Orthodoxe Theologie

Ostkirchliche Themen.
Cassian
Beiträge: 398
Registriert: Mittwoch 20. Juni 2018, 11:51

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Cassian »

Ralf hat geschrieben:
Montag 15. November 2021, 21:42
Cassian hat geschrieben:
Montag 15. November 2021, 17:28
Vielleicht gehst du mal lieber auf meine Argumente ein, statt dich mit deiner Demut zu brüsten. :)
Sprach ich von meiner Demut? Wo genau?

Und ich diskutiere nicht mit Menschen, die mich beleidigen. Ist so ein Grundsatz von mir, musst Du nicht verstehen.
Wenn du nichts beizutragen hast, dann enthalte dich doch einfach eines Kommentars. :)

Cassian
Beiträge: 398
Registriert: Mittwoch 20. Juni 2018, 11:51

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Cassian »

Lazzaro hat geschrieben:
Dienstag 16. November 2021, 00:30
...
Daran stimmt eigentlich nur, dass der Mensch nicht durch die innere Zustimmung zu abstrakten Propositionen errettet wird - was ja der Kern des Begriffes "Glauben" in den westlichen Schwundformen ist.

Übrigens: "logische Durchdringung" =/= kataphatische Theologie auf Basis positivistischer, rationalisierender Spekulation. "Logische Durchdringung" funktioniert in der Orthodoxie vor allem auf Basis apophatischer Theologie. Und die ist durchaus nüchtern und asketisch, und damit auch in der Praxis verankert.

Cassian
Beiträge: 398
Registriert: Mittwoch 20. Juni 2018, 11:51

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Cassian »

Germanus hat geschrieben:
Montag 15. November 2021, 19:30
Genau dieser Behauptung wollte ich ja, offensichtlich eher ungeschickt, widersprechen: Einen Ritus selbst in vollendeter Form zu zelebrieren, kann im schlimmsten Falle Theater sein.
Diese Feststellung möchte ich mit Nachdruck unterstreichen. Die Liturgie ist gefeiertes Dogma und lebt von der Orthodoxie, sie findet nicht im luftleeren Raum statt. Eine veränderte Theologie wahlweise entleert oder verkrüppelt auch die Liturgie, und mehr als ein glorifiziertes Zeremoniell sind die diversen Uniatengruppen - auch ganz konkret praktisch-ekklesiologisch durch ihre Anbindung an das vatikanische Indianerministerium - bis heute nicht.

Trisagion
Beiträge: 1890
Registriert: Donnerstag 26. Dezember 2019, 03:59

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Trisagion »

Cassian hat geschrieben:
Dienstag 16. November 2021, 04:32
Daran stimmt eigentlich nur, dass der Mensch nicht durch die innere Zustimmung zu abstrakten Propositionen errettet wird - was ja der Kern des Begriffes "Glauben" in den westlichen Schwundformen ist.
Was soll denn hier "abstrake Propositionen" heißen? Satz des Pythagoras?

Nun mal endlich Butter bei die Fische, was ist denn so anders am Glauben der Orthodoxen?

Und falls man das wieder nicht mit Worten ausdrückan kann, möchte ich erstens auf das Wittgenstein'sche Lied verweisen, siehe oben, und zweitens darauf, daß offensichtlich auch die Orthodoxen irgendwie den Glaube weitergeben müssen. Und wenn das nicht mit Worten geschieht, dann kann man doch mit Worten beschreiben wie und wodurch es geschieht.

Trisagion
Beiträge: 1890
Registriert: Donnerstag 26. Dezember 2019, 03:59

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Trisagion »

Cassian hat geschrieben:
Dienstag 16. November 2021, 04:49
Germanus hat geschrieben:
Montag 15. November 2021, 19:30
Genau dieser Behauptung wollte ich ja, offensichtlich eher ungeschickt, widersprechen: Einen Ritus selbst in vollendeter Form zu zelebrieren, kann im schlimmsten Falle Theater sein.
Diese Feststellung möchte ich mit Nachdruck unterstreichen. Die Liturgie ist gefeiertes Dogma und lebt von der Orthodoxie, sie findet nicht im luftleeren Raum statt. Eine veränderte Theologie wahlweise entleert oder verkrüppelt auch die Liturgie, und mehr als ein glorifiziertes Zeremoniell sind die diversen Uniatengruppen - auch ganz konkret praktisch-ekklesiologisch durch ihre Anbindung an das vatikanische Indianerministerium - bis heute nicht.
Ich darf diesen Ausführugen entnehmen, daß selbst eine formvollendete byzantische Liturgie an und für sich leer ist, keine Bedeutung hat. Würde ein Cassian oder Germanus in so einer perfekten Theateraufführung sitzen, würden sie vielleicht vom glorifizierten Zeremoniell eine Weile lang getäuscht, aber ohne z.B. Treue zur Ekklesiologie der Orthodoxen käme dabei nichts echt rüber. Die Liturgie ist somit ein reiner Träger trotz Struktur, wie etwa eine Trägerwelle im Funk. An und für sich kommuniziert sie garnichts, sie wird belebt nur durch andere Dinge.

Hervorrqgend. Wir können also die Liturgie zur weiteren Diskussion der Andersartigkeit der Orthodxie komplett zur Seite stellen. IDenn sie ist nicht selber ein Grund sondern höchstens eine Präsentationsmittel für andere Gründe. Ich hatte schwere Kämpfe um diese wichtige Aussage erwartet, stattdessen kriege ich sie einfach geschenkt. 8)

Es folgt nun panisches Zurückrudern. Auf die Plätze, fertig, los...

Cassian
Beiträge: 398
Registriert: Mittwoch 20. Juni 2018, 11:51

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Cassian »

Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 16. November 2021, 10:09
Cassian hat geschrieben:
Dienstag 16. November 2021, 04:49
Germanus hat geschrieben:
Montag 15. November 2021, 19:30
Genau dieser Behauptung wollte ich ja, offensichtlich eher ungeschickt, widersprechen: Einen Ritus selbst in vollendeter Form zu zelebrieren, kann im schlimmsten Falle Theater sein.
Diese Feststellung möchte ich mit Nachdruck unterstreichen. Die Liturgie ist gefeiertes Dogma und lebt von der Orthodoxie, sie findet nicht im luftleeren Raum statt. Eine veränderte Theologie wahlweise entleert oder verkrüppelt auch die Liturgie, und mehr als ein glorifiziertes Zeremoniell sind die diversen Uniatengruppen - auch ganz konkret praktisch-ekklesiologisch durch ihre Anbindung an das vatikanische Indianerministerium - bis heute nicht.
Ich darf diesen Ausführugen entnehmen, daß selbst eine formvollendete byzantische Liturgie an und für sich leer ist, keine Bedeutung hat. Würde ein Cassian oder Germanus in so einer perfekten Theateraufführung sitzen, würden sie vielleicht vom glorifizierten Zeremoniell eine Weile lang getäuscht, aber ohne z.B. Treue zur Ekklesiologie der Orthodoxen käme dabei nichts echt rüber. Die Liturgie ist somit ein reiner Träger trotz Struktur, wie etwa eine Trägerwelle im Funk. An und für sich kommuniziert sie garnichts, sie wird belebt nur durch andere Dinge.

