Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Ostkirchliche Themen.
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Jeremias
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Jeremias »

Trisagion hat geschrieben:
Samstag 23. Januar 2021, 13:29
Und wo wir bei systemischen Problemen sind, ein katholischer Priester muß Theologie studiert haben, ein Orthodoxer muß das nicht, und in der Regel tut er es auch nicht. Gleiches gilt wohl auch für die meisten "Geistigen Väter", typischerweise wohl Mönche. Was mich zur Frage bringt: wie oft redest Du eigentlich mit Deinem Bischof? Wenn Du mit ihm das nächste Mal Details Orthodoxer Lehre durchgehst, könntest Du mit ihm vielleicht mal die Bedeutung von Mt 15,14 besprechen?
Da sie sich an die Gebote der Konzilien halten, wird dieser Vers nicht zutreffen. Du verstehst scheinbar immer noch nicht, dass die Theologie in der Orthodoxie einfach nicht den Stellenwert hat, den du ihr zuschreiben willst. Ich kann mich sehr wohl gegen die Meinung eines Kirchenlehrers stellen, ohne nicht-orthodox zu sein. Die Kirchenlehrer sind sich nämlich auch nicht einig. :D
Deswegen ist ja auch Augustinus respektiert, aber eben nicht der einzige Kirchenlehrer.
Orthodoxer. Physikdidaktiker. Rollenspieler. Liberaler. Konservativer. Modernist. Ökumenist.
Alles Titel, mit denen man mich bedenken kann, die deswegen mich trotzdem nicht gänzlich beschreiben.

Trisagion
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Trisagion »

Jeremias hat geschrieben:
Samstag 23. Januar 2021, 14:01
Du verstehst scheinbar immer noch nicht, dass die Theologie in der Orthodoxie einfach nicht den Stellenwert hat, den du ihr zuschreiben willst.
Ich verstehe das recht gut. Ich klage es an.
Jeremias hat geschrieben:
Samstag 23. Januar 2021, 14:01
Ich kann mich sehr wohl gegen die Meinung eines Kirchenlehrers stellen, ohne nicht-orthodox zu sein. Die Kirchenlehrer sind sich nämlich auch nicht einig. :D
Um das katholisch-präzise zu formulieren: Du kannst Dich gegen einen Kirchenvater stellen, aber nur in den recht selten Fällen wo die Kirchenväter deutlich miteinander uneins waren und die Kirche in der Zwischenzeit keine dogmatische Entscheidung getroffen hat, welche Seite (mehr) recht hatte.

Und um zu wissen wann das der Fall ist, mußt Du sehr gut über die Werke der Kirchenväter und anschließende kirchliche Entscheidungen Bescheid wissen, und gelernt haben wie man interpretiert und vergleicht. Oder Du mußt schnellen und einfachen Zugriff auf jemanden haben, der Dir dazu eine informierte Antwort geben kann. Oder Du mußt schnellen und einfachen Zugriff auf Lehrmittel haben, die die Gedankengänge kompetenter Leute diesbzgl. für Dich zusammenfassen.

Wenn Du nichts dergleichen kannst und hast, dann bleibt Dir nichts anderes übrig als das zu tun und zu sagen was alle um Dich herum tun und sagen, in der Hoffnung, daß die Gewohnheiten und Regeln um Dich herum richtig sind. Das kann durchaus funktionieren. Nur die Freiheit Dich persönlich gegen einen Kirchenvater zu stellen hast Du dabei eben einfach nicht.

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Jakobgutbewohner
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Trisagion hat geschrieben:
Samstag 23. Januar 2021, 14:21
Du kannst Dich gegen einen Kirchenvater stellen, aber nur in den recht selten Fällen wo die Kirchenväter deutlich miteinander uneins waren und die Kirche in der Zwischenzeit keine dogmatische Entscheidung getroffen hat, welche Seite (mehr) recht hatte.
Ich halte einiges von der "Gewissensfreiheit" einzelner Christen, Themen so zu betrachten wie sie sich ihnen erschließen. Ist es denn zum Heil mehr und mehr Fragen definitiv und allgemeinverbindlich klären zu wollen? Oder ist soetwas nicht oft Anlaß auch zu sündhafter Spaltung?
"Selig sind ... die durch die Tore eingehen in die Stadt. Draußen aber sind die Hunde und die "Pharmazeuten" und die Buhler und die Mörder und die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut." Off 22,14+15

Germanus
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Germanus »

Ralf hat geschrieben:
Freitag 22. Januar 2021, 22:47
Germanus hat geschrieben:
Freitag 22. Januar 2021, 08:43
Aber wenn die Worte zwar anders gewählt, der Inhalt jedoch deckungsgleich ist, warum stellen dann beide Seiten die Formulierungen der jeweils anderen Seite in Frage? Warum also wird aus "Wortklauberei" scheinbar auch auf einen anderen Inhalt geschlossen?
Menschliche Schwäche. Stolz, Ehrgeiz - kurz: Sünde.
Zumindest die gelehrte Diskussion hier will ja immer darauf hinweisen, dass der "Osten" zu kurz oder garnicht denkt /denken will / sich gegen das Denken stellt, während der "Westen" ja nur logische Beweisführungen vorlegt und den "Osten" dadurch eigentlich widerlegt bzw. überholt?
Das halte ich für eine Partikularmeinung, mehr nicht.
Wenn ich ältere kirchliche Texte des Westens lese und sie einordnen darf bzgl. ihres Herkommens und ihrer Rezeption, dann fällt mir auf, wie schwierig die Theorie von der 'anderen Wortwahl bei gleichem / ähnlichen Inhalt' ist.
Welche Texte konkret z.B. meinst Du?
Deshalb wohl auch die etwas aufgeladene Art hier, argumentativ auch gleichzeitig die Ausprägung der anderen Wortwahl, sprich: die orthodoxe Art des Umgangs mit der Theologie und der Wissenschaft, einzukassieren.
Mir erscheint es weniger ein "Einkassieren" als eine Aufforderung zum Durchdenken der eigenen Position, ein Aufruf zum Wiederentdecken der eigenen intellektuell-theologischen Tradition (die im Osten anfangs viel stärker ausgeprägt war als im Westen!).
@Ralf: Vielleicht ist es sinnvoll, hier einzubringen, dass es scheinbar ein grundsätzlich anderes Herangehen an alle Arten von Fragenkomplexen in der Orthodoxie gibt, als es in der - hier als Gegenbeispiel genannten - römisch-katholischen Theologie der Fall ist. Das kann man beklagen und sogar logisch als fatal und nicht zielführend anprangern. Das andere Herangehen bleibt aber in meiner Einschätzung (da sie anders herangeht!) von den sehr logischen und trefflichen Argumenten unberührt: So stellt es sich tatsächlich für mich dar.
Die "älteren kirchlichen Texte", auf die ich mich bezog, sind im Grunde legislative Texte des Mittelalters in engem Bezug zu Liturgie und Gottesdienst, für die Rezeption auch der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart. Nun bin ich orthodox geworden, da ich in diesen Texten auf der einen Seite alle Merkmale echter orthodoxer Kirchlichkeit wahrnehmen kann (natürlich im westlichem Dialekt), andererseits aber in der späteren Rezeption vor allem auf das stoße, was z.B. Trisagion und Protasius wohl als intellektuell gelungene Transposition in den neuen Kontext bezeichnen würden: dass Antworten auf neue Fragen gesucht und gefunden wurden, z.B. Diese äußerlich einwandfreie Interpretation und Weiterentwicklung des Empfangenen (= jene älteren Quellen also) konnte ich nur als eine Art Verdrehung (um nicht das harte Wort Verrat zu gebrauchen!) verstehen, da alle Elemente des einstmals Katholischen und Orthodoxen (s. die Wortwahl im canon romanus) durch ein irgendwann zwischendrin fatalerweise eingestreutes Element - eine Art Angst, hervorgerufen meiner Meinung nach durch ein Sicherheitsbedürfnis, das dem Wesen echter Theologie zuwiderläuft - irgendwie zur Parodie oder eben in die Heterodoxie abgeglitten sind. Ich spreche da wohlgemerkt nur für die Texte, auf die ich mich beziehen kann, nicht von denen anderer theologischer Disziplinen. Noch konkreter möchte ich die Texte nicht benennen, da es in der Konsequenz für mich eher um die Frage ging, wo gewissensmäßig - und folglich theologisch - das Heil zu suchen ist. Da war tatsächlich die Zusammenschau wichtig. Das Sonderbare ist an dieser Stelle, dass ich die "theologischen" Argumente wirklich nicht verstehe, die von den gelehrten Diskutanten vorgebracht werden, obwohl mein persönlicher Weg vom lat. Westen in die Orthodoxie im weiteren Sinne ja durch eine Form der wissenschaftl. Theologie grundgelegt wurde.
Gruß G.
"Her, denke an mui, wenn diu met duinem Ruike kümmes." (Lk 23,42)

Trisagion
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Trisagion »

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Samstag 23. Januar 2021, 15:23
Ich halte einiges von der "Gewissensfreiheit" einzelner Christen, Themen so zu betrachten wie sie sich ihnen erschließen.
Ich würde sagen, das kommt ganz auf das Thema an. Die Kirche ist da wie die Welt. Es gibt Themen, die sind schlicht Geschmacksfrage, obwohl manche Menschen darüber bis aufs Blut streiten. Dazu gehören z.B. viele Fragen liturgischer Form. Es gibt Themen, über die man sinvoll streiten kann, und wo Meinung, Klugheit, Redekunst und soziales Geschick das Feld beherrschen. Dazu gehört Kirchenpolitik, aber auch viele Fragen der Organisation, z.B. von Wohltätigkeit und Schulung, oder auch so Dinge wie Mission und Publikation. Und es gibt Themen, bei denen es sich um Wahrheit und Wissen dreht. Bei diesen Themen sind Meinungen und Mehrheiten nur eine Art praktisches Problem. Denn was stimmt, stimmt, vollkommen egal wer das warum sagt, und wieviele Leute dem zustimmen.

