Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Ostkirchliche Themen.
TillSchilling

Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von TillSchilling »

Hubertus hat geschrieben:
Sonntag 17. Januar 2021, 17:35
TillSchilling hat geschrieben:
Sonntag 17. Januar 2021, 15:07
1479 Da die verstorbenen Gläubigen, die sich auf dem Läuterungsweg befinden, ebenfalls Glieder dieser Gemeinschaft der Heiligen sind, können wir ihnen unter anderem dadurch zu Hilfe kommen, daß wir für sie Ablässe erlangen. Dadurch werden den Verstorbenen im Purgatorium für ihre Sünden geschuldete zeitliche Strafen erlassen.

Wenn einem Kriminellen ein Teil seiner Gefängnisstrafe erlassen wird, ändert das in seinem Inneren nichts. Es läutert sein Herz nicht.
Vorsicht, Denkfehler!

Es geht hier um die Sündenstrafe. Die Arme Seele hat die (schweren) Sünden ja bereits bereut und in der hl. Beichte die Schuld erlassen bekommen (Wäre der Mensch ohne Reue seiner Sünden gestorben, säße er in der Hölle). - Auch ein "geläuterter" Verbrecher wird aber seiner Strafe nicht entgehen. Das kann man nun eine "juristische" Sichtweise auf die Angelegenheit nennen, aber das greift m.E. zu kurz. Ich würde sagen, diese Sichtweise erwächst vielmehr aus philosophischen Erwägungen zum Thema "Gerechtigkeit" - und daraus erwächst dann eben auch die juristische Praxis.
Also geht es nicht (mehr) um Läuterung, sondern um das Absitzen von Strafe, korrekt? Die dann eben zum Teil erlassen werden kann.

Trisagion
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Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von Trisagion »

TillSchilling hat geschrieben:
Sonntag 17. Januar 2021, 15:07
Ich weiss nicht wieso du das Wort Strafe in Anführungszeichen setzt. Die Sprache des Katechismus ist, wie du schreibst, juristisch: Geschuldete Sündenstrafen, erlassen, Genugtuung.
Nun ja. Die "Strafen" um die es hier geht sind aber die zeitlichen begrenzten Konsequenzen von bereits vergebenen Sünden. Es ist nicht so als ob Gott hier quasi eine zusätzlich Strafe aufbrummt. Vielmehr wird erlitten was man sich durch Sünde eingehandelt hat (und das obwohl die Sünde an sich bereits vergeben ist). Es gibt jetzt zwei Wege das zu beschreiben. Man kann fragen, wie ist es von Gottes Seite her gerecht zu nennen, wenn er jemand für bereits vergebene Sünden noch leiden läßt? Und Fragen nach Gerechtigkeit lassen sich eben gut im juristischen Duktus diskutieren. Also sagt man analog: wenn jemand Dich ausraubt aber von der Polizei gefangen genommen wird, und sich reuig zeigt, dann bist Du vielleicht bereit die Tat zu vergeben. Das bedeutet aber nicht, daß Du nicht Dein Hab und Gut zurückhaben willst und auch den Täter seine Gefängnisstrafe absitzen lassen willst. Es heißt alleine, daß danach die Sache für Dich erledigt ist. Man kann aber andererseits auch darüber nachdenken, wie das von der Seite des Sünders aussieht, wenn Gott ihm seine Sünde vergeben hat, er sie aber nicht loslassen kann. Es ist ja überhaupt nicht so einfach sich voll seiner Schuld bewußt zu sein und Vergebung praktisch zu akzeptieren. Wie lange hängt man im Geiste noch an dem was man getan hat? Und wieviel schwieriger wird es loszulassen wenn man als Seele im Jenseits keinerlei Ablenkung mehr hat: nur noch Gottes Perfektion und das Wissen um die eigenen Fehler und Verfehlungen, in absoluter Schärfe? Schließen sich diese Beschreibungen gegenseitig aus? Ich denke sie sind komplementär. Gott vergibt Sünde, aber er nimmt dem Menschen die Annahme der Vergebung nicht einfach ab, auch wenn das ein langwieriger, unangenehmer und sogar schmerzhafter Prozeß ist.
TillSchilling hat geschrieben:
Sonntag 17. Januar 2021, 15:07
Wenn einem Kriminellen ein Teil seiner Gefängnisstrafe erlassen wird, ändert das in seinem Inneren nichts. Es läutert sein Herz nicht. Ein Prozess der Läuterung kann nicht abgekürzt werden. Den kann man nicht erlassen. Wenn die Idee des Fegefeuers die Läuterung ist, wäre das Gebet für die Verstorbenen die Bitte dass Gott ihnen beisteht und sein Werk der Läuterung an ihnen vollendet. Wenn die Idee des Fegefeuers die Läuterung ist sind Ablässe unsinnig. Dann machen die Sprache und die Aussagen des Katechismus keinen Sinn.
Das ist tragisch falsch. Der Mensch muß keineswegs den Weg zur eigenen Läuterung alleine gehen, nicht auf Erden und auch nicht im Himmel. Er kann ihn eben mit Freunden, Kollegen und Brüdern und Schwestern im Glauben gehen. Er kann ihn mit den bereits Heiligen im Himmel gehen, vielleicht insbesondere mit Maria. Und selbstverständlich kann auch Gott selber, vielleicht insbesondere in der Person Jesu, ihm helfen. Und es geht dabei nicht nur um emotionale Unterstützung, sondern auch um handfesten Rat... auch durchaus "professionellen" Rat. Schließlich ist der Himmel voll mit Heiligen die große Erfahrung im Umgang mit diesen Dingen haben. Die Frage ist eben, wieviel an Zuspruch und Hilfe, sogar "professioneller" Hilfe, kriegt derjenige denn konkret wenn er mit seiner Läuterung kämpft? Und die Idee der Gebete für die Toten ist eben, daß sie dann mehr davon kriegen wenn wir darum beten. Wieviel mehr kann ich Dir nicht sagen, ich habe die Abrechnungen der himmlischen Krankenkasse nicht in den Händen. Aber darum geht es eben im Gebet für die Toten: es ist ein karitativer Akt, einerseits der persönlichen Unterstützung für den Toten (ich denke an Dich, ich bin für Dich da), andererseits der Bitte an die, die im Himmel sind, dem Toten nach Kräften zu helfen (ob man nun speziell einen Heiligen bittet sich des Toten anzunehmen, oder allgemein Gott bittet in seiner Gnade etwas für ihn zu tun).

Und wenn wir jetzt da angekommen sind, dann wird auch klarer was vermutlich bei einem "Ablass" so passiert. Wenn man mit einem Ablass ins Fegefeuer kommt, hat man - auf Bitte der Kirche als Institution, letztlich durch das Beten der Nachfolger der Apostel - quasi schon ein paar Beratungstermine mit einem Wüstenvater im voraus gebucht. Dann geht der Prozeß halt schneller...

Trisagion
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Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von Trisagion »

Jeremias hat geschrieben:
Sonntag 17. Januar 2021, 16:19
Die von dir vertretene Position ist ganz klar von der augustinischen Gnadenlehre ausgehend.
Möglich. Ich bin beim "Stille Post" spielen in Glaubensfragen immer ein wenig skeptisch. Außerdem ist die Erwähnung von Augustinus meiner Erfahrung nach so ein bißchen ein Totschlagsargument auf Orthodoxer Seite... Ich hab's da lieber konkreter.

Was genau ist nicht "allgemeine Glaubenslehre" an dem was ich gesagt habe, uns was wird dann stattdessen gelehrt?
Jeremias hat geschrieben:
Sonntag 17. Januar 2021, 16:19
Auch die Annahme, dass quasi das "Strafenregister" ausgesühnt werden müss, ist der Orthodoxie fremd. Mir in meinem Ehrenamt nicht (ich bin Schöffe), aber in meinem Glauben geht es um den Allerbarmer. Nicht um eine juristische Überprüfung. Und das hat nichts mit einer "Abneigung gegen juristische Sprache" zu tun, sondern dass dieses Denken dem Osten schlicht fremd ist. Das ist römisch, wie nur irgendwas römisch ist.
Dein Allerbarmer, schickt er alle Orthodoxe die "gut genug" gewesen sind direkt nach dem individuellen Gericht in den Himmel? Nein, das tut er nicht. Betest Du für die Toten um Gottes Gnade obwohl die bereits durch das individuelle Gericht durch sind und unweigerlich irgendwann in den Himmel kommen? Ja, das tust Du. Wenn Du jetzt mal darüber nachdenken würdest was das Ganze überhaupt soll, wie das irgendeinen Sinn machen kann, dann hätten wir hier eine ganz andere Diskussion. Einfach mal innehalten im Ritus und sich fragen "was mache ich hier eigentlich gerade?"

Nur mal so am Rande: Hölle existiert für Dich aber doch noch? Gericht darf da schon noch sein, so nach Matthäus 25,31-46, wenn es um die Entscheidung über das ewige Leben mit Gott oder das Verderben in der Hölle geht? Wenn es um die Wurst geht wird der Allerbarmer auf einmal doch "römisch-rechtlich"? Hat Gott eine gespaltene Persönlichkeit, und mal ist er der Richter und mal der Kummeronkel? "Rom" hat das göttliche Gericht nicht erfunden, und die Orthodoxen lehren es ja selber (bleibt ihnen auch nicht viel anderes übrig). Es ist erstmal überhaupt nichts verwerfliches oder "typisch römisches" daran anzunehmen, daß ein Teilprozeß des großen Gerichts auch in "juristischen" Worten beschrieben werden kann.
Jeremias hat geschrieben:
Sonntag 17. Januar 2021, 16:19
Und Maria nimmt innerhalb der Orthodoxie insofern eine Sonderstellung ein, weil sie eben allein ohne Sünde ist (mangels Erbsündentheologie ist dabei das katholische Verständnis der unbefleckten Empfängnis nicht nötig). Du hattest das ja auch den Heiligen zugesprochen (so habe ich das zumindestens verstanden), das würde ich nämlich nicht so sehen.
Äh, wie bitte? Ich habe explizit gesagt, daß ich nur zwei menschliche Naturen und eine menschliche Person kenne, die von der Sünde frei geblieben sind, Jesus und Maria. ((Das gilt nur, wenn man die Erbsünde miteinbezieht. Offensichtlich sind jede Menge getaufte Säuglinge "sündenfrei" gestorben, in dem Sinne daß nichts was sie selber taten sündig war.) Heilige im Himmel waren nicht von der Sünde frei auf Erden, aber sie sind nun im Himmel offensichtlich von der Sünde komplett befreit. Ansonsten könnten sie nicht in der Gegenwart Gottes weilen. Das gilt aber nicht für die Seelen der Toten die im Fegefeuer sind, oder wie Du es ausdrücken würdest, die ihre Theosis noch nicht vollendet haben. Offensichtlich ist bei denen noch was zu tun, sie sind noch nicht über die Sünde komplett hinweg.