Hervorrqgend. Wir können also die Liturgie zur weiteren Diskussion der Andersartigkeit der Orthodxie komplett zur Seite stellen. IDenn sie ist nicht selber ein Grund sondern höchstens eine Präsentationsmittel für andere Gründe. Ich hatte schwere Kämpfe um diese wichtige Aussage erwartet, stattdessen kriege ich sie einfach geschenkt. 8)

Es folgt nun panisches Zurückrudern. Auf die Plätze, fertig, los...
Dass dich Liturgik nicht interessiert und du davon keine Ahnung hast, hast du ja verschiedentlich schon dargestellt. Wen, glaubst du also, beeindrucken deine dümmlichen Strohmänner? :D

Cassian
Beiträge: 398
Registriert: Mittwoch 20. Juni 2018, 11:51

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Cassian »

Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 16. November 2021, 09:54
Cassian hat geschrieben:
Dienstag 16. November 2021, 04:32
Daran stimmt eigentlich nur, dass der Mensch nicht durch die innere Zustimmung zu abstrakten Propositionen errettet wird - was ja der Kern des Begriffes "Glauben" in den westlichen Schwundformen ist.
Was soll denn hier "abstrake Propositionen" heißen? Satz des Pythagoras?
Nö, der Protestant erfährt zum Beispiel seine "Rettung" durch die innere Zustimmung zur abstrakten Proposition einer "Rechtfertigung" aus Satisfaktion ("Sola Fide"). Was an sich ziemlich ironisch ist, denn bei dieser inneren Zustimmung handelt es sich um einen Willensakt, also um genau die Werkgerechtigkeit, die er mit dem "Sola Fide"-Grundsatz entgehen zu können meint. Der Unterschied zwischen Vatikanern und anderen Protestanten ist lediglich, dass bei ersteren zu diesem Willensakt zur "Rechtfertigung" noch weitere "gute Werke" hinzutreten müssen, während bei letzteren allein dieser erste Willensakt genügt.

Der ganze Rechtfertigungsstreit basiert auf einer falschen Dialektik zwischen "Glauben" und "Werk", der auf eine begriffliche Schieflage beim "Glauben" selber hinweist. "Glauben" ist ungleich "Meinen".
Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 16. November 2021, 09:54
Nun mal endlich Butter bei die Fische, was ist denn so anders am Glauben der Orthodoxen?

Und falls man das wieder nicht mit Worten ausdrückan kann, möchte ich erstens auf das Wittgenstein'sche Lied verweisen, siehe oben, und zweitens darauf, daß offensichtlich auch die Orthodoxen irgendwie den Glaube weitergeben müssen. Und wenn das nicht mit Worten geschieht, dann kann man doch mit Worten beschreiben wie und wodurch es geschieht.
Das haben wir hier auf mehreren Seiten diskutiert. Kannst es ja einfach nochmal alles nachlesen. :D

Trisagion
Beiträge: 1890
Registriert: Donnerstag 26. Dezember 2019, 03:59

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Trisagion »

Cassian hat geschrieben:
Dienstag 16. November 2021, 10:16
Dass dich Liturgik nicht interessiert und du davon keine Ahnung hast, hast du ja verschiedentlich schon dargestellt. Wen, glaubst du also, beeindrucken deine dümmlichen Strohmänner? :D
Meine Interessen und mein Wissen tun hier aber nicht zur Sache, denn schließlich wurden hier die kühnen Thesen zur Liturgie von Germanus und Dir in die Welt gesetzt. Falls meine Schlußfolgerung aus Euren Worten "dümmlich" ist, dann kannst Du das sicher schnell nachweisen.

Ihr wollt hier halt eine Sonderregel für euch. Es ist gottgefälliger Lobpreis bei Euch, aber leeres Theater bei den anderen - selbst wenn da kein Mensch einen entscheidenden Unterschied sehen kann. Der einzige genannte Grund ist, daß die eine Seite die richtige Ekklesiologie hat, die andere nicht. Gerne könnt ihr da noch andere Gründe hinzufügen, etwa Glaube an bestimmte Dogmen, oder unaussprechliche Praxisunterschiede, oder was weiß ich.

Mein Punkt bleibt davon unberührt: wenn die Liturgie nur durch andere Dinge als sie selber gottgefällig wird, dann brauchen wir uns nicht weiter über Liturgie zu unterhalten. Jedenfalls solange nicht, bis eben diese anderen Dinge geklärt sind.

Und mit dieser Aussage von Euch bin ich sehr zufrieden.

Trisagion
Beiträge: 1890
Registriert: Donnerstag 26. Dezember 2019, 03:59

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Trisagion »

Cassian hat geschrieben:
Dienstag 16. November 2021, 10:22
Der ganze Rechtfertigungsstreit basiert auf einer falschen Dialektik zwischen "Glauben" und "Werk", der auf eine begriffliche Schieflage beim "Glauben" selber hinweist.
Nein. Aber wir reden hier ja nicht über dieses Thema.
Cassian hat geschrieben:
Dienstag 16. November 2021, 10:22
"Glauben" ist ungleich "Meinen".
ST IIa IIae q2 a1
Wird nun „Denken“ in der erstgenannten Weise [eine Tätigkeit der überlegenden Vernuft] genommen, so besagt das „denkende Zustimmen“ nicht den ganzen Begriff dessen, was man „Glauben“ nennt. Wird es aber in der zweitgenannten Weise [eine Tätigkeit der sinnlichen Denkkraft] genommen, so ist es durchaus gleichbedeutend mit dem Begriffe „glauben.“ Denn von den Akten der Vernunft schließen manche eine feste Zustimmung ein ohne solches Denken; wie wenn jemand betrachtet das, was er weiß oder erkennt, denn solche Betrachtung besitzt bereits ihre Vollendung und Form. Andere Akte der Vernunft aber schließen ein noch unvollendetes Denken in sich ein ohne feste Zustimmung, wie wenn jemand zweifelt, d. h. zu keinem Gliede eines Gegensatzes hinneigt; oder wenn er mutmaßt, d. h. zu einem Teile des Gegensatzes wohl mehr hinneigt, aber nur auf Grund eines leichten Zeichens; oder wenn er eine Meinung hat, so daß er dem Ja oder dem Nein zwar anhängt, jedoch mit der Furcht, das Gegenteil könne wahr sein. Der Akt des Glaubens aber besagt eine durchaus feste Zustimmung; und kommt da überein mit dem Wissen und Verstehen; — die Kenntnis jedoch, die er bedingt, ist noch nicht vollendet durch offenes Schauen; und darin kommt er überein mit dem Zweifelnden, Mutmaßenden, Meinenden. Und so ist es die eigentliche Bedeutung des Begriffes „glauben“: Zustimmend denken. Danach unterscheidet sich dieser Akt sonach von allen anderen Akten der Vernunft, die das Wahre und Falsche zum Gegenstande haben.
Cassian hat geschrieben:
Dienstag 16. November 2021, 10:22
Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 16. November 2021, 09:54
Nun mal endlich Butter bei die Fische, was ist denn so anders am Glauben der Orthodoxen?
Das haben wir hier auf mehreren Seiten diskutiert. Kannst es ja einfach nochmal alles nachlesen. :D
Wir haben hier nur die Energielehre des Palamas länger diskutiert. Ist es also dies, was Deiner Meinung nach so anders ist am Glauben der Orthodoxen?

Cassian
Beiträge: 398
Registriert: Mittwoch 20. Juni 2018, 11:51

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Cassian »

Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 16. November 2021, 18:26
Cassian hat geschrieben:
Dienstag 16. November 2021, 10:16
Dass dich Liturgik nicht interessiert und du davon keine Ahnung hast, hast du ja verschiedentlich schon dargestellt. Wen, glaubst du also, beeindrucken deine dümmlichen Strohmänner? :D
Meine Interessen und mein Wissen tun hier aber nicht zur Sache, denn schließlich wurden hier die kühnen Thesen zur Liturgie von Germanus und Dir in die Welt gesetzt. Falls meine Schlußfolgerung aus Euren Worten "dümmlich" ist, dann kannst Du das sicher schnell nachweisen.

Ihr wollt hier halt eine Sonderregel für euch. Es ist gottgefälliger Lobpreis bei Euch, aber leeres Theater bei den anderen - selbst wenn da kein Mensch einen entscheidenden Unterschied sehen kann. Der einzige genannte Grund ist, daß die eine Seite die richtige Ekklesiologie hat, die andere nicht. Gerne könnt ihr da noch andere Gründe hinzufügen, etwa Glaube an bestimmte Dogmen, oder unaussprechliche Praxisunterschiede, oder was weiß ich.

Mein Punkt bleibt davon unberührt: wenn die Liturgie nur durch andere Dinge als sie selber gottgefällig wird, dann brauchen wir uns nicht weiter über Liturgie zu unterhalten. Jedenfalls solange nicht, bis eben diese anderen Dinge geklärt sind.