Ein Christ sollte alle Freiheit der Welt haben in Geschmacksfragen. Ein Christ sollte Freiheit in Streitfragen haben, wenn er sich denn seine Meinung bewußt und informiert angeignet hat, auch und gerade spirituell informiert (will sagen: erbetet, nicht nur erdacht). Ein Christ sollte aber keinerlei Wahl in Wahrheitsfragen haben, den Wahrheit ist von Gott und Lüge ist vom Teufel. Die einzige nicht-sündige Freiheit die es hier gibt ist praktischer Natur: oft genug ist es unklar und unsicher was nun die Wahrheit ist und was nicht. Aber dann sind verschiedene Meinungen eben nur bis zur Klärung statthaft: sobald klar wird was wahr ist, sind gegenteilige Meinung nicht mehr legitim, sondern einfach nur noch falsch.
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Samstag 23. Januar 2021, 15:23
Ist es denn zum Heil mehr und mehr Fragen definitiv und allgemeinverbindlich klären zu wollen? Oder ist soetwas nicht oft Anlaß auch zu sündhafter Spaltung?
Ja und ja. Hier folgen wir schließlich Jesus Christus selber, der viele Fragen der jüdischen Religion definitiv und allgemeinverbindlich klärte, unter Inkaufnahme der sündhaften Spaltung des erwählten Volkes.

Trisagion
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Trisagion »

Germanus hat geschrieben:
Samstag 23. Januar 2021, 16:36
Die "älteren kirchlichen Texte", auf die ich mich bezog, sind im Grunde legislative Texte des Mittelalters in engem Bezug zu Liturgie und Gottesdienst, für die Rezeption auch der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart.
Ich halte legislative Text zu Liturgie und Gottesdienst nur sehr begrenzt für "Theologie-fähig". Womit nicht gesagt sein soll, daß derlei Texte und Entscheidungen unwichtig wären. Aber sie gehören für mich nur selten zur Problematik die ich hier angesprochen habe.

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Jakobgutbewohner
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Trisagion hat geschrieben:
Samstag 23. Januar 2021, 20:12
Es gibt Themen, die sind schlicht Geschmacksfrage, obwohl manche Menschen darüber bis aufs Blut streiten. Dazu gehören z.B. viele Fragen liturgischer Form. Es gibt Themen, über die man sinvoll streiten kann, und wo Meinung, Klugheit, Redekunst und soziales Geschick das Feld beherrschen. Dazu gehört Kirchenpolitik, aber auch viele Fragen der Organisation, z.B. von Wohltätigkeit und Schulung, oder auch so Dinge wie Mission und Publikation.
Ja.
Und es gibt Themen, bei denen es sich um Wahrheit und Wissen dreht. Bei diesen Themen sind Meinungen und Mehrheiten nur eine Art praktisches Problem. Denn was stimmt, stimmt, vollkommen egal wer das warum sagt, und wieviele Leute dem zustimmen.
Ja, es gibt Fragen, bei denen man davon ausgehen kann, daß sie eben auf bestimmte Weise korrekt zu beantworten wären. So ist es mit dem Wissen wie es unter Menschen üblich ist. Aber geht es im Christentum überhaupt so sehr darum? Ist darin christliches Heil zu finden?

"Der Endzweck der Lehre ist ja: Liebe aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben; wovon einige abgewichen sind, und zu unnützem Geschwätz sich gewendet haben; wollen der Schrift Meister sein und verstehen nicht was sie sagen oder aufstellen." 1 Tim 1,5-7

Ungeheuchelter Glaube, göttliche Erbauung halte ich für etwas, das mit eigenem Zugang zu tun hat. Und ich würde sagen, die Wege sind hier unterschiedlich. Für manchen ist eine Herangehensweise richtig, auch für seinen Weg mag sie es meiner Meinung sein, selbst wenn diese Ansichten "falsch" wären. Darum ginge es dabei aus meiner Perspektive nicht so sehr, sondern darum, daß dies dem eigentlichen Weg zu Jesus auf eine vielleicht auf manchen "krumm" wirkende Weise dienen könnte. Weil das Heil in Jesus liegt, nicht darin verstandesmäßig (vermeintliche) Wahrheiten ausformulieren zu können. So wie ich es verstehe, geht es im Christentum eben gar nicht so vorrangig um solche "wahre Ansichten" wie Menschen sie irdisch kennen. Es geht um den Menschen und Gott.
Ein Christ sollte Freiheit in Streitfragen haben, wenn er sich denn seine Meinung bewußt und informiert angeignet hat, auch und gerade spirituell informiert (will sagen: erbetet, nicht nur erdacht). Ein Christ sollte aber keinerlei Wahl in Wahrheitsfragen haben, den Wahrheit ist von Gott und Lüge ist vom Teufel.
Wie würdest du Streitfragen von Wahrheitsfragen abgrenzen?
sobald klar wird was wahr ist, sind gegenteilige Meinung nicht mehr legitim, sondern einfach nur noch falsch.
Wann wäre das wirklich entsprechend klar? Vielleicht halten es manche nur für klar? Wie sollte jemand ungeheuchelt eine Sichtweise vertreten, die ihm spirituell aus irgendeinem Grund eben nicht einleuchten mag? Wo ist dann "der Fehler"? Oder ist es dann einfach soweit so?
Hier folgen wir schließlich Jesus Christus selber, der viele Fragen der jüdischen Religion definitiv und allgemeinverbindlich klärte, unter Inkaufnahme der sündhaften Spaltung des erwählten Volkes.
Diese Scheidung machte sich letztlich wohl vor allem an Jesus selbst fest, der Positionierung der Menschen zu ihm? Soweit ich verstehe bedeutet das Fleischeswerk der "Spaltung", daß sich hier Christen, Teile des Leibes Christi auf der Beziehungsebene z.B. wegen "Streitfragen" voneinander entfremden, einander vielleicht schließlich auch organisatorisch auftrennen. Als verfehlend verstehe ich hier auch insbesondere die Gewichtung irgendwelcher Ansichten über die Gemeinsamkeit in der Liebe zu Jesus. Indem Menschen das Werk der Spaltung ausleben, zeigen sie letztlich, daß sie Gott hierbei nicht über alles lieben, somit auch nicht ihre Geschwister im Geist über letztlich nicht so entscheidende Meinungsdifferenzen.
"Selig sind ... die durch die Tore eingehen in die Stadt. Draußen aber sind die Hunde und die "Pharmazeuten" und die Buhler und die Mörder und die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut." Off 22,14+15

Ralf

Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Ralf »

Stephanie hat geschrieben:
Mittwoch 20. Januar 2021, 13:46
Entschuldige bitte, aber die RKK verlangt Unterordnung mit Deutungshoheit. Ich wüsste tatsächlich nicht, weshalb die OK da Sehnsucht entwickeln sollte...
Woran machst Du diesen Eindruck fest?

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FranzSales
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von FranzSales »

Trisagion hat geschrieben:
Samstag 23. Januar 2021, 20:29
Germanus hat geschrieben:
Samstag 23. Januar 2021, 16:36
Die "älteren kirchlichen Texte", auf die ich mich bezog, sind im Grunde legislative Texte des Mittelalters in engem Bezug zu Liturgie und Gottesdienst, für die Rezeption auch der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart.
Ich halte legislative Text zu Liturgie und Gottesdienst nur sehr begrenzt für "Theologie-fähig". Womit nicht gesagt sein soll, daß derlei Texte und Entscheidungen unwichtig wären. Aber sie gehören für mich nur selten zur Problematik die ich hier angesprochen habe.
Der "Lex Orandi, Lex Credendi" Grundsatz gilt bei Dir nicht? Mit Deiner Auffassung bist Du in der Tat meilenweit von der Alten Kirche entfernt. Ich halte Deinen überbordenen rationalistischen Ansatz für wenig zielführend. Ziel ist das Heil der Seelen und nicht ein theologischer "Brainfuck". Jesus hat diese Art von Theologie nicht betrieben, die Apostel auch nicht. Christentum ist ein °Weg" (um hier mal die älteste Bezeichnung für Christen aufzugreifen) und nicht ein akademisches Gedankenkonstrukt. Damit will ich nicht grundsätzlich etwas gegen akademische Theologie sagen, aber Du verkennst m.E. , dass der Mensch sich in einem gefallenen Zustand befindet. Was er vom dreieinigen Gott weiss ist offenbart und nicht logisch abgeleitet worden. Der dreieinige Gott ist der ganz Andere und (da jenseits von Zeit, Raum etc) auch einer rationalen und wissenschaftlichen Betrachtung entzogen. Der Apostel Paulus spricht davon, dass wir wie in einen verschwommenen Spiegel schauen. Die ein reines Herz haben werden Gott schauen.

Thomas von Aquin hatte 1273 offenbar eine Begegnung mit Gott gehabt. Er hat danach nie wieder etwas Theologisches geschrieben. Er soll folgendes gesagt haben:
Alles, was ich geschrieben habe,kommt mir vor wie Stroh im Vergleich zu dem, was ich gesehen habe.
Wie gesagt: Nichts gegen eine akademische Theologie. Aber sie ist nicht das Wesentliche des Christentums. Du folgst einem bestimmten Denkansatz. Das ist völlig ok, aber nicht der Massstab aller Dinge. Die Orthodoxen haben einen anderen Ansatz, ein anderes Phronema, um Theologie zu betreiben. Und das ist auch völlig in Ordnung.
Zuletzt geändert von Hubertus am Sonntag 24. Januar 2021, 18:42, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Zitatformat repariert u. an Forumsregel angepaßt. ./. Versehentlich minimal erweitertes Doppelposting ergänzt.
"Herr Jesus Christus, wir beten Dich an und benedeien Dich. In Deinem Heiligen Kreuz hast Du die Welt erlöst."

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FranzSales
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von FranzSales »

Hier ein sehr gutes Interview von Gospel Simplicity mit Fr. Peter Heers. Wer Englisch kann, sollte sich das unbedingt anhören. Hier sieht man in der Tat, wie unterschiedlich die Denkansätze sind. Welche dem Evangelium näherstehen oder ob sie gleichberechtigt sind, muss jeder selbst entscheiden.

https://youtube.com/watch?v=JY9Vxs-QmSk&feature=share
"Herr Jesus Christus, wir beten Dich an und benedeien Dich. In Deinem Heiligen Kreuz hast Du die Welt erlöst."

