Orthodoxe Theologie

Ostkirchliche Themen.
Cassian
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Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Cassian »

Bruder Donald hat geschrieben:
Dienstag 28. September 2021, 17:24
Cassian hat geschrieben:
Dienstag 28. September 2021, 16:59
Eines der besten Argumente gegen den Monotheismusbegriff des Islams ist zum Beispiel die hypostatische Qualität des Korans.
Kannst du das näher erläutern? Gerne auch einen fortführenden Link!
Das schließt an die mittelalterliche Debatte um die Geschaffenheit des Korans an. Eine Fraktion behauptete, der Koran sei geschaffen, weil ein ungeschaffener Koran eine Unterscheidung in Gott einführte und dementsprechend seine Einheit kompromittierte. Ein ungeschaffener Koran wäre somit polytheistisch und Schirk, ebenso wie etwa die Dreieinheit oder die Menschwerdung Gottes (denn der Koran trat ja ebenfalls durch die Offenbarung in diese Welt ein). Die Apologeten der Ungeschaffenheit des Korans taten das aus ihrem islamischen Skripturalismus heraus, ohne das freilich näher gegen die erhobenen Vorwürfe begründen zu können, und bogen in den Fideismus ab (die orthodoxe Apologetik geht sehr gerne auf diesen Problemkreis ein, weil sich hier an einer zentralen Stelle ein Selbstwiderspruch nachweisen lässt). Im heutigen, durch den Wahhabismus beeinflussten Sunnitentum werden solche Debatten freilich nicht geführt und bisweilen moralisch kriminalisiert, der Islam stabilisiert sich angesichts der ontologischen Mängel in seiner Theologie regelmäßig aus der Moral.

Ein Artikel, den ich zu diesem Thema gefunden habe, ist der hier: AL-QURAN: THE ETERNAL LOGOS BECOMES A BOOK!

Ein ganz ganz exzellenter Youtubekanal zum Thema orthodoxe Apologetik mit Bezug auf den Islam ist Orthodox Shahada:




Trisagion
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Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 30. September 2021, 11:47
Unterscheiden wir uns menschliche Personen untereinander demnach auch nur aufgrund der Akzidentien? Gäbe es für uns keine Akzidente, wären wir Menschen dann eigentlich auch "ein Mensch in vielen Hypostasen/Personen"? Ob das nun so Sinn macht oder nicht, ist eher nebensächlich, die Frage ist, ob man das als Erklärungsanalogie anwenden könnte, um die Trinität einem Heiden/Atheisten zu verdeutlichen.
Das funktioniert nicht wirklich. Selbst wenn alle Menschen komplett identisch wäre in allen Akzidentien (wie z.B. Haarfarbe), wären sie nicht identisch in ihrer Körperlichkeit, zumindest ihrer räumlichen und zeitlichen Lokalisierbarkeit. In einer Armee perfekter menschlicher Klone kann ich halt immer noch auf einen deuten und sagen "dieser da", und das ist eine echte Bestimmung des gemeinten Individuums.

Andersherum, wenn ich mir nun die Engel anschaue die körperlich nicht lokalisierbar sind (und zeitlich insofern nicht, als daß sie alle denselben Anfangspunkt haben und keinen natürlichen Endpunkt), dann klappt es auch nicht. Obwohl das in der Scholastik nicht unumstritten ist, sagt jedenfalls Thomas, daß jeder Engel sein komplett eigenes Geschöpf ist, Gattung und Individuum identisch. In einem puren Geist gibt es quasi keinen Anlaß für etwas Akzidentales, alles ist essentiell. Und wenn man nicht unterscheiden kann, dann gibt es nicht mehr Individuen, aber wenn man nur in der Essenz unterscheiden kann, dann sind es eben verschieden Geschöpfe. In dem Sinne ist "Engel" ein Wort wie "Säugetier".

Gott ist also ein Spezialfall, der wie die Engel seine eigene Gattung ist, aber andererseits wie die Menschen in mehr als einer Person auftritt, weil er (anders als die Engel) Existenz an sich ist und somit selbst interne Beziehungen "real macht".

Wie soll man das alles einem Heiden / Atheisten verklickern? Äh, keine Ahnung. Das ist so ein bißchen wie die Frage, wie man Differential- und Integralrechnung einem mathematisch Unbeleckten verklickern soll. Das geht halt nur entweder sehr oberflächlich, oder indem man halt erstmal eine Menge anderer Dinge lernt.

Grob gesprochen würde ich einem Heiden / Atheisten erstmal mit dem Monotheismus kommen. Die meisten Heiden sind Viel-Theisten, und Atheisten sind Null-Theisten. Das erste Argument ist darum erstmal sie zu Ein-Theisten zu machen. Wenn man sie von dem einen Gott überzeugt hat, dann kann man sinnvoll von dem Spielraum reden, den es da noch gibt um eben zu mehr als einer göttlichen Person zu kommen ohne diesen einen Gott dranzugeben.

Und genau diese Pädagogik sehen wir ja schließlich auch in der göttlichen Offenbarungsgeschichte. Gott wird schon wissen was er tut.
Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 30. September 2021, 11:47
Ich danke dir wirklich vielmals, dass du dir die Zeit nimmst und Energie investierst, um lange Erklärungstexte zu schreiben, aber bei deinem letzten Post habe ich gefühlt 90% nicht verstanden. :tuete: Ich versuche ja hier einiges zu lernen um halt z. B. einem Atheisten notfalls Rede und Antwort zu stehen. Aber ich wüsste jetzt echt nicht, wie ich in so einem Fall mithilfe deines Posts da etwas artikulieren könnte. :hae?:
Einem Atheisten muß man nur äußerst selten zu Details der Trinität und dem dazugehörigen theologischen Unterbau Rede und Antwort stehen. Wenn es echt darum geht, dann hat dieser Atheist meist einen erheblichen christlichen Hintergrund, etwa ein Ex-Priester. Die andere Gruppe von Leuten die darauf herumhackt sind Muslime (und auch Juden, wobei deren Apologetik derzeit meiner Erfahrung nach eigentlich nur in Israel auf Hochdruck läuft). Will sagen, daß sind dann einfach andere Bedingungen und da muß man u.U. dann halt die Spezialisten ran lassen.

Du sagst Du hättest 90% des von mir Gesagten nicht verstanden. Kein Problem. Aber Du glaubst ja an die Trinität. Nun, woran glaubst Du denn da eigentlich? Was denkst Du, woran hälst Du fest, was bedeutet es für Dich? Wenn Du das für Dich ausformulieren kannst, dann kannst Du es eben auch einem Fragesteller erklären. Und das ist sicher sehr viel sinnvoller als durch irgendwelche halbverstandenen Gedanken eines anderen Menschen zu stolpern, nur weil die vielleicht "professioneller" erscheinen. Menschen, jedenfalls außerhalb eines eng begrenzten akademischen Bereichs, verlangen eigentlich nur selten nach wasserdichten Argumenten basierend auf systematisch organisierten Daten. Menschen verlangen nach Authentizität, Aufrichtigkeit, Enthusiasmus und einer soliden Standfestigkeit - aber auch einer gewissen Verletzlichkeit. Reine Sturheit ist nicht attraktiv. Beharren muß daher kommen, daß es für einen echt um etwas geht, daß ein persönlicher Verlust droht.

Ich will sagen, daß Gott der Ursprung aller Dinge ist, und eins ist. Ich will sagen, daß Jesus mehr war als nur ein guter Mensch, und daß er in seinen Gebeten als Gott dennoch ein echtes göttliches Gegenüber hatte in seinem Vater. Ich will sagen, daß Gott meinen Geist als Heiliger Geist füllen kann, und dann meine Gebete dennoch ein echtes göttliches Gegenüber in Vater und Sohn finden. Wie kann ich das alles sagen, ohne mich in Widersprüche zu verstricken? Wie kann es in einem Gott ein Gegenüber geben? Nun, für Details und logische Argumentation siehe die Lehre der Trinität. Aber dies sind Dinge, auf die ich bestehe, auf denen ich stehe. Und im Zweifelsfall reicht das erstmal zum Thema Trinität.

Bruder Donald

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Bruder Donald »

Cassian hat geschrieben:
Donnerstag 30. September 2021, 13:35
Ein Artikel, den ich zu diesem Thema gefunden habe, ist der hier:[...]
Vielen Dank für die nähere Erklärung und Links! :hutab:

Cassian hat geschrieben:
Donnerstag 30. September 2021, 13:35
Das schließt an die mittelalterliche Debatte um die Geschaffenheit des Korans an.[...]
Und das monotheistische Problem des Islam liegt nun darin, wenn sie auf der Ungeschaffenheit des Korans bestehen, es zu einer Dissonanz zwischen Einheit und Vielfalt Gottes kommt? Quasi, der Koran als Hypostase Allahs, die nicht sein kann?

Spontan fällt mir ein, dass die das doch mit dem orthodoxen Essenz/Energie-Konzept lösen könnten. Der Koran ist eine Energie Gottes und somit ungeschaffen.
So, wo kann ich meinen Islam-Lehrstuhl beantragen? :breitgrins:

Cassian
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Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Cassian »

Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 30. September 2021, 16:08
Und das monotheistische Problem des Islam liegt nun darin, wenn sie auf der Ungeschaffenheit des Korans bestehen, es zu einer Dissonanz zwischen Einheit und Vielfalt Gottes kommt? Quasi, der Koran als Hypostase Allahs, die nicht sein kann?
Genau.
Spontan fällt mir ein, dass die das doch mit dem orthodoxen Essenz/Energie-Konzept lösen könnten. Der Koran ist eine Energie Gottes und somit ungeschaffen.
So, wo kann ich meinen Islam-Lehrstuhl beantragen? :breitgrins:
Aber die Energielehre ist doch ebenso polytheistisch, wie hier in diesem Strang doch deutlich geworden ist. :D
Im Ernst: eine Unterscheidung in Essenz und Energie ist für Moslems aus den gleichen Gründen unstatthaft, aus denen sie Dreieinheit und Inkarnation ablehnen: als Kompromittierung der ultimativen Einheit Gottes.
Bei 1:12:31 versucht Jay einen islamischen Scheich an genau diesem Punkt festzunageln:

https://youtu.be/Wdut7k3njZs?t=4351

Bruder Donald

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Bruder Donald »

Cassian hat geschrieben:
Donnerstag 30. September 2021, 16:31
Bruder Donald hat geschrieben:
Donnerstag 30. September 2021, 16:08
Und das monotheistische Problem des Islam liegt nun darin, wenn sie auf der Ungeschaffenheit des Korans bestehen, es zu einer Dissonanz zwischen Einheit und Vielfalt Gottes kommt? Quasi, der Koran als Hypostase Allahs, die nicht sein kann?
Genau.
Fängt das islamische Monotheismus-Problem dann nicht schon früher an? :hmm:
Oder eher das "Einheit-Vielfalt-Problem"? Wie lösen die das?
Die Trinität besagt im Grunde ja, dass Gott wesenhaft Einheit (eine Ousia) und Vielfalt (drei Hypostasen) ist. Wenn die Moslem darauf bestehen, dass jegliche "Vielfalt" die Einheit zerstört, wie kommt das Vielfältige in die Welt? Hat Allah einfach irgendwann beschlossen, Vielfalt zu kreieren?