Und mit dieser Aussage von Euch bin ich sehr zufrieden.
Die Liturgie ist entweder real und bildet etwas ab, was tatsächlich stattfindet, oder sie ist eine gnadenleere Hohlfigur und somit nur ein Schauspiel - die Glieder deiner Sekte würden mir da sicherlich zustimmen, wenn ich dies Gleichnis auf das Verhältnis von "alter Messe" und hochkirchlichem Luthertum anwendete. Die Uniaten entbehren der Gemeinschaft mit der Kirche, haben daher die Integrität ihrer Liturgie nicht bewahren können, was sich zunächst in Latinisierungen äußerte. Mit dem II. Vatikanum ermutigte man sie zwar zur "Delatinisierung", anheimgefallen sind sie aber einer Novusordoisierung, so wie der Rest deines Vereins ebenfalls. Beispiele dafür habe ich hier aufgelistet. Dass es da auch einige ganz wenige Gemeinden und Klöster gibt, die seit dem Zweiten Vatikanum sich mühsam vom orthodoxen Original eine mit diesem identische Form abgelernt haben, tut dabei nichts zur Sache. Sie sind kein Zeugnis für eine Kontinuität "östlicher Tradition" in deinem Verein, sondern das glatte Gegenteil davon. Das kannst du auch am gerade in diesen Grüppchen vorherrschenden Zoghbyismus ablesen.

Trisagion
Beiträge: 1890
Registriert: Donnerstag 26. Dezember 2019, 03:59

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Trisagion »

Cassian hat geschrieben:
Dienstag 16. November 2021, 19:43
Die Liturgie ist entweder real und bildet etwas ab, was tatsächlich stattfindet, oder sie ist eine gnadenleere Hohlfigur und somit nur ein Schauspiel - die Glieder deiner Sekte würden mir da sicherlich zustimmen, wenn ich dies Gleichnis auf das Verhältnis von "alter Messe" und hochkirchlichem Luthertum anwendete.
Fein. Aber wo wir jetzt von der Liturgie der Messe reden, die ist ein Mantel für das Sakrament der Eucharistie. Ich stimme durchaus zu, daß wir bzgl. der Sakramente sagen müssen signum sacro sanctum efficax gratiae, also ein heiliges Zeichen das Gnade bewirkt. Bei den Lutheranern ist - nach katholischer Ansicht - aber dies nicht mehr gegeben, oder jedenfalls können wir uns bei ihnen nicht sicher sein daß Gott die dem Zeichen entsprechende Gnade bewirkt.

Man kann also ganz genau sagen, in welchem Sinne ein solches Urteil trifft, nämlich bzgl. des sakramentalen Kerns, und auch warum das so ist. Aber trotz des übersprudelden Enthusiasmus der Liturgiefreunde allenthalben ist es vom Sakrament abgesehen schlicht nicht so klar was nun wirklich notwendig ist in der Liturgie, und was nicht. Dabei will ich nicht etwa sagen, daß ansonsten keine Gnaden ausgeschüttet werden. Nur halt, daß die Systematik und Bedingungen uns unklar sind. Die gern gepflegte Verachtung des "novus ordo" zum Beispiel hat immer so starke Anflüge von "über Geschmack läßt sich trefflich streiten". (Und nein, Clownmessen sind genausowenig ein Argument wie im Eiltempo heruntergenuschelte Lateinphrasen die von Rosenkranz betenden Muttchen ignoriert werden.)

Wenn Du also sagen willst, daß das Sakrament der Eucharistie bei den Katholiken, inkl. katholischen Ostkirchen, nicht mehr abbildet was tatsächlich stattfindet, dann gibt es etwas handfestes zu diskutieren. Ansonsten bleibe ich dabei, daß die Behauptung daß diese oder jene Liturgie gnadenleer ist nicht mehr ist als genau das, eine reine Behauptung. Und eine reine Behauptung kann immer durch eine reine Gegenbehauptung zu den Akten gelegt werden.
Cassian hat geschrieben:
Dienstag 16. November 2021, 19:43
Dass es da auch einige ganz wenige Gemeinden und Klöster gibt, die seit dem Zweiten Vatikanum sich mühsam vom orthodoxen Original eine mit diesem identische Form abgelernt haben, tut dabei nichts zur Sache.
Warum tut es nichts zur Sache?

Cassian
Beiträge: 398
Registriert: Mittwoch 20. Juni 2018, 11:51

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Cassian »

Großartiges Interview vom lieben Seraphim Hamilton mit Perry Robinson über Monergismus, Origenismus, Universalismus, Prädestination und apostolische Sukzession:


Germanus
Beiträge: 756
Registriert: Dienstag 17. Oktober 2006, 20:39

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Germanus »

Eine Frage zu Bedeutungsebenen der Sprachen hinsichtlich der Übersetzung bestimmter Wörter:
Es wird manchmal gesagt, dass das griechische Wort λόγος, "logos", aufgrund seiner Bedeutung im Griechischen in kirchlichen Texten (eigentlich) unübersetzbar sei; in manchen Übersetzungen wird daher auch im Deutschen "der Logos" gesetzt. Im Lateinischen hingegen wurde in den kirchlichen Texten die Übersetzung "verbum" gebraucht; in den slawischen Übersetzungen steht слово, "slowo", an ensprechender Stelle. Obwohl ich hier das wohl prominenteste Beispiel für Übersetzungschwierigkeiten in andere Sprachen gewählt habe, gibt es einige weitere Wörter, an deren Übersetzung sich die Geister scheiden. Wesentlich für eine Übersetzung ist die Wiedergabe des ursprünglichen Textes sowohl in einer verständlichen Form, aber auch hinsichtlich der tieferen Bedeutungsebene des Originals. Aufgrund der Entstehung des Altslawischen könnte nun das Wort "slowo" in seiner Bedeutung dem griechischen "logos" nahekommen - aber ist das auch der Fall? Wie steht es mit dem lat. Wort verbum? War das Griechische so eindeutig, dass "logos" auch im explizit christlichen Kontext auf einmal die ganz bestimmte und gewollte Bedeutung hatte, die das dt. "Wort" eben nicht zu haben scheint? Hat sich auch das griechische Wort "logos" dem angleichen können, was mit ihm ausgedrückt werden sollte? Kann folglich auch das dt. Wort "Wort" sich in seiner bestimmten Bedeutung in einem bestimmten Kontext dem angleichen, was durch es ausgedrückt werden soll? Wenn nein, warum war das ggf. dem Griechischen möglich, während es im Deutschen unmöglich ist und liegt das wirklich nur an der schon ursprünglich gegebenen "höheren Auflösung" des griechischen Wortes "Logos"?
Gruß G.
"Her, denke an mui, wenn diu met duinem Ruike kümmes." (Lk 23,42)

Cassian
Beiträge: 398
Registriert: Mittwoch 20. Juni 2018, 11:51

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Cassian »

