass Du Dir die Finger verbrennen kannst.

Darüber hinaus ist der Schaden, den wir uns durch das Übertreten der Gebote Gottes zufügen, oft überhaupt nicht ersichtlich. Wenn zwei Singles in den Swinger-Club gehen, dann kann alles gut gehen. Sie haben aber gesündigt, auch wenn sie nichts verspüren, was man als Strafe verstehen kann, sondern der Besuch des Swinger-Clubs eine schöne Erinnerung für sie bleibt. Ihre Strafe werden sie vielleicht erst am jüngsten Gericht erfahren - als Strafe Gottes.
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Anselmus
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Anselmus »

Lutheraner hat geschrieben:
holzi hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:@Mary: Von wem wurde die Strafe Deiner Meinung nach verhängt?
Angenommen, deine Mutter verbietet dir, den Topf mit heißer Suppe vom Herd zu nehmen, ansonsten verbrennst du dir deine Finger. Du tust es trotzdem und nun tut die verbrühte Hand weh. Wer hat dich gestraft? Deine Mutter?
Ich halte das nicht nur für einen falschen, sondern auch für einen gefährlichen Vergleich. Wenn Deine Mutter sagt, dass Du bestraft wirst, wenn Du den Topf vom Herd nimmst, dann erwartest Du, dass Sie dir dann ein paar hinter die Löffel gibt. Wenn sie sagt, dass Du Dir weh tun wirst, dann rechnest Du eher damit, dass Du Dir die Finger verbrennen kannst.

Darüber hinaus ist der Schaden, den wir uns durch das Übertreten der Gebote Gottes zufügen, oft überhaupt nicht ersichtlich. Wenn zwei Singles in den Swinger-Club gehen, dann kann alles gut gehen. Sie haben aber gesündigt, auch wenn sie nichts verspüren, was man als Strafe verstehen kann, sondern der Besuch des Swinger-Clubs eine schöne Erinnerung für sie bleibt. Ihre Strafe werden sie vielleicht erst am jüngsten Gericht erfahren - als Strafe Gottes.
Also mich kann dein Gegenbeispiel nicht wirklich überzeugen.

Erstens wird der Swinger Club Besucher auch schon in dieser Welt negative Folgen für diese Tat haben, da er sich vom Guten, Wahren und schönen, nämlich von Gott abwendet. Ich denke, dass wir hier uns alle einig sind, dass so etwas nicht unbedingt positive Folgen für die Seele (oder vielleicht etwas biologistischer gesprochen für die Psyche hat).

Dafür müssen sie auch gar nicht erkennen, dass diese Tat für sie besagte negative Folgen haben. "Strafe" halte ich in diesem Moment einfach nur für eine bildliche Sprache. Für die Menschen ist es vielleicht manchmal schwer zu verstehen, dass sie es selbst sind, die sich diese "Strafen" zufügen. Andererseits werden diese negativen Folgen teilweise auch erst im Lichte Gottes offenbar (von daher hast du in gewisser Weise sogar Recht damit, dass sie "die Strafe erst am jüngsten Tag erführen", wenngleich die Strafe nicht von Gott kommt). Erst durch das Licht Gottes wird es für sie zur Strafe. Aber Gott ist es nicht der die Strafe verhängt. Dennoch ist seine "Anwesenheit" ein "notwendiger Teil", damit dies als Strafe empfunden wird.

Irgendwie finde ich dieses Bild logischer als das Bild Gottes, der am Ende aller Tage sagt: "Ne... du warst im Swinger-Club einmal... du kommst hier net rein"...

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Clemens
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Clemens »

MIr fallen gerade spontan die verschiedenen Stellen aus dem Johannesevangelium ein, in denen Jesus sagt, dass er nicht gekommen ist, um zu richten, sondern dass die Menschen durch die Abwendung von Gott schon sich selbst das Gericht zugezogen haben.

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Monergist
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Monergist »

Ein Aspekt, dem ich selbst - leider auch in Ermangelung der erforderlichen Kenntnisse - bislang zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe, ist der der jeweiligen Übersetzung.

Die Übertragung von Jesaja 53, 4/5 von der Septuaginta ins Englische (keine Erwähnung des Begriffes Strafe!) hatte ich oben schon angeführt. Extrem wird der Unterschied bei dem nachfolgenden Vers 10.