Was die angebliche Abwesenheit einer "Erbsündentheologie" in der Orthodoxie angeht, mußt Du einfach mal über Deine Aussage nachdenken, daß nur Maria ohne Sünde ist.
Jeremias hat geschrieben:
Sonntag 17. Januar 2021, 16:19
Eine dogmatische Position wirst du übrigens gar nicht so oft in der Orthodoxie finden. Die sehr fein ausgearbeitete Dogmatik des Westens gibt es in der Form in der Orthodoxie auch nicht. Sonst könnten wir uns nicht so hervorragend intern streiten. ;)
Um ehrlich zu sein, ich denke die Situation ist hervorragend in diesem Bild augedrückt: Fisch? Im Westen hat man die Linien schnell gezogen, und ist seitdem damit beschäftigt darüber zu streiten, welche Splines denn den idealen Kurvenverlauf ergeben würden. Im Osten sagen sie: die Punkte sind von Gott, der Rest ist Geheimnis.

TillSchilling

Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von TillSchilling »

Trisagion hat geschrieben:
Montag 18. Januar 2021, 03:27

Und es geht dabei nicht nur um emotionale Unterstützung, sondern auch um handfesten Rat... auch durchaus "professionellen" Rat. Schließlich ist der Himmel voll mit Heiligen die große Erfahrung im Umgang mit diesen Dingen haben. Die Frage ist eben, wieviel an Zuspruch und Hilfe, sogar "professioneller" Hilfe, kriegt derjenige denn konkret wenn er mit seiner Läuterung kämpft? Und die Idee der Gebete für die Toten ist eben, daß sie dann mehr davon kriegen wenn wir darum beten.
.....
Und wenn wir jetzt da angekommen sind, dann wird auch klarer was vermutlich bei einem "Ablass" so passiert. Wenn man mit einem Ablass ins Fegefeuer kommt, hat man - auf Bitte der Kirche als Institution, letztlich durch das Beten der Nachfolger der Apostel - quasi schon ein paar Beratungstermine mit einem Wüstenvater im voraus gebucht. Dann geht der Prozeß halt schneller...
Ah, jetzt verstehe ich! Mit einem Ablass kommt man in die Privatversicherung und kommt schneller an die Therapiesitzungen!

Also ich weiss sowas ja nicht, lieber Trisagion, aber ich habe meine Zweifel dass deine Spekulationen mit der Lehr der römisch-katholischen Kirche konform sind.

Im Übrigen ist in diesem Thread, den Hubertus hervorgeholt hat, schon alles gesagt. Gerne zitiere ich Walter:
Walter hat geschrieben:
Donnerstag 2. Februar 2006, 13:23
mit einem "Purgatorium" (nicht "Fegefeuer"!) als wörtlich Reinigungszustand (-ort ist zu "raumzeitlich" gedacht) würde ich schon klarkommen, da wir ja gereinigt in die ewige Seligkeit eintreten wollen. Also kann eine solche Reinigung auch durch keinen gekauften oder erwirkten Ablass ersetzt werden!

Die Reinigung kann aber auf gar keinen Fall durch das Abbüßen von Strafen geschehen, also durch Satisfaktion oder Genugtuungsleiden, denn einzig "das Blut Jesu ... reinigt uns vor aller Sünde" (1 Joh 1,7).
Entweder Läuterung oder Strafe und Genugtuung. Beides zusammen geht nicht. Und da die in den Heiligen Schriften enthaltene apostolische Lehre aussagt dass die Strafe für die Ungerechtigkeit der Menschheit auf Christus gelegt und von ihm getragen wurde, ist diese künstliche Aufteilung in ewige Sündenstrafen und zeitliche Sündenstrafen sehr fraglich.

Trisagion
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Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von Trisagion »

TillSchilling hat geschrieben:
Montag 18. Januar 2021, 10:24
Ah, jetzt verstehe ich! Mit einem Ablass kommt man in die Privatversicherung und kommt schneller an die Therapiesitzungen! Also ich weiss sowas ja nicht, lieber Trisagion, aber ich habe meine Zweifel dass deine Spekulationen mit der Lehr der römisch-katholischen Kirche konform sind.
Ich bemühe mich nichts zu sagen, was nachweislich falsch ist. Das bedeutet allerdings nicht, daß es richtig oder hilfreich ist. Das war ein Versuch die christliche Gemeinschaft in die Beschreibung zu integrieren (ncht nur, aber auch, "professionelle" Hilfe... angefangen habe ich wohlgemerkt mit dem persönlichen Beistand des Betenden für den Verstorbenen).

Ich stelle aber fest, das nur ich mich hier bemühe einen Sinn in der Praxis - und zwar der Praxis von sowohl von Orthodoxen als auch Katholiken - zu konstruieren. Es ist immer einfacher abzulehnen und zu kritisieren was andere in die Welt setzen, als selber etwas von sich zu geben. Was genau die Orthodoxe Position ist, haben wir immer noch nicht gehört. Wenn es denn eine gibt, und nicht nur eine Reihe Verhaltensnormen die man ohne Hinterfragen abspult.

Es ist eine einfache Frage: was macht ihr da eigentlich, wenn ihr für die Toten beten? Wir können es dabei belassen, daß die Katholiken eine Antwort haben die den Orthodoxen nicht in den Kram paßt, und die Orthodxen schlicht keine Antwort haben.
TillSchilling hat geschrieben:
Montag 18. Januar 2021, 10:24
Entweder Läuterung oder Strafe und Genugtuung. Beides zusammen geht nicht. Und da die in den Heiligen Schriften enthaltene apostolische Lehre aussagt dass die Strafe für die Ungerechtigkeit der Menschheit auf Christus gelegt und von ihm getragen wurde, ist diese künstliche Aufteilung in ewige Sündenstrafen und zeitliche Sündenstrafen sehr fraglich.
Läuterung und Strafe/Genugtuung sind einfach und direkt kompatibel. Wenn ich Dir Böses getan habe und ich mich davon läutern will, reicht es eben nicht nur Deine Vergebung für mich als ein "Schwamm drüber" zu verstehen und meine Taten einfach zu vergessen. Da ist dann nichts geläutert, das ist dann verdrängt, unter den Teppich gekehrt. Wenn ich wirklich verstanden habe, daß ich Dir etwas Böses getan habe und reuig bin, dann will ich geradezu etwas tun um Deiner Vergebung würdig zu werden. Ich will mich entlasten indem ich eine Gegenlast schaffe, ich will (nicht muß) Buße tun. In der Situation des Toten wird es da offensichtlich um geistige Aktivität gehen, also vermutlich primär Reflektion und "Abarbeitung" des Geschehenen.

In welchem Sinne "straft" Gott hier aber, wenn das quasi ein Prozeß der Selbstreflektion ist? Nun, erstens ist das unangenehm, peinlich, sogar schmerzhaft, wenn auch gut (so wie Medizin bitter und eine Operation schmerzhaft ist). Zweitens, wer entscheidet denn hier wann ich "genug getan" (Genugtuung, wortwörtlich) habe? Ich? Ein anderer Mensch, etwa ein Betroffener meiner Übeltaten? Nein, Gott entscheidet wann ich soweit bin. Es kann auch durchaus sein, daß Gott aktiver eine Rolle spielt und uns etwa zu Dingen führt die wir ohne seinen Einfluß nicht anschauen würden. Wenn aber eine Autorität bestimmt wie lange (und eventuell auf welche Weise) eine unangenehme Konsequenz von Verfehlungen läuft, dann kann man das durchaus Strafe nennen.

TillSchilling

Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von TillSchilling »

Trisagion hat geschrieben:
Montag 18. Januar 2021, 13:28
Es ist eine einfache Frage: was macht ihr da eigentlich, wenn ihr für die Toten beten? Wir können es dabei belassen, daß die Katholiken eine Antwort haben die den Orthodoxen nicht in den Kram paßt, und die Orthodxen schlicht keine Antwort haben.
Das ist allerdings wirklich eine interessante Frage auf deren Beantwortung ich auch noch gespannt warte.

Das schon erwähnte Buch "Orthodox Dogmatic Theology" von Michael Pomazansky - russisches Original, übersetzt von Seraphim Rose - hat dazu ein kleines Unterkapitel "Prayer for the Dead". Ich zitiere daraus:
Michael Pomazansky hat geschrieben: The departed need only one kind of help from their brethren: prayer and petition for the remission of their sins...That the remission of sins for those who have sinned not unto death can be given in the present life and after death.

Sascha B.
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Sascha B. »

Ich habe jetzt mal nachgeschlagen. Und zwar in: Orthodoxe Dogmatische Theologie von Erzpriester Michail Pomazanskij.

Orthodoxerseits betet man für die Verstorbenen Glieder des mystischen Leibes Christe (der Kirche) ebenso wie für die noch lebenden Glieder für ihre Vergöttlichung der Gnade nach (Theosis). Er vergleicht es mit der Entwicklung einer Pflanze. Das Samenkorn ging bereits auf, die Blume ist aber noch nicht volltändig. Die Gebete der Kirche sind dann praktisch wie das Wasser und die Sonne, welche die Pflanze noch braucht. Das ganze setzt jedoch vorraus, dass der Verstorbene sich vor seinem Tod auf dem richtigen Weg befand. Dieser geht dann praktisch weiter. Eine Richtungsänderung ist also nicht möglich und wer auf dem falschen Weg war, bevor er verstarb, für den nützen auch Gebete nichts mehr. Das ist jetzt stark zusammemgefasst da der Abschnitt sehr lang ist und mit kleiner Schrift. Da nin ich einfach zu Faul ne halbe Stunde oder länger zu tippen.

Da Sünde in der Orthodoxie auch mehr wie ein Gift gesehen wird, welches uns langsam immer mebr vergiftet, je mehr wir davon aufnehmen und uns dadurch Gott nicht mehr wahrnehmen lässt und uns selbst geistlich tötet, kann man auch von einer Entgiftung durch Gebete sprechen.

Die juristische, römische Herangehensweise verstehen Orthodoxe kaum. Dieses Denken ist ihnen einfach fremd.
Der Kreuzgang ist doch total am Ende.

TillSchilling

Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von TillSchilling »

Trisagion hat geschrieben:
Montag 18. Januar 2021, 13:28
Es ist eine einfache Frage: was macht ihr da eigentlich, wenn ihr für die Toten beten?
Hier gibt es auch noch einige Gedanke zu der Frage

https://blogs.ancientfaith.com/nootherf ... -the-dead/

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FranzSales
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von FranzSales »

Sascha B. hat geschrieben:
Montag 18. Januar 2021, 14:32
Ich habe jetzt mal nachgeschlagen. Und zwar in: Orthodoxe Dogmatische Theologie von Erzpriester Michail Pomazanskij.

Orthodoxerseits betet man für die Verstorbenen Glieder des mystischen Leibes Christe (der Kirche) ebenso wie für die noch lebenden Glieder für ihre Vergöttlichung der Gnade nach (Theosis). Er vergleicht es mit der Entwicklung einer Pflanze. Das Samenkorn ging bereits auf, die Blume ist aber noch nicht volltändig. Die Gebete der Kirche sind dann praktisch wie das Wasser und die Sonne, welche die Pflanze noch braucht. Das ganze setzt jedoch vorraus, dass der Verstorbene sich vor seinem Tod auf dem richtigen Weg befand. Dieser geht dann praktisch weiter. Eine Richtungsänderung ist also nicht möglich und wer auf dem falschen Weg war, bevor er verstarb, für den nützen auch Gebete nichts mehr. Das ist jetzt stark zusammemgefasst da der Abschnitt sehr lang ist und mit kleiner Schrift. Da nin ich einfach zu Faul ne halbe Stunde oder länger zu tippen.