Germanus hat geschrieben:
Montag 20. Dezember 2021, 09:56
Eine Frage zu Bedeutungsebenen der Sprachen hinsichtlich der Übersetzung bestimmter Wörter:
Es wird manchmal gesagt, dass das griechische Wort λόγος, "logos", aufgrund seiner Bedeutung im Griechischen in kirchlichen Texten (eigentlich) unübersetzbar sei; in manchen Übersetzungen wird daher auch im Deutschen "der Logos" gesetzt. Im Lateinischen hingegen wurde in den kirchlichen Texten die Übersetzung "verbum" gebraucht; in den slawischen Übersetzungen steht слово, "slowo", an ensprechender Stelle. Obwohl ich hier das wohl prominenteste Beispiel für Übersetzungschwierigkeiten in andere Sprachen gewählt habe, gibt es einige weitere Wörter, an deren Übersetzung sich die Geister scheiden. Wesentlich für eine Übersetzung ist die Wiedergabe des ursprünglichen Textes sowohl in einer verständlichen Form, aber auch hinsichtlich der tieferen Bedeutungsebene des Originals. Aufgrund der Entstehung des Altslawischen könnte nun das Wort "slowo" in seiner Bedeutung dem griechischen "logos" nahekommen - aber ist das auch der Fall? Wie steht es mit dem lat. Wort verbum? War das Griechische so eindeutig, dass "logos" auch im explizit christlichen Kontext auf einmal die ganz bestimmte und gewollte Bedeutung hatte, die das dt. "Wort" eben nicht zu haben scheint? Hat sich auch das griechische Wort "logos" dem angleichen können, was mit ihm ausgedrückt werden sollte? Kann folglich auch das dt. Wort "Wort" sich in seiner bestimmten Bedeutung in einem bestimmten Kontext dem angleichen, was durch es ausgedrückt werden soll? Wenn nein, warum war das ggf. dem Griechischen möglich, während es im Deutschen unmöglich ist und liegt das wirklich nur an der schon ursprünglich gegebenen "höheren Auflösung" des griechischen Wortes "Logos"?
Gruß G.
Eine solche "Angleichung" kann es durchaus geben, es gibt ja keine ontologische Suprematie der griechischen Sprache (oder der Hebräischen, oder des Lateinischen). Ein interessanter Fall sind die chinesischen Bibelübersetzungen, in denen im Johannesprolog das Wort "Logos" mit dem Begriff "Tao" übersetzt wird, wobei beide Begriffe ähnlich bedeutungsschwanger sind, und dennoch auf nur sehr randständig miteinander in Berührung geratenen hermeneutischen Traditionssträngen beruhen. Zu diesem Thema ist auch ein dem Vernehmen nach sehr lesenswertes Buch erschienen.

kukHofnarr
Beiträge: 832
Registriert: Dienstag 10. August 2021, 14:02
Kontaktdaten:

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von kukHofnarr »

[ Bitte um Verzeihung für dieses mein zwischendurch eingeworfenes LOGOS-OFF-Topic, dessen Auslöser das Wort "bedeutungsschwanger" war. Ich liebe diesen Begriff und schon deshalb habe ich mir nicht nur Cassians obige Antwort angelegentlich gesagt sein lassen, sondern auch nachgesehen, wann hier im KG zuletzt dieser Begriff verwendet wurde - das war vor 15 Jahren. (Deutlich jüngeren Datums ist übrigens seine Verwendung im "Schwarzen Kanal 2.0".) ]
"Wenn die Wolke sich nicht erhob, brachen sie nicht auf bis zum Tage, da sie sich erhob."

Trisagion
Beiträge: 1890
Registriert: Donnerstag 26. Dezember 2019, 03:59

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Trisagion »

Germanus hat geschrieben:
Montag 20. Dezember 2021, 09:56
Kann folglich auch das dt. Wort "Wort" sich in seiner bestimmten Bedeutung in einem bestimmten Kontext dem angleichen, was durch es ausgedrückt werden soll?
Offensichtlich. Wir reden hier schlicht von einer Fachsprache / einem Jargon, nur halt in einem religiösen Kontext. Das ist so ähnlich wie der Unterschied zwischen "Impuls" bei einem Normalmenschen und "Impuls" für den Physiker. Was der Physiker sich dabei denkt hat durchaus damit zu tun was der Normalmensch sich dabei denkt, schließlich ist die Fachsprache aus der Quellensprache erwachsen und man hat das Wort irgendwann mit gutem Grund gewählt. Aber es ist eben in der Physik in der Bedeutung spezifisch und auch ein wenig anders. Wenn man beides kennt, gibt es kein Problem. Aber bei der Übersetzung in andere Sprachen kann die Bedeutungsverschiebung in verschiedenen Wörtern landen, so ist der physikalische "Impuls" im Englischen "momentum" und der nicht-physikalische je nachdem "impulse", "stimulus", "incentive" oder "pulse". Wenn aber ein bestimmtes Wort via Übersetzung neu an einen Fachsinn gebunden wird, und lange genug von der entsprechenden Gemeinschaft benutzt wird, dann festigt sich das eben in einem neuen Fachgebrauch. Wenn ein deutscher Christ "Wort" hört, dann denkt er sich eben mehr als eine Nicht-Christ. Wie genau die heutigen deutschen Assoziationen mit den antiken griechischen übereinstimmen ist letztlich eine Frage des alltäglichen Gebrauchs. Je mehr Leute versuchen mit dem Wort dasselbe auszusagen, desto mehr wird das der Fall, denn Sprache ist schlicht Gebrauchskonvention bzgl. menschlicher Lauterzeugung. Sind wir also dem Glaube treu, wird es unweigerlich auch unsere Sprache werden.
Cassian hat geschrieben:
Dienstag 21. Dezember 2021, 14:00
Ein interessanter Fall sind die chinesischen Bibelübersetzungen, in denen im Johannesprolog das Wort "Logos" mit dem Begriff "Tao" übersetzt wird, wobei beide Begriffe ähnlich bedeutungsschwanger sind, und dennoch auf nur sehr randständig miteinander in Berührung geratenen hermeneutischen Traditionssträngen beruhen.
Nun ja, das ist dann aber schlicht eine falsche Übersetzung. Denn "Wort" ist wohl eher 詞 (ci) im Chinesischen, aber 道 (dao) ist "Weg". Nun ist es ja durchaus angebracht, Jesus den "Weg" zu nennen, aber nicht als Übersetzung von "Wort"?!

Ich habe kurz mal geschaut, und in der Tat:
太 初 有 道 、 道 與   神 同 在 、 道 就 是   神 。
Im Anfang war der Weg, und der Weg war bei Gott, und der Weg war Gott.

Da haben die Übersetzer m.E. nach ziemlich was verbrochen. Wobei zugegebenermaßen mein Chinesisch auf ein halbes Jahr lernen vor zwei Jahrzehnten begrenzt ist, insofern caveat emptor. Aber Dao scheint mir doch daneben hier...

Germanus
Beiträge: 756
Registriert: Dienstag 17. Oktober 2006, 20:39

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Germanus »

Sehr herzlichen Dank für die Antworten! Alle - sogar die mit dem verfehlten Thema vom Hofnarr - entsprechen doch dem, was ich als Nicht-Theologe, der aber durchaus übersetzen muss, nachvolllziehen kann. Eine andere Sichtweise, mit guter Begründung, wäre da auch ganz interessant; es ist ja zu genüge bekannt, dass es sie auch im katholischen und evangelischen Milieu gibt: Mich interessiert wirklich, warum es uns nicht möglich sein soll, ein dt. Wort dem zu übersetzenden Originalbegriff auch in seiner theologischen Bedeutung entsprechen zu lassen. Solche Momente ergeben sich ja relativ oft, wenn man die griech. und lat. Texte vor sich hat.
Gruß G.
"Her, denke an mui, wenn diu met duinem Ruike kümmes." (Lk 23,42)

Trisagion
Beiträge: 1890
Registriert: Donnerstag 26. Dezember 2019, 03:59

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Trisagion »

Germanus hat geschrieben:
Mittwoch 22. Dezember 2021, 10:05
Mich interessiert wirklich, warum es uns nicht möglich sein soll, ein dt. Wort dem zu übersetzenden Originalbegriff auch in seiner theologischen Bedeutung entsprechen zu lassen.
Wer behauptet, daß sei nicht möglich, und warum?

Wobei zwischen "es ist möglich" und "es ist der Fall" Welten liegen können, gerade weil Sprache eine Art volksweite aber beliebige Einigung ist bestimmte Laute mit bestimmten Bedeutungen zu versehen.

Deine Frage ist letztlich so ungefähr: warum ist es uns nicht möglich, die Skatregeln zu ändern?

Offensichtlich ist das möglich, denn die Skatregeln sind eine volksweite aber beliebige Einigung bestimmte Karten mit bestimmten Werten zu versehen.

Ob und wie man das dann aber ganz praktisch durchsetzen kann, ist eine ganz andere Frage.

Was sicher geht ist, daß eine begrenzte Fachsprache Sonderdefinitionen einführt und dann auch konsequent einsetzt. Das ist so als ob ein Stammtisch Hausregeln für Skat einführt und dann auch benutzt. An einer theologischen Fakultät etwa kann zweifelsohne ein begrifflich angepasstes Deutsch gesprochen werden.