Luther 1912 hält bereit: 10 So wollte ihn der HERR zerschlagen mit Krankheit.
Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, wird er Nachkommen haben und in die Länge leben, und des HERRN Plan wird durch seine Hand gelingen.


Mir eben als 1:1 Übertragung aus der Septuaginta ins Englische geliefert:

And the Lord willed to clean Him (= Christus) of His wound. If you (= Du und Ich) offer something towards your sins, your soul will see a seed of long life; and the Lord wills to remove from that person the pain of his soul, and show him the light.

Die Verwendung von zerschlagen (oder im Englischen: to bruise) anstelle von to clean in dieser Passage konnte sich überhaupt niemand erklären. Im Ergebnis ein ganz anderer Text mit ganz anderem Inhalt.

Viele Grüße
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Evagrios Pontikos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Zu Jes 54,4+5:

In Vers 4 wird ausgesagt, dass die Menschen den Knecht als einen von Gott gestraften Sünder (im Sinne des alttestamentlichen Tun-Ergehens-Zusammenhang) gesehen haben, nämlich dass er von Gott (für seine Sünden) „getroffen und geplagt“ worden sei (so wörtlich aus dem hebräischen Urtext).

Diese Ansicht wird in Vers 5 korrigiert: Nicht wegen seiner, sondern wegen unserer Missetaten wurde er geschlagen. Wörtlich dann: „Strafe liegt auf ihm, die zu unserem Frieden führt, und durch seine Strieme ist uns Heilung zuteil geworden.“ Es wird durch Vers 5 ausdrücklich bestätigt, dass Gott ihn geschlagen hat, aber eben nicht wegen seiner, sondern wegen unserer Sünde. Das ist ja die Pointe des Verses im Gegensatz zum üblen Leumund der Leute in Vers 4. Man vergleiche hierzu auch Vers 10, wo es heißt: „Aber Jahwes Plan war’s, ihn zu zerschlagen mit Krankheit. Wenn er sein Leben als Schuldopfer einsetzt, soll er Nachwuchs sehen, lange Tage leben. Und Jahwes Plan wird in seiner Hand glücken.“ Eindeutiger geht es ja wohl kaum.

Hans Walter Wolff hat im Jahr 1942 mit einer Arbeit zu „Jesaja 53 im Urchristentum“ promoviert. Seine exzellente Studie wird bis heute immer wieder nachgedruckt. Ich besitze die 4. Auflage von 1984. Zunächst ist interessant, dass er meine eben dargestellte Sicht bestätigt. Dann ist vor allem sehr interessant, dass er sich in seiner Studie ausführlich mit der Wirkung von Jesaja 53 im Judentum und frühen Christentum beschäftigt. In den Nachklängen im Alten Testament und in der griechischen Übersetzung der Septuaginta wird der ominöse Knecht Gottes eindeutig zur messianischen Gestalt, zum Sohn Gottes (äbäd JHWH wird in LXX mit pais theou, Sohn Gottes übersetzt!). Im Neuen Testament dann wird der Text im Blick auf das sühnende Opfer Jesu Christi verstanden und aufgenommen.

Nun wären zu Jesaja 53 noch weitere biblische Stellen von Interesse, die kaum anders verstanden werden können als in der Weise, dass Jesus stellvertretend Gottes Gericht für uns erlitten hat:

In Gethsemane betet Jesus, dass doch der Kelch, den Gott ihm offenbar reichen will, an ihm vorüber gehen möge. Der Kelch ist vom Alten Testament her deutlich der Kelch des Zornes Gottes und des Gerichtes Gottes (vgl. Jer 25,15; 51,7; Jes 51,17). Jesus trinkt an unserer Statt den Kelch des Zornes und Gerichtes Gottes, damit wir ihn nicht trinken müssen.

Oder es wäre zu erwähnen, wie Paulus von der Dahingabe Christi durch Gott spricht (Röm 4,25;8,32), übrigens ganz parallel zur Dahingabe der Menschen wegen ihrer Sünden (Röm 1,18). Paulus entspricht hier ganz dem, was eben zum Zornesbecher gesagt wurde. Hier wird in Bezug auf das Gerichtshandeln der Dahingabe in aktiver Weise von Gott gesprochen. Anders ist das wohl kaum zu verstehen.