Cassian
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Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Cassian »

Bruder Donald hat geschrieben:
Freitag 1. Oktober 2021, 00:31
Die Trinität besagt im Grunde ja, dass Gott wesenhaft Einheit (eine Ousia) und Vielfalt (drei Hypostasen) ist. Wenn die Moslem darauf bestehen, dass jegliche "Vielfalt" die Einheit zerstört, wie kommt das Vielfältige in die Welt? Hat Allah einfach irgendwann beschlossen, Vielfalt zu kreieren?
Vielheit ist all das, was Gott nicht ist. Der Islam bekennt sich in seinem Glaubensbekenntnis ja zu einem radikalen Apophatizismus: dass nichts auf dieser Erde mit Gott vergleichbar sei. Daraus ergeben sich aber dann erkleckliche epistemische Folgeprobleme. Eines davon ist beispielsweise das "inkarnative Problem": zwar behauptet die Schahada, Gott sei mit nichts auf dieser Erde vergleichbar, dennoch wird er im Koran mit ganz konkreten, gar menschlichen Eigenschaften wie "Barmherzigkeit" oder "Liebe" identifiziert. Das schließt dann wieder an die Frage nach der Geschaffenheit oder Ungeschaffenheit des Korans an.
Bruder Donald hat geschrieben:
Freitag 1. Oktober 2021, 00:31
Fängt das islamische Monotheismus-Problem dann nicht schon früher an? :hmm:
Oder eher das "Einheit-Vielfalt-Problem"? Wie lösen die das?
Gar nicht. Im vom Wahhabismus beeinflussten Sunnitentum ist Theologie (im islamischen "Kalam", was soviel wie "theologisches Streitgespräch" bedeutet) generell verboten. In einigen höheren Imam-Kreisen wird tatsächlich eingestanden, dass Tawhid (also die Einheit Gottes nach islamischen Vorstellungen) aufgrund des radikal apophatischen Prinzips eigentlich auch nicht mit numerischer Einheit identifiziert werden kann (womit man dann seine eigenen Vorbehalte gegen die Dreieinheit auf tönerne Füße stellt). Beide Standpunkte leben aber davon, dass man diese Fragen möglichst nicht an den theologisch interessierten Laien heranträgt, letztlich an der imamischen Arkandisziplin, und dass man Apostaten entsprechend bestraft. Wiegesagt, die theologischen Mängel versucht man aus der Moral zu stabilisieren.

In apologetischen Streitgesprächen mit Nichtmuslimen und zumal Christen kommt man in der Regel aber gar nicht erst an diesen Punkt, weil die allermeisten Christen ebenso fehlerhafte Vorstellungen über Einheit und Vielheit haben wie die Muslime, was ja in diesem Strang ebenfalls deutlich geworden ist. Da einigt man sich mit den Muslimen zunächst auf einen "generischen Monotheismus" (im Sinne des Tawhid), an den man dann eine modalistische Dreiheit heranpappt, statt die Dreieinheit selbst als Urgrund unserer gesamten Realität zu begreifen und zu verdeutlichen.

Trisagion
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Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Freitag 1. Oktober 2021, 00:31
Fängt das islamische Monotheismus-Problem dann nicht schon früher an? :hmm:
Oder eher das "Einheit-Vielfalt-Problem"? Wie lösen die das?
Die Trinität besagt im Grunde ja, dass Gott wesenhaft Einheit (eine Ousia) und Vielfalt (drei Hypostasen) ist. Wenn die Moslem darauf bestehen, dass jegliche "Vielfalt" die Einheit zerstört, wie kommt das Vielfältige in die Welt? Hat Allah einfach irgendwann beschlossen, Vielfalt zu kreieren?
Ich bin kein Apologet des Islam, aber es würde mir ein leichtes sein hier zu verteidigen, auf rein "philosophischer" Grundlage. Also dann, als advocatus diaboli gesprochen:

Erstens, wer sagt denn das hier überhaupt ein Problem besteht? Nur weil Du im Brustton der Überzeugung von einem Problem sprichst besteht noch lange keins. Gott ist Einheit und schöpft Vielfalt. Wo bitte ist hier auch nur ein Ansatz eines Problemes zu finden, und warum? Warum sollte Gott Probleme damit haben etwas zu schaffen was er nicht ist? Warum sollte er nicht beschließen Vielfalt zu kreieren? Kann er das etwas nicht? Ist er nicht allmächtig, allwissend, ... und völlig frei in dem was er tut? Was für eine absurde mechanistische Ideologie bzgl. Gott steckt hinter dieser Kritik eigentlich? Was zwingt Gott, den Christen nach, was bindet hier seine Hände?

Zweitens, sollte irgendwie "Vielfalt" tatsächlich ein Problem sein, was ich keineswegs glaube, dann ist die Trinität mitnichten eine Lösung. Die ist ja eben gerade überhaupt nicht vielfältig. Sie ist nur Mehrzahl, und nicht mal das, sie ist nur Dreizahl. Alle von den Christen behaupteten Personen sind der eine Gott ohne Unterschied, also gerade eben keine Vielfalt sondern Einheit in der Natur. Hätte Allah ein Problem hier, dann auch der christliche Gott! Und was die Mehrzahl angeht: offenbar gestehen die Christen zu, daß Gott weiter als bis drei zählen kann. Denn schließlich sehen wir viele Dinge in der Schöpfung die mehr als drei sind. Wenn die Christen also zugeben, daß Gott nicht geistig behindert ist und mehr Dinge einer Natur schaffen kann als seiner eigene Zahl entspricht, dann ist offensichtlich die Einzahl Allahs auch kein Problem hier. Wiederum, was stecken hier denn für merkwürdige Ideen dahinter? Zählt der christliche Gott die Dinge an seinen Personen ab? Ein Apfel - der Vater, zwei Äpfel - der Sohn, drei Äpfel - der Heilige Geist, viele Äpfel - hmmm, kann ich nicht...? Und deshalb ist es dann bei Allah ein Aofel und mehr geht nicht? Ist das etwa euer Gott, ein Gott der nichtmal richtig zählen kann, ein Kleinkind?


Und genug davon... ich denke das ist aber nützlich hier mal von der anderen Seite her zu schauen, denn wir wollen es Gegnern nicht zu einfach machen. Es gibt durchaus Vorteile der Trinität die Allah nicht haben kann, aber die haben mit dem innertrinitarischen Leben und der Liebe zu tun. Die Liebe für einen anderen kann Allah nicht erfahren, jedenfalls nicht ohne zu schöpfen (und dann würde er etwas brauchen von der Schöpfung, dann wäre sie für ihn nötig). Insofern kann Allah nicht die Liebe an sich sein, und das ist er ja auch ganz offensichtlich nicht. Das mag sich nicht nach einem schlagenden Argument anhören, aber es ist ein schleichendes. Denn wir suchen die Liebe und fliehen die Lieblosigkeit. Ein Mensch kann zwar behaupten er sei zufrieden mit einem lieblosen Gott, aber das ist wie ein Jucken an einer Stelle wo man nicht hinlangen kann.

Hari_Seldon

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Hari_Seldon »

Das zu überwinden, was von Lessing garstiger Graben genannt worden ist, ist für Gott ein Leichtes, für Menschen jedoch nur wegen Jesus Christus möglich.

Bruder Donald

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Freitag 1. Oktober 2021, 10:21
Die Liebe für einen anderen kann Allah nicht erfahren, jedenfalls nicht ohne zu schöpfen [...]
Warum kann/soll sich Allah denn nicht selbst lieben? (und so wie viele Moslems ticken, denken sie das wahrscheinlich auch...)
Natürlich kann man jetzt sagen, dass dann Allah das Subjekt (Vater) und Objekt (Sohn) seiner eigenen Liebe (Hl. Geist) ist. So kriegt man auch eine Trinität wieder rein, aber ob das nun so logisch statthaft ist und/oder zwingend argumentiert, dass ein Moslem nun Christ werden muss, weiß ich allerdings nicht. :achselzuck:

Trisagion
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Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Freitag 1. Oktober 2021, 19:10
Warum kann/soll sich Allah denn nicht selbst lieben?
Vielleicht kann er das. Aber er kann eben nicht einen anderen lieben. Und das Eigenliebe nicht das gleiche ist wie Liebe für jemand anderen (etwa Eltern, Frau, Kinder, ...) wissen auch Muslime, jedenfalls sicher instinktiv / aus Erfahrung.

Wie gesagt, diese Sorte Argument sind nicht schlagend sondern schleichend. Und ich denke langfristig gesehen sind schleichende Argumente ganz deutlich effektiver darin tatsächliche Übertritte herbeizuführen.

Hari_Seldon

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Hari_Seldon »

Das Geniale an den Scholastikern ist halt, daß sie sich ernsthaft mit den Argumenten der Heiden auseinandersetzten und nicht in einer stupiden Theologie des "Wir-haben-aber-recht" verweilten. Diese Theologie des "Wir-haben-aber-recht" hatte das Vordringen des Islam zum Ende des ersten Jahrtausends nicht verhindern können.

Das Vordringen des Islam ist eben nicht nur auf Gewalt zurückzuführen, sondern auch darauf, daß die islamischen Gelehrten Aristoteles wiederentdeckten und dieser hatte nunmal nicht in allem unrecht. :hmm:
Die aristotelische Philosophie jedoch führt eben mehr in das Buch der Natur als in das Buch der Bücher.

Eine Theologie des "Wir-haben-aber-recht" ist simplizistischer als die Theologie des "Heiden-haben-unrecht".

Bruder Donald

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 30. September 2021, 13:47
Aber Du glaubst ja an die Trinität. Nun, woran glaubst Du denn da eigentlich? Was denkst Du, woran hälst Du fest, was bedeutet es für Dich? Wenn Du das für Dich ausformulieren kannst, dann kannst Du es eben auch einem Fragesteller erklären.
Nun, müsste ich die Trinität z. B. einem Atheisten erklären bzw. verdeutlichen, würde ich die Formel ein Wesen/eine Wesenheit - drei Hypostasen/Personen, mit völlig identischen Drillingen (alternativ Klonen) versuchen zu umschreiben. Du hast zwar drei Individuen, aber sie gleichen sich exakt wie das eine Ei dem anderen. Weiter würde ich noch sagen, dass sich diese Drillinge kreisbildend an den Händen halten und feucht fröhlich im Kreis drehen. Wenn sie sich schnell genug drehen, sieht man gar nicht mehr, dass es drei Personen sind, sondern sich ein bewegendes "Etwas".
Jetzt ist halt nur die Frage, ob ich mit meiner Laienerklärung das Trinitätsdogma halbwegs richtig wiedergegeben habe.
Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 30. September 2021, 13:47
Wie soll man das alles einem Heiden / Atheisten verklickern? Äh, keine Ahnung. Das ist so ein bißchen wie die Frage, wie man Differential- und Integralrechnung einem mathematisch Unbeleckten verklickern soll. Das geht halt nur entweder sehr oberflächlich, oder indem man halt erstmal eine Menge anderer Dinge lernt.
Oberflächlich sollte ja auch erstmal zur Einführung ja reichen.
Wenn ich aber einem Atheisten mit der Analogie Wesen=Menschheit, Hypostasen=Menschen komme, dann kann ich mir eben sehr gut vorstellen, wie die erste Assoziation zum Polytheismus kommt: "Dann sind die drei göttlichen Personen also drei unterschiedliche Götter?"
Für mich ist dann diese Analogie nicht hilfreich. Also versuche ich erstmal die theologisch-philosophischen Begriffe richtig abzustecken und einzuordnen.
Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 30. September 2021, 13:47
Selbst wenn alle Menschen komplett identisch wäre in allen Akzidentien (wie z.B. Haarfarbe), wären sie nicht identisch in ihrer Körperlichkeit, zumindest ihrer räumlichen und zeitlichen Lokalisierbarkeit.
Sind denn Wo? und Wann? nicht auch Akzidentien?
Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 30. September 2021, 13:47
Obwohl das in der Scholastik nicht unumstritten ist, sagt jedenfalls Thomas, daß jeder Engel sein komplett eigenes Geschöpf ist, Gattung und Individuum identisch. In einem puren Geist gibt es quasi keinen Anlaß für etwas Akzidentales, alles ist essentiell. Und wenn man nicht unterscheiden kann, dann gibt es nicht mehr Individuen, aber wenn man nur in der Essenz unterscheiden kann, dann sind es eben verschieden Geschöpfe. In dem Sinne ist "Engel" ein Wort wie "Säugetier".
Was macht mich, Bruder Donald, zum Individuum? Ich hätte nämlich gedacht, es gäbe eine individuelle Essenz, also etwas, dass mich essenziell individuell "macht". Wenn ich aber, als Bruder Donald, nur eine Ausformung einer allgemeinen Substanz (Gattung) bin, macht mich denn nicht das Zukommen von Akzidentien zu dieser allgemeinen Substanz erst individuell?