Ralf

Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Ralf »

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Samstag 23. Januar 2021, 15:23
Ich halte einiges von der "Gewissensfreiheit" einzelner Christen, Themen so zu betrachten wie sie sich ihnen erschließen. Ist es denn zum Heil mehr und mehr Fragen definitiv und allgemeinverbindlich klären zu wollen? Oder ist soetwas nicht oft Anlaß auch zu sündhafter Spaltung?
In der Alten Kirche war man durchaus der Meinung, daß das Heil daran hing, was genau man glaubte. Mir wäre neu, daß das in der Orthodoxie nicht mehr gilt, aber ich kann mich irren und das ist jetzt wirklich so.

Die Alte Kirche nahm dabei auch Spaltungen in Kauf.

Ralf

Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Ralf »

FranzSales hat geschrieben:
Sonntag 24. Januar 2021, 16:24
Hier ein sehr gutes Interview von Gospel Simplicity mit Fr. Peter Heers. Wer Englisch kann, sollte sich das unbedingt anhören. Hier sieht man in der Tat, wie unterschiedlich die Denkansätze sind. Welche dem Evangelium näherstehen oder ob sie gleichberechtigt sind, muss jeder selbst entscheiden.

https://youtube.com/watch?v=JY9Vxs-QmSk&feature=share
Danke für den Tipp! Darauf freue ich mich schon. Gospel Simplicity ist ein super Kanal!

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FranzSales
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von FranzSales »

Ralf hat geschrieben:
Sonntag 24. Januar 2021, 22:06
FranzSales hat geschrieben:
Sonntag 24. Januar 2021, 16:24
Hier ein sehr gutes Interview von Gospel Simplicity mit Fr. Peter Heers. Wer Englisch kann, sollte sich das unbedingt anhören. Hier sieht man in der Tat, wie unterschiedlich die Denkansätze sind. Welche dem Evangelium näherstehen oder ob sie gleichberechtigt sind, muss jeder selbst entscheiden.

https://youtube.com/watch?v=JY9Vxs-QmSk&feature=share
Danke für den Tipp! Darauf freue ich mich schon. Gospel Simplicity ist ein super Kanal!
Ja, Austin macht das echt klasse. Sehr offen und mit echtem Interesse, was andere so denken. Ein weiteres Highlight dort ist die Kirchenführung in der katholischen Kirche in Chicago. Eine komprimierte Katechese. Aber das ist jetzt echt off topic ... :) Recommended!
"Herr Jesus Christus, wir beten Dich an und benedeien Dich. In Deinem Heiligen Kreuz hast Du die Welt erlöst."

Aslan_3
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Aslan_3 »

FranzSales hat geschrieben:
Sonntag 24. Januar 2021, 09:59
Trisagion hat geschrieben:
Samstag 23. Januar 2021, 20:29
Germanus hat geschrieben:
Samstag 23. Januar 2021, 16:36
Die "älteren kirchlichen Texte", auf die ich mich bezog, sind im Grunde legislative Texte des Mittelalters in engem Bezug zu Liturgie und Gottesdienst, für die Rezeption auch der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart.
Ich halte legislative Text zu Liturgie und Gottesdienst nur sehr begrenzt für "Theologie-fähig". Womit nicht gesagt sein soll, daß derlei Texte und Entscheidungen unwichtig wären. Aber sie gehören für mich nur selten zur Problematik die ich hier angesprochen habe.
Der "Lex Orandi, Lex Credendi" Grundsatz gilt bei Dir nicht? Mit Deiner Auffassung bist Du in der Tat meilenweit von der Alten Kirche entfernt. Ich halte Deinen überbordenen rationalistischen Ansatz für wenig zielführend. Ziel ist das Heil der Seelen und nicht ein theologischer "Brainfuck". Jesus hat diese Art von Theologie nicht betrieben, die Apostel auch nicht. Christentum ist ein °Weg" (um hier mal die älteste Bezeichnung für Christen aufzugreifen) und nicht ein akademisches Gedankenkonstrukt. Damit will ich nicht grundsätzlich etwas gegen akademische Theologie sagen, aber Du verkennst m.E. , dass der Mensch sich in einem gefallenen Zustand befindet. Was er vom dreieinigen Gott weiss ist offenbart und nicht logisch abgeleitet worden. Der dreieinige Gott ist der ganz Andere und (da jenseits von Zeit, Raum etc) auch einer rationalen und wissenschaftlichen Betrachtung entzogen. Der Apostel Paulus spricht davon, dass wir wie in einen verschwommenen Spiegel schauen. Die ein reines Herz haben werden Gott schauen.
Das Eine widerspricht dem Anderen nicht, daher sind so abwertende Vokabeln wie "Brainfuck" gegenüber der akademischen Theologie deplaziert.
Die wirklich herausragenden Theologen waren meines Wissens auch alle exzellente Beter.
FranzSales hat geschrieben:
Sonntag 24. Januar 2021, 09:59
Thomas von Aquin hatte 1273 offenbar eine Begegnung mit Gott gehabt. Er hat danach nie wieder etwas Theologisches geschrieben. Er soll folgendes gesagt haben:
Alles, was ich geschrieben habe,kommt mir vor wie Stroh im Vergleich zu dem, was ich gesehen habe.
Wie gesagt: Nichts gegen eine akademische Theologie. Aber sie ist nicht das Wesentliche des Christentums. Du folgst einem bestimmten Denkansatz. Das ist völlig ok, aber nicht der Massstab aller Dinge. Die Orthodoxen haben einen anderen Ansatz, ein anderes Phronema, um Theologie zu betreiben. Und das ist auch völlig in Ordnung.
Die Orthodoxen bleiben in der Theologie des ersten Jahrtausends verhaftet und verweigern sich der Möglichkeit, im Wissen um den Glauben voranzuschreiten.

Die Philosophie ist die ancilla theologiae sagt die Scholastik.
Das heißt: Sie ersetzt die Theologie nicht, geschweige denn majorisiert sie sie.
Sie dient dem Aufzeigen der Vernünftigkeit des katholischen Glaubens und dies ist insbesondere in unvernünftigen Zeiten extrem relevant.

Germanus
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Germanus »

Doch der, den Du in unvernünftigen Zeiten also auch unvernünftig durch sie stolpern siehst, wird sich schwerlich der "Vernünftigkeit des katholischen Glaubens" aussetzen und "vernünftig" werden, wenn nicht andere Elemente dazukommen, die viel wichtiger sind, als durch Logik und Intellekt vermittelte Argumente. Das unterscheidet die alte Theologie von der Wissenschaft, die heute als Theologie bezeichnet wird: Die über das theologische Geheimnis nachgedacht haben und Texte in bewundernswerter Sprache und klaren Gedankengängen verfassen konnten, haben das mit ganz anderen Voraussetzungen tun können, da die Lehre dieser (z.B. griech.) Väter anders vermittelt wurde, siehe diesen schönen (gerade heute gefundenen) Vergleich: Die "Hirtenflöte (des Bischofs) übertönt die Trompete der Rhetoren" - und das nicht etwa aus Gründen argumentativer Überlegenheit, sondern weil sie mit einem anderen Geist vertraut war.
Gruß G.
"Her, denke an mui, wenn diu met duinem Ruike kümmes." (Lk 23,42)

Aslan_3
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Aslan_3 »

Germanus hat geschrieben:
Montag 25. Januar 2021, 09:43
Doch der, den Du in unvernünftigen Zeiten also auch unvernünftig durch sie stolpern siehst, wird sich schwerlich der "Vernünftigkeit des katholischen Glaubens" aussetzen und "vernünftig" werden, wenn nicht andere Elemente dazukommen, die viel wichtiger sind, als durch Logik und Intellekt vermittelte Argumente. Das unterscheidet die alte Theologie von der Wissenschaft, die heute als Theologie bezeichnet wird: Die über das theologische Geheimnis nachgedacht haben und Texte in bewundernswerter Sprache und klaren Gedankengängen verfassen konnten, haben das mit ganz anderen Voraussetzungen tun können, da die Lehre dieser (z.B. griech.) Väter anders vermittelt wurde, siehe diesen schönen (gerade heute gefundenen) Vergleich: Die "Hirtenflöte (des Bischofs) übertönt die Trompete der Rhetoren" - und das nicht etwa aus Gründen argumentativer Überlegenheit, sondern weil sie mit einem anderen Geist vertraut war.
Gruß G.
Die Nein-Doch-Rhetorik kann man bis zum St.-Nimmerleinstag verwenden. :huhu:

Sie hat jedoch schwerwiegende Nachteile, weil Unbeteiligte daraus erkennen könnten, daß die Vernünftigkeit lediglich eine Maske ist.
Es wird am folgenden Beispiel deutlich:
Zu Beginn sagten die Heiden über die Christen: Seht, wie sie einander lieben!
Heutzutage sagen sie: Seht, wie sie miteinander streiten!

Die Vernünftigkeit des katholischen Glaubens war schon im ersten Jahrtausend gegeben, wurde dann jedoch durch die Scholastik expliziter formuliert. Neben die Hl. Schrift als dem Buch der Offenbarung trat ein zweites Buch, nämlich das der Natur, in der sich Gott ebenfalls offenbart.
Zunächst also in der Schrift, dann aber auch im Werk (der Schöpfung).

Ralf

Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Ralf »

Ich habe mal eine grundsätzliche Frage.

Klar sollte sein, daß die orthodoxe Welt das katholische Konzept des Purgatoriums ablehnt. Jetzt ist es so, daß es (s. erste Seite dieses Threads) durchaus auch von einzelnen orth. Heiligen vertretene Meinungen zu dem Zustand nach dem Tod gibt (bspw. wie sieht das aus mit den im russ. Bereich oft angenommenen "Zollstationen", was passiert da etc.).