Ebenso alttestamentliche Gerichtsterminologie ist der Ausruf Jesu „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, wo er Psalm 22 zitiert.

Und dann noch zu Holzis Bild von der Herdplatte, an der sich das Kind die Finger verbrennt: Hier wird wieder der Fehler gemacht, den ich oben benannt habe: Die Verlorenheit des Menschen, seine Todverfallenheit, wird von Gott losgelöst und quasi säkularisiert. Demgegenüber denkt die Bibel theologisch: Die Todverfallenheit des Sünders ist Folge der Lebendigkeit Gottes, von der er sich abgewandt hat. Die Todverfallenheit ist keine „eigenständige“ Größe, sondern sie ist Gericht Gottes.

Oder auch anders gefragt: Glaubt Ihr nicht, dass Gott der Pantokrator ist, der auf geheimnisvoll verborgene Weise das All regiert und die Geschichte auf ihr von ihm gesetztes Ziel hinlenkt? Dann ist auch Jesu Kreuzestod Teil dieser Weltenlenkung des Pantokrator, oder?

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Nassos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Nassos »

Clemens hat geschrieben:MIr fallen gerade spontan die verschiedenen Stellen aus dem Johannesevangelium ein, in denen Jesus sagt, dass er nicht gekommen ist, um zu richten, sondern dass die Menschen durch die Abwendung von Gott schon sich selbst das Gericht zugezogen haben.
Und?
Ich glaube; hilf meinem Unglauben

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Joseph
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Joseph »

Esaias, Isaiah

Septuagint vs Masoretic
http://www.ecmarsh.com/lxx-kjv/isaiah/i ... =Is+53+4-5

KJV
http://quod.lib.umich.edu/k/kjv/browse.html
[4] Surely he hath borne our griefs, and carried our sorrows: yet we did esteem him stricken, smitten of God, and afflicted.
[5] But he was wounded for our transgressions, he was bruised for our iniquities: the chastisement of our peace was upon him; and with his stripes we are healed.
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Monergist
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Monergist »

Hallo Evagrios,

wie ich schon geschrieben habe, "arbeitet" man da in Griechenland aber offensichtlich mit ganz anderen Fassungen von Jesaja 53... Und ich habe mir noch einmal bestätigen lassen, dass der Gegensatz zwischen Jesaja 53, 4 und 5 eben nicht nur darin gesehn werden kann,, dass Christus von Gott nicht wegen Seiner, sondern wegen unserer Sünden geschlagen/gestraft wurde, sondern - viel tiefergehend -, dass wir dachten, Er wäre von Gott gestraft, aber stattdessen trug Er freiwillig das Leiden des Kreuzes eben unseretwegen, d. h. wegen unserer Sünden (= um diese zu heilen), also nicht um dem Vater Satisfaktion zu leisten. Auch hier gilt wieder: Die Sünde ist das Problem, nicht die Reaktion Gottes darauf. Der Begriff Strafe fällt nicht und wenn, dann hieße das auch nicht, dass diese von Gott käme.

Und im Übrigen stellt sich die Frage, ob man seine ganze Theologie wirklich auf einige wenige Verse aufbauen kann, die zudem vielleicht von vornherein in ihrer bildhaften Sprache hierfür ungeeignet snd? Ist nicht aus dem ganzen Alten Testament für den "unbefangenen Leser" vielmehr das Bild erkennbar, dass Gott immer - ohne dass Ihm zuvor irgendetwas zurückgezahlt worden wäre - bereit ist, über unsere Sünden hinwegzusehen, wenn die Menschen sich bekehren, sich demütigen und beten (z. B. 2. Chron. 7, 14). Ist das nicht auch genau die Botschaft des Gleichnisses vom verlorenen Sohn? Warum betet der orthodoxe Christ jeden Abend Psalm 50 und dort u. a.: "Denn Schlachtopfer begehrest Du nicht; und gäbe ich Dir Brandopfer, es gefiele Dir nicht..."? Heißt es nicht in Weisheit 1: "13 Denn Gott hat den Tod nicht gemacht und hat kein Gefallen am Untergang der Lebenden; 14 sondern er hat alles geschaffen, dass es Bestand haben sollte; und was in der Welt geschaffen ist, das ist gut und es gibt nichts darin, was Verderben wirkt, und der Tod hat auf der Erde kein Recht."