Cassian
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Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Cassian »

Bruder Donald hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 02:33
Nun, müsste ich die Trinität z. B. einem Atheisten erklären bzw. verdeutlichen, würde ich die Formel ein Wesen/eine Wesenheit - drei Hypostasen/Personen, mit völlig identischen Drillingen (alternativ Klonen) versuchen zu umschreiben. Du hast zwar drei Individuen, aber sie gleichen sich exakt wie das eine Ei dem anderen. Weiter würde ich noch sagen, dass sich diese Drillinge kreisbildend an den Händen halten und feucht fröhlich im Kreis drehen. Wenn sie sich schnell genug drehen, sieht man gar nicht mehr, dass es drei Personen sind, sondern sich ein bewegendes "Etwas".
Jetzt ist halt nur die Frage, ob ich mit meiner Laienerklärung das Trinitätsdogma halbwegs richtig wiedergegeben habe.
Deine Darstellung lässt aber die Monarchie des Vaters und die unterschiedlichen Qualitäten der Hypostasen unter den Tisch fallen. Du betest den Vater (nicht die göttliche Natur) durch den Sohn im Heiligen Geist an (Ich glaube an einen Gott, den Vater, den Allherrscher...). Auch sind die drei Personen keine "Drillinge", jede hypostatische Qualität ist entweder nur der einzelnen Person oder der gesamten Dreiheit zueigen. Vater und Sohn sind sich zum Beispiel in allem gleich, außer dem Ursprung (die Verursachung der beiden anderen Hypostasen ist eine spezielle hypostatische Qualität des Vaters) und der geschaffenen menschlichen Natur, an der der Sohn Anteil hat.
Oberflächlich sollte ja auch erstmal zur Einführung ja reichen.
Wenn ich aber einem Atheisten mit der Analogie Wesen=Menschheit, Hypostasen=Menschen komme, dann kann ich mir eben sehr gut vorstellen, wie die erste Assoziation zum Polytheismus kommt: "Dann sind die drei göttlichen Personen also drei unterschiedliche Götter?"
Für mich ist dann diese Analogie nicht hilfreich. Also versuche ich erstmal die theologisch-philosophischen Begriffe richtig abzustecken und einzuordnen.
Ich habe keine Ahnung, von was für imaginierten Atheisten du dich da in's Bockshorn jagen lässt. Erkläre ihnen einfach die ontologische Gleichwertigkeit von Einheit und Vielheit durch deren perfekten Ausgleich in Gott selber (habe ich tatsächlich schon erlebt, dass es da bei Leuten "Klick" gemacht hat, auch einfach weil alle anderen Religionen entweder monistisch oder polyistisch sind, und keine einen Ausgleich zwischen beiden kennt). Dass das nebenbei bemerkt auch eine reductio ad absurdum an alle anderen Monotheismusbegriffe ist, habe ich mit dem Islam-Beispiel zu verdeutlichen versucht (das gleiche Problem bezüglich Einheit und Vielheit in Gott hat das Vatikanertum, der Buddhismus, der Pantheismus, das Judentum etc.).
Interessant finde ich, dass du dem Atheisten hier richtigerweise instinktiv eine größere Nähe zum vatikanischen oder islamischen Monotheismusbegriff unterstellst. Was freilich eine Vindikation der von mir gezogenen Schlüsse aus der westlichen Geistesgeschichte impliziert.
Zumal der heidnische Monismus nach Art von Platon oder Aristoteles ja auch nur die Kehrseite des heidnischen Polytheismus war, und letzterer ja auch keine personale Realität zum Gegenstand hatte (viele Neuheiden verwechseln glaube ich auch das Heidentum mit dem christlichen Glauben. Man kann sich das durchaus als Komplement zum heidnischen Monismus vorstellen: die Menschen warfen sich angesichts der ultimativen unerreichbaren und essenzialistischen Realität Gottes nach philosophischem Verständnis irgendwelchen subalternen Geistwesen an den Hals, von denen wir heute natürlich wissen, dass sie Dämonen sind und waren. Götzendienst hat denselben Kern), sondern letztlich doch nur apersonale Realitäten wie Schicksal, Chaos. Dem waren dann ja selbst die Götter unterworfen. Außerdem gibt es im heidnischen Götterpantheon auch keine Perichorese oder eine Monarchie des Vaters (auch Zeus ist das ja nicht annähernd im christlichen Sinne). Das innige Verhältnis zwischen den drei Personen der Dreieinheit (im Gegensatz zur Zwietracht und Uneinigkeit im heidnischen Götterpantheon) ist aber freilich ohne die Energielehre nicht nachzuvollziehen. Daher vermutlich auch bei Vatikanern und anderen Protestanten die sabellianistische Neigung, die Dreieinheit vor allem als Einheit zu denken, die die Dreiheit absorbiert.
Was macht mich, Bruder Donald, zum Individuum? Ich hätte nämlich gedacht, es gäbe eine individuelle Essenz, also etwas, dass mich essenziell individuell "macht". Wenn ich aber, als Bruder Donald, nur eine Ausformung einer allgemeinen Substanz (Gattung) bin, macht mich denn nicht das Zukommen von Akzidentien zu dieser allgemeinen Substanz erst individuell?
Was dich zu einem "Individuum" macht ist genau die reale Unterscheidung zwischen Hypostase und Natur durch den Begriff der Person (der eben mehr ist als eine bloße Instanzierung einer abstrakten Natur). Das lässt sich freilich nicht eins zu eins auf Gott analogisieren, denn bei uns Erdenmenschen ist ja zusätzlich das Verhältnis zu unserer eigenen Natur wie auch zu unseren Mitmenschen gebrochen. Sicherlich ist aber richtig, dass der moderne Individualismus auf der Verwerfung der Natur/Hypostasenunterscheidung aufbaut und von einer "individuellen Natur" ausgeht. Das ist aber natürlich ontologisch und epistemisch vollkommen aberwitzig, und führt in den Relativismus und Solipsismus (selbst die basalste Kommunikation über ein Thema setzt ja letztlich eine ontologische Einheit der beiden kommunizierenden Parteien voraus, und die muss man eben lokalisieren).

Bruder Donald

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Bruder Donald »

Cassian hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 10:19
Deine Darstellung lässt aber die Monarchie des Vaters und die unterschiedlichen Qualitäten der Hypostasen unter den Tisch fallen.
Mag sein, ich wüsste aber auch nicht, inwiefern die Einbeziehung dieser Faktoren die Formel eine Ousia/ein Wesen - drei Hypostasen/Personen erklären bzw. verständlicher machen sollte.
Cassian hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 10:19
Erkläre ihnen einfach die ontologische Gleichwertigkeit von Einheit und Vielheit durch deren perfekten Ausgleich in Gott selber [...]
Und was ist dann "Gott selber"? Wenn du mir jetzt mit der obigen Trinitätsformel kommst, dann drehen wir uns im Kreis.
Du hast nun einen sehr langen Post hinterlassen, aber leider den Kernpunkt meines Anliegens völlig außer acht gelassen: Die begriffliche Definition von Ousia/Wesen und Hypostase/Person.
In meinen Augen reicht es erstmal völlig aus, diese mit einer Drillings-Analogie zu verdeutlichen. Fortschreitend kann man dann immer noch mit Monarchie des Vaters, Ausgleich Vielfalt-Einheit, etc. pp. kommen.
Cassian hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 10:19
Was dich zu einem "Individuum" macht ist genau die reale Unterscheidung zwischen Hypostase und Natur durch den Begriff der Person [...]
So oft ich mir deinen Satz auch durchlese, es macht bei mir nicht *Klick*, inwiefern so eine allgemeine Behauptung ohne Konkretisierung meine Frage beantworten soll. Wenn es mich nicht mal überzeugt, warum dann einen Atheisten?
Du kannst die Frage ja gerne aus orthodoxer Sicht konkretisieren, aber ich bezweifle, dass solche Allgemeinplätze irgendwen überhaupt überzeugen.
Cassian hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 10:19
Du betest den Vater [...]
Zuallererst bekenne ich einen Gott. Wenn ich aber zu drei Personen bete, dann möchte ich theologisch gerne erklärt haben (damit ich es Nicht-Christen erklären kann), wo dann das eine göttliche Moment ist. Laut trinitarischer Formel in der Ousia/Natur. Die drei Personen sind Träger/Inhaber der einen gleichen Natur.
Wenn allerdings jeder Mensch ebenfalls träger der einen menschlichen Natur ist, warum dann nicht von einem Menschen in Milliarden Personen sprechen?
Die Trinitätsformel an sich stört mich hierbei ja nicht, allerdings die menschlichen Erklärungsversuche dieser.

Trisagion
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Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 02:33
Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 30. September 2021, 13:47
Aber Du glaubst ja an die Trinität. Nun, woran glaubst Du denn da eigentlich? Was denkst Du, woran hälst Du fest, was bedeutet es für Dich? Wenn Du das für Dich ausformulieren kannst, dann kannst Du es eben auch einem Fragesteller erklären.
Nun, müsste ich die Trinität z. B. einem Atheisten erklären bzw. verdeutlichen, ... Jetzt ist halt nur die Frage, ob ich mit meiner Laienerklärung das Trinitätsdogma halbwegs richtig wiedergegeben habe.
Das war allerdings garnicht die Zielrichtung meiner Frage. Wie gut oder schlecht Deine Erklärung hier auch sein mag, sie ist - nehme ich mal an - eine Form der analogischen Analyse, nicht die Form Deines tatsächlichen, gelebten Glaubens.
Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 30. September 2021, 13:47
Wenn ich aber einem Atheisten mit der Analogie Wesen=Menschheit, Hypostasen=Menschen komme, dann kann ich mir eben sehr gut vorstellen, wie die erste Assoziation zum Polytheismus kommt: "Dann sind die drei göttlichen Personen also drei unterschiedliche Götter?" Für mich ist dann diese Analogie nicht hilfreich. Also versuche ich erstmal die theologisch-philosophischen Begriffe richtig abzustecken und einzuordnen.
Das Problem mit Analogien zum Menschen, oder zu anderen körperlichen Wesen, ist daß die Verköperung als Unterscheidung zu stark ist und die Trinität unweigerlich in den Tritheismus herunterbricht. Eine andere Analogie ist zu Gedächtnis, Intellekt und Willen, wo wir es viel einfacher finden zu sagen es sind verschiedene Dinge aber alle eins (nämlich der Geist eines Mensch). Aber da ist man dann wiederum nahe am Modalismus.

Laß uns ein Spiel spielen. Hier sind Odin und Thor, zwei unterschiedliche Götter. Nehmen wir mal ihre körperliche Repräsentation weg, also nicht mehr ein junger Mann mit Hammer und ein alter Mann mit Augenklappe, es sind reine Geister. Und sie sind auch nicht verschieden alt, sondern beide ewig. Und sie haben keine verschiedenen Temperamente sondern sind beide absolut gut, nicht verschiedene Fähigkeiten sondern beide allmächtig, entwickeln sich nicht verschieden denn sie sind unveränderlich, ... Egal was Du sonst noch so sagst, ich sage immer "beide gleich" dazu, wenn Du fragst wie sie so sind. Irgendwann sagst Du dann sicher: "Aber Du redest überhaupt nicht von zwei verschiedenen Göttern! Das ist ja garnichts unterschiedlich. Wenn zwei Dinge in nichts unterschieden sind, dann sind sie einfach identisch." Aber halt, Odin ist immer noch Vater und Thor ist immer noch Sohn, nicht umgekehrt. Ist das ein echter Unterschied, reicht das? Nun, solange das nicht austauschbar ist (ich kann nicht beide beides nennen), dann ja. Ich kann z.B. sagen, daß Thor als Chris Hemsworth inkarniert, aber Odin nicht.