Aber wenn man das auf Volksebene durchziehen will, muß man einen entsprechend großen Hammer schwingen (also zum Beispiel die Medien kontrollieren) oder es muß sich natürlich entwicklen und verbreiten. Das läuft sowieso ständig, aber selten wie geplant.

Ein englische Beispiel (deutschen Slang höre ich im Ausland nicht) ist etwa das ersetzen von "talk, say, ask, think, ..." durch "be like" wie etwa in "I was like 'don't do that'!" Das ist ursprünglich kalifornischer Dialekt, wurde dann durch viele Fernsehsendung die in Kalifornien spielen weltweit bekannt, wurde dann Jugendsprache die wiederum im Fernsehn landete, und ist inzwischen sogar bei Erwachsenen zu hören. (Und stirbt wohl auch wieder aus... hoffentlich.) Dauer dieser globalen Sprachbewegung: ein paar Jahrzehnte.

Wenn Du also willst, daß ein deutsches Wort andere (griechisch-theologische) Bedeutung annimmt, mußt Du ein Sprachbewegung auslösen die das Volk weitgehend erfasst. Oder Du mußt Dich mit einer Fachsprache begnügen.

Germanus
Beiträge: 756
Registriert: Dienstag 17. Oktober 2006, 20:39

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Germanus »

Nun ja, wer meint, das griechische Wort "logos" in der dt. Übersetzung des entspr. Textes nicht übersetzen zu dürfen, um den Sinngehalt nicht zu mindern, der vermittelt den Eindruck, es sei nicht möglich, "logos" zu übersetzen. Ich selber, wie gesagt, kann das nicht ganz nachvollziehen. Es ist z.B. auch möglich, einen dogmatischen Text in seiner Originalsprache so umzuinterpretieren, dass vom Glauben der Kirche nicht mehr viel übrigbleibt. Das hat aber nichts mit dem Glauben der Menschen zu tun, die z.B. den Glauben der Kirche bekennen möchten. Meine Frage zielt darauf, welche Gründe es beispielsweise gegen die Übersetzung bestimmter Fachtermini gibt, die eine Übertragung in eine andere Sprache verbieten. Oder etwa, ob die Übersetzung am ursprünglichen Wort kleben muss, um es wiederzugeben, oder ob sie dem deutschen Sprachfluss folgen darf. Bei unterschiedlichen Vaterunser-Fassungen wird das ja sehr deutlich: Was ist "Reich", was ist "Himmel", was ist der oder das Böse? Alle Antworten haben bislang bekräftigt: Wir dürfen übersetzen, da wir mit einer "Fachsprache" übersetzen. Dem widerspricht aber doch der Neutestamentler xy, der in seiner Übersetzung des Neuen Testaments konsequent "Logos" für das entsprechende griechische Wort setzt. Darum - um die Berechtigung und das Für und Wider - geht es auch bei meiner Frage.
"Her, denke an mui, wenn diu met duinem Ruike kümmes." (Lk 23,42)

kukHofnarr
Beiträge: 832
Registriert: Dienstag 10. August 2021, 14:02
Kontaktdaten:

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von kukHofnarr »

Germanus hat geschrieben:
Mittwoch 22. Dezember 2021, 10:05
Sehr herzlichen Dank für die Antworten! Alle - sogar die mit dem verfehlten Thema vom Hofnarr - entsprechen doch dem, was ich als Nicht-Theologe, der aber durchaus übersetzen muss, nachvolllziehen kann. (...)
[ Oh... ein Dankeschön ich sende :) ]
"Wenn die Wolke sich nicht erhob, brachen sie nicht auf bis zum Tage, da sie sich erhob."

Trisagion
Beiträge: 1890
Registriert: Donnerstag 26. Dezember 2019, 03:59

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Trisagion »

Germanus hat geschrieben:
Mittwoch 22. Dezember 2021, 17:25
Nun ja, wer meint, das griechische Wort "logos" in der dt. Übersetzung des entspr. Textes nicht übersetzen zu dürfen, um den Sinngehalt nicht zu mindern, der vermittelt den Eindruck, es sei nicht möglich, "logos" zu übersetzen.
Ist die Übersetzung für die Allgemeinheit gedacht, vor allem für die nach-Christliche Allgemeinheit heute, dann dürfte das weitgehend stimmen, jedenfalls nicht in ein einziges Wort. Hilft es aber nun dem naiven Leser wenn er statt einem nicht völlig richtig verstandenen "Wort" ein überhaupt nicht verstandenes "Logos" liest? Eher nicht, außer das regt dazu an die richtige Bedeutung zu lernen.

"Logos" bedeutet eben nicht nur "Wort" im Sinne einer praktischen Worteinheit, also wie "Haus" ein Wort ist. In der theologischen Aufarbeitung ist "Logos" eigentlich näher dran an Bedeutungen wie "Sinn", "Ansicht" oder "Verständnis", vielleicht also "Konzept". Aber andererseits ist das "Machtwort" Gottes in der Bibel und im antiken Verständnis wichtig. Worte sind dort nicht Schall und Rauch sondern entscheidend, und das ist sicher auch gemeint mit "Logos". Wer hat das Wort? Gott. Insofern kann man Logos vielleicht besser mit "klärendes Wort" oder "entscheidendes Wort" übersetzen.

Aber wenn man das tut, wird einem sofort vorgeworfen, man interpretiere in den Text rein, denn "das steht da so nicht"... Übersetzer möchte ich nicht sein.

Germanus
Beiträge: 756
Registriert: Dienstag 17. Oktober 2006, 20:39

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Germanus »

Ja, Du zählst einige Elemente auf, die das Wort "logos" ausmachen. Die Frage stellt sich mir aber andersrum: Dürfen wir päpstlicher als der Papst sein, wenn es um die Übersetzung eines solchen Textes geht? Hat das lateinische "verbum" dasselbe sprachliche Fundament, wie es der griech. "logos" hat? Wie steht es mit dem slawischen "slowo"? Mir fallen auf Anhieb etliche Textstellen der lat. Bibel ein, die das Wort "verbum" gebrauchen; nur unter anderem eben auch Joh 1,1ff. Und wenn ich die Übersetzung des Schweizer/Deutschen Bibelwerks "Byzantinischer Text Deutsch" der Evangelien lese, stolpere ich immer über das Neuwort "umgeisten", das dort für "metanoiein" steht: im Kopf wird immer noch sofort daraus "umnachten", warum auch immer. (Das ist ein andersgearteter Fall, aber was ist die "metanoia" denn in anderem Deutsch?) Hätte also der Evangelist nicht zwingend ebenfalls jeweils ein Neuwort schaffen müssen, um der Botschaft gerecht zu werden, die er zu vermitteln hatte? Oder sind wir heute nur dümmer als damals vor 1800 Jahren, als "verbum" noch aus "logos" werden konnte, ohne dass das dogmatische Gefüge wankte? Wie schon gesagt: Das glaube ich nicht! Wir sind aber vielleicht ängstlicher; aber haben wir das Recht dazu, dann zum "traditore" zu werden, wo wir doch nur "traduttore" sein sollen?
"Her, denke an mui, wenn diu met duinem Ruike kümmes." (Lk 23,42)

Trisagion
Beiträge: 1890
Registriert: Donnerstag 26. Dezember 2019, 03:59

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Trisagion »

Germanus hat geschrieben:
Donnerstag 23. Dezember 2021, 09:06
Wir sind aber vielleicht ängstlicher; aber haben wir das Recht dazu, dann zum "traditore" zu werden, wo wir doch nur "traduttore" sein sollen?
Ein Verräter kann man nur werden, wenn man etwas verrät. Die Lösung Deines Problems besteht schlicht darin festzulegen, welchen Dingen man bei der Übersetzung treu bleiben sollte. Und solange man kein Protestant ist, ist die zentrale Antwort darauf eigentlich einfach für einen Christen.

Beim Übersetzen muß man der Lehre der Kirche treu bleiben, und auch den Gedanken ihrer Gelehrten und Heiligen bzgl. Theologie und Exegesis, insbesondere wenn es sich um zeitnahe Zeugen handelt (also Kirchenväter etc.).