Doch eine orthodoxe Einmütigkeit finde ich da nicht (mag an mir liegen).

Ist also die einzige Einmütigkeit: nicht so wie die Katholiken?

Und wenn es keine klare eigene Position gibt - wie kann man dann überhaupt eine Ablehnung theologisch begründen?

(Dasselbe Problem stellt sich bspw. bei der Aufnahme Mariens oder dem Dogma der Immaculata)

Germanus
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Germanus »

@Aslan_3: Ein Streit kann allerdings auch sehr gut sein, ein Wettstreit: Natürlich wäre es einfacher, wenn das "Seht, wie sie einander lieben!" in der Außenwahrnehmung im Vordergrund stehen würde. Doch für mich sind manche Folgen des Streits völlig normal und auch nicht verwerflich. Der Streit gehört ja ebenfalls zum apostolischen Erbe der Kirche. Daher ist die Darlegung von Sichtweisen noch lange keine Nein-Doch-Rhetorik, die ja darauf abzielt, dass endlich eine der beiden Seiten die andere zum Sieger erklärt. Das braucht es in der Kirche normalerweise nicht. Ein Heide hat hoffentlich auch damals das gesamte Spektrum wahrgenommen; wenn heute z.B. das Missbrauchsthema zum Austritt aus der kath. Kirche führt, hat das ja eher mit einem verdrehten Kirchenverständnis zu tun. Jener "Heide" hat heute hoffentlich mehr Interesse an der Praxis: Orthodoxerseits gilt ja auch, dass die Mystik im Hier und Jetzt steckt, in der Zubereitung guter Bratkartoffeln, im sauberen Klo, in der korrekten physikalischen Formel und im zerstreuten Gebet. Eher selten im Zerlegen von Glaubenssätzen.
@Ralf: Es wäre sehr ungesund, sich nur über eine Gegnerschaft zu definieren. Vielleicht kommen die Schwierigkeiten mit der orthodoxen Haltung durch die völlig andere Rezeption gewisser Glaubensinhalte. Wenn "Lycobates" z.B. die orth. Texte zu Schwere und Begrifflichkeit der Sünde zitiert, treffen sie sich hervorragend mit seiner Herangehensweise, da sie vom gleichen Geist inspiriert sind. Auch die "Zollstationen" gehören im gewissen Sinn dazu. Das liegt teilweise daran, dass im Grunde von kulturellen Gegensätzen zwischen Rom und Byzanz nur bedingt gesprochen werden kann (was auch für die johanneische und petrinische Ausprägung der Ost- und Westkirche zutreffen mag). Viel mehr ins Gewicht fällt die Art und Weise, wie sich der Umgang mit der Theologie entwickelt hat. Ich glaube nicht daran, dass der Osten sich gegen die Wissenschaft stellt, während der Westen das Licht der Erkenntnis voll ausschöpfen will. Ich glaube eher, dass der Unterschied zwischen dem orthodoxen Glauben und dem römisch-kath. Glauben (z.B.) sich darin ausdrückt, dass es mittlerweile unterschiedliche Religionen sind, was sich im Glaubensleben widerspiegelt. Bei diesen beiden Ausprägungen des Christentums sind einfach unterschiedliche Schaltkreise vorhanden, obwohl das Bild leider sehr unscharf den Gedanken wiedergibt. Vielleicht lässt es sich auch so ausdrücken: Wir lassen Gott orthodox anders auftreten, als wir es in der röm.-kath. Spielart zulassen. Das kann zu traurigen Ergebnissen führen, hat aber auch lange einigermaßen gut funktioniert.
Gruß G.
"Her, denke an mui, wenn diu met duinem Ruike kümmes." (Lk 23,42)

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Stephanie
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Stephanie »

Lieber Ralf,

zum Purgatorium muss ich selbst erst noch genauer recherchieren - ich verspreche dir, sobald ich eine sinnvolle Antwort geben kann, werde ich an dich denken und dich anschreiben.
Die Zollstationen: Sie sind nicht allgemeines Glaubensgut, also Dogma, sondern es gibt diese Vision/Beschreibung und sie ist im Volksglauben auch (regional unterschiedlich) verbreitet. Roman hatte aber meines Wissens schon versucht zu erklären, dass das VOR dem Gericht ist.
Generell ist vielleicht noch wichtig noch einmal ins Gedächtnis zu rufen (obwohl das bei den Katholiken vielleicht auch so ist?), dass die Hölle kein Ort ist, denn dann hätte Gott einen schlechten Ort/Unort geschaffen. Es ist der Zustand, der nicht Theosis erlangten Seele in der Gegenwart Gottes. Sie verzehrt sich, ob der (selbst verschuldeten) Ferne, Unfähigkeit in Kommunio mit Gott zu treten. Das ist mir nur wichtig zu erwähnen, weil unser aller Sprache da immer etwas irreführend ist (auch die meinige).
Zur Entschlafung der Gottesgebärerin: Sie ist, da Mensch, gestorben. Ihre Seele ist unzweifelhaft bei Gott und wir vermuten, dass sie, da sie bereits Theosis erlangt hatte, vollständig bei Gott ist. Da es aber hierzu keine feste Aussage der Jünger gibt und wir davon ausgehen, dass dies doch Erwähnung gefunden hätte, gehen wir zwar davon aus, aber können daraus kein Dogma ableiten. Das ist wohl der von dir erfragte Unterschied. Ihr seid euch gewiss, wir gehen davon aus.
Die Unbeflecktheit: Wir glauben, dass Maria ohne Sünde war, d.h. sie hat im Leben nicht gesündigt, aber nicht, weil sie vorher (also vor der Geburt) von der Erbsünde befreit wurde. In unseren Augen würde das ihre Zusage an Gott (als der Erzengel sie anspricht) schmälern.

Sieh mal: https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=i ... 51:41::325

Für einen tieferen Einstieg müsste ich aber ebenfalls recherchieren. Es tut mir leid, dass ich dir deine Fragen nicht so beantworten kann, wie Vater Heers das wohl könnte. Aber ich suche gerne weiter.

An dieser Stelle auch von meiner Seite an großes Dankeschön an FranzSales für den Tipp!

(Der junge Austin ist übrigens ein bemerkenswerter junger Mann und Interviewer. Ich wünsche ihm jedenfalls alles Gute und Gottes Segen bei seinem Tun)
Wird kaum der Gerechte gerettet, wo werde ich Sünder erscheinen? Die Last und Hitze des Tages habe ich nicht getragen. Die um die elfte Stunde kamen, denen zähle mich bei, Gott, und sei mein Erretter.

Aslan_3
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Aslan_3 »

Germanus hat geschrieben:
Montag 25. Januar 2021, 13:30
@Aslan_3: Ein Streit kann allerdings auch sehr gut sein, ein Wettstreit: Natürlich wäre es einfacher, wenn das "Seht, wie sie einander lieben!" in der Außenwahrnehmung im Vordergrund stehen würde. Doch für mich sind manche Folgen des Streits völlig normal und auch nicht verwerflich. Der Streit gehört ja ebenfalls zum apostolischen Erbe der Kirche. Daher ist die Darlegung von Sichtweisen noch lange keine Nein-Doch-Rhetorik, die ja darauf abzielt, dass endlich eine der beiden Seiten die andere zum Sieger erklärt. Das braucht es in der Kirche normalerweise nicht. Ein Heide hat hoffentlich auch damals das gesamte Spektrum wahrgenommen; wenn heute z.B. das Missbrauchsthema zum Austritt aus der kath. Kirche führt, hat das ja eher mit einem verdrehten Kirchenverständnis zu tun. Jener "Heide" hat heute hoffentlich mehr Interesse an der Praxis: Orthodoxerseits gilt ja auch, dass die Mystik im Hier und Jetzt steckt, in der Zubereitung guter Bratkartoffeln, im sauberen Klo, in der korrekten physikalischen Formel und im zerstreuten Gebet. Eher selten im Zerlegen von Glaubenssätzen.

.............

Gruß G.
Die Darlegung der Sichtweisen stellt sich mittlerweile jedoch nicht mehr als Darlegung von Sichtweisen dar.

Das Problem scheint zu sein, daß im östlichen Lungenflügel die negative Theologie zur conditio sine qua non gemacht worden ist, während im westlichen Lungenflügel die via positiva zumindest in der Katechese und in der Mystagogie als unverzichtbar angesehen wird.

Konkret:
Wird die Wandlung in einer Hl. Messe durch die Ausformulierung der Transsubstantiationslehre weniger geheimnisvoll?

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Marcus
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Marcus »

Stephanie hat geschrieben:
Montag 25. Januar 2021, 13:41
Die Unbeflecktheit: Wir glauben, dass Maria ohne Sünde war, d.h. sie hat im Leben nicht gesündigt, aber nicht, weil sie vorher (also vor der Geburt) von der Erbsünde befreit wurde. In unseren Augen würde das ihre Zusage an Gott (als der Erzengel sie anspricht) schmälern.
Liebe Stephanie,

zur Unbeflecktheit Mariens würde mich interessieren, ob es sich hierbei um eine verbindliche Glaubenslehre oder eher um eine vorherrschende Meinung in der Orthodoxie handelt?