Was wird Identität hier? Es wird eine Art Zuordnungsschema: dies sind die Ding die Thor tut, dies sind die Dinge die Odin tut. Und das ist letztlich die Idee der Orthodoxen Energien, und warum die Orthodoxen sagen, daß wir Vater, Sohn und Heiliger Geist daran erkennen. Nur ist halt dort der "westliche" Punkt wichtig, daß die Prozessionen in Gott eine echte "interne" Unterscheidung der Personen aufbauen, schon vor jeder "externen" Aktivität. Wenn ich einen Hund habe, aber den sowohl Fido als auch Max nenne, dann ist es bedeutunglos zu sagen "Fido tut dies, aber Max tut das". Eine Zuordnung erfordert eben eine vorhergehende Ordnung.
Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 30. September 2021, 13:47
Sind denn Wo? und Wann? nicht auch Akzidentien?
Ja, es sind essentielle Akzidentien (es ist egal fürs Mensch sein wo und wann man ist, aber irgendwo und irgendwann muß man sein, wenn man überhaupt ist). Allerdings ist das grundlegend für alle körperlichen Dinge, insofern spricht man da oft getrennt davon.
Trisagion hat geschrieben:
Donnerstag 30. September 2021, 13:47
Was macht mich, Bruder Donald, zum Individuum? Ich hätte nämlich gedacht, es gäbe eine individuelle Essenz, also etwas, dass mich essenziell individuell "macht". Wenn ich aber, als Bruder Donald, nur eine Ausformung einer allgemeinen Substanz (Gattung) bin, macht mich denn nicht das Zukommen von Akzidentien zu dieser allgemeinen Substanz erst individuell?
Die Essenz eines Menschen ist es ein vernunftbegabtes Sinneswesen ("Tier") zu sein, seine Natur ist so ziemlich dasselbe wie die Essenz nur üblicherweise "dynamisch" betrachtet (also wie sich diese Essenz ausdrückt, z.B. gehört Humor zur Natur des Menschen weil es aus Vernunftbegabung und Sinneswahrnehmung folgt). Deine Individualität erhältst Du primär durch Deine konkrete Verkörperung in Raum und Zeit, Deiner Form (Seele) und Materie, was man in einer ellenlangen Liste an Akzidentien beschreiben kann. Manchmal nennt man auch diese Individualisierung Deine Natur, was etwas verwirrend ist. Dann ist es eben nicht die Natur als dynamischer Ausdruck der Essenz, sondern die Natur als dynamischer Ausdruck der gesamten vorhandenen Form und Materie. Es ist dann nicht die menschliche Natur, sondern die Deine (in der die menschliche Natur eine Art Fundament ist). Du kannst also sagen, daß Du eine individuelle Natur hast, aber nicht, daß Du eine individuelle Essenz hast (außer Du bist kein Mensch wie wir...). Es gibt auch keine "allgemeine Substanz", außer das ist eine merkwürdige Art "Menschheit" zu sagen, im Sinne aller lebenden Menschen.

Cassian
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Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Cassian »

Bruder Donald hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 16:05
Und was ist dann "Gott selber"? Wenn du mir jetzt mit der obigen Trinitätsformel kommst, dann drehen wir uns im Kreis.
Was ist denn dein Problem? "Gott selber" ist kein Monade, aber anscheinend impliziert der Begriff "selber" das für dich. Gott transzendiert offensichtlich logische Antinomien.
Du hast nun einen sehr langen Post hinterlassen, aber leider den Kernpunkt meines Anliegens völlig außer acht gelassen: Die begriffliche Definition von Ousia/Wesen und Hypostase/Person.
In meinen Augen reicht es erstmal völlig aus, diese mit einer Drillings-Analogie zu verdeutlichen. Fortschreitend kann man dann immer noch mit Monarchie des Vaters, Ausgleich Vielfalt-Einheit, etc. pp. kommen.
Unsinn. Das sind die absoluten Grundlagen des trinitarischen Dogmas.
Cassian hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 10:19
Was dich zu einem "Individuum" macht ist genau die reale Unterscheidung zwischen Hypostase und Natur durch den Begriff der Person [...]
So oft ich mir deinen Satz auch durchlese, es macht bei mir nicht *Klick*, inwiefern so eine allgemeine Behauptung ohne Konkretisierung meine Frage beantworten soll. Wenn es mich nicht mal überzeugt, warum dann einen Atheisten?
Du kannst die Frage ja gerne aus orthodoxer Sicht konkretisieren, aber ich bezweifle, dass solche Allgemeinplätze irgendwen überhaupt überzeugen.
Ich weiß wirklich nicht, was an dem von mir geschriebenen missverständlich sein soll. :vogel:
Cassian hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 10:19
Du betest den Vater [...]
Zuallererst bekenne ich einen Gott. Wenn ich aber zu drei Personen bete, dann möchte ich theologisch gerne erklärt haben (damit ich es Nicht-Christen erklären kann), wo dann das eine göttliche Moment ist. Laut trinitarischer Formel in der Ousia/Natur.
Elemente der Einheit liegen in Der Natur, in dem daraus folgenden Willen und energetischen Manifestation (!), der Perichorese und in der Monarchie des Vaters, die du wohl noch immer nicht verstanden zu haben scheinst. Den Vater bezeichnet man auch als Inkarnation der Göttlichen Ousia, wenn er auch nicht mit ihr identisch ist. Element der Vielheit - nicht Vielfalt - sind die Drei Personen und ihre ontologische Gleichrangigkeit mit dem Vater.
Die drei Personen sind Träger/Inhaber der einen gleichen Natur.
Wenn allerdings jeder Mensch ebenfalls träger der einen menschlichen Natur ist, warum dann nicht von einem Menschen in Milliarden Personen sprechen?
Weil unsere Vorstellung von "Person" (oder Individuum) geprägt ist von unserem Missverhältnis zu unserer eigenen Natur und von unserem Missverhältnis zu anderen Menschen, wie ich oben bereits schrieb. Und weil wir auch nicht in Perichorese ineinander leben, außer wir sind verheiratet. In dem Falle kann man aber durchaus dem Sinn des Ehemysteriums nach von einer Einheit sprechen. Außerdem sind unsere Willen gnomisch. Auch haben wir keinen der Person des Vaters vergleichbaren Kopf, erst recht nicht seit dem Sündenfall. In den Himmeln sieht das freilich anders aus: als echte Teilhaber an der Göttlichen Natur werden wir dort als Personen Söhne Gottes in einem echten, trinitarischen Sinne sein, mit Christus als unserem Bruder, bloß eben als Adoptivkinder und nicht kraft Zeugung aus dem Vater.

Ebenso ist übrigens zum Beispiel auch unser Verhältnis zum Begriff der Willensfreiheit durch die Ursünde verkrüppelt: erscheint es uns heute als eine Entscheidung zwischen Gut und Böse, war es im Paradies eine Entscheidung zwischen einer Vielzahl an Gütern (selbst vom Baum der Erkenntnis hätte Gott wohl Adam irgendwann essen lassen, wäre er treu geblieben, spekulieren die Väter mit gutem Grund). Träten wir mit diesem gefallenen Verständnis der Willensfreiheit an Gott heran, so kämen wir vermutlich auch zu dem absurden Schluss, er könne die Gottesmutter auch einfach so verdammen, wie das die Nominalisten im Voluntarismusstreit dachten.

Gleiches gilt überdies auch für unsere Tendenz, in Dialektiken und logischen Antinomien zu denken: mit dem Sündenfall verfiel die ursprüngliche Harmonie (auch in unserer Wahrnehmung der Metaphysik) in ein Verhältnis von Jäger und Beute, von Leben und Tod, von Gut und Böse. Es ist ersichtlich widersinnig, sich beim theologisieren an den Paradigmen des gefallenen Menschen zu orientieren, wie das die heidnischen Philosophen in Unkenntnis des Evangeliums taten.

Trisagion
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Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 16:05
Wenn allerdings jeder Mensch ebenfalls träger der einen menschlichen Natur ist, warum dann nicht von einem Menschen in Milliarden Personen sprechen?
Der Mensch "individualisiert" grundsätzlich in Akzidenten. Ein Mensch ist darum anders als ein anderer in seiner konkreten Existenz, er ist von Natur aus unterscheidbar von einem anderen Menschen. Wenn mir von der menschlichen Natur reden, dann von dem was allen Menschen fundamental gemeinsam ist, aber kein Mensch ist jemals nur das. Deshalb reden wir von Milliarden Menschen.

Gott hat keine Akzidenten. Gott ist der ist, essentielle Existenz und was daraus folgt (z.B. Ewigkeit). Der Vater ist der ist. Der Sohn ist der ist. Der Heilige Geist ist der ist. Auf dieser Ebene der göttlichen Natur ist keine Unterscheidung möglich. Ich kann Gott nicht von Gott trennen bzgl. wie Gott ist, es gibt hier nichts "extra". Die Frage ist dann, ob diese Namen schlicht Synonyme sind. Die Antwort ist nein, vielmehr kann man in Gott aufgrund der Prozessionen drei Personen unterscheiden, und wir geben ihnen diese Namen. Wenn Du so willst ist das äquivalent zu einem "individualiserendem Akzident", nur ändern Relationen nichts daran wie eine Person ist, nur daran wer sie ist. Der Sohn hat soetwas ähnliches wie ein zur Individualisierung dienenden Akzident darin, daß er vom Vater stammt. Aber er wird dadurch nicht mehr, weniger oder anders Gott. Es ist eine für die göttliche Natur folgenlose Unterscheidung.

Solange ich etwas systematisch identifizieren kann, kann ich ihm auch Handlungen zuordnen. Es ist also logisch kein Problem zu sagen "nur der Sohn inkarniert as Jesus". Das muß reichen. Es wäre schön wenn ich verstehen würde, wie es ist Sohn zu sein aber nicht Vater. Wenn ich darüber nachdenke lande ich bei meiner Erfahrung wie es ist ich zu sein, und nicht ein anderer Mensch. Aber diese Erfahrung ist irreführend, denn Gott ist nicht wie ich, und die Unterscheidung zwischen den Personen Gottes ist nicht wie die zwischen Menschen.