Es ist vielleicht die einzige wahre Erkenntnis der Postmoderne, daß es keine "objektive" Textbedeutung gibt. Und trotz allem Schaden den die Postmoderne angerichtet hat, diese eine Erkenntnis reicht um ihr einen Platz in der Geschichte der Christenheit zu sichern.

Denn die Postmoderne hat sowohl dem Protestantismus einen Todesstoß versetzt - diese "Bibel über alles" Häresie ist nun schlicht nicht mehr rational verteidigbar - als auch für rechtsgläubige Christen ein für allemal das Problem der Übersetzung der Bibel geklärt. Denn wir wissen nun, daß jede Übersetzung eine Wahl ist, da es keine "objektive" Bedeutung der Bibel gibt. Also können und müssen wir die rechte Übersetzungswahl treffen, anhand des Hilfsmittels "Kirche" das uns der Herr selber an die Hand gegeben hat.

Wie übersetzt man "logos" also richtig? So, daß was man sagt dem nicht widerspricht was die Kirche lehrt und ihre Gelehrten und Heiligen interpretiert haben. Die Übersetzung "Wort" ist nach diesem Kriterium im Deutschen zulässig, wenn auch sicher nicht die einzige Möglichkeit. Kann man sagen was die "beste" Übersetzung wäre? Nun, wenn ich mir alle relevanten Referenzen der Kirche zum Wort anschaue (also jede Exegesis der Kirchenväter etc.), welche deutsche Umschreibung passt im Schnitt am zwanglosesten, fügt sich glatt in diese zitierenden oer kommentierenden Texte ein. Das ist die "beste" Übersetzung.

Wohlgemerkt, ich rede hier nicht einer Textverfälschung das Wort. Es geht nicht darum die Bibel quasi zu korrigieren, sondern vielmehr darum festzulegen, wie man aus den vorhandenen Übersetzungsmöglichkeiten auswählt.

Benutzeravatar
Jakobgutbewohner
Beiträge: 1781
Registriert: Donnerstag 21. Januar 2021, 15:47
Kontaktdaten:

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Cassian hat geschrieben:
Sonntag 19. September 2021, 19:28
Es gibt einen Orthpedia-Artikel, der ist aber nicht ganz so gut wie der im englischen Orthodoxwiki.
Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich bisher genügend verstanden habe, was dort mit "Einbildungsvermögen" gemeint ist.

Mir ist bekannt, daß es wohl so einige Menschen gibt, die sich als Christen betrachten und aus einer Art "Frömmigkeitsempfinden" sich Verschiedenes ausmalen. Das sehe ich auch kritisch. Aber geht es nur um soetwas?

Beispielzitat:
Diese angeblichen Heiligen befanden sich in schrecklicher, dämonischer Prelest. Die Grundlage, auf der Prelest natürlicherweise beruht, ist die Blasphemie, durch die der dogmatische Glaube bei den Häretikern verzerrt ist. Das Verhalten der von der Prelest befallenen geistlichen Vorkämpfer der Römischen Kirche war schon immer exaltiert, und zwar aufgrund der außergewöhnlichen körperlichen, leidenschaftlichen Erhitzung. In einem solchen Zustand befand sich Ignatius Loyola, der Stifter des Jesuitenordens. Sein Einbildungsvermögen war so erhitzt und ausgeklügelt, dass ihm ohne Mühe sofort die Hölle oder das Paradies erschien, je nach seinem Wunsch. Die Erscheinungen des Paradieses bzw. der Hölle vollzog sich nicht durch die Wirkung des menschlichen Einbildungsvermögen allein; sondern vollzog sich durch die Wirkung der Dämonen, die ihre Wirkung der unzureichenden Wirkung des Menschen hinzufügten; diese Wirkungen miteinander verbanden, so dass sie sich ergänzten, und das auf der Grundlage des freien Willens eines Menschen, der eine falsche Richtung gewählt und sich angeeignet hatte. Es ist bekannt, dass den wahren Heiligen ihre Visionen ausschließlich durch das Wohlwollen Gottes und die Wirkung Gottes zuteilwerden, und nicht nach eigenem Willen und Belieben beschert - und zwar unerwartet, äußerst selten, in besonderen Notfällen, nach der himmlischen Vorsehung Gottes und nicht zufällig (Hl. Isaak der Syrer. Homilie 36).
Dort wird grundsätzlich kritisiert, daß Loyola "nach Wunsch" sofort Paradies oder Hölle erschienen sei? Wieso sollte soeine Gabe nicht auch von Gott kommen können? Ich sehe nicht, daß soeine Gabe zwangsläufig nicht aus einem Wohlwollen Gottes herkommen sollte.
"Selig sind ... die durch die Tore eingehen in die Stadt. Draußen aber sind die Hunde und die "Pharmazeuten" und die Buhler und die Mörder und die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut." Off 22,14+15

Cassian
Beiträge: 398
Registriert: Mittwoch 20. Juni 2018, 11:51

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Cassian »

Ein äußerst lesenswerter Artikel zum Thema Evolution, Schöpfungslehre etc.:

Grounded in the Beginning: Father Seraphim Rose and the Patristic View of Creation.
Bild

Recently, I had the blessing to be asked to present informally (and unworthily!) at Fr. Felipe Balingit’s online Saturday morning Catechism class, on Blessed Seraphim Rose’s writings about the Creation in Genesis, based in the Church Fathers. Fr. Felipe’s mission work in the Philippines includes this class, which he conducts usually from Holy Trinity Seminary and Monastery in Jordanville, NY, where he is currently studying and helping to conduct worship services. The class mainly consists of dedicated Filipino Orthodox Christians and catechumens, along with others, in various time zones around the world, and usually lasts for several hours with Fr. Felipe’s teaching and answering of questions. His insights, dedication, and theirs are a great blessing to experience, glory to God!

In our discussion of the approach of the Church Fathers to Genesis, as summarized in Fr. Seraphim’s work, two participants asked the questions: “What about the dinosaurs?” and “Doesn’t the Catholic Pope now accept evolution?” These questions involved the relation of the Orthodox Church’s traditional teachings on Creation to current secular-scientific views in popular culture, which influence many in Catholic and Protestant circles, but also some Orthodox Christians. The questions also implicitly raise the issue of how Orthodox teachings, based in the Church Fathers, may differ from conservative Protestant Christian approaches to Creation as well. The whole discussion raised the issue of the importance of a patristic understanding of Creation to our faith today, and the unworthy reflection below is based on the conversation.

Fr. Seraphim (+1982), an American convert to Orthodoxy, went from a dissolute life as an intellectual in America’s beatnik culture in San Francisco to being one of the most influential English-language teachers and writers on Orthodox ascetic tradition, through the guidance of St. John of Shanghai and San Francisco. He is often called “Blessed Seraphim” by many today, in pious belief in his sanctity, although he has not been recognized yet formally as a Saint in the Orthodox Church. A monastic who became a priest in the Russian Orthodox Church Outside of Russia, he considered the patristic understanding of the account of Creation to be an indispensable foundation of Orthodox Christian faith. He found that secular materialistic interpretations of Creation undergird the current age’s ethos of radical individual autonomy, tending toward nihilism across all political and cultural views in the modern “global West,” as he experienced himself before his conversion. He discerned these attitudes were contributing to an amorphous global “spirituality,” in the spirit of Anti-Christ, denying the Incarnation of Jesus Christ and by extension the historical aspects of the Incarnation and the founding of the Church, with her roots also in the Old Testament. This is why so much of his work in apologetic theology is focused on the issue of Creation, as seen in the long compilation Genesis, Creation, and Early Man by Abbot Damascene Christiansen, who was brought into the Church by Blessed Seraphim and now heads the monastery that his spiritual mentor co-founded, St. Herman of Alaska Monastery in Platina, California, which is now a Serbian Orthodox Christian monastic community. The book, published originally in 2000, and then in its second edition in 2011, is currently out of print, although a new edition reportedly is in the works.