Ist das Neue Testament und insbesondere das Johannes-Evanglium nicht voll davon, dass Christus eben allein deshalb auf die Welt kam, um uns zu erretten und nicht um ein Paradoxon zwischen Vergeben-Wollen und Gerechtigkeit innerhalb der allheiligen Dreiheit aufzulösen? Schreibt Clemens nicht zu Recht, dass wir dort auch lesen, dass der Mensch selbst Unheil über sich bringt, wenn er sich von Gott abwendet? Wäre es nicht schizophren, wenn Gott - der die Liebe, aber nicht Gerechtigkeit, ist - eine völlig ungerechtfertigte Bestrafung des Sündlosen forderte, damit Er uns nicht in die ewige Pein schicken muss (weil wir zu wenig lieben)....

Kann man wirklich z. B. ganz frühe Zeugnisse wie das von irenäus ignorieren, der eindeutig nur "Christus Victor" als Soteriologie beschreibt? Kann man die anderen von mir angegebenen Kirchenväter und ihre Auslegungen einfach ignorieren? Kann man wirklich im 20. Jhd. nach Christus in Deutschland verlässliche Dissertatiuonen über die Auslegung von Bibelstellen schreiben, ohne die Interpretationen der Orthodoxen Kirche zu berücksichtigen?

Viele Grüße
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Kirchenjahr
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Kirchenjahr »

Evagrios Pontikos hat geschrieben: Und dann noch zu Holzis Bild von der Herdplatte, an der sich das Kind die Finger verbrennt: Hier wird wieder der Fehler gemacht, den ich oben benannt habe: Die Verlorenheit des Menschen, seine Todverfallenheit, wird von Gott losgelöst und quasi säkularisiert. Demgegenüber denkt die Bibel theologisch: Die Todverfallenheit des Sünders ist Folge der Lebendigkeit Gottes, von der er sich abgewandt hat. Die Todverfallenheit ist keine „eigenständige“ Größe, sondern sie ist Gericht Gottes.
Warum wird die Verlorenheit des Menschen, seine Todverfallenheit von Gott losgelöst und quasi säkularisiert? Das ist eine Behauptung, Argumente fehlen. Der Vergleich hat doch was: Ob die Mutter Gebote, Verbote oder Ratschläge erteilt, ist doch völlig egal. Die Mutter könnnte sogar mit dem Kochlöffel drohen. Und doch würde die Mutter nicht dadurch strafen, dass sich das Kind die Finger verbrennt.

"Die Bibel denkt theologisch?" Ich halte diesen Satz mit Verlaub gesagt, für eine Phrase.

Die Frage ist leicht zu stellen: Hat der Mensch einen freien Willen sich für oder gegen Gott zu entscheiden? Schmälert dieser freie Wille des Menschen die Erlösungstat oder Allmacht Gottes?

PS I Wenn es keinen freien Willen gibt und auch keiner in der Hölle landet, dann brauche ich keine Angst mehr vor dem gerechten Gott haben. Ich kann auch munter sündigen oder es bleiben lassen.

PS II Östliche Theologen können die Frage nach dem freien Willen wohl kaum nachvollziehen. Sie müssen es aber versuchen, um die Schüler Martin Luthers verstehen zu können.

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Monergist
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Monergist »

Danke, Joseph, für die Gegenüberstellung Septuagint/Masoretic, da sieht man, worauf ich hinaus wollte!

Nachtrag: Allerdings fehlt in Jesaja 53, 4 das von mir angegebene: 4 He bore our sins and he sorrowed for us, and we thought Him to be in pain and punished by God and injured. So hatte mir dies "meine Griechin" nach mehrmaliger theologischer/spraclicher Absbsicherung dort übersetzt, sie ist zudemn gebürtige Australierin. Mit dem Zusatz wird der Unterschied noch deutlicher.
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Nassos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Nassos »

Vielleicht mal auf diese Weise :

da man nicht verständlich machen kann, was Sache ist... Das Rechtfertigungsverständnis der Orthodoxie ist 2000 Jahre alt, also 1500 Jahre mehr Erfahrung.
Ich denke, die Orthodoxie kann ganz genau verstehen, was die Lutheraner etc. für Argumente bringen und wie ihr Verständnis ist. Dass sie dies ablehnt heißt noch lange nicht, dass sie es nicht versteht. Auch damals, als die Antwort an Luther kam, lag es wohl nicht am fehlenden Verständnis für seine Positionen. Daher wusste man schon damals, wie falsch diese waren. Bei aller Liebe.