Bruder Donald

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Bruder Donald »

Cassian hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 18:12
"Gott selber" ist kein Monade, aber anscheinend impliziert der Begriff "selber" das für dich.
Von "mir" kann ja keine Rede sein, wenn du die Wortwahl: in Gott selber ins Feld führst.
Gott ist Gott. Eine fortführende Erklärung mit "in" klärt eben nicht auf, was unter "Gott" im christlichen Sinne "an sich" zu verstehen ist.
Cassian hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 18:12
Unsinn. Das sind die absoluten Grundlagen des trinitarischen Dogmas.
Mag sein, aber klärt nicht die Frage nach der oben genannten Trinitätsformel.
Ich finde, du übergehst einfach gewisse begrifflichen Voraussetzungen und steigst gleich in die theologische Materie ein. Unter Christen mag das ja funktionieren, für philosophisch-theologisch Interessierte ist das am Thema vorbei. Jedenfalls meine Einschätzung. Du magst da freilich andere Erfahrungswerte haben.
Cassian hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 18:12
Ich weiß wirklich nicht, was an dem von mir geschriebenen missverständlich sein soll.
Dass du eine im Grunde philosophisch-begriffliche Frage mit einer theologisch-tinitarischen Erklärung zu beantworten versuchst?!
Bei deiner Erklärung sind quasi die drei göttlichen Personen "Individuen". Also könnte ich jetzt wieder mit drei unterschiedlichen Gott-Personen kommen. Aber nein, halt, denn jetzt kommst du mit der Monarchie des Vaters und Perichorese. Das ist dann eben der Knackpunkt, weshalb es eben dann doch nicht mit der Menschheit-Mensch-Analogie funktioniert.
Gut, auf diese Weise haben wir nun die Trinität (orthodox?) ge- und erklärt.
Meine Frage war aber eben anderer Natur.
Cassian hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 18:12
Weil unsere Vorstellung von "Person" (oder Individuum) geprägt ist von unserem Missverhältnis zu unserer eigenen Natur und von unserem Missverhältnis zu anderen Menschen, wie ich oben bereits schrieb.
Hä? :hae?:
Individuen gibt es nur, weil die Menschen im Missverhältnis zu ihrer eigenen Natur existieren? Und wenn dieses Missverhältnis aufgehoben wäre, gebe es keine Personen/Individuen, weil in Eintracht mit der eigentlichen menschlichen Natur?
Cassian hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 18:12
Elemente der Einheit liegen in Der Natur, in dem daraus folgenden Willen und energetischen Manifestation (!), der Perichorese und in der Monarchie des Vaters, die du wohl noch immer nicht verstanden zu haben scheinst.
Was ich daran tatsächlich nicht verstehe, was der Unterschied zwischen Energie/energeia und Hypostase/Person sein soll. :hmm:
Falls mit "Energie" "Wirklichkeit/Aktualität" gemeint ist, sehe ich keinen Unterschied zur Hypostase, die ja eine "Realisierung" einer abstrakten Natur ist.
Falls mit "Energie" eine "Handlung/Wirkung/Aktivität" gemeint ist, dann verstehe ich nicht, warum sie zum Wesen/zur Natur gehörig sein soll. Gott hat eine Natur, aber Gott handelt/wirkt, nicht die Natur.

Bruder Donald

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 16:56
Wie gut oder schlecht Deine Erklärung hier auch sein mag, sie ist - nehme ich mal an - eine Form der analogischen Analyse, nicht die Form Deines tatsächlichen, gelebten Glaubens.
Genau. Für mich ist hier primär interessant, wie ich einem Unkundigen die Trinitätsformel bzw. Trinität, also die Analogie, halbwegs verständlich erkläre.
Trisagion hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 16:56
Das Problem mit Analogien zum Menschen, oder zu anderen körperlichen Wesen, ist daß die Verköperung als Unterscheidung zu stark ist und die Trinität unweigerlich in den Tritheismus herunterbricht. Eine andere Analogie ist zu Gedächtnis, Intellekt und Willen, wo wir es viel einfacher finden zu sagen es sind verschiedene Dinge aber alle eins (nämlich der Geist eines Mensch). Aber da ist man dann wiederum nahe am Modalismus.
Ich kann damit leben, dass solche vereinfachten und einführenden Erklärungsversuche stets die Gefahr haben, in die eine oder andere Richtung einer Häresie zu fallen. Wenn St. Patrick's Kleeblatt schon häresieverdächtig ist, dann sind meine Ein-eiigen-Drillinge genauso gut. :achselzuck:
Trisagion hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 16:56
Was wird Identität hier? Es wird eine Art Zuordnungsschema: dies sind die Ding die Thor tut, dies sind die Dinge die Odin tut. Und das ist letztlich die Idee der Orthodoxen Energien, und warum die Orthodoxen sagen, daß wir Vater, Sohn und Heiliger Geist daran erkennen.
Einerseits, ja okay, stimmt, andererseits betont Cassian ja immer, die Energien seien stets trinitarisch. :hmm:
Trisagion hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 16:56
Nur ist halt dort der "westliche" Punkt wichtig, daß die Prozessionen in Gott eine echte "interne" Unterscheidung der Personen aufbauen, schon vor jeder "externen" Aktivität.
Du willst wohl darauf hinaus, dass die katholische Position bereits "intern" eine Unterscheidung vornimmt, die orthodoxe erst "extern". Soweit ich mich aber in das orthodoxe Verständnis eingelesen habe, fängt auch bei den Orthodoxen die Unterscheidung der Identitäten "intern" an. Würde mich jedenfalls nicht wundern, wenn Cassian dir hier widerspricht.
Was mir spontan einfällt: wie können wir denn überhaupt "intern" Unterscheidungen feststellen, wenn nicht erst durch die "externen" Energien, durch welche sich Gott uns offenbart? :hmm:
Trisagion hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 16:56
Manchmal nennt man auch diese Individualisierung Deine Natur, was etwas verwirrend ist. Dann ist es eben nicht die Natur als dynamischer Ausdruck der Essenz, sondern die Natur als dynamischer Ausdruck der gesamten vorhandenen Form und Materie. Es ist dann nicht die menschliche Natur, sondern die Deine (in der die menschliche Natur eine Art Fundament ist). Du kannst also sagen, daß Du eine individuelle Natur hast, aber nicht, daß Du eine individuelle Essenz hast [...]
Ok, verstehe, interessant ausgedrückt! Meine "individuelle Natur" ist demnach die Summe aus Form und Materie (plus Akzidentien), richtig zusammengefasst?
Verstehe ich auch richtig, dass die Form auch der (allgemeinen) menschlichen Essenz entspricht?
Trisagion hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 20:10
Der Mensch "individualisiert" grundsätzlich in Akzidenten.
Danke! Das erklärt mir so einiges!

Trisagion
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Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Sonntag 10. Oktober 2021, 03:03
Genau. Für mich ist hier primär interessant, wie ich einem Unkundigen die Trinitätsformel bzw. Trinität, also die Analogie, halbwegs verständlich erkläre.
Und mein Punkt bleibt, daß das eigentlich selten interessant ist in der Praxis. Es sind i.d.R. sehr "spezielle" Menschen, die darauf bestehen derlei "technisch sauber" erklärt zu bekommen. Und um sie zufrieden - oder jedenfalls ruhig - zu stellen, muß man auf ihre Spezialität eingehen. Für den ehrlich Interessierten ist m.E. das "warum" viel wichtiger als das "wie" und "was". Ich habe wichtige spirituelle und philosophische Gründe, warum es nur einen Gott geben kann. Ich habe wichtige spirituelle und glaubenspraktische Gründe, warum Vater, Sohn und Heiliger Geist als echt unterscheidbare Personen Gottes existieren müssen. Die kann ich alle leicht erklären, und wer wissen will wie das ist Christ zu sein ist daran interessiert. Zur Trinität muß man eigentlich nur wissen, daß sie nicht logisch unmöglich ist, und somit den Glauben nicht unsinnig macht. Und um zu wissen, daß sie nicht logisch unmöglich ist, muß man eigentlich nur wissen, daß 'drei' und 'eins' nicht dasselbe zählt, obwohl sich beides auf Gott bezieht.
Bruder Donald hat geschrieben:
Sonntag 10. Oktober 2021, 03:03
Wenn St. Patrick's Kleeblatt schon häresieverdächtig ist, dann sind meine Ein-eiigen-Drillinge genauso gut. :achselzuck:
Non sequitur. Außerdem bist Du für Deinen eigenen Kram verantwortlicher als für den von St. Patrick. 8)
Trisagion hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 16:56
Einerseits, ja okay, stimmt, andererseits betont Cassian ja immer, die Energien seien stets trinitarisch. :hmm:
Nun ja, ich denke hier kommen oft gelernte Formeln ins Spiel, deren guter Zweck das Dogma der Trinität zu schützen sich oft eher verwirrend auswirkt. Mit Jesus bete ich zum Vater Unser, nicht zu ihm selber oder zum Heiligen Geist. Jesus selber ist die zweite Person Gottes, weder Vater noch Heiliger Geist. Und wenn mir dabei Gott eingeflößt wird, ist es weder der Vater noch Jesus sondern der Heilige Geist. Soviel Unterscheidung muß schon sein, sonst können wir es auch gleich lassen. Ist das "trinitarisch"? Nur in dem Sinne, daß das Wort "Gott" in alledem nicht verschiedene Wesen bezeichnet.
Trisagion hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 16:56
Du willst wohl darauf hinaus, dass die katholische Position bereits "intern" eine Unterscheidung vornimmt, die orthodoxe erst "extern".
Nein. Ich will darauf hinaus, daß beide eine Tendenz haben das von einer Seite her anzugehen. Aber daß es wichtig ist die andere Seite nicht nebulös oder gar unausgesprochen zu lassen.
Trisagion hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 16:56
Was mir spontan einfällt: wie können wir denn überhaupt "intern" Unterscheidungen feststellen, wenn nicht erst durch die "externen" Energien, durch welche sich Gott uns offenbart? :hmm:
Die explizite christliche Offenbarung in Kombination mit dem menschlichen Verstand konnte zu einer Aussage über die "interne" Unterscheidung Gottes kommen. Beides war nötig. Und das wird gerne vergessen von Leuten die es mit dem Verstand und der Theologie nicht so haben: die Trinität an sich wurde eben nicht explizit offenbart von Gott, mehr eine Art "Denksportaufgabe" zum Thema. Und es hat ja auch ein paar Jahrhunderte gedauert die dann korrekt zu lösen... Es ist schon richtig, daß dies auf "externen Energien" beruht. Aber in diesem Fall eben mehr in dem Sinne, wie auch die Physik auf empirischen Daten beruht, als in einer Art direkten Mitteilung von Gott. Die Trinität war nicht "offensichtlich", und wie wir hier feststellen, ist sie es immer noch nicht.
Trisagion hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 16:56
Verstehe ich auch richtig, dass die Form auch der (allgemeinen) menschlichen Essenz entspricht?
Ja, allerdings nicht notwendigerweise perfekt. Wir alle haben unser Leben in einer Form begonnen, die der menschliche Essenz des "vernunftbegabten Sinneswesen" quasi nur in der Ausrichtung der Entwicklung entsprach.

Bruder Donald

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Bruder Donald »

@Trisagion

Danke, soweit habe ich keine weiteren Fragen, Anmerkungen, oder Wünsche. :hutab:

Cassian
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Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Cassian »