Da Sünde in der Orthodoxie auch mehr wie ein Gift gesehen wird, welches uns langsam immer mebr vergiftet, je mehr wir davon aufnehmen und uns dadurch Gott nicht mehr wahrnehmen lässt und uns selbst geistlich tötet, kann man auch von einer Entgiftung durch Gebete sprechen.

Die juristische, römische Herangehensweise verstehen Orthodoxe kaum. Dieses Denken ist ihnen einfach fremd.
Und hier mal die Ausführungen von Papst Benedikt XVI zum Fegefeuer aus der Enzyklika "Spe Salvi".
Ich sehe hier keinen relevanten Unterschied zu den obigen Aussagen.

https://m.steyler.eu/svd/medien/zeitsch ... efeuer.php

Der Originaltext findet sich hier (Nr. 45 ff.):
http://www.vatican.va/content/benedict- ... salvi.html
"Herr Jesus Christus, wir beten Dich an und benedeien Dich. In Deinem Heiligen Kreuz hast Du die Welt erlöst."

Trisagion
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Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von Trisagion »

TillSchilling hat geschrieben:
Montag 18. Januar 2021, 15:03
Hier gibt es auch noch einige Gedanke zu der Frage
https://blogs.ancientfaith.com/nootherf ... -the-dead/
Ja. Das ist genau so wie ich die Orthodoxen seit vielen Jahren kenne. Erst viel von dem bestätigen was die Katholiken zum Thema sagen, praktisch gesehen. Dann behaupten man wüßte von nichts (nachdem man gerade ziemlich viel von sich gegeben hat), denn man will sich ja nicht der Theologie verdächtig machen. Als nächstes eine katholische Lehraussage abgekanzeln, lieblos und ohne jeden Versuch Gemeinsamkeiten darin zu finden. Weil aber die katholische Aussage kaum widerlegbar ist, wird dann genau derselbe Inhalt nochmals wiedergegeben, aber umformuliert, so daß es in den Orthodoxen Duktus paßt. Nur wird das dann nicht im Sinne christlicher Einigung benutzt, um etwa zu sagen "seht, wir sind garnicht so ferne voneinander, uns trennen Formulierungen mehr als Inhalte". All dies bleibt antagonistisch.

Aber es ist ganz einfach durch den salbungsvollen Orthodoxen Nebel durchzuschneiden. Man muß einfach nur fragen, wer denn die Entscheidung innehat, daß dieser Prozeß anfängt, und wer bestimmt wann er erfolgreich war und aufhören kann. Wäre es Selbstverwirklichung, dann wäre es der Mensch selber. Ist es aber nicht. Es ist Gott, nicht der Mensch, der hier entscheidet. Es ist nicht Selbsteinschätzung, sondern Beurteilung durch Gott. Ich kann eben nicht zu Gott sagen "Naja, das ist schon lange her und ich habe jetzt ehrlich gesagt keine Lust darüber nachzudenken. Meine Zimmerschlüssel bitte."

TillSchilling

Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von TillSchilling »

Trisagion hat geschrieben:
Montag 18. Januar 2021, 18:42
Ja. Das ist genau so wie ich die Orthodoxen seit vielen Jahren kenne. Erst viel von dem bestätigen was die Katholiken zum Thema sagen, praktisch gesehen. Dann behaupten man wüßte von nichts (nachdem man gerade ziemlich viel von sich gegeben hat), denn man will sich ja nicht der Theologie verdächtig machen. Als nächstes eine katholische Lehraussage abgekanzeln, lieblos und ohne jeden Versuch Gemeinsamkeiten darin zu finden. Weil aber die katholische Aussage kaum widerlegbar ist, wird dann genau derselbe Inhalt nochmals wiedergegeben, aber umformuliert, so daß es in den Orthodoxen Duktus paßt. Nur wird das dann nicht im Sinne christlicher Einigung benutzt, um etwa zu sagen "seht, wir sind garnicht so ferne voneinander, uns trennen Formulierungen mehr als Inhalte". All dies bleibt antagonistisch.
Du hörst dich an wie ein frustrierter verschmähter Liebhaber. Wenn sie halt keine Beziehung möchte ...

Sascha B.
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Sascha B. »

Die meisten Orthodoxen die ich kenne zeigen tatsählich keinerlei Interesse an einer Ökumene mit irgendwem. Die Leute sind Orthodox und das reicht ihnen. Was andere Religionen machen ist ihnen egal. Eine gewisse Ablehnung findet man im Bezug auf Katholiken. Was ich aber z.B. bei Serben durchaus verstehe.
Der Kreuzgang ist doch total am Ende.

Trisagion
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Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von Trisagion »

TillSchilling hat geschrieben:
Montag 18. Januar 2021, 19:45
Du hörst dich an wie ein frustrierter verschmähter Liebhaber. Wenn sie halt keine Beziehung möchte ...
Das ist durchaus eine faire Charakterisierung. :heul:

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Jeremias
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Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von Jeremias »

Trisagion hat geschrieben:
Montag 18. Januar 2021, 04:26
Dein Allerbarmer, schickt er alle Orthodoxe die "gut genug" gewesen sind direkt nach dem individuellen Gericht in den Himmel? Nein, das tut er nicht.
Wenn du eine Frage stellst und sie dann falsch beantwortest, können wir gerne die Diskussion beenden. In diesem Falle gilt allerdings: Aufgrund deiner Fragestellung ist jede Antwort richtig, denn "Aus dem Falschen folgt das Beliebige". Um es zu konkretisieren: Niemand ist "gut genug".
Betest Du für die Toten um Gottes Gnade obwohl die bereits durch das individuelle Gericht durch sind und unweigerlich irgendwann in den Himmel kommen? Ja, das tust Du.
Siehe oben: "Aus dem Falschen folgt das Beliebige". Das Gericht ist nicht jetzt. (Wobei Begriffe wie "Jetzt" eh Makulatur sind)
Wenn Du jetzt mal darüber nachdenken würdest was das Ganze überhaupt soll, wie das irgendeinen Sinn machen kann, dann hätten wir hier eine ganz andere Diskussion. Einfach mal innehalten im Ritus und sich fragen "was mache ich hier eigentlich gerade?"
Die Annahme, ich würde nicht nachdenken, ist impertinent. Kein Wunder, dass wenig Orthodoxe mit dir diskutieren. Glücklicherweise bin ich Querulant und selber manchmal trollig. ;)
Nur mal so am Rande: Hölle existiert für Dich aber doch noch? Gericht darf da schon noch sein, so nach Matthäus 25,31-46, wenn es um die Entscheidung über das ewige Leben mit Gott oder das Verderben in der Hölle geht? Wenn es um die Wurst geht wird der Allerbarmer auf einmal doch "römisch-rechtlich"? Hat Gott eine gespaltene Persönlichkeit, und mal ist er der Richter und mal der Kummeronkel?
Naja. Lukas 18,27: Was beim Menschen unmöglich ist, ist bei Gott möglich. Also ist es offenbar schon so, als ob die vorher in der Evangeliumsstelle geäußerte Problematik ("Wie soll denn einer selig werden?") von Christus da etwas weiter gesehen wird.
Äh, wie bitte? Ich habe explizit gesagt, daß ich nur zwei menschliche Naturen und eine menschliche Person kenne, die von der Sünde frei geblieben sind, Jesus und Maria. ((Das gilt nur, wenn man die Erbsünde miteinbezieht. Offensichtlich sind jede Menge getaufte Säuglinge "sündenfrei" gestorben, in dem Sinne daß nichts was sie selber taten sündig war.) Heilige im Himmel waren nicht von der Sünde frei auf Erden, aber sie sind nun im Himmel offensichtlich von der Sünde komplett befreit. Ansonsten könnten sie nicht in der Gegenwart Gottes weilen. Das gilt aber nicht für die Seelen der Toten die im Fegefeuer sind, oder wie Du es ausdrücken würdest, die ihre Theosis noch nicht vollendet haben. Offensichtlich ist bei denen noch was zu tun, sie sind noch nicht über die Sünde komplett hinweg.
Sie sind nicht komplett befreit, sondern sie sind dank der Barmherzigkeit Gottes erhoben worden (vermuten wir, ich zitiere einen mir bekannten orthodoxen Abt "wo die Heiligen stehen, wenn wir das mal nach dem Tode wissen, wird uns bestimmt überraschen"). Auch Maria ist nicht "qua Amt" in den Himmel hinaufgestiegen, sondern Gott hat sie zu zu sich geholt.
Was die angebliche Abwesenheit einer "Erbsündentheologie" in der Orthodoxie angeht, mußt Du einfach mal über Deine Aussage nachdenken, daß nur Maria ohne Sünde ist.
Ich habe das gestern versucht, zu finden, konnte aber nur den englischen Begriff raussuchen: Maria ist ohne "actual sin".
Im Westen hat man die Linien schnell gezogen, und ist seitdem damit beschäftigt darüber zu streiten, welche Splines denn den idealen Kurvenverlauf ergeben würden. Im Osten sagen sie: die Punkte sind von Gott, der Rest ist Geheimnis.
Das der Osten stärker im Wundersamen verhaftet ist und nicht versucht, so Fragen zu klären wie das mit den Engeln auf dem Stecknadelkopf, ist jetzt aber hoffentlich keine neue Erkenntnis. :)
Trisagion hat geschrieben:
Montag 18. Januar 2021, 03:27
Nun ja. Die "Strafen" um die es hier geht sind aber die zeitlichen begrenzten Konsequenzen von bereits vergebenen Sünden. Es ist nicht so als ob Gott hier quasi eine zusätzlich Strafe aufbrummt. Vielmehr wird erlitten was man sich durch Sünde eingehandelt hat (und das obwohl die Sünde an sich bereits vergeben ist). Es gibt jetzt zwei Wege das zu beschreiben. Man kann fragen, wie ist es von Gottes Seite her gerecht zu nennen, wenn er jemand für bereits vergebene Sünden noch leiden läßt? Und Fragen nach Gerechtigkeit lassen sich eben gut im juristischen Duktus diskutieren. Also sagt man analog: wenn jemand Dich ausraubt aber von der Polizei gefangen genommen wird, und sich reuig zeigt, dann bist Du vielleicht bereit die Tat zu vergeben. Das bedeutet aber nicht, daß Du nicht Dein Hab und Gut zurückhaben willst und auch den Täter seine Gefängnisstrafe absitzen lassen willst. Es heißt alleine, daß danach die Sache für Dich erledigt ist. Man kann aber andererseits auch darüber nachdenken, wie das von der Seite des Sünders aussieht, wenn Gott ihm seine Sünde vergeben hat, er sie aber nicht loslassen kann. Es ist ja überhaupt nicht so einfach sich voll seiner Schuld bewußt zu sein und Vergebung praktisch zu akzeptieren. Wie lange hängt man im Geiste noch an dem was man getan hat? Und wieviel schwieriger wird es loszulassen wenn man als Seele im Jenseits keinerlei Ablenkung mehr hat: nur noch Gottes Perfektion und das Wissen um die eigenen Fehler und Verfehlungen, in absoluter Schärfe? Schließen sich diese Beschreibungen gegenseitig aus? Ich denke sie sind komplementär. Gott vergibt Sünde, aber er nimmt dem Menschen die Annahme der Vergebung nicht einfach ab, auch wenn das ein langwieriger, unangenehmer und sogar schmerzhafter Prozeß ist.
An diesem Zitat sieht man, warum du einfach nicht dahinterkommst, was bei den Orthodoxen "anders" ist: Alle mentalen Vorannahmen, in dem was du geschrieben hast, würde von den meisten Orthodoxen mit einem "Hä?" kommentiert werden. Dein gesamtes Denken ist geprägt durch eine ganz bestimmte Vorstellung von Gerechtigkeit, von Sühne, von "Fairness". Ich wiederhole es nochmal: Ich kenne das! Eines meiner größten persönlichen Probleme ist, dass ich in diesem Denken lebe (sonst wäre ich ja auch kein Beamter geworden oder hätte mich als Schöffe zur Verfügung gestellt), die Orthodoxie da aber von abweicht.