The patristic teaching on Creation does not fit comfortably with today’s efforts in liberal religious circles to synthesize secular accounts of evolution and “non-intelligent design” with “theistic evolution,” let alone a Deistic view. At the same time, Father Seraphim indicated that Protestant-inspired approaches of “creationism” and “intelligent design” sometimes proceed in an overly rationalistic way to try to understand the mechanics of the biblical Six Days of Creation and of human life before the Fall, which the Church Fathers regarded as mysteries from an Orthodox standpoint.[...]

Benutzeravatar
Jeremias
Beiträge: 353
Registriert: Mittwoch 24. März 2010, 14:41

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Jeremias »

»Nichts ist nun peinlicher, gefährlicher und am schärfsten zu verwerfen, als wenn ein Christ mit Berufung auf die christlichen Schriften zu einem Ungläubigen über diese Dinge Behauptungen aufstellt, die falsch sind und, wie man sagt, den Himmel auf den Kopf stellen, sodass der andre kaum sein Lachen zurückhalten kann. Dass ein solcher Ignorant Spott erntet, ist nicht das Schlimmste, sondern dass von Draußenstehenden geglaubt wird, unsere Autoren hätten so etwas gedacht. Gerade sie, um deren Heil wir uns mühen, tragen den größten Schaden, wenn sie unsere Gottesmänner daraufhin als Ungelehrte verachten und zurückweisen. Denn wenn sie einen von uns Christen auf einem Gebiet, das sie genau kennen, bei einem Irrtum ertappen und merken, wie er seinen Unsinn mit unseren Büchern belegen will, wie sollen sie dann jemals diesen Büchern die Auferstehung der Toten, die Hoffnung auf das ewige Leben und das Himmelreich glauben, da sie das für falsch halten müssen, was diese Bücher geschrieben haben über Dinge, die sie selbst erfahren haben und als unzweifelhaft erkennen konnten.«

https://medium.com/@mr94/genesis-evolut ... 669633365c


Mehr ist dazu nicht zu sagen.
Orthodoxer. Physikdidaktiker. Rollenspieler. Liberaler. Konservativer. Modernist. Ökumenist.
Alles Titel, mit denen man mich bedenken kann, die deswegen mich trotzdem nicht gänzlich beschreiben.

Cassian
Beiträge: 398
Registriert: Mittwoch 20. Juni 2018, 11:51

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Cassian »

Jeremias hat geschrieben:
Mittwoch 27. April 2022, 18:04
»Nichts ist nun peinlicher, gefährlicher und am schärfsten zu verwerfen, als wenn ein Christ mit Berufung auf die christlichen Schriften zu einem Ungläubigen über diese Dinge Behauptungen aufstellt, die falsch sind und, wie man sagt, den Himmel auf den Kopf stellen, sodass der andre kaum sein Lachen zurückhalten kann. Dass ein solcher Ignorant Spott erntet, ist nicht das Schlimmste, sondern dass von Draußenstehenden geglaubt wird, unsere Autoren hätten so etwas gedacht. Gerade sie, um deren Heil wir uns mühen, tragen den größten Schaden, wenn sie unsere Gottesmänner daraufhin als Ungelehrte verachten und zurückweisen. Denn wenn sie einen von uns Christen auf einem Gebiet, das sie genau kennen, bei einem Irrtum ertappen und merken, wie er seinen Unsinn mit unseren Büchern belegen will, wie sollen sie dann jemals diesen Büchern die Auferstehung der Toten, die Hoffnung auf das ewige Leben und das Himmelreich glauben, da sie das für falsch halten müssen, was diese Bücher geschrieben haben über Dinge, die sie selbst erfahren haben und als unzweifelhaft erkennen konnten.«

https://medium.com/@mr94/genesis-evolut ... 669633365c


Mehr ist dazu nicht zu sagen.
Du hast weder von Weltanschauung noch von Evolution irgendeine Ahnung, sondern bloß Angst vor der Haue von irgendwelchen Apostaten, nach deren Anerkennung du lechzt. :)

Benutzeravatar
Jeremias
Beiträge: 353
Registriert: Mittwoch 24. März 2010, 14:41

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Jeremias »

"Ein Villa-Abend zur Verhältnis von Glauben und Physik fand am 28. Mai an der PTH statt. Zu Gast war Prof. Dr. Anton Andronic, Kern- und Hochenergiephysiker an der WWU Münster und Diakon der rumänisch-orthodoxen Kirche. [...]
Anton Andronics Hauptforschungsgebiet ist die Entstehung des Universums. Alle Wissenschaftler sind sich heutzutage einig, dass unser Weltall einen Anfang hatte. Dieser Urzustand dehnte sich aus und kühlte sich ab, und es dauerte nur etwa zehn Millionstel Sekunden, bis die Bausteine der Materie unserer heutigen Alltagswelt entstanden.
Anton Andronic gehört einem internationalen Wissenschaftsteam an, das am „CERN“ bei Genf Grundlagen der physikalischen Weltentstehung erforscht."

https://pth-muenster.de/kosmos-kern-und ... verbindet/

Ich glaube nicht, dass irgendeiner der hochgeschätzten Herrn Theologen aus deinem Link diesen Mann überflügeln kann, wenn es um Kosmologie geht. Oder willst du jetzt auch noch einem Kleriker Apostatentreue vorwerfen?

Aber gut, da du offenbar auch einen Heiligen nicht ernstnimmst...
Orthodoxer. Physikdidaktiker. Rollenspieler. Liberaler. Konservativer. Modernist. Ökumenist.
Alles Titel, mit denen man mich bedenken kann, die deswegen mich trotzdem nicht gänzlich beschreiben.

Benutzeravatar
Jakobgutbewohner
Beiträge: 1781
Registriert: Donnerstag 21. Januar 2021, 15:47
Kontaktdaten:

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Ich habe wiederholt in orthodoxen Quellen davon gelesen, daß vom Vatikan als heilig kanonisierte Personen eher als dämonisch beeinflußt bewertet werden. Geht das eventuell auch auf ein sich vom Folgenden unterscheidenden Verständnis dieser Dinge zurück?
Dennoch dominierte in der frühchristlichen Theologie der fundamentale „Zweifel an der Wirksamkeit jeglicher Zauberei“. Außerdem war man überzeugt, dass die Dämonen keinerlei Macht über gläubige Christen erlangen könnten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hexenverfolgung
"Selig sind ... die durch die Tore eingehen in die Stadt. Draußen aber sind die Hunde und die "Pharmazeuten" und die Buhler und die Mörder und die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut." Off 22,14+15

Trisagion
Beiträge: 1890
Registriert: Donnerstag 26. Dezember 2019, 03:59

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Trisagion »

Es ist mir nicht ganz klar ob ihr Euch nun über Evolutionstheorie oder Kosmologie kloppt. Beide haben Aspekte die ganz unzweifelhaft sind (soweit Naturbeschreibung überhaupt unzweifelhaft sein kann), und andere Aspekte die deutlich mehr umstritten, oder zumindestens umstreitbar, sind...

Die literarische Form des biblischen Schöpfungsberichts ist mythisch-poetisch. Das bedeutet keineswegs "Märchen", aber es bedeutet eben auch nicht eine detaillierte Naturreportage. Es geht da um eine andere Form der Wahrheitsvermittlung als die der empirischen Datensammlung.

Es wird hier von beiden Seiten - den wissenschaftsgläubigen Physikalisten und den allzu wortgetreuen Kreationisten - dasselbe falsche Dilemma aufgebaut: entweder "gottlose" moderne Theorie, oder die Bibel als Faktensammlung verstanden. Aber es gibt eben mehr als nur diese Alternativen - und es entspricht auch unserer eigenen Welterfahrung, daß Gottes Wirken in der Welt weder so direkt beobachtbar ist wie z.B. die Schwerkraft noch so klar menschlicher Phantasie entspringt wie z.B. ein Horoskop.

Welche Naturwissenschaft genau den Wetzstein der Zeit überleben wird, weiß ich nicht. Aber es wird nicht der biblische Schöpfungsbericht verstanden als faktische Reportage dabei herauskommen, und Wahrheit kann nicht Wahrheit widersprechen. An der Stelle ist die Warnung des Augustinus wichtig. Denn hier besteht eben tatsächlich die Gefahr den Glauben zu blamieren, indem man als das unumstößliche Wort Gottes deklariert was doch nur ein bestimmtes menschliches - und somit fehlbares - Verständnis desselben ist.