Bruder Donald hat geschrieben:
Sonntag 10. Oktober 2021, 02:06
Cassian hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 18:12
"Gott selber" ist kein Monade, aber anscheinend impliziert der Begriff "selber" das für dich.
Von "mir" kann ja keine Rede sein, wenn du die Wortwahl: in Gott selber ins Feld führst.
Du weißt schon, dass sich der semantische Gehalt eines Begriffs niemals aus Kontext und Hermeneutik herauslösen lässt, oder? Deswegen funktioniert ja auch das protestantische Sola Scriptura-Prinzip (man könne als "neutraler Beobachter" einfach mal schauen, "was der Text an sich sagt") nicht, vielmehr ist es wesenhaft eisogetisch.
Bruder Donald hat geschrieben:
Sonntag 10. Oktober 2021, 02:06
Gott ist Gott. Eine fortführende Erklärung mit "in" klärt eben nicht auf, was unter "Gott" im christlichen Sinne "an sich" zu verstehen ist.
Der christliche Ordo Theologiae beginnt mit der Person des Vaters: ihn meinen wir, wenn wir mit dem Nizäanischen Glaubensbekenntnis von einem Gott sprechen: Ich glaube an einen Gott, den Vater, den Allherscher [...], der dahinterstehende Gedanke ist die Monarchie des Vaters, die sich in seiner spezifischen hypostatischen Eigenschaft der Verursachung der beiden anderen Hypostasen wie auch als Ausgangspunkt aller energetischen Prozesse artikuliert, und darin, dass man ihn gewissermaßen als "Inkarnation" der göttlichen Ousia verstehen kann, die ja das einende Element der göttlichen Dreiheit ist. Die Väter nennen ihn die "Arche" der Gottheit.
Das Glaubensbekenntnis des ersten ökumenischen Konzils fängt nicht an mit: Ich glaube an einen Gott, die Essenz[...]. Das wäre der thomistische Ansatz, denn Thomas lokalisiert die drei Personen auch nur als Verhältnis von Gegenteilen innerhalb seiner absolut simplen Essenz, das sind dann die "logischen Pfeile", von denen "Trisagion" sprach.
Bruder Donald hat geschrieben:
Sonntag 10. Oktober 2021, 02:06
Cassian hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 18:12
Unsinn. Das sind die absoluten Grundlagen des trinitarischen Dogmas.
Mag sein, aber klärt nicht die Frage nach der oben genannten Trinitätsformel.
Ich finde, du übergehst einfach gewisse begrifflichen Voraussetzungen und steigst gleich in die theologische Materie ein.
Es gibt keine "neutralen" Begriffe, wie ich oben bereits schrieb. Das ist der epistemische Grundfehler der "natürlichen Theologie", der ihren apologetischen Ansatz (z.B. in der summa contra gentiles) so ausnehmend schlecht und unfruchtbar gemacht hat. Und nebenbei bemerkt ist genau diese Vorstellung auch die epistemische Grundlage des modernen Atheismus.
Bruder Donald hat geschrieben:
Sonntag 10. Oktober 2021, 02:06
Unter Christen mag das ja funktionieren, für philosophisch-theologisch Interessierte ist das am Thema vorbei. Jedenfalls meine Einschätzung.
Damit liegst du leider falsch.
Bruder Donald hat geschrieben:
Sonntag 10. Oktober 2021, 02:06
Cassian hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 18:12
Ich weiß wirklich nicht, was an dem von mir geschriebenen missverständlich sein soll.
Dass du eine im Grunde philosophisch-begriffliche Frage mit einer theologisch-tinitarischen Erklärung zu beantworten versuchst?!
Bei deiner Erklärung sind quasi die drei göttlichen Personen "Individuen". Also könnte ich jetzt wieder mit drei unterschiedlichen Gott-Personen kommen. Aber nein, halt, denn jetzt kommst du mit der Monarchie des Vaters und Perichorese. Das ist dann eben der Knackpunkt, weshalb es eben dann doch nicht mit der Menschheit-Mensch-Analogie funktioniert.
Gut, auf diese Weise haben wir nun die Trinität (orthodox?) ge- und erklärt.
Meine Frage war aber eben anderer Natur.
Was willst du denn wissen? Das Hypostaseverständnis jenseits der Theologie? Wenn du zwei Äpfel nebeneinander stehen hast, dann sind diese zwei unterschiedliche Hypostasen der gleichen Natur. Die Natur ist die Idee eines Apfels. Hat einer der beiden Äpfel einen Wurm in sich, dann beeinträchtigt das zwar die Hypostase, nicht aber die Natur des Apfels. Er bleibt ein Apfel, auch wenn ein Wurm sich durch ihn frisst. Die Personen der Dreieinheit sind aber keine Äpfel oder Dinge, sondern Personen: so wie Jesus Christus, oder wie du und ich. Denn ein Apfel ist in der Tat wenig mehr als die Instanzierung einer abstrakten Natur, denn er ist immer rund und rot (je nach Sorte) und er handelt auch nicht gemäß eines Willens. Das ist bei Tieren und zumal Menschen natürlich anders. Deswegen erfährst du auch wenig bis gar nichts über die Heilige Dreiheit, wenn du einfach drei rote Äpfel nebeneinander stellst (oder in ein Karussel setzt, was du mit deiner Drillingsanalogie ja gemacht hast).
Bruder Donald hat geschrieben:
Sonntag 10. Oktober 2021, 02:06
Cassian hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 18:12
Weil unsere Vorstellung von "Person" (oder Individuum) geprägt ist von unserem Missverhältnis zu unserer eigenen Natur und von unserem Missverhältnis zu anderen Menschen, wie ich oben bereits schrieb.
Hä? :hae?:
Individuen gibt es nur, weil die Menschen im Missverhältnis zu ihrer eigenen Natur existieren? Und wenn dieses Missverhältnis aufgehoben wäre, gebe es keine Personen/Individuen, weil in Eintracht mit der eigentlichen menschlichen Natur?
Nein. Aber der Grund, weswegen du "polytheistische Assoziation" bei der Analogisierung des Verhältnisses von Natur und Hypostase beim Menschen auf Gott bekommst, liegt eben daran, dass dein Verhältnis zum Begriff der Person oder des "Individuums" durch die Realität des Sündenfalls geprägt ist. Deswegen musst du diese Begriffe vorher durch die apophatische Mühle ziehen.
Bruder Donald hat geschrieben:
Sonntag 10. Oktober 2021, 02:06
Cassian hat geschrieben:
Montag 4. Oktober 2021, 18:12
Elemente der Einheit liegen in Der Natur, in dem daraus folgenden Willen und energetischen Manifestation (!), der Perichorese und in der Monarchie des Vaters, die du wohl noch immer nicht verstanden zu haben scheinst.
Was ich daran tatsächlich nicht verstehe, was der Unterschied zwischen Energie/energeia und Hypostase/Person sein soll. :hmm:
Falls mit "Energie" "Wirklichkeit/Aktualität" gemeint ist, sehe ich keinen Unterschied zur Hypostase, die ja eine "Realisierung" einer abstrakten Natur ist.
Deswegen bedeutet Hypostase nach Läuterung durch die christliche Offenbarung ja auch Person, wie ich bereits mehrfach schrieb. Aber stell' dir einfach mal eine Maschine (als Hypostase) vor, die gemäß einer gewissen Idee (ihrer Natur) konstruiert ist, um bestimmte Dinge zu bearbeiten. Schaltet man sie nun ein, "aktualisiert" sie die ihr innewohnende Gestaltungspotenz (energetisch), ohne dass dieser Vorgang für sich genommen eine neue Hypostase wäre. Wenn du jetzt sagst: "Gut, aber sie bearbeitet doch Dinge, sind das dann nicht Hypostasen?" - Nein, das sind wir.
Bruder Donald hat geschrieben:
Sonntag 10. Oktober 2021, 02:06
Falls mit "Energie" eine "Handlung/Wirkung/Aktivität" gemeint ist, dann verstehe ich nicht, warum sie zum Wesen/zur Natur gehörig sein soll. Gott hat eine Natur, aber Gott handelt/wirkt, nicht die Natur.
Damit sind wir bei der Monotheletismuskontroverse angelangt. :D
Sicherlich handelt Gott, aber Naturen begegnen uns ohnehin immer bloß enhypostasiert. Die Natur hat kein "sein", das "sein" aber sehr wohl Natur. Es gibt nicht in Gott eine von den drei Personen "abgelöste" Substanz, die irgendwie neben oder über den Personen schwebte. Wiegesagt, Unterscheidung bedeutet nicht Unterteilung, Distinktion keine Division. Und soweit wir von einem Handeln Gottes sprechen, liegt eben kein Handeln dreier Personen unabhängig voneinander vor, die sich gegenseitig Konkurrenz machten oder gar im Widerspruch zueinander handelten, sondern eben ein Handeln, das sich vom Vater durch den Sohn im Heiligen Geist vollzieht (und deswegen eben zur Natur, und nicht zu einer der drei Hypostasen gehört):

Bild

Bild

Dieses Handeln reflektiert Eigenschaften, die der göttlichen Natur zueigen sind (so ist das Taborlicht eine Manifestation von Gottes Herrlichkeit, auf die ja auch in den Psalmen oder bei Esechiel 43,2 Bezug genommen wird: Da sah ich, wie die Herrlichkeit des Gottes Israels aus dem Osten herankam. Ihr Rauschen war wie das Rauschen gewaltiger Wassermassen und die Erde leuchtete auf von seiner Herrlichkeit. Als Protestant oder Vatikaner ist man da wohl geneigt, einfach ein nominalistisches "Gott ist eben groß" und keine ontologische Manifestation anzunehmen), auch wenn wir diese Attribute nicht sensu strictu mit ihr identifizieren können (das betrifft gerade den Schöpferbegriff, wie in diesem Strang ja bereits Thema war). Ebenso hat Christus zwei Naturen, und diese Naturen haben entsprechende Energien: das Gehen auf dem Wasser, die Heilung von Kranken etc sind Handeln gemäß Christi Göttlicher Natur, das z.B. Essen oder Herumgehen Handeln gemäß Christi menschlicher Natur. Diese Unterscheidung der Naturen und der dazugehörigen Energien kompromittiert freilich nicht die Einheit von Christi Person.

Es scheint mir insgesamt, dass hier erkleckliche Mängel nicht nur im Verständnis vom Unterschied zwischen Natur und Hypostase (ein absoluter Dauerbrenner auf allen sieben ökumenischen Konzilen, besonders aber in Ephesus und Chalcedon) sondern auch von der Monarchie des Vaters vorliegen, die freilich bestätigen, was ich in diesem Strang bereits schrieb:
Cassian hat geschrieben:
Dienstag 28. September 2021, 15:11
Theoretisch hält man auch im Vatikan an der Unterscheidung von Person und Natur und an der Monarchie des Vaters fest. In der Praxis sind das dort aber rein nominalistische Kategorien.

Bruder Donald

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Bruder Donald »