Mal klar gesagt: Es geht in der Orthodoxie eben nicht dadrum, dass Gott bereit ist "die Tat zu vergeben, aber noch die Gefängnisstrafe absitzen lassen will" (verkürzt zitiert). Ich kann Gott nichts stehlen oder wegnehmen, ich kann nur mich selbst beschädigen durch die Sünde. (Siehe auch den Beitrag von Sascha zum "Gift")

Und auch die Annahme, dass man irgendwann diesen Weg zu Gott zu Ende gegangen ist, ist für mich schwierig. Der Weg zu Gott kann nie zu Ende sein. Gott ist unendlich. Einer Unendlichkeit kann ich mich immer nur beliebig nahe annähern (Achtung, mathematische Bilder), erreichen kann man sie nie. Insofern wäre nach dieser meiner Überzeugung das von dir definierte Fegefeuer (keine Ahnung, ob das jetzt der exakte Begriff ist) ja nie vorbei.



Sofern du das jetzt alles gelesen hast, hier mal meine (*) Antwort auf deine Frage "Was machst du eigentlich im Totengedenken?":
Ich bitte Gott um Gnade für die Verstorbenen, damit er sie nicht am jüngsten Tag in die Verdammnis schickt, sondern ihnen in seiner Güte Erbarmen zeigt. Ich bitte ihn um Nachsicht für die menschlichen Sünden.

(*): Ich bin kein Theologe, nehme also mir nicht heraus, dass zur orthodoxen Lehrmeinung zu erheben. Am Ende des Tages bin ich vor allem Naturwissenschaftler und im religiösen Umfeld nur praktizierender Orthodoxer.
Orthodoxer. Physikdidaktiker. Rollenspieler. Liberaler. Konservativer. Modernist. Ökumenist.
Alles Titel, mit denen man mich bedenken kann, die deswegen mich trotzdem nicht gänzlich beschreiben.

Germanus
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Registriert: Dienstag 17. Oktober 2006, 20:39

Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von Germanus »

Trisagion hat geschrieben:
Montag 18. Januar 2021, 20:45
TillSchilling hat geschrieben:
Montag 18. Januar 2021, 19:45
Du hörst dich an wie ein frustrierter verschmähter Liebhaber. Wenn sie halt keine Beziehung möchte ...
Das ist durchaus eine faire Charakterisierung. :heul:
Das freut mich jetzt aber wirklich, dass Du so bedächtig antwortest. Ich hatte, ehrlich gesagt, mit einem sarkastischen Rundumschlag gerechnet, da ich genau das, was TillSchilling so schön in Worte gefasst hat, schon länger befürchtet hatte. :traurigtaps:
"Her, denke an mui, wenn diu met duinem Ruike kümmes." (Lk 23,42)

Trisagion
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Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von Trisagion »

Jeremias hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 08:30
Trisagion hat geschrieben:
Montag 18. Januar 2021, 04:26
Dein Allerbarmer, schickt er alle Orthodoxe die "gut genug" gewesen sind direkt nach dem individuellen Gericht in den Himmel? Nein, das tut er nicht.
Wenn du eine Frage stellst und sie dann falsch beantwortest, können wir gerne die Diskussion beenden. In diesem Falle gilt allerdings: Aufgrund deiner Fragestellung ist jede Antwort richtig, denn "Aus dem Falschen folgt das Beliebige". Um es zu konkretisieren: Niemand ist "gut genug".
Ich habe die Frage beantwortet, nicht weil ich Dir die Gelegenheit nehmen wollte sie zu beantworten, sondern weil die Antwort m.E. offensichtlich und unumstritten sind. Wenn dem nicht so ist, dann war diese Art der Betonung in der Tat fehl am Platz.
Jeremias hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 08:30
Betest Du für die Toten um Gottes Gnade obwohl die bereits durch das individuelle Gericht durch sind und unweigerlich irgendwann in den Himmel kommen? Ja, das tust Du.
Siehe oben: "Aus dem Falschen folgt das Beliebige". Das Gericht ist nicht jetzt. (Wobei Begriffe wie "Jetzt" eh Makulatur sind)
Das letzte Gericht ist am Ende der Zeit. Das individuelle Gericht ist aber zum Zeitpunkt des Todes, und da wird schon entschieden ob man in den Himmel kommt oder nicht. Auch das, dachte ich, ist alles unbestritten, und schlicht Orthodoxe Lehre. Ich mag da aber falsch liegen.
Jeremias hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 08:30
Die Annahme, ich würde nicht nachdenken, ist impertinent. Kein Wunder, dass wenig Orthodoxe mit dir diskutieren. Glücklicherweise bin ich Querulant und selber manchmal trollig. ;)
Ich kann nicht in Deinen Kopf schauen. Wenn Du darüber nachdenkst, aber es nicht schreibend zum Ausdruck bringst, dann ist es für mich als ob Du nicht nachdenkst. Orthodoxe reden durchaus oft mit mir, weil ich mich ehrlich (wenn auch nicht lobhudelnd) für sie interessiere.
Jeremias hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 08:30
Naja. Lukas 18,27: Was beim Menschen unmöglich ist, ist bei Gott möglich. Also ist es offenbar schon so, als ob die vorher in der Evangeliumsstelle geäußerte Problematik ("Wie soll denn einer selig werden?") von Christus da etwas weiter gesehen wird.
:hmm: Luke 21,18-29 würde ich als schon fast brutal herausfordernd bezeichnen. Wenn Du sicher sein willst in den Himmel zu kommen, mach es wie die Apostel, gib Besitz, Familie, Heimat auf und folge Christus (Verse 29 & 30). Wenn Du Dich nur "gut und moralisch benimmst" (Vers 20), sagt Dir Gott, daß da noch etwas fehlt (Vers 22). Und wenn Du darauf nicht hörst, sieht es aber zappenduster aus (Vers 24 & 25). Wer von uns kann behaupten, nicht "reich" zu sein in den Augen eines Menschen von damals? Der Vers den Du zitierst ist die Antwort auf das Entsetzen in Vers 26. Und es folgt dann keineswegs eine Versicherung, daß die "Reichen" doch irgendwie OK sind, sondern nur eine Zusicherung an die Apostel, daß sie wenigstens sich keine Sorgen machen müssen.

Im besten Fall geht es hier mehr um ein "besser" als ein "ausreichend" was das Heil angeht, und wir sehen hier schlicht, daß der Himmel überhaupt nicht egalitär ist. Im schlimmsten Fall verdammt Jesus hier 99,9% der Menschheit. Wie man Jesus harsche Beurteilung des reichen Mannes zum Anlaß nehmen kann, an Gott als Richter zu zweifeln, ist mir jedenfalls komplett schleierhaft.
Jeremias hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 08:30
Sie sind nicht komplett befreit, sondern sie sind dank der Barmherzigkeit Gottes erhoben worden (vermuten wir, ich zitiere einen mir bekannten orthodoxen Abt "wo die Heiligen stehen, wenn wir das mal nach dem Tode wissen, wird uns bestimmt überraschen"). Auch Maria ist nicht "qua Amt" in den Himmel hinaufgestiegen, sondern Gott hat sie zu zu sich geholt.
In der unmittelbaren Gegenwart Gottes kann keine Sünde und kein Sünder existieren. Die Behauptung die Heiligen die bereits in Gottes Gegenwart weilen seien nicht komplett befreit von der Sünde ist vom Konzept her unlogisch, steht gegen die gesamte Heilsgeschichte, und ist eine nur schwer erträgliche Beleidigung Gottes in seiner Würde.

Selbstverständlich sind wir alle, inklusive Maria, nur durch Gottes Gnade erhoben in die Gegenwart Gottes. Aber eben nicht so wie wir jetzt sind. Das besondere an Jesus ist ja eben, daß Gott sich in den Schmutz der gefallenen menschlichen Existenz begibt um uns da herauszuführen. Die Taufe als das Sakrament der Verbrüderung mit Jesus nimmt alle Sünden hinweg, nicht nur einige. Und um mal bei Orthodoxer Terminologie zu bleiben, Theosis ist keine Halb-Theosis, auch nicht 99%-Theosis.

Was nicht vergöttlicht wird verdirbt in der Neuschöpfung. Am Ende der Zeit ist Schluß mit grau, es wird binär schwarz und weiß. Sicher, wir brauchen Gottes Gnade und Barmherzigkeit, denn würde Gott scharf richten, wäre er unser aller Scharfrichter. Aber das heißt nicht, das wir unsere Sündigkeit in den Himmel schleppen können. Wir können durch die himmlische Pforte schreiten, unsere Sünden nicht. Den Prozeß unser Sünden vor der Pforte abzustreifen nennen die Orthodoxen Theosis, die Katholiken Fegefeuer.
Jeremias hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 08:30
Ich habe das gestern versucht, zu finden, konnte aber nur den englischen Begriff raussuchen: Maria ist ohne "actual sin".
"Warum sind nicht auch andere (erwachsene) Menschen ohne Sünde?" ist die Frage, die Du Dir hier stellen solltest.
Jeremias hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 08:30
Das der Osten stärker im Wundersamen verhaftet ist und nicht versucht, so Fragen zu klären wie das mit den Engeln auf dem Stecknadelkopf, ist jetzt aber hoffentlich keine neue Erkenntnis. :)
Soll wohl lustig gemeint sein. Es ist aber wohl erwähnenswert, daß es eine solche Debatte nie gab. Genau wie niemand mit auch nur einem Ansatz an Bildung im Mittelalter glaubte, daß die Erde flach ist, gab es auch nie eine theologische Auseinandersetzung um Engel auf einer Nadelspitze. Dies sind Propagandalügen der Aufklärung, die inzwischen eine Art kultureller Folklore für uns darstellen.
Jeremias hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 08:30
Mal klar gesagt: Es geht in der Orthodoxie eben nicht dadrum, dass Gott bereit ist "die Tat zu vergeben, aber noch die Gefängnisstrafe absitzen lassen will" (verkürzt zitiert).
Ja, sehr verkürzt. Du hast nämlich schlicht die Hälfte, die nicht in diesem Modus sprach, weggeschnitten. Um dann so zu tun, als ob ich nur in diesem Modus gesprochen hätte.