(Kinder meinen auch oft, wenn ihre Eltern etwas ablehnen, machen sie es, weil sie nicht wirklich verstehen :breitgrins: )

Sorry für den unsachgemäßen Beitrag. Er ist nicht mal böse gemeint. :pfeif:
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Lutheraner
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Lutheraner »

Hallo Anselmus,
Anselmus hat geschrieben:Irgendwie finde ich dieses Bild logischer als das Bild Gottes, der am Ende aller Tage sagt: "Ne... du warst im Swinger-Club einmal... du kommst hier net rein"...
Gott ist allmächtig und er ist der HErr. Daher stellt ER die Regeln auf und ER wird uns richten. Im Arbeitsleben ist es auch nicht anders: Der Chef stellt die Regeln auf (z.B. in Form von Arbeitsanweisungen) und wer sich nicht daran hält wird vom Chef bestraft (z.B. mit einer Abmahnung). Unser ganzes Rechtssystem funktioniert auch so.

Das Orthodoxe Verständnis wirkt auf mich völlig vom Handeln Gottes gelöst. Alles hängt angeblich entscheidend von uns ab. Wenn wir sündigen, dann werden wir durch die Umstände der Welt in der wir leben bestraft (bestrafen wir uns selbst). Es gibt auch angeblich keine Hölle, sondern dem Sündiger wird die Nähe Gottes zur Hölle. Das passt alles zusammen, klingt für mich aber erstaunlich fernöstlich. Ich kenne einen Esoteriker, der sich damit sehr gut anfreunden könnte. Seine Ansichten sind in vielen Punkten sehr ähnlich. Daher werfe ich den Orthodoxen auch eine Selbsterlösungslehre vor. Das ist nicht als Polemik gemeint. So wie man bei manchen fernöstlichen Lehren durch sein Leben, Denken und Handeln eine Stufe höher steigen kann, mit dem Ziel das endgültige Nirwana zu erreichen, geht es bei ihnen darum, eine Haltung zu gewinnen, mit der nach dem Tod die Nähe Gottes als Himmel und nicht als Hölle empfunden wird.
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

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Anselmus
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Anselmus »

Lutheraner hat geschrieben:Hallo Anselmus,
Anselmus hat geschrieben:Irgendwie finde ich dieses Bild logischer als das Bild Gottes, der am Ende aller Tage sagt: "Ne... du warst im Swinger-Club einmal... du kommst hier net rein"...
Gott ist allmächtig und er ist der HErr. Daher stellt ER die Regeln auf und ER wird uns richten. Im Arbeitsleben ist es auch nicht anders: Der Chef stellt die Regeln auf (z.B. in Form von Arbeitsanweisungen) und wer sich nicht daran hält wird vom Chef bestraft (z.B. mit einer Abmahnung). Unser ganzes Rechtssystem funktioniert auch so.

Das Orthodoxe Verständnis wirkt auf mich völlig vom Handeln Gottes gelöst. Alles hängt angeblich entscheidend von uns ab. Wenn wir sündigen, dann werden wir durch die Umstände der Welt in der wir leben bestraft (bestrafen wir uns selbst). Es gibt auch angeblich keine Hölle, sondern dem Sündiger wird die Nähe Gottes zur Hölle. Das passt alles zusammen, klingt für mich aber erstaunlich fernöstlich. Ich kenne einen Esoteriker, der sich damit sehr gut anfreunden könnte. Seine Ansichten sind in vielen Punkten sehr ähnlich. Daher werfe ich den Orthodoxen auch eine Selbsterlösungslehre vor. Das ist nicht als Polemik gemeint. So wie man bei manchen fernöstlichen Lehren durch sein Leben, Denken und Handeln eine Stufe höher steigen kann, mit dem Ziel das endgültige Nirwana zu erreichen, geht es bei ihnen darum, eine Haltung zu gewinnen, mit der nach dem Tod die Nähe Gottes als Himmel und nicht als Hölle empfunden wird.
Ich gebe dir recht, dass das auf den ersten Blick etwas so wirkt, als würde Gott aus dem ganzen Heilsgeschehen entfernt werden. Dem möchte ich allerdings zwei Punkte entgegenstellen:

a) So weit ich mich mit fernöstlichen "Religionen" auskenne, geht es bei ihnen mehr um Selbstauflösung. Gerade der Buddhismus ist ja nicht theozentrisch, da es ja dort auch keinen Gott gibt. Somit ist klar, dass es sich hier eben nur um den Menschen drehen kann, der irgendwelche in der Luft hängenden Ideale anstrebt, die aber letztendlich auch nur menschengemacht sind.
Das Christentum ist hier aber radikal anders. Denn hier ist der letzte Maßstab Gott. Auch wenn Gott nicht aktiv ablehnend und strafend auftritt, heißt das nicht, dass er daran nicht beteiligt wäre. Das versuchte ich bereits in meinem letzten Post deutlich zu machen.
Gott ist unveränderlich und tritt jedem Menschen gleich gegenüber, nämlich mit der Liebe eines Vaters, mit der Liebe des Schöpfers. Wenn wir nun wirklich ein Sündenverständnis annehmen würden, bei dem Gott denjenigen der sündigt, bestraft, würden wir dann, mit unserer Handlung nicht Gott "verändern", wenn sich seine Haltung uns gegenüber so radikal ändern würde? Wenn ich jetzt in den Swinger Club gehe, werde ich bestraft, ansonsten nicht? Meine Handlung entscheidet also darüber, ob Gott mich bestraft oder nicht? Das kommt mir ehrlich gesagt, im Blicke auf die Unveränderlichkeit Gottes reichlich komisch vor. Doch die Menschen sind höchstveränderlich. Dadurch hat das Bild von Strafe, indem die Strafe in der unterschiedlichen Empfindung der Nähe Gottes, des Ewigen und Unveränderlichen, besteht, kein Problem mit der Unveränderlichkeit Gottes.

b) Dass der Mensch überhaupt erlöst werden kann, ist nur durch das Opfer Jesu Christi möglich, da er "durch den Tod [...] den Tod zertreten und denen in den Gräbern das Leben geschenkt [hat]", wie Monergist bereits einmal zitierte. Es ist also unmöglich, wenn man genau hinschaut, Gott nur als passiv im Heilsgeschehen oder gar nicht im Heilsgeschehen vorhanden zu beschreiben, wie du es mir vorwarfst.

Da ich selbst nicht orthodox bin, bitte ich die Orthodoxen, mir zu verzeihen, falls das doch nicht so ganz in die richtige Richtung geht, was ich schrieb.

Mary
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Mary »

Lutheraner hat geschrieben: Gott ist allmächtig und er ist der HErr. Daher stellt ER die Regeln auf und ER wird uns richten.
Hallo Lutheraner,

Ja, klar stellt Gott die Regeln auf... und ER ist der Richter! Richter heisst aber nicht zwingend auch Bestrafer...
Lutheraner hat geschrieben:Das Orthodoxe Verständnis wirkt auf mich völlig vom Handeln Gottes gelöst. Alles hängt angeblich entscheidend von uns ab.
Das Zauberwort heisst "Synergia".
Lutheraner hat geschrieben: Ich kenne einen Esoteriker, der sich damit sehr gut anfreunden könnte.
gut, schick ihn vorbei, wir können ihn dann orthodox machen :D
Lutheraner hat geschrieben:Seine Ansichten sind in vielen Punkten sehr ähnlich. Daher werfe ich den Orthodoxen auch eine Selbsterlösungslehre vor.
Nein, wir erlösen uns nicht selbst. Jesus Christus hat die Erlösung erst ermöglicht.... und nochmal... es geht um Zusammenwirken von Gott und Mensch

Maria
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Nassos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Nassos »

Lutheraner hat geschrieben:Im Arbeitsleben ist es auch nicht anders: Der Chef stellt die Regeln auf (z.B. in Form von Arbeitsanweisungen) und wer sich nicht daran hält wird vom Chef bestraft (z.B. mit einer Abmahnung). Unser ganzes Rechtssystem funktioniert auch so.
Gott entspricht Firmenchef?
Klar, dass bei Euch das Element der Liebe vor den Werkstoren zurückbleibt. :pfeif:
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Anselmus
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Anselmus »