Cassian hat geschrieben:
Montag 11. Oktober 2021, 20:21
Was willst du denn wissen?
Die Klärung der Begrifflichkeiten. Liest du meine Texte oder liest du nur deine Anti-katholische Polemik in meine Texte hinein? Was ich persönlich denke, kannst du schlecht wissen, aber du meinst offenbar es besser zu wissen, weil du mir dein Label und Verständnis von "katholisch" bzw. "nicht-orthodox" aufklebst.
Cassian hat geschrieben:
Montag 11. Oktober 2021, 20:21
Es gibt keine "neutralen" Begriffe, wie ich oben bereits schrieb.
Das kann von mir aus gerne so sein, aber solange du hier mit Wörtern um dich herum wirfst, ohne diese überhaupt zu erklären, oder fälschlicher Weise davon ausgehst, dass sie allgemein bekannt sind, dann können wir uns weiterhin im Kreis drehen.
Cassian hat geschrieben:
Montag 11. Oktober 2021, 20:21
Das ist bei Tieren und zumal Menschen natürlich anders.
Du hast im Grunde hiermit nur erklärt, dass "Person" mehr ist, als bloße "Hypostase". Wäre ich im Leben selbst nie darauf gekommen. :roll:
Ändert aber eben nichts an der grundsätzlichen Frage, wie sich denn nun Hypostase/Person zur ousia verhält. Das haben wir nun geklärt, brauchen wir also nicht wiederholen.
Es zeigt aber deutlich, dass du meine Fragen nicht verstehst, oder wie ich eher vermute, nicht verstehen willst.
Cassian hat geschrieben:
Montag 11. Oktober 2021, 20:21
Aber der Grund, weswegen du "polytheistische Assoziation" bei der Analogisierung des Verhältnisses von Natur und Hypostase beim Menschen auf Gott bekommst, liegt eben daran, dass dein Verhältnis zum Begriff der Person oder des "Individuums" durch die Realität des Sündenfalls geprägt ist.
Aha? Gibt es dazu auch eine Erläuterung und Erklärung oder wiederholst du lediglich irgendwelche auswendiggelernte Lehrsätze?
Ich verstehe wirklich nicht, wo nun das Problem sein soll, die fraglichen Begriffe und ihr Verhältnis zu einander zu erklären, wenn diese achso einfach und selbstverständlich sein sollen.
Cassian hat geschrieben:
Montag 11. Oktober 2021, 20:21
Deswegen musst du diese Begriffe vorher durch die apophatische Mühle ziehen.
Konkret bedeutet das genau was?
Cassian hat geschrieben:
Montag 11. Oktober 2021, 20:21
Deswegen bedeutet Hypostase nach Läuterung durch die christliche Offenbarung ja auch Person, wie ich bereits mehrfach schrieb.
Dann bedeutet "energeia" eben nicht "Wirklichkeit/Aktualität".
Cassian hat geschrieben:
Montag 11. Oktober 2021, 20:21
Es gibt nicht in Gott eine von den drei Personen "abgelöste" Substanz, die irgendwie neben oder über den Personen schwebte.
Gibt's auch nicht. Nur, wer hat das behauptet? Oder meinst du, es wäre allgemeingültige katholische Lehre, sodass du das immer wieder penetrant wiederholst?
Cassian hat geschrieben:
Montag 11. Oktober 2021, 20:21
Dieses Handeln reflektiert Eigenschaften, die der göttlichen Natur zueigen sind [...], auch wenn wir diese Attribute nicht sensu strictu mit ihr identifizieren können [...].
Ich kann damit leben, aber ich bin etwas irritiert, dass orthodoxerseits auf einmal der Natur eine "wesentliche" Beteiligung zugesprochen wird, wo ja sonst immer der Person das Primat gegeben wird.
Cassian hat geschrieben:
Montag 11. Oktober 2021, 20:21
Es scheint mir insgesamt, dass hier erkleckliche Mängel nicht nur im Verständnis vom Unterschied zwischen Natur und Hypostase [...]
Wenn bei Ousia-Hypostase/Person eine Menschheit/Mensch-Analogie gewählt wird, dann braucht man sich mMn nicht wundern, wenn dann einem polytheistische Assoziationen kommen.
Cassian hat geschrieben:
Montag 11. Oktober 2021, 20:21
Der christliche Ordo Theologiae beginnt mit der Person des Vaters: ihn meinen wir, wenn wir mit dem Nizäanischen Glaubensbekenntnis von einem Gott sprechen: Ich glaube an einen Gott, den Vater, den Allherscher [...], der dahinterstehende Gedanke ist die Monarchie des Vaters, die sich in seiner spezifischen hypostatischen Eigenschaft der Verursachung der beiden anderen Hypostasen wie auch als Ausgangspunkt aller energetischen Prozesse artikuliert, und darin, dass man ihn gewissermaßen als "Inkarnation" der göttlichen Ousia verstehen kann, die ja das einende Element der göttlichen Dreiheit ist. Die Väter nennen ihn die "Arche" der Gottheit.
Ich zitiere hierzu K. Ch. Felmy*:
Die Betonung der Dreiheit der Personen vor ihrer Einheit im Wesen führt die orthodoxe Theologie in Anlehnung an die Theologie der großen Kappadokier auch dazu, die Einheit der Trinität personal zu begründen. Das entspricht dem orthodoxen Ansatz bei der Erfahrung und dem Erfahrbaren. Der Eine, Dreieinige Gott wird ja nicht als Wesen, sondern als Vater, Sohn und Heiliger Geist erfahren. So begründet die an der Erfahrung und dem Erfahrbaren orientierte orthodoxe Theologie die Einheit Gottes nicht in der gemeinsamen ousia (Wesen). Sondern die Einheit beruht auf der Monarchie des Vaters. [...]
Östlich gedacht, könnte man sagen: Der Vater ist Gott - und der Sohn und der Heilige Geist sind Gott dadurch, daß sie dieselbe gleiche ousia von Ihm, dem Vater, empfangen. So lehrt die orthodoxe wie die abendländische Kirche die Dreiheit der Personen (Hypostasen) und die Einheit der ousia, des Wesens. Aber das Prinzip der Einheit ist im Osten die Hypostase des Vaters.
Auch ich als Mensch bekomme mein menschliches Wesen aufgrund der Zeugung meines Vaters weitergegeben. Das macht mich und meinen Vater aber eben nicht zu einem einzigen Menschen. Es macht mich höchstens zu einem Teil einer gemeinsamen Menschheit.
Warum die Trinitätsformel nun so supereindeutig sein soll, wenn ein griechischer Heide ebenso hätte sagen können, dass Zeus, Hera und Ares auch eine Ousia und drei Personen sind, aber eben doch unterschiedliche Götter sind, erschließt sich mir so supereindeutig eben nicht.
Die Sache ist bei diesem Fall nun, dass Zeus, Hera und Ares nicht auf der gleichen "Seins-Stufe" mit dem einem Gott des Judentums und Christentums sind.
Cassian hat geschrieben:
Montag 11. Oktober 2021, 20:21
[...](oder in ein Karussel setzt, was du mit deiner Drillingsanalogie ja gemacht hast)
Du liest nicht richtig:
1. können Drillinge ja irgendwie Hypostasen sein, sondern sind ja eben Personen.
2. habe ich sie nicht in kein Karussel gesetzt, sondern sie halten sich an den Armen. Worauf ich damit hinauswollte, sollte auch dir klar sein.
3. Es braucht kein Karussel, ein Tisch tut's auch:



Oder kannst du einwandfrei erklären und erläutern, wer hier Vater, Sohn und Hl. Geist ist?


*K. Ch. Felmy - Einführung in die orthodoxe Theologie der Gegenwart (2014), S. 49-50

Bruder Donald

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Bruder Donald »

Zwar aus einem anderen Thread, aber offensichtlich mit Bezug zu diesem Strang hier:
Germanus hat geschrieben:
Freitag 15. Oktober 2021, 07:47
Und dieser innere Druck führt spürbar in Richtung Orthodoxie, auch das beweist ja die Diskussion.
Wo genau siehst du anhand der Diskussion diesen Beweis?
In meinen Augen z.B. wurden orthodoxerseits keine so schwerwiegenden Punkte genannt, sodass ich in ernsthafte Gewissensbisse kommen würde.

Trisagion
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Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Samstag 16. Oktober 2021, 02:39
Warum die Trinitätsformel nun so supereindeutig sein soll, wenn ein griechischer Heide ebenso hätte sagen können, dass Zeus, Hera und Ares auch eine Ousia und drei Personen sind, aber eben doch unterschiedliche Götter sind, erschließt sich mir so supereindeutig eben nicht.
Die Sache ist bei diesem Fall nun, dass Zeus, Hera und Ares nicht auf der gleichen "Seins-Stufe" mit dem einem Gott des Judentums und Christentums sind.
Das Wesen des echten Gottes erzwingt Einheit. Am einfachsten sieht man das an der Allmacht. Es kann nicht zwei Allmächtige geben, wenn die sich uneins sein können. Zeus kann das eine wollen, Hera das andere. Wenn beide allmächtig wären, was soll dann passieren? Eine Allmacht die mit einer anderen Allmacht ringt, wird irgendwie begrenzt und ist somit nicht mehr allmächtig. Allmacht ist notwendigerweise an eine einzelne Entität gebunden, wie bei den Juden. Wenn es mehrere Personen mit Allmacht gibt, müssen die notwendigerweise absolut und immer eins sein in ihrem Willen und Tun. Aber da kommen wir an die Grenzen unseres Verständnisses von Personen. Denn wenn wir nicht Zugang zu einer körperlichen Unterscheidung haben "Max hier, Fritz dort", dann unterscheiden wir Personen hauptsächlich an ihrem Willen und den daraus folgenden Taten "Max ist derjenige, der die Reform durchdrückt, Fritz ist derjenige der den Widerstand organisiert". Bei Gott haben wir keine mögliche Unterscheidung des Körpers (außer in der Inkarnation), und der Allmacht wegen eben auch nicht wirklich beim Willen und Tun.

Die Wahrheit ist, daß wir die Personen Gottes nur logisch unterscheiden können, und daß unser Personenbegriff bei Gott dann analogisch ist. Eine Person Gottes ist praktisch kaum wie eine Person Mensch, das Wort "Person" ist hier nur am wenigsten falsch. Die Personen Gottes trennen sich eigentlich nur wirklich erkennbar, wenn sie in der Schöpfung auftreten, mit der Inkarnation als extremsten Fall. Als Analogie nehme man Gott als weißes Licht, die Schöpfung als Prisma, und Gott in der Schöpfung als Regenbogen. Ich kann logisch die Frequenzen des Regenbogens in dem weißen Licht unterscheiden, aber echt sehen tue ich die erst wenn sie durch das Prisma räumlich aufgespalten werden.

Das Wort "Person" ist hier m.E. auch einen exzellente Wahl, wenn wir uns die Eymologie anschauen, nach Wikipedia:
Die Herkunft des Wortes Person ist nicht vollständig geklärt; es existieren hierzu verschiedene Theorien. Das Lehnwort Person stammt vermutlich aus dem altgriechischen Wort für das „was man sehen kann“, also Gesicht, Antlitz oder sichtbare Gestalt des Menschen (altgriechisch πρόσωπον prosopon), wo die Einheit des Bewusstseins, des Denkens, Wollens und Handelns ihren Ausdruck findet. Auch die Herkunft aus dem etruskischen „phersu“, das als Beschriftung einer Darstellung eines Zuges Maskierter gefunden wurde, gilt als möglich. Die Ableitung aus dem Etruskischen (mit der Bedeutung „Maske“, „maskierte Figur“ oder „Maskierter“) wurde unter anderem von der Duden-Redaktion übernommen. Phersu war der Eigenname einer Gestalt aus der Unterwelt, die bei Leichenspielen auftrat und sich in einer für sie typischen Verkleidung zu erkennen gab (siehe auch Persephone).
Ich denke es ist durchaus richtig sich hier soetwas wie die "Masken Gottes" vorzustellen, in dem Sinne einer Maskierung oder Verkleidung in einem altertümlichen Schauspiel, die eben einen Handelnden identifiziert. Ein Schauspieler konnte so durchaus mehrere Personen spielen. Aber inwiefern ist das nicht blanker Modalismus? Ein Schauspieler kann in beliebige Rollen schlüpfen indem er seine Verkleidung wechselt. Aber so ist es bei Gott nicht. Es ist als ob es nur drei Masken gibt, nur drei Verkleidungen. Und diese sind immer gefüllt, weden nicht gewechselt sondern stehen gemeinsam auf der Bühne vor uns, sie treten nicht auf sondern sind immer da.

Wie echt verschieden sind nun aber diese drei Maskierten? Nun, weit weniger als wir das gerne hätten für unser übliches Verständnis. Wie gesagt, wir definieren Personen - wenn nicht trivial durch den Köper - durch Eigeninteresse, und wir grenzen Eigeninteresse primär durch Konflikt ab. Wenn Max und Fritz sich miteinander streiten, dann weiß ich das sie nicht diesselbe Person sind. Aber schon wenn zwei Menschen sich sehr einig werden, verschwimmen für uns die Konturen. So mag es etwa besondere Gesetzte für Eheleute geben, weil die in gewissem Sinne "eins" werden, ein Interesse haben. Wir gehen ja soweit gesetztliche Personen zu erfinden, die große Gruppen von Menschen repräsentieren, aber eben weil sie bzgl. einer wirtschaftlichen oder politischen Sache "eins" sind. Die Personen Gottes sind aber soweit eins, daß jedenfalls in Gott überhaupt nur noch eine abstrakte, logische Unterscheidung möglich ist. Es ist aus menschlicher Erfahrung heraus nahezu (aber nicht ganz... Logik sein dank) absurd hier von verschiedenen Personen zu sprechen. Und richtig "sehen" tun wir diese Personen eben nur wenn sie quasi durch die Welt aufgespalten werden. Wenn ein Jünger Jesus zum Vater beten sieht, dann macht das deutlich, daß da eine wirkliche Unterscheidung existiert. Aber wer dann folgert, daß der Logos vor der Schöpfung irgendwie "Hera-artig" mit dem Vater "Zeus-artig" zusammensaß, ist eben zuweit gegangen, hat eben den Mensch in Gott herein projeziert.

Wenn man das einem Ungläubigen erklären soll, dann vermeide ich lieber eine lange Diskussion der "Personen", denn die verwirrt letztlich nur. "Person" ist hier eben nur analogisch gebraucht zur Person eines Menschen, oder meinetwegen formal philosophisch definiert (wie ja von mir weiter oben ausgeführt). Die Personen Gottes sind nicht was wir intuitiv als Person verstehen. Oder genauer, sie werden es nur, wenn sie in der Schöpfung auftreten, wenn sich quasi von der Welt "aufgebrochen" werden in für uns verständliche Individuen. Ich würde also z.B. die Analogie von weißem Licht, Prisma und Regenbogen geben, und dann eben darüber reden warum wir das für konkret wichtig halten (also z.B. damit Jesus das 'Vater Unser' wahrhaft beten kann).