Wenn Du einseitig zitierst und kommentierst, bedeutet das nicht, daß ich einseitig spreche und bin.
Jeremias hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 08:30
Und auch die Annahme, dass man irgendwann diesen Weg zu Gott zu Ende gegangen ist, ist für mich schwierig. Der Weg zu Gott kann nie zu Ende sein. Gott ist unendlich. Einer Unendlichkeit kann ich mich immer nur beliebig nahe annähern (Achtung, mathematische Bilder), erreichen kann man sie nie. Insofern wäre nach dieser meiner Überzeugung das von dir definierte Fegefeuer (keine Ahnung, ob das jetzt der exakte Begriff ist) ja nie vorbei.

Gott ist unendlich, aber der Mensch ist es nicht. Insofern ist auch seine Sündigkeit nicht unendlich (jedenfalls nicht die Zahl seiner Sünden). Selbst wenn die Listen meiner Sünden lang ist, so kommt sie doch an ein Ende. Daß die Gottesschau selber unendlich ist, hat niemand bestritten. Inwiefern wir uns im Himmel noch weiterentwickeln können, wäre eine interessante Diskussion. Aber es ist eine andere Frage als die, ob wir unser Sündigkeit abstreifen können. Selbstverständlich können wir das, und nicht nur "können" sondern "müssen". Man kann sich Gott als Gott (nicht als Mensch, also Jesus) überhaupt nicht nähern mit Sünde im Gepäck. Was passierte als Luzifer sündigte? Er fiel wie ein Blitz vom Himmel. Das hat viele Bedeutungen, aber auch eine praktische. Er konnte schlicht nicht im Himmel bei Gott mehr sein, er wurde instantan aus seiner Gegenwart geschleudert oder er wäre vernichtet worden. Selbst die guten Engel halten sich die "Flügel" vor das Gesicht. Sünde vor Gott ist wie Schneeflocken in einer Wasserstoffbombenexplosion.
Jeremias hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 08:30
Ich bitte Gott um Gnade für die Verstorbenen, damit er sie nicht am jüngsten Tag in die Verdammnis schickt, sondern ihnen in seiner Güte Erbarmen zeigt. Ich bitte ihn um Nachsicht für die menschlichen Sünden.
Du kennst kein indivduelles Gericht nach dem Tod? Du bist der Meinung, daß Du Gottes Entscheidung bzgl. Todsünden (Süden die in die Hölle führen würden) auch noch nach dem Tode des Sünders durch Dein Gebet beeinflußen kannst?

Trisagion
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Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von Trisagion »

Germanus hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 09:41
Das freut mich jetzt aber wirklich, dass Du so bedächtig antwortest. Ich hatte, ehrlich gesagt, mit einem sarkastischen Rundumschlag gerechnet, da ich genau das, was TillSchilling so schön in Worte gefasst hat, schon länger befürchtet hatte. :traurigtaps:
Ich habe mehr wohl mehr östliche Väter gelesen als westliche, und vom guten Augustinus habe ich letztlich nur seine spirituelle Autobiographie komplett gelesen. Ich kenne die Philokalia, die Wüstenväter, und die einzige christliche Kunst die in meinem Zimmer präsent ist, ist die Reproduktion einer Ikone von Christus Pantokrator. Ich bin zur christlichen Religion aus der Mystik heraus gekommen, zunächst sehr körperlich (Yoga, Kampfkunst) dann Soto Zen, dann Meister Eckhart / Cloud of Unknowing/ etc., dann katholisch. Und wenn ich das gegenüber einem "Germanus" erwähnen darf, ich kenne auch die Konferenzen des Cassianus.

Andererseits halte ich aber auch die Scholastik und "Aristotelianisierung" für essentiell, für die absolut notwendige intellektuelle Vollendung christlichen Glaubens. Anti-Intellektualismus und Anti-Theologie widern mich an (und zwar drastisch, wie Maden auf Toast). Ich halte auch das Papsttum trotz all seiner Fehler (und sogar Fehlentwicklungen bis an die Grenze des dogmatisch erträglichen) für immer noch deutlich besser als die hierarchische Katastrophe im Osten, wo zunächst ein weltlicher Kaiser die entscheidende Instanz wurde und dann ein Haufen nationalistischer Gruppierung entstand, die weitgehend handlungsunfähig waren, sind und sein werden, und sich schon längst unwiderruflich zerstritten hätten, würden sie nicht ironischerweise durch den gemeinsamen "Feind" Papst / Katholizismus zusammengehalten. (Selbst im negativen bleibt der Papst das Symbol christlicher Einheit...) Ich halte viel was mir im Westen so als "Orthodox" entgegenkommt mehr einem liberalen Protestantismus oder gar esoterischem Hippietum geschuldet, als echter Tradition. Hier geht m.E. die Krankheit des Kulturchristentums in Orthodoxen Kernländern (von der wir Katholiken ja auch ein Lied singen können) mit den intellektuellen Stillstand der Orthodoxie in den letzten tausend Jahren eine unheilige Allianz ein mit Schwachsinn den wir hier im Westen herangezüchtet haben.

Für mich ist die Orthodoxie wie eine halb im Schlamm vergrabene Ikone die ich nicht erreichen kann. Es schmerzt das zu sehen. Es schmerzt die eigene Hilflosigkeit diesen Zustand nicht ändern zu können. Es schmerzt einfach.

TillSchilling

Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von TillSchilling »

Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 14:54
Anti-Theologie
Was ist das?

Trisagion
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Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von Trisagion »

TillSchilling hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 14:59
Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 14:54
Anti-Theologie
Was ist das?
Meine Worterfindung für die Haltung, daß Theologie unwichtig bis schädlich ist. Die Idee, daß über Gott nachdenken unsere Beziehung zu Gott versaut und/oder dem Prinzip des Glaubens entgegengesetzt ist. Auch die Einstellung, daß Theologie nur eine Sache für Eliten ist: eventuell in der Händen von hochqualifizierten Leute zu etwas nütze, aber keinesfalls etwas womit sich ein Normalgläubiger beschäftigen sollte.

Es ist jedoch nicht Anti-Theologie zu sagen, daß alleine über Gott nachdenken weder Glaube ist noch gottgefällig, und daß sich niemand in eine Beziehung mit Gott reindenken kann. Dem stimme ich voll zu. Nur weil Anti-Theologie falsch ist, ist Nur-Theologie nicht richtig. Alles hat sein rechtes Maß, auch die Theologie.

TillSchilling

Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von TillSchilling »

Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 14:54
Hier geht m.E. die Krankheit des Kulturchristentums in Orthodoxen Kernländern (von der wir Katholiken ja auch ein Lied singen können) mit den intellektuellen Stillstand der Orthodoxie in den letzten tausend Jahren eine unheilige Allianz ein mit Schwachsinn den wir hier im Westen herangezüchtet haben.
https://www.amazon.de/How-Win-Friends-I ... 1439199191

Trisagion
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Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von Trisagion »

TillSchilling hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 17:24
Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 14:54
Hier geht m.E. die Krankheit des Kulturchristentums in Orthodoxen Kernländern (von der wir Katholiken ja auch ein Lied singen können) mit den intellektuellen Stillstand der Orthodoxie in den letzten tausend Jahren eine unheilige Allianz ein mit Schwachsinn den wir hier im Westen herangezüchtet haben.
https://www.amazon.de/How-Win-Friends-I ... 1439199191
Ich habe aber garnicht vor Leute durch gezielte Manipulation für meine Zwecke auszunutzen. Die ständigen Versuche auch auf allerhöchster katholischer Ebene die Orthodoxen zu umgarnen laufen ja jetzt schon einige Jahrzehnte. Ob die Schmusetour was bringt wird man sehen, jedenfalls werde ich dafür nicht benötigt.

Der Nachweis, daß ein großer Teil der Orthodoxen in deren angestammten Ländern mehr kulturell als religiös eingebunden sind, fällt auch nicht schwer. Ich habe dazu vor kurzem noch einiges an Zahlen bereit gestellt. (Wie gesagt, durchaus nicht nur ein Orthodoxes Problem, schließlich klappt die katholische Kirche in Europa zusammen seitdem Schluß ist mit dem kulturellen Katholizismus, und in Südamerika wird es vermutlich noch schlimmer.) Der intellektuelle Stillstand der Orthodoxie ist ja eher etwas auf das die stolz sind. Vielleicht ändert sich das ja heutzutage, mit Leuten wie z.B. Christos Yannaras. Das liberaler Protestantismus und esoterisches Hippietum Schwachsinn sind, ist selbstverständlich nur eine Meinung, meine nämlich. Aber ich bin gerne bereit die zu verteidigen.

Die unheilige Allianz ist allerdings Spekulation. Ich denke, hier rumpeltst irgendwann im Karton. Im Westen sammeln die Orthodoxen schon eine ganze Weile Schafe einer ganz bestimmten Sorte ein. Mal schauen wann die sich bemerkbar machen... ich denke die Orthodoxen züchten sich da ein Problem heran, daß die Anglikanische Kirche zerlegt hat und mit der die katholische Kirche gerade kämpft.

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Jeremias
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Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von Jeremias »

Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 14:06
Im besten Fall geht es hier mehr um ein "besser" als ein "ausreichend" was das Heil angeht, und wir sehen hier schlicht, daß der Himmel überhaupt nicht egalitär ist. Im schlimmsten Fall verdammt Jesus hier 99,9% der Menschheit. Wie man Jesus harsche Beurteilung des reichen Mannes zum Anlaß nehmen kann, an Gott als Richter zu zweifeln, ist mir jedenfalls komplett schleierhaft.
Es gibt kein "ausreichend". Vor dem "furchtbaren Richterstuhle Christi" haben wir alle keinen Bestand. Nur die Gnade Gottes kann uns erretten.
Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 14:06
Jeremias hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 08:30
Das der Osten stärker im Wundersamen verhaftet ist und nicht versucht, so Fragen zu klären wie das mit den Engeln auf dem Stecknadelkopf, ist jetzt aber hoffentlich keine neue Erkenntnis. :)
Soll wohl lustig gemeint sein. Es ist aber wohl erwähnenswert, daß es eine solche Debatte nie gab. Genau wie niemand mit auch nur einem Ansatz an Bildung im Mittelalter glaubte, daß die Erde flach ist, gab es auch nie eine theologische Auseinandersetzung um Engel auf einer Nadelspitze. Dies sind Propagandalügen der Aufklärung, die inzwischen eine Art kultureller Folklore für uns darstellen.
Tatsächlich sollte das ein humoristischer Verweis darauf sein, dass es gewisse Spitzfindigkeiten gibt, die im Westen diskutiert wurden, die dem Osten durchaus fremd sind. Danke übrigens für die Belehrung, im Gegensatz zu dem mit der flachen Erde (das ist ja Teil meines Fachgebietes) wusste ich nicht, dass das nur in Morgensterns Gedicht erwähnt wird. Wieder was gelernt!
Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 14:06
Jeremias hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 08:30
Mal klar gesagt: Es geht in der Orthodoxie eben nicht dadrum, dass Gott bereit ist "die Tat zu vergeben, aber noch die Gefängnisstrafe absitzen lassen will" (verkürzt zitiert).
Ja, sehr verkürzt. Du hast nämlich schlicht die Hälfte, die nicht in diesem Modus sprach, weggeschnitten. Um dann so zu tun, als ob ich nur in diesem Modus gesprochen hätte.