Nassos hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:Im Arbeitsleben ist es auch nicht anders: Der Chef stellt die Regeln auf (z.B. in Form von Arbeitsanweisungen) und wer sich nicht daran hält wird vom Chef bestraft (z.B. mit einer Abmahnung). Unser ganzes Rechtssystem funktioniert auch so.
Gott entspricht Firmenchef?
Mit Verlaub: :nuckel:
Na was denkst du denn. Und die Heiligen sind sowas wie der Betriebsrat, der mit dem Chef verhandeln kann, ob jemand nicht doch noch in den Himmel darf. :hmm:

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Lutheraner
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Lutheraner »

Mary hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben: Gott ist allmächtig und er ist der HErr. Daher stellt ER die Regeln auf und ER wird uns richten.
Hallo Lutheraner,

Ja, klar stellt Gott die Regeln auf... und ER ist der Richter!
Wenn es angeblich von meiner Haltung abhängt, ob ich die Nähe Gottes als Himmel oder Hölle empfinde (so Eure Lehre), dann kann doch Gott kein Richter sein.
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

Mary
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Mary »

Lutheraner hat geschrieben:
Mary hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben: Gott ist allmächtig und er ist der HErr. Daher stellt ER die Regeln auf und ER wird uns richten.
Hallo Lutheraner,

Ja, klar stellt Gott die Regeln auf... und ER ist der Richter!
Wenn es angeblich von meiner Haltung abhängt, ob ich die Nähe Gottes als Himmel oder Hölle empfinde (so Eure Lehre), dann kann doch Gott kein Richter sein.
Nein, das ist nicht orthodoxe Lehre.
Maria
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Lutheraner
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Lutheraner »

Mary hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:
Mary hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben: Gott ist allmächtig und er ist der HErr. Daher stellt ER die Regeln auf und ER wird uns richten.
Hallo Lutheraner,

Ja, klar stellt Gott die Regeln auf... und ER ist der Richter!
Wenn es angeblich von meiner Haltung abhängt, ob ich die Nähe Gottes als Himmel oder Hölle empfinde (so Eure Lehre), dann kann doch Gott kein Richter sein.
Nein, das ist nicht orthodoxe Lehre.
Maria
So hat Monergist mir das mal erklärt. Aber vielleicht nimmt er auch selbst Stellung hierzu.
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songul
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von songul »

Wenn wir das lehren würden, könnten wir wirklich der Karma-Lehre die Hand geben.

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Nassos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Nassos »

Anselmus hat geschrieben:
Nassos hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:Im Arbeitsleben ist es auch nicht anders: Der Chef stellt die Regeln auf (z.B. in Form von Arbeitsanweisungen) und wer sich nicht daran hält wird vom Chef bestraft (z.B. mit einer Abmahnung). Unser ganzes Rechtssystem funktioniert auch so.
Gott entspricht Firmenchef?
Mit Verlaub: :nuckel:
Na was denkst du denn. Und die Heiligen sind sowas wie der Betriebsrat, der mit dem Chef verhandeln kann, ob jemand nicht doch noch in den Himmel darf. :hmm:
Genau. Und der Betriebsrat vertritt die Interessen der xxx-nehmer, während der Chef den maximal möglichen Profit des Unternehmens vor Augen hat.
Klar, dass er dann zornig auf die xxx-nehmer ist. :panisch:
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Joseph
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Joseph »

Nassos hat geschrieben:Vielleicht mal auf diese Weise :... Das Rechtfertigungsverständnis der Orthodoxie ist 2000 Jahre alt, also 1500 Jahre mehr Erfahrung.
There I fixed it for ya....
Ich denke, die Orthodoxie kann ganz genau verstehen, was die Lutheraner etc. für Argumente bringen und wie ihr Verständnis ist. Dass sie dies ablehnt heißt noch lange nicht, dass sie es nicht versteht. Auch damals, als die Antwort an Luther kam, lag es wohl nicht am fehlenden Verständnis für seine Positionen. Daher wusste man schon damals, wie falsch diese waren.
:daumen-rauf: :daumen-rauf: :daumen-rauf:
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