Bruder Donald

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Bruder Donald »

Cassian hat geschrieben:
Montag 11. Oktober 2021, 20:21
Was willst du denn wissen?
Ich warte eigentlich immer noch auf eine (orthodoxe) Antwort auf foglenden Punkt:
Cassian hat geschrieben:
Montag 11. Oktober 2021, 20:21
Aber der Grund, weswegen du "polytheistische Assoziation" bei der Analogisierung des Verhältnisses von Natur und Hypostase beim Menschen auf Gott bekommst, liegt eben daran, dass dein Verhältnis zum Begriff der Person oder des "Individuums" durch die Realität des Sündenfalls geprägt ist. Deswegen musst du diese Begriffe vorher durch die apophatische Mühle ziehen.
Was hat die gefallene Natur mit den polytheistischen Assoziationen zu tun, und inwiefern hilft eine apophatische Mühle?

Cassian
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Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Cassian »

Bruder Donald hat geschrieben:
Montag 25. Oktober 2021, 04:01
Cassian hat geschrieben:
Montag 11. Oktober 2021, 20:21
Was willst du denn wissen?
Ich warte eigentlich immer noch auf eine (orthodoxe) Antwort auf foglenden Punkt:
Cassian hat geschrieben:
Montag 11. Oktober 2021, 20:21
Aber der Grund, weswegen du "polytheistische Assoziation" bei der Analogisierung des Verhältnisses von Natur und Hypostase beim Menschen auf Gott bekommst, liegt eben daran, dass dein Verhältnis zum Begriff der Person oder des "Individuums" durch die Realität des Sündenfalls geprägt ist. Deswegen musst du diese Begriffe vorher durch die apophatische Mühle ziehen.
Was hat die gefallene Natur mit den polytheistischen Assoziationen zu tun, und inwiefern hilft eine apophatische Mühle?
Weil du in deinem täglichen Erleben menschlicher Personen Zwietracht und Antipathie, Gebrochenheit in den Beziehungen zueinander und im Verhältnis zur eigenen Natur wahrnimmst. Im heidnischen Götterpantheon, einer Religion nach Bilde des gefallenen Menschen, hat man dies auch auf das Verhältnis der Götter (oder "göttlichen Personen") zueinander angewendet: sie haben sich betrogen, ausgetrickst, teils bekämpft. Daher kommt deine "polytheistische Assoziation".

Die "apophatische Mühle" besteht in der Einsicht dieses Umstandes, und der Annäherung an den Begriff der Person auf negativem Wege: man stellt eben zunächst fest, was der Begriff der Person unter Berücksichtigung der noetischen Auswirkungen der Sünde nicht aussagt: und das ist ein Gegeneinander einzelner Personen, eine Abtrennung im Sinne des "Individualismus", der "Eine" gegen die "Vielen" etc. Was dann übrig bleibt, analogisierst du auf Gott.

Cassian
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Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Cassian »

Bruder Donald hat geschrieben:
Samstag 16. Oktober 2021, 02:39
Auch ich als Mensch bekomme mein menschliches Wesen aufgrund der Zeugung meines Vaters weitergegeben. Das macht mich und meinen Vater aber eben nicht zu einem einzigen Menschen.
Die Zeugung des Sohnes aus dem Vater ist aber auch nichts Sexuelles, und eine Frau war daran auch nicht beteiligt. Die Analogie, die du hier gewählt hast, zeigt sehr deutlich die Notwendigkeit einer apophatischen Annäherung an diese Begriffe.
Bruder Donald hat geschrieben:
Samstag 16. Oktober 2021, 02:39
Cassian hat geschrieben:
Montag 11. Oktober 2021, 20:21
[...](oder in ein Karussel setzt, was du mit deiner Drillingsanalogie ja gemacht hast)
Du liest nicht richtig:
1. können Drillinge ja irgendwie Hypostasen sein, sondern sind ja eben Personen.
2. habe ich sie nicht in kein Karussel gesetzt, sondern sie halten sich an den Armen. Worauf ich damit hinauswollte, sollte auch dir klar sein.
3. Es braucht kein Karussel, ein Tisch tut's auch:



Oder kannst du einwandfrei erklären und erläutern, wer hier Vater, Sohn und Hl. Geist ist?
Wie du sicherlich weißt, hat diese Rubljow-Ikone eine konkrete biblische Szene zum Gegenstand, namentlich die "Gastfreundschaft Abrahams". Diese ereignete sich zu einem Zeitpunkt, als die hypostatischen Qualitäten der drei Personen mangels Inkarnation und Pfingsten noch gar nicht vollständig hervorgetreten waren. Soweit wir von der Dreieinheit im uns bekannten Sinne als Vater, Sohn und Heiligem Geist sprechen, entzieht sie sich weitgehend der Darstellbarkeit. Dies alleine schon deswegen, weil der Sohn selbst ja Abbild (Ikone) des Vaters ist (und der Heilige Geist im wesentlichen unsichtbar). Das wusste freilich auch Rubljow, weswegen er dieses alttestamentarische Motiv wählte. Mehr als eine sehr generelle katechetische Darstellung der Einheit Gottes in seiner Vielheit in einem abstrakten Sinne anhand eines biblischen Motivs ist dort entsprechend auch kaum enthalten - kann es auch gar nicht sein. Über das Verhältnis der Person zur Natur im Sinne ihrer hypostatischen Qualitäten erfährst du aus der Darstellung jedenfalls nur andeutungsweise etwas (z.B. trägt der Engel in der Mitte als göttliche Person, die als Mensch inkarniert ein rotes Untergewand und ein blaues Obergewand, so wie Christus in fast allen Ikonen. Die Gottesgebärerin trägt als menschliche Person, die zur göttlichen Würde erhoben wird und Theosis erreicht ein blaues Untergewand und ein rotes Obergewand).

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Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Trisagion »

Cassian hat geschrieben:
Montag 25. Oktober 2021, 06:15
Weil du in deinem täglichen Erleben menschlicher Personen Zwietracht und Antipathie, Gebrochenheit in den Beziehungen zueinander und im Verhältnis zur eigenen Natur wahrnimmst. Im heidnischen Götterpantheon, einer Religion nach Bilde des gefallenen Menschen, hat man dies auch auf das Verhältnis der Götter (oder "göttlichen Personen") zueinander angewendet: sie haben sich betrogen, ausgetrickst, teils bekämpft. Daher kommt deine "polytheistische Assoziation".

Die "apophatische Mühle" besteht in der Einsicht dieses Umstandes, und der Annäherung an den Begriff der Person auf negativem Wege: man stellt eben zunächst fest, was der Begriff der Person unter Berücksichtigung der noetischen Auswirkungen der Sünde nicht aussagt: und das ist ein Gegeneinander einzelner Personen, eine Abtrennung im Sinne des "Individualismus", der "Eine" gegen die "Vielen" etc. Was dann übrig bleibt, analogisierst du auf Gott.
Dem stimme ich weitgehend zu. Ich würde nur hinzufügen, daß selbst ein ungefallener Mensch aus sich heraus nicht in der Lage ist Gott kataphatisch anders als durch Analogie zu erfassen. Und auch, daß die apophatische Bemühungen eines gefallenen Menschen ebenfalls fehlerträchtig sind. Der Grund warum es meist besser ist "nicht" als "so" zu sahen liegt in der grundsätzlichen Kluft zwischen Mensch und Gott. Es ist nicht so als ob der Mensch apophatisch weniger limitiert und geblendet von der Sünde wäre, es gibt einfach für ihn da nur weniger Fehlermöglichkeiten. (Noch genauer: apophatische Fehler sind "konzentrierter" - der größtmögliche Fehler ist es schließlich zu sagen, daß Gott garnicht existiert...)

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Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Jakobgutbewohner »

In diesem Thread staune ich weitgehend eher, was Menschen sich so alles zusammenreimen. Und damit meine ich nicht die Forenteilnehmer, sondern eher die "Gelehrten" auf die man sich so bezieht. Aber hier ist wieder mal etwas, das mir konkret genug erscheint, um etwas anzumerken:
Trisagion hat geschrieben:
Montag 25. Oktober 2021, 12:11
Ich würde nur hinzufügen, daß selbst ein ungefallener Mensch aus sich heraus nicht in der Lage ist Gott kataphatisch anders als durch Analogie zu erfassen.
Das würde dann ein ungefallener Mensch sein, der Gott nicht aus sich selbst heraus erleben würde?
"Selig sind ... die durch die Tore eingehen in die Stadt. Draußen aber sind die Hunde und die "Pharmazeuten" und die Buhler und die Mörder und die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut." Off 22,14+15

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Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Cassian »

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Montag 25. Oktober 2021, 14:20
In diesem Thread staune ich weitgehend eher, was Menschen sich so alles zusammenreimen. Und damit meine ich nicht die Forenteilnehmer, sondern eher die "Gelehrten" auf die man sich so bezieht. Aber hier ist wieder mal etwas, das mir konkret genug erscheint, um etwas anzumerken:
Trisagion hat geschrieben:
Montag 25. Oktober 2021, 12:11
Ich würde nur hinzufügen, daß selbst ein ungefallener Mensch aus sich heraus nicht in der Lage ist Gott kataphatisch anders als durch Analogie zu erfassen.
Das würde dann ein ungefallener Mensch sein, der Gott nicht aus sich selbst heraus erleben würde?
..womit wir dann wieder bei der Energielehre angekommen wären. :D

Der kataphatische Gehalt orthodoxer Theologie ergibt sich ganz wesentlich aus der unmittelbaren Selbstoffenbarung Gottes in den ungeschaffenen Energien, die sich freilich vor allem im liturgischen Vollzug manifestieren. Die Erkenntnis ist insofern eine ganzheitliche, eine noetische - und bewegt sich nicht bloß auf der Ebene konzeptueller Rationalisierung. Daraus ergibt sich auch dieses einzigartige Näheverhältnis von Theorie und Praxis, welches die Orthodoxie so sehr kennzeichnet. Manche - auch orthodoxe Christen - verwechseln diesen Umstand jedoch mit einer generellen, "fideistischen" Theologiefeindlichkeit.

Trisagion
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Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Trisagion »

Cassian hat geschrieben:
Dienstag 26. Oktober 2021, 14:48
Der kataphatische Gehalt orthodoxer Theologie ergibt sich ganz wesentlich aus der unmittelbaren Selbstoffenbarung Gottes in den ungeschaffenen Energien, die sich freilich vor allem im liturgischen Vollzug manifestieren. Daraus ergibt sich auch dieses einzigartige Näheverhältnis von Theorie und Praxis, welches die Orthodoxie so sehr kennzeichnet. Manche - auch orthodoxe Christen - verwechseln diesen Umstand jedoch mit einer generellen, "fideistischen" Theologiefeindlichkeit.
Der erste Satz sagt uns, daß konkrete Aussagen über Gott bei den Orthodoxen in den liturgischen Texten zu finden sind, und daß da sonst ziemlich Fehlanzeige ist. Der zweite Satz sagt uns weiter, daß mehr als das Ablesen dieser Texte an Theorie in der Orthodoxie kaum zu holen ist, und daß sie dadurch stark gekennzeichnet ist. Der dritte Satz sagt uns schließlich, daß es auch Orthodoxe Christen gibt, die diesen offensichtlichen Mangel an theologischer Aufarbeitung bemerkt haben, ihn jedoch zu einer Tugend erklärt haben.

Das sind sehr hilfreiche Bemerkungen zum Zustand der Theologie in der Orthodoxie, Cassian. Wie können wir euch in dieser verfahrenen Lage helfen?

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