Wenn Du einseitig zitierst und kommentierst, bedeutet das nicht, daß ich einseitig spreche und bin.
Das habe ich nicht unterstellt (aber auch nicht eindeutig nicht unterstellt, insofern entschuldige bitte). Ich habe diesen Teil zitiert, weil er für mich die Diskrepanz aufzeigte. Eventuell habe ich dich an dieser Stelle missverstanden, aber was ich da verkürzt zitiert habe, ist das, was bei mir angekommen ist.
Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 14:06
Jeremias hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 08:30
Ich bitte Gott um Gnade für die Verstorbenen, damit er sie nicht am jüngsten Tag in die Verdammnis schickt, sondern ihnen in seiner Güte Erbarmen zeigt. Ich bitte ihn um Nachsicht für die menschlichen Sünden.
Du kennst kein indivduelles Gericht nach dem Tod? Du bist der Meinung, daß Du Gottes Entscheidung bzgl. Todsünden (Süden die in die Hölle führen würden) auch noch nach dem Tode des Sünders durch Dein Gebet beeinflußen kannst?
Der sprachliche Unterschied zwischen "Bitten" und "Beeinflussen" ist so groß, dass wir von Religion zur Magie wechseln. Wenn ich "beeinflussen" würde, dann wäre ich ein Zauberwirker. Zauberei und Magie ist aber für mich Unfug (schließlich bin ich getauft). Ich kann Gott nicht beeinflussen, nicht mal ansatzweise.

Eine Kategorisierung von Sünden ist (also deine "Tod"-Sünden) wieder entgegen dem orthodoxen Denken. Etwas kann für den einen eine schlimme Sünde sein, was für den Anderen notwendig ist, um überhaupt leben zu können. Deswegen ja auch die entsprechende Freiheit des Bischofs. Das Kreuz, unter dem der Eine zusammenbricht und abfällt vom Glauben, mag für den Anderen leicht zu tragen sein.

Das mit dem indivuellen Gericht direkt zeitlich nach dem Tod kann ich tatsächlich nicht sofort beantworten, da ich mir nie Gedanken darüber gemacht habe. Und jetzt wo ich drüber nachdenke, ist es irrelevant: Der lineare Zeitbegriff, also dass es für Gott einen Unterschied macht, wann was passiert und in welcher Abfolge es passiert, den lehne ich ab wenn wir über Dinge sprechen, die außerhalb unseres Universums liegen.
Hier bin ich durchaus in meinem Fach: Zeit als ordnendes Element unserer Welt verknüpft man bspw. mit dem thermodynamischen Gesetz der Entropie, die irreversibel zunimmt (in einem geschlossenen System). Wenn man aber Gott als außerhalb der Gesetze der Natur stehend betrachtet (was vermutlich im gesamten Christentum so ist), dann ist dieser Zeitbegriff schlicht nicht anzuwenden.
Also: Wann es für die einzelne Seele zum Gericht kommt, ist völlig egal.


Nachtrag, weil es gerade als Beitrag kam:
Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 14:06
Der Nachweis, daß ein großer Teil der Orthodoxen in deren angestammten Ländern mehr kulturell als religiös eingebunden sind, fällt auch nicht schwer.
Der Nachweis ist für mich unnötig. Als jemand, der eben kein Ethno-Orthodoxer ist, muss ich dem zustimmen. Ich erreiche hier mit dir ein höheres Niveau als ich das üblicherweise erlebe. Trotz meines beschränkten theologischen Wissens.
Orthodoxer. Physikdidaktiker. Rollenspieler. Liberaler. Konservativer. Modernist. Ökumenist.
Alles Titel, mit denen man mich bedenken kann, die deswegen mich trotzdem nicht gänzlich beschreiben.

TillSchilling

Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von TillSchilling »

Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 19:12
Im Westen sammeln die Orthodoxen schon eine ganze Weile Schafe einer ganz bestimmten Sorte ein. Mal schauen wann die sich bemerkbar machen... ich denke die Orthodoxen züchten sich da ein Problem heran, daß die Anglikanische Kirche zerlegt hat und mit der die katholische Kirche gerade kämpft.
Wovon sprichst du? Was hat die anglikanische Kirche zerlegt? Bin mir eigentlich gar nicht bewusst dass die zerlegt sei.

Was für Problemschafe sammelt die Orthodoxie den auf? Den Pietismus, denn Yannaras anprangert? Ist es das was du unter liberalem Protestantismus verstehst?

Die liberale Theologie ist sehr, sehr breit. Von Wolfhart Pannenberg, der sein Bundesverdienstkreuz zurückgab bis Dorothee Sölle. Und noch einmal in etliche andere Richtungen. Möchtest du das wirklich alles in die Schublade „Schwachsinn“ stecken?

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Stephanie
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Stephanie »

Lieber Trisagion

Ich teile deine Einschätzung, dass die Mehrheit der Christen (und zwar in allen Denominationen) Kulturchristen waren/sind und viele esoterische oder sonst wie geartete Einflüsse…äh…Einfluss nehmen. Aber:
1. Das war schon immer zu. Utopia gab’s nie und zum Paradies muss ich kaum etwas sagen. Der Traum von „früher waren die Menschen gläubiger“ ist eine zutiefst menschliche Sehnsucht nach einem verloren gegangenen Paradies – aber das war nicht vor 500 Jahren und auch nicht vor 1000 Jahren.
Beleg dafür: Äh…die Bibel und die Kirchengeschichte. Die Menschen haben sich zu Zeiten der ersten Konzilien die Köpfe auf den Straßen eingeschlagen (buchstäblich) und zwar keineswegs irgendwelche Hooligans sondern teilweise auch Mönche – es ging, wie so oft ums Rechthaben und Kirchenpolitik.
Ich gehe schwer davon aus, dass ab einem gewissen Punkt, spätestens als das Christentum nicht mehr verfolgt wurde, die Masse der Menschen Mitläufer waren und von höherer Theologie so viel Ahnung hatten wie heute, oder noch weniger. Zeigt sich übrigens auch in den mühseligen sich wiederholenden Missionsversuchen auf (heute) deutschem Boden.
2. Es ist uns keineswegs zugesagt worden, dass alle gerettet werden, noch nicht einmal dass es sehr viele sein werden. Der Pfad ist schmal. :-/
Das war es, was ich dir etliche Postings früher zur Mission mit der Umschreibung Qualität vs. Quantität sagen wollte.
Kulturchristen sind (auch wenn der Begriff nun wirklich nicht schön ist) „Karteileichen“ – sie zahlen möglicherweise Kirchensteuern, dort wo es dieses Modell gibt, kaufen viele religiöse Symbole oder unterstützen ihre Gemeinde vor Ort und das ist ja keine schlechte Tat. Es hilft aber wenig zur Errettung.
Ich denke, hierin sind wir uns einig?

Theologie: Also…im Grunde müssen wir hier noch einmal eine begriffliche Klärung vornehmen. Theologe ist in der Orthodoxie jeder Gläubige der Gott sucht und sich auf den Weg der Theosis macht und mit seinem Glauben und Gott auseinandersetzt. Das, worüber wir sprachen, war gewissermaßen das Berufstheologentum, Theologie als Studienfach, als Auseinandersetzung mit der Lehre auf einer Meta-Ebene. Und das ist etwas, was in der Orthodoxie im…nennen wir es Alltag…weniger geschieht. Orthodoxe Berufstheologen findet man im Westen wenige und im Osten auch eher an den entsprechenden Instituten. Soweit geklärt.
Dein Vorwurf, dass die Orthodoxie geistigen Stillstand erlitten hätte, ist ein Vorwurf, der vor allem im 19. Jahrhundert sehr populär war. Hat historische-politische Gründe. Davor hatte man auch eine ganz ordentliche Zeit lang sich nicht sehr für die Christen im Osten interessiert. Jedenfalls ist das auch mit einer der Gründe, weshalb die Orthodoxen der Katholischen Kirche und ihren Annäherungsversuchen seit einigen Jahren, ziemlich…ablehnend gegenüber stehen. Ist halt so. Wenn jemand immer zu hören bekommt, dass er minderbemittelt ist und sich an der Größe und dem Glanze des anderen orientieren soll…kommen keine freundschaftlichen Gefühle auf. Inhaltlich wüsste ich jetzt mal gerne, was genau du als Stillstand bezeichnest. Was genau ist es denn, worüber die orthodoxe Theologie deiner Meinung nach so dringend forschen müsste? Das Christentum muss nicht (entgegen der Denke irgendwelcher progressiven Gruppierungen) an irgendwas angepasst, neu überdacht, neu entwickelt werden. Es ist alles da. Gott hat sich uns offenbart. Der Glaube wurde in den ersten sieben Konzilien genauer erklärt und ausgeführt, von anderen Strömungen unterschieden. Was genau vermisst du denn? Und warum, wenn es doch deiner Meinung nach in der Katholischen Kirche zu finden ist, sollte dies nun die Orthodoxe Kirche ebenfalls tun? Soll das ein verstecktes Ihr müsst endlich eure Defizite eingestehen und euch uns anschließen sein?
Die Orthodoxe Kirche lehnt Intellektualität nicht ab. Unsere Priester haben kein Problem damit, wenn sich der Gläubige mit Kirchengeschichte beschäftigt, die Kirchenväter liest usw. Aber zuerst soll er beten, fasten, in die Kirche gehen und an den Sakramenten teilhaben. Nicht umgekehrt. Anderes Bild: Ich bin krank und gehe zum Arzt. Er stellt fest, was ich habe und was ich tun muss, um wieder gesund zu werden. Ich kann mir natürlich zusätzlich Bücher durchlesen zum Thema der Krankheit…keine Frage, aber um gesund zu werden, muss ich mich an den Ratschlag des Arztes, die Medizin und die veränderte Lebensweise halten. Sonst fängt der Käse wieder von vorne an. Und solange ich nicht in der Lage bin, die Medizin einzunehmen und den Diätplan und die sonstigen Anweisungen des Arztes zu befolgen, solange brauche ich keine Abhandlungen aus dem Medizinstudium lernen. Verstehst du, worauf ich hinaus will? Die meisten von uns brauchen noch Babybrei, statt fester Nahrung. :-/
Orthodoxie ist in erster Linie eine Lebensweise – keine Theorie. Auch wenn ich dir recht gebe, dass es beides braucht.

Puritanismus kann ich darin nicht erkennen. Wie wohl es natürlich in der Orthodoxie auch Extremisten und Weltenflüchtler (also im negativen Sinne, nicht im Sinnes des Mönchtums) gibt – wie es sie halt überall gibt. Welche Spinner nehmen wir denn auf, die bedrohlich für uns sind? Die Konvertiten, die zu uns kommen, weil sie die Liturgie so schön finden, oder denen das Priestergewand besser gefällt…die bleiben nicht. Glaube mir. Selbst meine bescheidene Anzahl an Jahren kann das bereits bezeugen.
So. Und nun zum Eigentlichen: Ich hatte geschrieben, dass ich über 2 Dinge gestolpert bin, über die ich nachdenken und nachforschen muss. Das ist auch immer noch so. Gut Ding will Weile haben. Es betrifft thematisch jedenfalls die „letzten Dinge“.
Wird kaum der Gerechte gerettet, wo werde ich Sünder erscheinen? Die Last und Hitze des Tages habe ich nicht getragen. Die um die elfte Stunde kamen, denen zähle mich bei, Gott, und sei mein Erretter.