Ich habe die deutsche Übersetzung eines theologischen Beitrages des früheren Patriarchen von Antiochien Mor Ignatius Zakka I. Iwas hierzu gelesen, der darin Folgendes äußert:

Mor Ignatius Zakka I. Iwas hat geschrieben:6. Annas Empfängnis und die Geburt Marias

Es ist erwähnenswert, dass Maria nach den Gesetzen der Natur empfangen worden ist. Der Vater
hieß Joachim und die Mutter, die das Kind gebar, hieß Anna. Maria ist die Tochter unfruchtbarer
Eltern wie Isaak, Samuel und Johannes der Täufer auch. Sie hat wie auch alle anderen Menschen
die Sünde unserer Ureltern - Adam und Eva -, die auch die Erbsünde genannt wird, geerbt. Sie
umfaßt die gesamte Menschheit angefangen bei Adam, der, als er sündigte, das menschliche
Geschlecht in der Verantwortung des Sündigwerdens darstellte. Diese Sünde konnte nur durch
die Fleischwerdung Jesu, der zweiten Person der heiligen Trinität, getilgt werden. Der Apostel
Paulus sagt dazu: Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die
Sünde der Tod, und auf diese Weise gelangte der Tod zu allen Menschen, weil alle sündigten
(Röm 5,12). David sagt: Denn ich bin in Schuld geboren; in Sünde hat mich meine Mutter
empfangen (Ps 51,7). Keiner wurde vom Erbe dieser Sünde ausgenommen außer Jesus Christus,
der das Sühneopfer für die Sünden der Welt wurde. Der Apostel Paulus sagt: „Ohne es verdient
zu haben, werden sie gerecht dank seiner Gnade, durch die Erlösung in Christus Jesus. Ihn hat
Gott dazu bestimmt, Sühne zu leisten mit seinem Blut, Sühne, wirksam durch Glauben. So
erweist Gott seine Gerechtigkeit durch die Vergebung der Sünden, die früher, in der Zeit seiner
Geduld begangen wurden." (Röm 3,24.25) und: "Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde
in die Welt und durch die Sünde der Tod, und auf diese Weise gelangte der Tod zu allen
Menschen, weil alle sündigten." (Röm 5,12) sowie: "Doch anders als mit der Übertretung verhält
es sich mit der Gnade; sind durch die Übertretung des einen die vielen dem Tod anheimgefallen,
so ist erst recht die Gnade Gottes und die Gabe, die durch die Gnadentat des einen Menschen
Jesus Christus bewirkt worden ist, den vielen reichlich zuteil geworden." (Röm 5,15) Maria ist
also, wie alle anderen Menschen, unter dem Joch der Sünde geboren, und sie ist
höchstwahrscheinlich in Nazareth geboren.

http://wwwuser.gwdg.de/~grabo/library/jungfraumaria.pdf
Mor Ignatius Zakka I. Iwas hat geschrieben:[…]
In dem Augenblick, in dem Maria den Auftrag Gottes erhielt, kam der Heilige Geist über sie; er
reinigte und heiligte sie. (Luk 1,35) Und die Gottheit wohnte von nun an in ihrem Schoß und
machte sich aus ihrem Blut einen vollkommenen Leib, mit der das Geheimnis der samenlosen,
göttlichen Inkarnation begann. (Mt 1,18) Gott nahm von Maria die vollkommene menschliche
Natur, also einen Körper aus Fleisch und Blut und mit einer vernunftbegabten Seele. (Mt 26,38;
Luk 23,46)22 Und so war er in allem wie wir doch ohne Sünde. (Heb 4,15) Und der von der
Jungfrau geboren wurde ist heilig und wird Sohn Gottes genannt. (Luk 1,35)
[...]
http://wwwuser.gwdg.de/~grabo/library/jungfraumaria.pdf
Für mich liest sich das so, dass er nicht von einer Sündlosigkeit Mariens von Geburt an ausgeht.

Mir ist natürlich bewusst, dass man dieses Thema in einem anderen Strang ausführlicher behandeln müsste. Mir geht es hierbei aber auch weniger um Dogmatik oder um die Rechtfertigung der Lehre, sondern bloß um die Beantwortung einer bei mir zu Deinem Beitrag aufkommenden Frage.

LG Marcus
Jesus spricht: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ (Joh. 14,6)

Trisagion
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Trisagion »

FranzSales hat geschrieben:
Sonntag 24. Januar 2021, 09:59
Der "Lex Orandi, Lex Credendi" Grundsatz gilt bei Dir nicht? Mit Deiner Auffassung bist Du in der Tat meilenweit von der Alten Kirche entfernt.
Diese Regel ist für mich eher etwas wie ein Grundgesetz, oder das kleine Einmaleins. Wenn Dein Glaube sogar die aus der Liturgie herauslesbaren Glaubenssätze verletzt, dann ist Hopfen und Malz verloren. Die Zeiten wo die Liturgie eine Quelle für neue Einsichten bzgl. der Lehre war, in einem direkten Sinne, sind aber schon lange vorbei. Davon unbenommen ist die Frage, ob ein Theologe an der Liturgie teilnehmen sollte. Sicher sollte er das, aber nicht weil in dem was er das an Texten gesprochen und gesungen hört inhaltlich Neues zu finden wäre (hoffen wir mal). Außerdem ist Liturgie nicht präzise, und will es auch garnicht sein. Genau wie ein Gedicht keine präzise und logische Faktenauswertung ist. Wir haben weiter oben im Strang ja einen Auszug aus Orthodoxer Liturgie gesehen, der rein logisch betrachtet impliziert, daß Maria sündigte. Das war selbstverständlich dort nicht gemeint, und wurde sofort wegerklärt. Ich zweifle diese Erklärung auch überhaupt nicht an. Aber es zeigt eben Grenzen auf wenn man versucht Liturgie in Glaubenssätze umzusetzen.
FranzSales hat geschrieben:
Sonntag 24. Januar 2021, 09:59
Ich halte Deinen überbordenen rationalistischen Ansatz für wenig zielführend. Ziel ist das Heil der Seelen und nicht ein theologischer "Brainfuck". Jesus hat diese Art von Theologie nicht betrieben, die Apostel auch nicht.
Ich wüßte nicht, daß mein Ansatz "überbordend" ist. Ich behaupte ja keineswegs, daß die Theologie die Gesamtheit christlichen Lebens ist. Nicht mal, daß jeder Christ theologisch aktiv sein muß. Das tun hier andere, und weil das selbstverständlich nicht der Fall ist, lügen sie sich in die Tasche: es sei dann eine "andere Form" der Theologie, die alle betreiben können und sollten.

Meine Aussage ist vielmehr einerseits, daß richtige Theologie für die Kirche essentiell ist. Und andererseits, daß Theologie um richtig zu sein gewisse Qualitätsanforderungen erfüllen muß. Wer also meint, die Kirche als Ganzes (statt individueller Gläubiger) käme ohne Theologie aus, liegt falsch. Und wer glaubt, daß es relativ willkürlich / nicht so wichtig ist welche Form Theologie annimmt, auch.

Es sei auch erwähnt, daß Jesus selber sich durchaus präzise theologischen Aussagen in Streitfragen traf, z.B. zur Frage welche Arbeit am Sabbath erlaubt ist oder wer der Ehemann im Himmel einer mehrfach verheirateten Frau ist. Und Paulus ist auch nicht gerade um theologische Analyse verlegen, etwa zur Frage ob das erwählte Volk fallengelassen wurde, wie sich das mit Sünde, Tod, und Erlösung und der Wirkung von Adam und Jesus verhält, oder mal ganz praktisch zur Frage der Sexualität für Christen.

Ist das schon im Modus späterer Theologie? Offensichtlich nicht, aber dieser Anfang ist ja in vielerlei Hinsicht ein Samenkorn, daß sich erst noch entfalten muß. Die Kirchenhierarchie gab es nur rudimentär, die Liturgie war kaum ausgearbeitet, die hatten weder Rosenkränze noch Ikonen. Es gibt gute Gründe warum uns Jesus den Heiligen Geist sendete, und ich sehe keinen guten Grund warum der nicht in der Theologie - genau wie in allem anderen - die richtige Entwicklung betreuen konnte.
FranzSales hat geschrieben:
Sonntag 24. Januar 2021, 09:59
Der dreieinige Gott ist der ganz Andere und (da jenseits von Zeit, Raum etc) auch einer rationalen und wissenschaftlichen Betrachtung entzogen. Der Apostel Paulus spricht davon, dass wir wie in einen verschwommenen Spiegel schauen.
Da hat der Paulus absolut recht. Umso schlimmer, wenn viele Leute meinen diesen Spiegel dann auch noch verkratzen, verbiegen, oder mit Farbe übermalen zu müssen, um Gottes Geheimnis vor unserem Blick zu schützen. Ich halte derlei für eine Beleidigung Gottes.
FranzSales hat geschrieben:
Sonntag 24. Januar 2021, 09:59
Thomas von Aquin hatte 1273 offenbar eine Begegnung mit Gott gehabt. Er hat danach nie wieder etwas Theologisches geschrieben. Er soll folgendes gesagt haben:
Alles, was ich geschrieben habe,kommt mir vor wie Stroh im Vergleich zu dem, was ich gesehen habe.
Thomas war sein Leben lang kontemplativ, und zum Ende seines Leben hin versank er so oft und lang in Verzückung, daß die Leute die ihn umgaben ihn physisch aus seinen Trancen rütteln mußten um ihn in seinen Rollen am Funktionieren zu halten. Es besteht kein Zweifel, daß er sich persönlich auf einem bestimmten Glaubensweg befand den man durchaus mystisch nennen kann.

Es ist auch wahr, daß er - jedenfalls nach Aussagen die vermutlich auf Reginald zurückgehen - schließlich kurz vor seinem Tode mit solchen Worten die Arbeit an seinen Werken einstellte, nachdem er in einer Messe vom Heiligen Geist ergriffen wurde. Es ist jedoch völlig falsch anzunehmen, daß er nun seine Werke als für andere oder die Kirche unzureichend oder gar als unzutreffend ansah. Wir wissen das genau, denn wir wissen wie er starb. Er befand sich nämlich auf dem Weg zum Konzil von Lyons was - interessant für uns hier - die Wiedervereinigung mit den "Griechen" erreicht sollte. Und im Gepäck hatte er sein Contra errores graecorum. Auf dem Weg machte er auch halt in der Abtei von San Germano (heute: Monte Cassino) und schrieb auf Bitte für den Abt eine erhaltene Erläuterung einer umstrittenen Passage in St Gregory bzgl. menschlicher Freiheit und Gottes Wissen (Leonine, Vol. 42, pp 395-415, Einleitung bei A. Dondaine). Diese Erläuterung gilt im übrigen als Thomas beste zum Thema. Schließlich wurde er sehr krank, und mache in der Abtei von Fossanova halt. Es gibt Aussagen, daß er hier noch auf dem Totenbet einen Kommentar zum Hohelied Salomons verfasste. Aber falls das so war, haben wir keine Überlieferung davon. Was aber eine Reihe von Augenzeugen bezeugten, ist daß er die Mönche die ihn pflegten länger über den Körper Christi belehrte, und daß er anschließend seine gesamten Werke mit bekannten Formeln dort dem Urteil der Kirche unterstellte. Es gibt hier leicht verschiedene Variationen des genauen Wortlauts, aber alle sind sich einig bzgl. der Formel und der vorausgehenden - positiven - Bewertung seines eigenen Werkes. Es ist vielleicht gut hier die Version die durch Tocco vermittel wurde zu erwähnen (meine Übersetzung aus dem Englischen, eine Französischen Werkes, das unzweifelhaft Lateinischen Text übersetzt...): "Ich empfange dich, Preis der Erlösung meiner Seele. Ich empfange dich, viaticum meiner Pilgerschaft, aus Liebe zu dir habe ich studiert, beobachtet, gearbeitet. Ich habe dich gepredigt, ich habe dich gelehrt; niemals habe ich etwas gegen dich gesagt, und sollte ich es aus Unwissen getan haben dann verharre ich nicht stur in meinem Fehler; sollte ich falsch gelehrt haben über diese Sakrament oder die anderen, dann unterwerfe ich es dem Urteil der heiligen Römischen Kirche, da ich nun in Gehorsam zu ihr dieses Leben verlasse."