Cassian
Beiträge: 398
Registriert: Mittwoch 20. Juni 2018, 11:51

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Cassian »

Trisagion hat geschrieben:
Mittwoch 11. Mai 2022, 01:52
Die literarische Form des biblischen Schöpfungsberichts ist mythisch-poetisch. Das bedeutet keineswegs "Märchen", aber es bedeutet eben auch nicht eine detaillierte Naturreportage. Es geht da um eine andere Form der Wahrheitsvermittlung als die der empirischen Datensammlung.

Es wird hier von beiden Seiten - den wissenschaftsgläubigen Physikalisten und den allzu wortgetreuen Kreationisten - dasselbe falsche Dilemma aufgebaut: entweder "gottlose" moderne Theorie, oder die Bibel als Faktensammlung verstanden. Aber es gibt eben mehr als nur diese Alternativen - und es entspricht auch unserer eigenen Welterfahrung, daß Gottes Wirken in der Welt weder so direkt beobachtbar ist wie z.B. die Schwerkraft noch so klar menschlicher Phantasie entspringt wie z.B. ein Horoskop.
Ach komm, so nachdrücklich wird diese alberne Theorie selbst in der inzwischen ohnehin weitgehend entzauberten Wissenschaftswelt nicht mehr vertreten, seit dort auch mal die Ergebnisse der Entschlüsselung des DNA-Codes vor zwanzig Jahren rezipiert wurden. Theoriebildung ist in den Naturwissenschaften ohnehin sehr sehr aus der Mode gekommen, zumal Evolution als absolutes Dogma der politischen Klasse ein besonders heikles Thema ist.

Tatsächlich ist die Evolutionstheorie weder wissenschaftlich (ihre vorgeblichen "Argumente" basieren auf Analogisierung der Modalitäten der Artenausdifferenzierung auf die Frage nach der Artentstehung, spätestens seit der Entschlüsselung des DNA-Codes vor zwanzig Jahren ist sie auch in ihren paradigmatischen Grundannahmen widerlegt) noch theologisch haltbar. Eine Organisation toter Materie zum Leben hin (wie sie sich angeblich in der "Ursuppe" ereignet haben soll) gibt es nicht nur im geistlichen Sinne, sondern auch ganz real-biologisch nicht. Der Tod zeugt nicht das Leben, er ist kein schöpferisches Prinzip, und die Schöpfung ereignet sich nicht aus einem dualistischen Spiel von Tod und Leben, die sich gegenseitig hervorbringen und bedingen. Der Tod bedingt auch kein höheres Leben. Vielmehr war der Tod in Gottes Schöpfungsplan niemals angelegt, und kam erst durch die Sünde in die Welt. Der Sieg Gottes ist der Sieg über den Tod als Verwirklichung und Wiederherstellung des göttlichen Heilsplanes, in dem es keinen Tod gibt. Die Evolutionstheorie hingegen ist die materialistische Exoterik eines gnostischen Gottesbildes. Das ist im Übrigen das Kernargument gegen sie, die Frage nach biblischem Literalismus wird erst im zweiten Schritt wichtig.

Trisagion
Beiträge: 1890
Registriert: Donnerstag 26. Dezember 2019, 03:59

Re: Orthodoxe Theologie

Beitrag von Trisagion »

Cassian hat geschrieben:
Mittwoch 11. Mai 2022, 08:06
Ach komm, so nachdrücklich wird diese alberne Theorie selbst in der inzwischen ohnehin weitgehend entzauberten Wissenschaftswelt nicht mehr vertreten, seit dort auch mal die Ergebnisse der Entschlüsselung des DNA-Codes vor zwanzig Jahren rezipiert wurden.
Die Naturwissenschaft ist nicht entzaubert, denn sie war nie verzaubert. Die Wissenschaftsgläubigkeit weiter Teile der Bevölkerung in der Vergangenheit war genauso uninformiert und unüberlegt wie die Wissenschaftsskepsis weiter Teile der Bevölkerung heute. Und was die Genetik angeht: sie hat keineswegs einen grundsätzlichen Gegenbeweis zur Evolutionstheorie geliefert, ganz im Gegenteil, sie hat einen grundlegenden physikalischen Mechanismus für die Theorie geliefert. Es ist korrekt, daß die Evolutionstheorie schon seit einigen Jahrzehnten im Fluß ist, aufgrund neuer empirischer Erkenntnisse auch und gerade aus der Genetik. Aber das bedeutet eben nicht, daß sie unwissenschaftlich war oder ist. Wenn überhaupt bedeutet es, daß sie dabei ist in vollem Sinne wissenschaftlich zu werden. Wir bewegen uns halt von einer simplistischen ersten Theorie, die schon fast mehr eine Idee als eine echte Theorie war, hin zu einer realistischeren Theorie.
Cassian hat geschrieben:
Mittwoch 11. Mai 2022, 08:06
Tatsächlich ist die Evolutionstheorie weder wissenschaftlich (ihre vorgeblichen "Argumente" basieren auf Analogisierung der Modalitäten der Artenausdifferenzierung auf die Frage nach der Artentstehung, spätestens seit der Entschlüsselung des DNA-Codes vor zwanzig Jahren ist sie auch in ihren paradigmatischen Grundannahmen widerlegt) noch theologisch haltbar.
Diese Aussage ist Unfug, und zwar in jeder Hinsicht. Es gab nie eine "Analogisierung", sondern schlicht eine Annahme daß dieselben Mechanismen auf verschiedenen Zeitskalen sowohl natürlich als auch in der menschlichen Nutzung (Zucht) wirken. Es gibt keinen theoretischen Grund warum eine Differenzierung nicht fortschreiten kann bis die gemeinsame Fortpflanzung unmöglich wird, was wir als eine "andere Art" bezeichnen, und es gibt auch keine empirische Anhaltspunkte für solche Begrenzungen. Es gibt keinen Gegenbeweis aus der Genetik gegen die Evolutionstheorie, s.o. Und schließlich gibt es auch keinen unauflösbaren Konflikt zwischen biblischen Aussagen und der Evolutionstheorie (außer man besteht auf einer allzu wörtlichen Auslegung, aber dagegen kann man schon auf literarischem Niveau - also vor einem Abgleich mit der Naturwissenschaft - argumentieren).
Cassian hat geschrieben:
Mittwoch 11. Mai 2022, 08:06
Eine Organisation toter Materie zum Leben hin (wie sie sich angeblich in der "Ursuppe" ereignet haben soll) gibt es nicht nur im geistlichen Sinne, sondern auch ganz real-biologisch nicht.
Die Abiogenesis ist einfach nicht Teil der Evolutionstheorie. Evolutionstheorie greift sobald man sich fortpflanzendes Leben hat, sie ist keine Theorie über die Entstehung von Leben aus Nicht-Leben. Allenfalls kann man aus der Evolutionstheorie zusätzliche Bedingungen ableiten was da am Anfang entstanden sein muß, damit eine weiter evolutionäre Entwicklung möglich ist. Es gibt derzeit keine allgemeine akzeptierte naturwissenschaftliche Theorie zur Abiogenesis. Es gibt nur Spekulationen. Allerdings gibt es auch keinerlei schlagenden Gegenbeweis, weder empirisch noch theoretisch, daß Abiogenesis unmöglich ist. Hier kann man derzeit so ziemlich glauben was man will.
Cassian hat geschrieben:
Mittwoch 11. Mai 2022, 08:06
Die Evolutionstheorie hingegen ist die materialistische Exoterik eines gnostischen Gottesbildes. Das ist im Übrigen das Kernargument gegen sie, die Frage nach biblischem Literalismus wird erst im zweiten Schritt wichtig.
Das ist kein Kernargument, sondern einfach nur eine unbewiesene Behauptung. Eine Aussage ohne Nachweis kann man auch ohne Nachweis ablehnen. Dies sei hiermit getan.

Antworten Vorheriges ThemaNächstes Thema