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Stephanie
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Stephanie »

Das Wichtigste: Ein gesegnetes Theophanie Fest! Der Erdkreis ist gesegnet! :engel:
Wird kaum der Gerechte gerettet, wo werde ich Sünder erscheinen? Die Last und Hitze des Tages habe ich nicht getragen. Die um die elfte Stunde kamen, denen zähle mich bei, Gott, und sei mein Erretter.

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Lycobates
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Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von Lycobates »

Jeremias hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 19:30

Eine Kategorisierung von Sünden ist (also deine "Tod"-Sünden) wieder entgegen dem orthodoxen Denken.
Das ist in dieser Absolutheit keineswegs zutreffend.
Interessierte können dazu einen früheren Beitrag nachlesen:
https://www.kreuzgang.org/viewtopic.php ... B1#p893973
Der Mittelweg ist der einzige Weg, der nicht nach Rom führt (Arnold Schönberg)
*
Fac me Tibi semper magis credere, in Te spem habere, Te diligere
*
... una cum omnibus orthodoxis, atque catholicae et apostolicae fidei cultoribus

Trisagion
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Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von Trisagion »

Jeremias hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 19:30
Es gibt kein "ausreichend". Vor dem "furchtbaren Richterstuhle Christi" haben wir alle keinen Bestand. Nur die Gnade Gottes kann uns erretten.
Das ist sowohl richtig als auch falsch. Das es nicht komplett richtig sein kann, sehen wir ja z.B. an der Richterszene in Matthäus. Richtig ist zu sagen, daß ohne Gottes Gnade kein Mensch in den Himmel kommen kann. Niemand hat den Himmel verdient. Aber mit Jesus haben wir eben eine feste Zusicherung der Gnade Gottes, auf der Geberseite sozusagen. Es ist nicht willkürlich oder selektiv, Jesus bringt uns allen Heil. Es ist allerdings nicht bedingungsloses Heil, und auch nicht das "einmal ja sagen reicht" Heil gewisser protestantischer Gruppen. Wir sind eben zu einem bestimmten Leben als Christen berufen, und in dem Leben können wir in der Tat Bestand haben. Nicht ohne Gnade Gottes, sondern vielmehr wegen ihr. Paulus ist nicht anmaßend in 2 Tim 4,7-8 sondern erfüllt von einer berechtigten Zuversicht (Zuversicht, nicht Gewißheit). Für die meisten von uns wird das mehr eine Zitterpartie als bei Paulus. Aber nicht weil ungewiß ist was Jesus von uns will und ob uns das möglich ist. Sondern nur, weil wir das uns von Gott ermöglichte nicht im selben Maß erfüllen wie Paulus.
Jeremias hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 19:30
Ich habe diesen Teil zitiert, weil er für mich die Diskrepanz aufzeigte. Eventuell habe ich dich an dieser Stelle missverstanden, aber was ich da verkürzt zitiert habe, ist das, was bei mir angekommen ist.
Es war genau mein Ziel beides zu erwähnen, weil ich eben denke, daß es weitgehend zwei Sichtweise auf ein und dasselbe Ding sind. Es ist dann historisch bedingt, und auch Geschmacksfrage, was man vorzieht. Aber, und das ist wichtig, wenn man wie ich denkt daß beides stimmt, dann kann man die Aussagen in der einen Form mit den Aussagen der anderen Form korrigieren. Und dann kann man eben nicht mehr so extrem in einer Form reden, daß es der anderen Form unauflöslich widerspricht. Ich finde das recht wichtig...
Jeremias hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 19:30
Eine Kategorisierung von Sünden ist (also deine "Tod"-Sünden) wieder entgegen dem orthodoxen Denken. Etwas kann für den einen eine schlimme Sünde sein, was für den Anderen notwendig ist, um überhaupt leben zu können. Deswegen ja auch die entsprechende Freiheit des Bischofs. Das Kreuz, unter dem der Eine zusammenbricht und abfällt vom Glauben, mag für den Anderen leicht zu tragen sein.
Hier wird jetzt sehr viel vermischt von Dir. Wenn ich geplant, im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte und kalten Blutes einen unschuldigen Menschen umbringe, dann hat kein Bischof auf Erden (und auch nicht der Papst in Rom...) Freiheit diese Sünde für mich als läßlich zu deklarieren. Wenn ich sie nicht zu Lebzeiten bereue, beichte und Buße tue, wenn ich nicht "metanoia" realisiere, dann fahre ich zur Hölle. Null Spielraum. Und wenn alle Orthodoxen Heiligen aller Zeiten Jahrtausende lang für mich beten würden, bliebe ich dennoch in der Hölle. Ende. Aus. Das ist gemeint mit Todsünde. Möchtest Du das bestreiten? Mit der Ausnahme von Judas, vermutlich, hat die katholische Kirche übrigens nie deklariert daß irgendein Mensch in Todsünde gestorben ist. Die Kirche kanonisiert Heilige, nicht Verdammte, unter anderem auch weil man als Mensch nicht wissen kann ob es "mildernde Umstände" gibt oder wie sich der Willen eines Menschen in entscheidenden Momenten bewegt. Aber das bedeutet keineswegs, daß die Kirche annimmt, niemand wäre je in Todsünde gestorben. Es gibt z.B. so gut wie sicher eine Menge kaltblütige Mörder in der Geschichte die keine ausreichende Entschuldigung haben, und auch nicht bereuten. Die sind in der Hölle. Das man als Mensch nicht mit absoluter Sicherheit sagen kann, wer dazu gehört, bedeutet nicht, daß niemand dazu gehört.
Jeremias hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 19:30
Das mit dem indivuellen Gericht direkt zeitlich nach dem Tod kann ich tatsächlich nicht sofort beantworten, da ich mir nie Gedanken darüber gemacht habe. Und jetzt wo ich drüber nachdenke, ist es irrelevant: Der lineare Zeitbegriff, also dass es für Gott einen Unterschied macht, wann was passiert und in welcher Abfolge es passiert, den lehne ich ab wenn wir über Dinge sprechen, die außerhalb unseres Universums liegen.
Hier bin ich durchaus in meinem Fach: Zeit als ordnendes Element unserer Welt verknüpft man bspw. mit dem thermodynamischen Gesetz der Entropie, die irreversibel zunimmt (in einem geschlossenen System). Wenn man aber Gott als außerhalb der Gesetze der Natur stehend betrachtet (was vermutlich im gesamten Christentum so ist), dann ist dieser Zeitbegriff schlicht nicht anzuwenden.
Also: Wann es für die einzelne Seele zum Gericht kommt, ist völlig egal.
Nun, ich habe selber ein Doktor in Theoretischer Physik (QCD). Du kannst nicht einfach den Ewigkeitbegriff Gottes auf den Menschen ausweiten. Selbst wenn wir davon ausgehen, daß der Mensch irgendwann "ewig" wird, ist er anfangs sicher zeitlich. Und wann und wie genau er von dem einen zu dem anderen Zustand übergeht ist keineswegs klar. Und wohlgemerkt, der körperliche Tod ist keineswegs eine natürliche sprungartige Schwelle (quasi Heaviside Theta), denn es ist ja gerade christlicher Glaube daß die Seele kontinuierlich existiert nach dem Tode. Das wie gesagt unter dem Ansatz, daß der Mensch überhaupt "ewig" wird.

Ich halte das für ausgeschlossen. Ich denke es gibt keine Möglichkeit ewig zu sein außer man ist Gott selber. Der Grund liegt in der Unmöglichkeit von diskreten Operationen ohne Zeit, also Veränderbarkeit. In der Ewigkeit kann es nur einen einzigen Akt geben, den "actus purus", den reinen Akt. In Gott ist absolut alles eine einzige Verwirklichung, es ist ein einmal und einfach Existentes. Hingegen leben selbst die Engel in einer Zeit in irgendeinem Sinne, denn sie haben sich mindestens einmal verändert (in ihrer Entscheidung für oder gegen Gott). Der Mensch, mit seinem ganzen kognitiven Apparat der strikt zeitlich organisiert ist - zeitlich in einem regulär physikalischen Sinne - kann nicht in ein "zeitloses" Wesen verwandelt werden ohne seine Menschlichkeit zu verlieren. Wir können ja nichtmal ohne Körper wirklich Mensch sein, darum kriegen wir halt einen neuen Körper, einen besseren. Gleichfalls bin ich mir absolut sicher, daß wir eine neue Zeit kriegen werden, eine bessere. Was das bedeutet, weiß ich nicht. Vielleicht können wir sie nach belieben dehnen, oder sie ist keine Einbahnstraße mehr. Was weiß ich. Aber sollten wir uns im Himmel treffen, dann bin ich mir sicher, daß ich nicht nur Deine Anlitz sehe werde, sondern mich auch mit Dir für "später" verabreden kann. Irgendwie. Denn alles andere wäre nicht menschlich.

Nebenbemerkung: ich bin mir relativ sicher, daß Deine Meinung hier gegen die Lehre Deiner Kirche steht. Ob Du nun meinen Worten glauben schenkst oder nicht, ich denke du solltest da zumindest mal näher nachschauen.
Jeremias hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 19:30
Als jemand, der eben kein Ethno-Orthodoxer ist, muss ich dem zustimmen. Ich erreiche hier mit dir ein höheres Niveau als ich das üblicherweise erlebe. Trotz meines beschränkten theologischen Wissens.
Danke.

Trisagion
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Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von Trisagion »

TillSchilling hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 20:10
Wovon sprichst du? Was hat die anglikanische Kirche zerlegt? Bin mir eigentlich gar nicht bewusst dass die zerlegt sei.
Bei den Anglikanern brodelt es schon lange gewaltig zwischen Liberalen und Konservativen, mit gelegentlichen Abspaltungen (Continuing Anglicans). Der Streit um gelebte Homosexualität / Homoehe hat dann zu weiteren echten schismatischen Abspaltungen geführt (Anglican Realignment, aber übrigens auch eine ganze Menge Anglokatholiken die in die katholische Kirche zurückkehrten, unter aktiver Hilfe aus Rom: sie haben jetzt einen anglikanischen Sonderritus). Aber man kann wohl auch sagen, daß der Rest der "Anglican Communion" zerrüttet ist. Im westlichen steht hier Amerika (liberal) gegen Afrika (konservativ), unversöhnlich, und England versucht einen faulen Kompromiß nach dem anderen um den endgültigen, formalen Bruch zu vermeiden.

Oder jedenfalls war das so vor ca. 10 Jahren. Ich war früher mal in einem Forum mit vielen Anglikanern unterwegs, da habe ich halt immer etwas mitgekriegt. Seitdem ich da nicht mehr dabei bin, habe ich das komplett aus den Augen verloren. Die Anglikaner interessieren mich nicht weiter.
TillSchilling hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 20:10
Was für Problemschafe sammelt die Orthodoxie den auf? Den Pietismus, denn Yannaras anprangert? Ist es das was du unter liberalem Protestantismus verstehst?
Weitgehend, jedenfalls wenn den Begriff so weit auslegt wie Yannaras es tut. Ob zum Beispiel moralischer Utilitarismus notwendig Teil vom Pietismus ist möchte ich nicht unbedingt unterschreiben. Aber er gehört sicher zum liberalen Protestantismus (jedenfalls zu der Sorte die mich nervt, siehe unten).