All dies (und noch viel mehr) zu finden in der Biographie von Jean-Pierre Torrell, O.P.

Man tut dem Mann also wirklich großes Unrecht, wenn man annimmt, daß er sein eigenes Werk irgendwie zur Disposition gestellt hätte oder abgelehnt hätte. Ich denke vielmehr, der Unterschied zwischen dem was er sah und dem was er ausdrücken konnte wurde zu groß. Und auf rein menschlicher Ebene denke ich war er einfach erschöpft. Thomas hat jahrzehntelang enorm viel Text produziert, hat Vorlesung gehalten, war Berater für seinen Orden und andere, etc. Der Mann war unglaublich arbeitsam und starb ja nun auch genau wie er lebte. Und zwar starb er als praktizierender Theologe, auf dem Weg zu einem Konzil as Berater, Mönchen in einer theologischen Streitfrage beistehend, theologisch lehrend bis zum Ende, und mit dem Gehorsam gegenüber der Kirche auf den Lippen sterbend. (Übrigens keine leere Formel, Thomas war in Paris durchaus kontrovers wegen seinem Hang zu Aristoteles und wurde der Häresie verdächtigt.)
FranzSales hat geschrieben:
Sonntag 24. Januar 2021, 09:59
Die Orthodoxen haben einen anderen Ansatz, ein anderes Phronema, um Theologie zu betreiben. Und das ist auch völlig in Ordnung.
Es gibt andere Wege sich Gott zu nähern, als durch Theologie. Und es gibt viel Variation innerhalb der Theologie. Aber Theologie ist eine spezifische Art gottgewandter Aktivität, und man kann charakterisieren was zu guter Theologie gehört. Der Westen produziert viel Schrott in der Theologie, was menschlich ist, aber er hat die Prinzipien guter Theologie begriffen und jedenfalls teilweise erfolgreich institutionalisiert. Da der Osten auf keinen Fall jemals zugegeben kann, daß der Westen irgendetwas besser macht, hält er sich selbst in einem merkwürdigen Zustand der Unterentwickling gefangen, was die Theologie angeht. Das ist ... schade.

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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Jakobgutbewohner »

Trisagion hat geschrieben:
Montag 25. Januar 2021, 15:05
Umso schlimmer, wenn viele Leute meinen diesen Spiegel dann auch noch verkratzen, verbiegen, oder mit Farbe übermalen zu müssen, um Gottes Geheimnis vor unserem Blick zu schützen. Ich halte derlei für eine Beleidigung Gottes.
Jeder Mensch hat in sich einen Spiegel in unterschiedlichem Zustand? Kann eigenes Sehen denn durch Lehrinhalt aus anderem Mund wertig ersetzt werden?

Da ich mir unsicher bin, ob dieses Thema hier nicht den Rahmen sprengen würde, hatte ich einen neuen Thread eröffnet:

viewtopic.php?f=4&t=20081
"Selig sind ... die durch die Tore eingehen in die Stadt. Draußen aber sind die Hunde und die "Pharmazeuten" und die Buhler und die Mörder und die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut." Off 22,14+15

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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Germanus »

@Trisagion:
Da der Osten auf keinen Fall jemals zugegeben kann, daß der Westen irgendetwas besser macht, hält er sich selbst in einem merkwürdigen Zustand der Unterentwickling gefangen, was die Theologie angeht. Das ist ... schade.
Ein bisschen schade ist es tatsächlich, dass hier auf ein Lob aus dem Osten gewartet wird. Sicher, Lob ist gut und sinnvoll. Der christliche Osten lebt aber doch anders, glaubt sogar anders - vielleicht verliert er da aus den Augen, dass man im Westen auf Anerkennung wartet. Aber da es um Andersartigkeit geht, hätte ein Lob wohl oft zur Folge, dass man im Westen dann sagt: "Ja aber warum folgt Ihr uns dann nicht in dieser Sache?" Und wir wären wieder am Ausgangspunkt, da es in der orthodoxen Theologie um ganz andere Dinge geht als in der römisch-katholischen. Die ganze orthodoxe Theologie hat eigentlich auch wenig mit dem zu tun, was akademisch lehrbar ist; und das ist keine Anklage an das, was man katholischerseits Theologie nennt! Ich persönlich habe große, sogar sehr große Hochachtung vor vielen kath. (und evang.) Theologen: Ratzinger, Angenendt, Jungmann, Wilckens, Taft, Schneider, Rahner ... es sind zu viele, als dass ich alle aufzählen könnte. Sie alle haben ein immenses Wissen vorgelegt, das ich selbst niemals ganz nutzen kann, weil es so beeindruckend ist. Aber alles das, was ich von ihnen lesen und vearbeiten durfte, zeigt mir persönlich die Schönheit des orthodoxen Glaubens auf. Das ist ein Begriff, der allerdings wohl wieder schweren Widerspruch hervorrufen wird, nehme ich mal an: Er soll aber nicht aussagen, dass alles Römisch-katholische hässlich ist. Er fasst ins Worte, was auch seine Berechtigung haben darf unter Christen.
Gruß G.
"Her, denke an mui, wenn diu met duinem Ruike kümmes." (Lk 23,42)

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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Protasius »

Germanus hat geschrieben:
Montag 25. Januar 2021, 17:00
@Trisagion:
Da der Osten auf keinen Fall jemals zugegeben kann, daß der Westen irgendetwas besser macht, hält er sich selbst in einem merkwürdigen Zustand der Unterentwickling gefangen, was die Theologie angeht. Das ist ... schade.
Ein bisschen schade ist es tatsächlich, dass hier auf ein Lob aus dem Osten gewartet wird. Sicher, Lob ist gut und sinnvoll. Der christliche Osten lebt aber doch anders, glaubt sogar anders - vielleicht verliert er da aus den Augen, dass man im Westen auf Anerkennung wartet. Aber da es um Andersartigkeit geht, hätte ein Lob wohl oft zur Folge, dass man im Westen dann sagt: "Ja aber warum folgt Ihr uns dann nicht in dieser Sache?" Und wir wären wieder am Ausgangspunkt, da es in der orthodoxen Theologie um ganz andere Dinge geht als in der römisch-katholischen. Die ganze orthodoxe Theologie hat eigentlich auch wenig mit dem zu tun, was akademisch lehrbar ist; und das ist keine Anklage an das, was man katholischerseits Theologie nennt! Ich persönlich habe große, sogar sehr große Hochachtung vor vielen kath. (und evang.) Theologen: Ratzinger, Angenendt, Jungmann, Wilckens, Taft, Schneider, Rahner ... es sind zu viele, als dass ich alle aufzählen könnte. Sie alle haben ein immenses Wissen vorgelegt, das ich selbst niemals ganz nutzen kann, weil es so beeindruckend ist. Aber alles das, was ich von ihnen lesen und vearbeiten durfte, zeigt mir persönlich die Schönheit des orthodoxen Glaubens auf. Das ist ein Begriff, der allerdings wohl wieder schweren Widerspruch hervorrufen wird, nehme ich mal an: Er soll aber nicht aussagen, dass alles Römisch-katholische hässlich ist. Er fasst ins Worte, was auch seine Berechtigung haben darf unter Christen.
Gruß G.
:hmm: Das wirkt ein wenig so, als wolltest du erklären, daß es Theologie im westlichen Sinne im Osten nicht gäbe und man dort unter diesem Wort etwas anderes verstünde.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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Stephanie
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Stephanie »

Stephanie hat geschrieben:
Montag 25. Januar 2021, 13:41
Lieber Ralf,

zum Purgatorium muss ich selbst erst noch genauer recherchieren - ich verspreche dir, sobald ich eine sinnvolle Antwort geben kann, werde ich an dich denken und dich anschreiben.
Die Zollstationen: Sie sind nicht allgemeines Glaubensgut, also Dogma, sondern es gibt diese Vision/Beschreibung und sie ist im Volksglauben auch (regional unterschiedlich) verbreitet. Roman hatte aber meines Wissens schon versucht zu erklären, dass das VOR dem Gericht ist.
Generell ist vielleicht noch wichtig noch einmal ins Gedächtnis zu rufen (obwohl das bei den Katholiken vielleicht auch so ist?), dass die Hölle kein Ort ist, denn dann hätte Gott einen schlechten Ort/Unort geschaffen. Es ist der Zustand, der nicht Theosis erlangten Seele in der Gegenwart Gottes. Sie verzehrt sich, ob der (selbst verschuldeten) Ferne, Unfähigkeit in Kommunio mit Gott zu treten. Das ist mir nur wichtig zu erwähnen, weil unser aller Sprache da immer etwas irreführend ist (auch die meinige).
Zur Entschlafung der Gottesgebärerin: Sie ist, da Mensch, gestorben. Ihre Seele ist unzweifelhaft bei Gott und wir vermuten, dass sie, da sie bereits Theosis erlangt hatte, vollständig bei Gott ist. Da es aber hierzu keine feste Aussage der Jünger gibt und wir davon ausgehen, dass dies doch Erwähnung gefunden hätte, gehen wir zwar davon aus, aber können daraus kein Dogma ableiten. Das ist wohl der von dir erfragte Unterschied. Ihr seid euch gewiss, wir gehen davon aus.
Die Unbeflecktheit: Wir glauben, dass Maria ohne Sünde war, d.h. sie hat im Leben nicht gesündigt, aber nicht, weil sie vorher (also vor der Geburt) von der Erbsünde befreit wurde. In unseren Augen würde das ihre Zusage an Gott (als der Erzengel sie anspricht) schmälern.

Sieh mal: https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=i ... 51:41::325

Für einen tieferen Einstieg müsste ich aber ebenfalls recherchieren. Es tut mir leid, dass ich dir deine Fragen nicht so beantworten kann, wie Vater Heers das wohl könnte. Aber ich suche gerne weiter.

An dieser Stelle auch von meiner Seite an großes Dankeschön an FranzSales für den Tipp!

(Der junge Austin ist übrigens ein bemerkenswerter junger Mann und Interviewer. Ich wünsche ihm jedenfalls alles Gute und Gottes Segen bei seinem Tun)
Öh...ich muss meine Ausführung konkretisieren, sonst ist sie (schon wieder) missverständlich. Ich meinte den ZEITPUNKT der leiblichen Aufnahme. Wie gesagt, die Gottesgebärerin ist der erste Mensch, der die volle Theosis erlangt hat. Daher ist sie unzweifelhaft bei Gott. Seele und Leib. Nur ist sie dennoch vorher gestorben, eben weil sie dennoch ein Mensch war. Und wie alles andere im Detail verlaufen ist, das wissen wir eben nicht genau.
Ich hoffe, ich habe das jetzt irgendwie verständlicher ausgedrückt.
Wird kaum der Gerechte gerettet, wo werde ich Sünder erscheinen? Die Last und Hitze des Tages habe ich nicht getragen. Die um die elfte Stunde kamen, denen zähle mich bei, Gott, und sei mein Erretter.

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Stephanie
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Stephanie »

Lieber Marcus,

wir beten und singen von der "allreinen und makellosen Immerjungfrau" - von daher glauben wir schon, dass sie nicht sündigte. Aber eben nicht, dass sie bereits vor ihrer Geburt aus der Gefallenheit unserer Natur befreit worden ist. Die Theosis begann mit der Vollkommenen Hingabe an Gott (im Gegenzug zu Eva, die ihren freien Willen ja zum Gegenteil verwandt).

Liebe Grüße
Stephanie
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Trisagion
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Trisagion »

Germanus hat geschrieben:
Montag 25. Januar 2021, 17:00
Ein bisschen schade ist es tatsächlich, dass hier auf ein Lob aus dem Osten gewartet wird.
Lob für den Westen wäre schön und angebracht, aber da friert ja wohl eher die Hölle über. Aufhören so zu tun als ob alles in Ordnung wäre und den eigenen Laden aufräumen wäre mal ein Anfang...
Germanus hat geschrieben:
Montag 25. Januar 2021, 17:00
Und wir wären wieder am Ausgangspunkt, da es in der orthodoxen Theologie um ganz andere Dinge geht als in der römisch-katholischen.
Echt? Schade. Wie der Name schon sagt, get es bei der römisch-katholischen Theologie um Gott, und um Dinge die mit Gott zu tun haben. Worum geht es denn bei der Orthodoxen Theologie? Backrezepte?
Germanus hat geschrieben:
Montag 25. Januar 2021, 17:00
Die ganze orthodoxe Theologie hat eigentlich auch wenig mit dem zu tun, was akademisch lehrbar ist; und das ist keine Anklage an das, was man katholischerseits Theologie nennt!
In der Tat, das ist vielmehr eine vernichtende Anklage gegen die Orthodoxe Theologie.
Germanus hat geschrieben:
Montag 25. Januar 2021, 17:00
Aber alles das, was ich von ihnen lesen und vearbeiten durfte, zeigt mir persönlich die Schönheit des orthodoxen Glaubens auf. Das ist ein Begriff, der allerdings wohl wieder schweren Widerspruch hervorrufen wird, nehme ich mal an: Er soll aber nicht aussagen, dass alles Römisch-katholische hässlich ist. Er fasst ins Worte, was auch seine Berechtigung haben darf unter Christen.
Warum sollte ich mich darüber aufregen, wenn Du eine Sache schöner als die andere findest? Das interessiert mich keinen Deut, über Geschmack lässt sich nicht streiten. Ich rede hier von Wahrheitsfindung, und den dazu nötigen Instrumenten. Es gibt keine "schönere" Wahrheit. Es gibt nur eine Wahrheit. Es gibt eventuell noch verschiedene Darstellungen derselben Wahrheit, von denen man eine schöner, nützlicher, verständlicher, oder sonstwas findet als eine andere. Aber damit man dann eine komplett freie Wahl aus Gründen der Ästhetik (oder anderen Günden) hat, müssen die eben nachweislich äquivalent sein. Sind sie es nicht, dann ist halt eine richtig und die anderen falsch (oder meist: eine ist richtiger, andere sind fälscher).

Trisagion
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Trisagion »

Stephanie hat geschrieben:
Montag 25. Januar 2021, 17:25
Aber eben nicht, dass sie bereits vor ihrer Geburt aus der Gefallenheit unserer Natur befreit worden ist. Die Theosis begann mit der Vollkommenen Hingabe an Gott (im Gegenzug zu Eva, die ihren freien Willen ja zum Gegenteil verwandt).
In welchem Alter ungefähr hat dann diese Theosis angefangen, und wann wurde sie erfolgreich abgeschlossen (ich nehme an, daß sie noch auf Erden abgeschlossen wurde)? War sie vor der Entwicklung von moralischer Verantwortlichkeit (sagen wir mal mit so ca. 12 Jahren) fertig damit? Wenn ja, inwiefern war sie vor diesem Alter überhaupt fähig zur "vollkommenen Hingabe an Gott"? Macht es Sinn von der vollkommenen Hingabe eine Kindes zu reden, daß noch so wenig weiß was es tut, daß wir ihm Mißetaten nicht zur Last legen? Wenn nein, dann lebte sie offenbar in der Gefallenheit menschlicher Natur im Zustand moralischer Verantwortlichkeit, möglicherweise Jahre lang, aber sündigte niemals auch nur im Geringsten. Wie ist das möglich? Sind wir alle auch dazu in der Lage? Oder war es vielleicht so, daß in dem exakten Augenblick in dem sie moralisch verantwortlich wurde sie sich gleichzeitig vollkommen an Gott hingab? Wie hat sie das Timing hingekriegt?

Und wenn Du sagst, daß hier der Heilige Geist ständig am Werke war um dafür zu sorgen, daß sie über keinen Fallstrick menschlicher Natur zum stolpern kam, bis sie felsenfest in Gott ruhte... nun, was bitte hast Du anderes gesagt, als daß Gott sie von der Erbsünde befreite?

Trisagion
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Trisagion »

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Samstag 23. Januar 2021, 21:31
Ja, es gibt Fragen, bei denen man davon ausgehen kann, daß sie eben auf bestimmte Weise korrekt zu beantworten wären. So ist es mit dem Wissen wie es unter Menschen üblich ist. Aber geht es im Christentum überhaupt so sehr darum? Ist darin christliches Heil zu finden?
Auch. Der Herr sagt "Ich bin der Weg, die Wahrheit, und das Leben." Wieviel Wahrheit der Mensch braucht auf dem Weg zum Leben ist sicher individuell verschieden. Aber ich gehe hier überhaupt nicht den "einfachen" Gläubigen an. Der "einfache" Gläubige meldet dann nämlich auch keinerlei Wahrheitsansprüche an. Die Oma die still ihren Rosenkranz vor der Messe durchbetet erzählt mir nicht von einer anderen Theologie, und schon garnicht schwingt sie sich zu irgendwelchen Aussagen zum Fegefeuer auf. Wenn man nachbohrt, weiß sie vielleicht noch ein paar in der Sonntagsschule gelernte Formel auswendig. Habe ich keine Problem mit. Im Zweifelsfall hat sie deutlich bessere Chance als ich in den Himmel zu kommen als ich.

Nur ist das eben hier nicht der Fall. Ich rede hier ja nicht mit einer solchen Oma. Ich rede hier weitgehend mit hochgebildeten und intelligenten Leute mit Karriere und Erfahrung, selbstbewußt und nicht scheu, auf jeden Fall aber mit Leuten die genug von Computertechnik und Redekunst verstehen um hier mitzuhalten. Dieses ganze Getue ob des ach so anderen Zugangs ist schlicht die in sich widersprüchliche Romantik eines Jean-Jacques Rousseau auf Theologie und Kirche angewandt. Die Orthodoxen geben hier die "edlen Wilden", noch unberührt von den verderblichen Einflüßen der (westlichen) Zivilisation. :roll:
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Samstag 23. Januar 2021, 21:31
"Der Endzweck der Lehre ist ja: Liebe aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben; wovon einige abgewichen sind, und zu unnützem Geschwätz sich gewendet haben; wollen der Schrift Meister sein und verstehen nicht was sie sagen oder aufstellen." 1 Tim 1,5-7
Ja, und was bedeutet denn nun "ungeheuchelter Glaube"? Und worin besteht ein "gutes Gewissen"? Wenn Du nicht weißt oder verstehst was der Glaube sagt, aber irgendwelche Ansichten nachplapperst statt zu sagen "ich weiß es nicht", ist das keine Heuchelei? Und wenn Du Dein Gewissen nicht informierst mit Regeln und Prinzipien, inwiefern ist die resultierende moralische Inkompetenz "gut" zu nennen? Mal abgesehen davon schon lustig hier ein Kapitel zitiert zu sehen, in der Paulus quasi die Inquisition ausruft (1 Tim,3-4 & 20).
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Samstag 23. Januar 2021, 21:31
Weil das Heil in Jesus liegt, nicht darin verstandesmäßig (vermeintliche) Wahrheiten ausformulieren zu können. So wie ich es verstehe, geht es im Christentum eben gar nicht so vorrangig um solche "wahre Ansichten" wie Menschen sie irdisch kennen. Es geht um den Menschen und Gott.
Wenn man von A nach B wandern will, geht es nicht um Landkarte und Kompaß (oder meinetwegen GPS Handy mit Kartenapp). Das ändert nichts daran, daß sie nützliche Hilfsmittel sind um den rechten Weg zu finden und sich nicht zu verirren. Ohne solche Hilfsmittel kannst Du schon zum Supermarkt gehen, und abhängig von Talent und Erfahrung findest Du Dich vielleicht in einem 10 km Umkreis noch ganz gut zurecht. Aber wenn es in unbekannte Gefilde geht, wird eben die Karte gezückt. Und welcher erfahrene Reisende spricht bitte abschätzig vom Berufsstand der Kartographen?!
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Samstag 23. Januar 2021, 21:31
Wie würdest du Streitfragen von Wahrheitsfragen abgrenzen?
Das ist keine einfache Frage, aber vor allem darum weil wir uns oft um Grenzfälle besonders heftig prügeln. Ich würde sagen, dort wo wir über Gott und Heilsfragen an sich reden (Trinität, Himmel & Hölle, ...) sind es Wahrheitsfragen. Dort wo wir über menschliche Organisation, Investition, und Prozedur reden, sind es Streitfragen. Ob die Gemeinde lieber das Kirchendach reparieren, Obdachlose betreuen oder eine Werbekampagne finanzieren soll, ist eine Streitfrage. Oft sind Streitfragen durch Wertung charakterisiert (dies ist wichtiger / besser als das). Wohingegen das bei Wahrheitsfragen nur im praktischen Sinne eine Rolle spielt (keine Wahrheit ist wichtiger / besser als eine andere per se, aber es kann wichtiger / besser sein für mich die eine zu suchen als die andere). Grenzfragen wie z.B. der Zölibat sind u.a. deshalb so schwierig, weil sei beides mischen.
Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Samstag 23. Januar 2021, 21:31
Indem Menschen das Werk der Spaltung ausleben, zeigen sie letztlich, daß sie Gott hierbei nicht über alles lieben, somit auch nicht ihre Geschwister im Geist über letztlich nicht so entscheidende Meinungsdifferenzen.
Spalter! Deine Intoleranz gegenüber Christen die meinen, um Gott und den Nächsten recht zu lieben muß man sie erstmal gut erkennen, ist unerträglich. (Ironie-Smily)

Ralf

Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Ralf »

Germanus hat geschrieben:
Montag 25. Januar 2021, 13:30
Ich glaube eher, dass der Unterschied zwischen dem orthodoxen Glauben und dem römisch-kath. Glauben (z.B.) sich darin ausdrückt, dass es mittlerweile unterschiedliche Religionen sind, was sich im Glaubensleben widerspiegelt. Bei diesen beiden Ausprägungen des Christentums sind einfach unterschiedliche Schaltkreise vorhanden, obwohl das Bild leider sehr unscharf den Gedanken wiedergibt. Vielleicht lässt es sich auch so ausdrücken: Wir lassen Gott orthodox anders auftreten, als wir es in der röm.-kath. Spielart zulassen. Das kann zu traurigen Ergebnissen führen, hat aber auch lange einigermaßen gut funktioniert.
Gruß G.
Wenn die katholische Kirche nur die Westkirche wäre, könnte ich Dich verstehen (wenn Dir auch nicht Recht geben ;) ). Doch ist es eben nicht so.
Die Fage ist: reden wir quasi vom "Phänotyp" der Katholischen Kirche und der Orthodoxie - also dem gelebten und erlebten Erscheinungsbild - oder dem "Genotyp" - den theologischen Grundlagen. Während viele Orthodoxe sagen, dies ließe sich nicht scharf trennen (was stimmt), eine scharfe Trennung sei sogar antiorthodox (was ich hinterfrage, weil es den Idealtypus des Gläubigen auf beiden Seiten zu selten gibt), geht es für mich überhaupt nicht um Nivellierung der Unterschiede.

Ich kann mit den Unterschieden in Sichtweise und Spiritualität sehr gut leben.

Die Frage ist: muß das noch kirchentrennend sein?

Ralf

Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Ralf »

Stephanie hat geschrieben:
Montag 25. Januar 2021, 13:41
Lieber Ralf,

zum Purgatorium muss ich selbst erst noch genauer recherchieren - ich verspreche dir, sobald ich eine sinnvolle Antwort geben kann, werde ich an dich denken und dich anschreiben.
Die Zollstationen: Sie sind nicht allgemeines Glaubensgut, also Dogma, sondern es gibt diese Vision/Beschreibung und sie ist im Volksglauben auch (regional unterschiedlich) verbreitet. Roman hatte aber meines Wissens schon versucht zu erklären, dass das VOR dem Gericht ist.
Generell ist vielleicht noch wichtig noch einmal ins Gedächtnis zu rufen (obwohl das bei den Katholiken vielleicht auch so ist?), dass die Hölle kein Ort ist, denn dann hätte Gott einen schlechten Ort/Unort geschaffen. Es ist der Zustand, der nicht Theosis erlangten Seele in der Gegenwart Gottes. Sie verzehrt sich, ob der (selbst verschuldeten) Ferne, Unfähigkeit in Kommunio mit Gott zu treten. Das ist mir nur wichtig zu erwähnen, weil unser aller Sprache da immer etwas irreführend ist (auch die meinige).
Zur Entschlafung der Gottesgebärerin: Sie ist, da Mensch, gestorben. Ihre Seele ist unzweifelhaft bei Gott und wir vermuten, dass sie, da sie bereits Theosis erlangt hatte, vollständig bei Gott ist. Da es aber hierzu keine feste Aussage der Jünger gibt und wir davon ausgehen, dass dies doch Erwähnung gefunden hätte, gehen wir zwar davon aus, aber können daraus kein Dogma ableiten. Das ist wohl der von dir erfragte Unterschied. Ihr seid euch gewiss, wir gehen davon aus.
Die Unbeflecktheit: Wir glauben, dass Maria ohne Sünde war, d.h. sie hat im Leben nicht gesündigt, aber nicht, weil sie vorher (also vor der Geburt) von der Erbsünde befreit wurde. In unseren Augen würde das ihre Zusage an Gott (als der Erzengel sie anspricht) schmälern.

Sieh mal: https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=i ... 51:41::325

Für einen tieferen Einstieg müsste ich aber ebenfalls recherchieren. Es tut mir leid, dass ich dir deine Fragen nicht so beantworten kann, wie Vater Heers das wohl könnte. Aber ich suche gerne weiter.

An dieser Stelle auch von meiner Seite an großes Dankeschön an FranzSales für den Tipp!

(Der junge Austin ist übrigens ein bemerkenswerter junger Mann und Interviewer. Ich wünsche ihm jedenfalls alles Gute und Gottes Segen bei seinem Tun)
Liebe Stephanie,

danke für Deine ausführliche Antwort, auch die Präzisierung des Standpunktes später noch (die ich jetzt nicht zitiere).

Wenn die Zollstationen, wie schon vorher Roman dargelegt hat (siehe S. 1 hier) VOR dem persönlichen Gericht sind, dieses also nicht zum Zeitpunkt des Todes stattfindet, dann habe ich einige Fragen dazu. Diese betreffen das Thema Zeit und die Folge des Gebetes für die Verstorbenen:

1. was bewirkt das Gebet für Verstorbene? Lindert es den Aufenthalt an den Zollstationen? Ist dieser überhaupt mit einer schmerzlichen Erkenntnis der eigenen Unvollkommenheit verbunden? Wozu beten Orthodoxe für die Verstorbene - einfach gefragt: was konkret bringt das?

2. wie lange "dauert es" (in der Phase nach dem irdischen Dasein schwierig zu beschrieben, weiß ich) bis zum persönlichen Gericht?

Dann zur den Mariendogmen. Da ist Dein Link superspannend, denn interessanterweise äußern sich viele Orthodoxe dort gar nicht gegen den Inhalt der Glaubensaussage des Dogmas (hier Aufnahme Mariens in den Himmel), sondern gegen die formalia: könne nur ein Konzil sagen, der Papst schon mal gar nicht - manche sagen gar, ein Konzil dürfe sich nur streng christologisch äußern und da sei schon alles gesagt (diese konziliare Selbstbeschränkung war mir neu). Daß das nicht der orthodoxe Glaube sei, wird kaum behauptet!

Zur Immakulata möchte ich nur das, was Trisagion schrieb kurz zusammenfassen und noch einen anderen Punkt anmerken. Trisagion wollte ja ganz einfach schreiben: wenn Maria von Beginn ihrer Existenz an sündelos war und nicht erst ab dem Besuch des Engels (dieser also nur die Gnade feststellte, die Maria schon vor seinem Besuch geschenkt bekommen hatte und ihr sie nicht erst dann zuspricht), dann ist das exakt der katholische Glaube zur Immakulata.

Wenn man aber an der Erbsünde Mariens festhält und das mit Paulus begründet, dann macht man (wie der syrische Bischof) eine Art Eisegese: Paulus schrieb, daß alle sündigten. Im nächsten Satz nimmt der Bischof Jesus davon aus. Das hat übrigens Paulus nicht geschrieben, er schrieb alle. Natürlich meint Paulus damit nicht auch Jesus, somit hat der Bischof inhaltlich Recht, aber das zeigt, daß Paulus hier nicht alle meinte, obwohl er das so schrieb. Das ist keine gute Zeugenschaft gegen die Immakulata.

Des Weiteren möchte ich einen Punkt anmerken, der wirklich consensus patrum ist (Einigkeit der Väter): Maria als die neue Eva. Und wenn schon die alte Eva ohne Erbsünde war, wie soll es dann die neue sein?

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