Den Link zum Pietismus habe ich allerdings hauptsächlich verwendet, weil hier ein berühmter Orthodoxer Theologe seinen Brüdern und Schwestern die Leviten liest was "Anti-Theologie" angeht. Natürlich kommt wie alles Böse auch diese Krankheit wieder irgendwie aus dem Westen. Aber gut, ich versteh schon daß er dem Affen Zucker geben muß. Aber ich finde es schon amüsant viel von meiner eigenen Meinung zum Thema aus Orthodoxem Munde zu hören.
TillSchilling hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 20:10
Die liberale Theologie ist sehr, sehr breit. Von Wolfhart Pannenberg, der sein Bundesverdienstkreuz zurückgab bis Dorothee Sölle. Und noch einmal in etliche andere Richtungen. Möchtest du das wirklich alles in die Schublade „Schwachsinn“ stecken?
Vermutlich nicht, beim über den Kamm scheren passieren immer viel zu viele Fehler... Und ich habe da auch einfach zu wenig Ahnung. Pannenberg kenne ich wenigstens noch des Namens nach, bei Sölle müßte ich jetzt Googeln...

Meine Aussage war auch eher der Begegnung mit vielleicht einem Dutzend protestantisch-liberaler Laien über die Jahre geschuldet, bei denen ich Schwierigkeiten hatte Unterschiede zu Otto Normalagnostiker festzustellen. Jaja, keine ausreichende Statistik, stimmt schon. Aber auch die Protestanten ziehen ja ganz gerne übereinander her, und mir schien mein eigener Eindruck nicht unbedingt fern von dem was ich so von konservativeren Protestanten hörte.

Trisagion
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Trisagion »

<Anmerkung: ich stelle gerade fest, daß ich hier Lukas 18,18-29 als Lukas 21,18-29 zitiert habe, was verwirrt. Ich hätte nichts dagegen wenn ein Moderator das korrigiert und dann diese Zeilen hier löscht. Ansonsten halt dies hier als Hinweis...>
Stephanie hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 21:32
Der Traum von „früher waren die Menschen gläubiger“ ist eine zutiefst menschliche Sehnsucht nach einem verloren gegangenen Paradies – aber das war nicht vor 500 Jahren und auch nicht vor 1000 Jahren.
Dem stimme ich zu. Umso wichtiger, daß es irgendwo und irgendwie mehr gibt, und daß das auch zugänglich ist, nicht versteckt.
Stephanie hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 21:32
Kulturchristen sind (auch wenn der Begriff nun wirklich nicht schön ist) „Karteileichen“ – sie zahlen möglicherweise Kirchensteuern, dort wo es dieses Modell gibt, kaufen viele religiöse Symbole oder unterstützen ihre Gemeinde vor Ort und das ist ja keine schlechte Tat. Es hilft aber wenig zur Errettung.
Ich denke, hierin sind wir uns einig?
Ich sehe das wohl etwas weniger krass. Ich denke Anspruch will ansprechen, aber ist nicht mehr Richtspruch als man angesprochen wurde - jedenfalls bei Gott. Nimm die ja schon zitierete Stelle über den reichen Mann. Wenn Du nur Lukas 18,18-20 liest, dann steht da eine Minimalanforderung - wirklich ziemlich minimal - die für das ewige Leben reicht. Dann beschwert sich der reiche Mann aber quasi mit den Worten "Kinderspiel" über den mangelnden Anspruch. Den kriegt er dann sofort knallhart serviert. Und als er da nicht nachzieht, wird Jesus ziemlich pampig...

Ich denke es geht bei Gott weder um ein absolutes Maß an Leistung, noch um individuelles Leistungsvermögen. Es geht darum, daß das Du das willst und auch aktiv suchst, was Du von Gott siehst. Konkret. Siehst Du viel, ist es an Dir, viel zu wollen und zu suchen. Siehst Du wenig, dann halt wenig. Das bedeutet nicht, daß der Pfad breit ist, er ist schmall. Aber wenn Du ein Reinhold Messner des Glaubens bist, dann führt Dein schmaler Pfad über gefährliche Untiefen auf die höchsten Gipfel. Wenn Du ein Hinz Kunzhausen des Glaubens bist, dann vielleicht nur um die Ecke bis zum Schrebergarten. Es ist auch nicht so, daß das keine Rolle spielt. Ich denke der Reinhold Messner wird anders im Himmels sein als Hinz Kunzhausen. Es gibt viele Häuser im Himmel. Aber es sind eben beide im Himmel, und sie werden auf ihre Weise erfüllt sein - den sie sind dem Pfad gefolgt zum dem Ziel.

Wenn nun eine Frau einmal die Woche in die Kirche stiefelt, den Gottesdienst absitzt, ein wenig klönt, eine Kerze anzündet und nach Hause stiefelt - und sonst Gott einen guten Mann sein lässt - ist sie dann eine Karteileiche der Kirche? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht wird sie im Himmel sein. Vielleicht war das kleine Stück was sie von Gott gesehen hat, ihr schmaler Weg, was man ihr als Kind beigebracht hat. Und dem ist sie immer treu gefolgt. Sie hätte auch aufhören können, es war viel Gelegenheit dazu, ein breiter Weg. Hat sie aber nicht. Ist es richtig die Frau aufzurütteln, ihr zu sagen wie Christentum so richtig geht? Vielleicht. Vielleicht kann sie viel mehr von Gott sehen und auf schmalen Wegen folgen als man ihr als Kind beigebracht hat, und sie weiß es nur noch nicht. Mehr Gott ist besser als weniger Gott. Vielleicht bin ich geschickt dabei zu helfen. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht zerstöre ich dabei mehr als ich helfe. Es ist ... kompliziert.
Stephanie hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 21:32
Theologe ist in der Orthodoxie jeder Gläubige der Gott sucht und sich auf den Weg der Theosis macht und mit seinem Glauben und Gott auseinandersetzt. Das, worüber wir sprachen, war gewissermaßen das Berufstheologentum, Theologie als Studienfach, als Auseinandersetzung mit der Lehre auf einer Meta-Ebene.
Dem würde ich unser Prinzip "Schule" entgegenhalten. Es gibt eine Menge Leute die sagen wir mal Mathematik gehasst haben, oder Französisch, oder Sport, oder was weiß ich. Aber es ist doch wichtig eine gewisses Grundverständnis und Grundvermögen zu erarbeiten. Einerseits als Platform für möglicherweise mehr. Wenn man nicht allen möglichen Menschen als Kind Mathematik, Französisch, Sport, ... nahebringt, dann gibt es viel weniger Mathematiker, Romanisten und Sportler. Zweitens als eine Art Rahmen für die Welt. Man muß nicht berechnen können, um zu wissen, daß man berechnen kann. Ein gewisses Gefühl dafür was sagen wir mal ein Biologe so tut, oder ob eine Problem dem man begegnet etwas mit Chemie zu tun hat, ist schlicht sehr hilfreich. Wenn da eine Pfütze auf dem Boden komisch raucht, ist es gut eine gewisse Ahnung vom Konzept "Säure" zu haben. OK, vom Prinzip "Schule" aus gesehen halte ich es eben für verfehlt einfach zu sagen, daß jeder der etwas nachdenkt eine "Theologe" ist und daß man alles andere den Profis überlässt. Es braucht eine Kultur der Schulung, und eben nicht weil man jeden Menschen in Einstein verwandeln will.
Stephanie hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 21:32
Inhaltlich wüsste ich jetzt mal gerne, was genau du als Stillstand bezeichnest.
Gegenfrage, gibt es etwas was Du als Fortschritt bezeichnen würdest?
Stephanie hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 21:32
Was genau ist es denn, worüber die orthodoxe Theologie deiner Meinung nach so dringend forschen müsste?Das Christentum muss nicht (entgegen der Denke irgendwelcher progressiven Gruppierungen) an irgendwas angepasst, neu überdacht, neu entwickelt werden. Es ist alles da. Gott hat sich uns offenbart. Der Glaube wurde in den ersten sieben Konzilien genauer erklärt und ausgeführt, von anderen Strömungen unterschieden. Was genau vermisst du denn?
Du kannst nicht erst behaupten, daß das Christentum "nicht an irgendwas angepasst, neu überdacht, neu entwickelt werden muss" weil alles schon da ist. Um Dir dann selbst zu widersprechen indem Du uns mitteilst, daß die "ersten sieben Konzile das dann genauer erklärt, ausgeführt und unterschieden" haben. Wenn die ersten sieben Konzile derlei tun konnten, dann gibt es a priori keinen Grund warum die nächsten sieben Konzile das nicht auch tun konnten. Oder die nächsten siebenundsiebzig. Gott hat definitiv nicht offenbart, wieviele Konzile nötig und legitim sind! Es gibt auch absolut nichts in der Verhandlungsmasse der Konzile vor und nach dem Bruch (nach dem Bruch dann halt ohne den Osten) was objektiv auf ein offensichtliches Ende an sinnvollen Themen hindeutet. Es ist keineswegs so, als ob sagen wir mal am Ende des sechsten Konzils eine Liste erstellt hätte von noch zu besprechenden Themen, und die dann im siebten Konzil abgehakt hätte. Da steht auch nichts im siebten Konzils von wegen "und nun sind wir fertig, mehr Konzile sind nicht nötig".

Die einzige Begründung für das angebliche Ende der Konzilserie das die Orthodoxen haben ist, daß sie halt nicht mehr hingegangen sind. Und wenn man glaubt, daß die Orthodoxie die Kirche an sich ist, dann kann man schließen, daß das wohl so Gottgewollt sein muß. Aber eben nicht umgekehrt. Es folgt nicht irgendwie aus den Konzilen, daß die Orthodoxen die Kirche seien müssen, weil sie nach sieben Schluß gemacht haben. Im Gegenteil, das ist von außen betrachtet ein komplett zirkuläres Argument, und ein recht deutliches Zeichen, daß bei den Orthodoxen irgendwas schief gelaufen ist.

Lateran IV: Transubstantiation, Lyon II: Filioque, Vienne: Seele as Form des Körpers, Florenz-Ferrara: Vormacht des Papstes, Trient: Erbsünde, Rechtfertigung, Sakramente, ... Vatikan I: Unfehlbarkeit, Verhältnis Glaube und Verstand, Vatikan II: Ökumenismus, nicht-christliche Religionen - nur um mal ein paar Konzile und ein paar große Themen zu nennen. Es gab genau wie bei den ersten sieben Konzilen dann aber auch jede Menge "Kleinkram", der teilweise auch ziemlich wichtig wurde, z.B. Lateran III gegen die Simonie.
Stephanie hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 21:32
Und warum, wenn es doch deiner Meinung nach in der Katholischen Kirche zu finden ist, sollte dies nun die Orthodoxe Kirche ebenfalls tun? Soll das ein verstecktes Ihr müsst endlich eure Defizite eingestehen und euch uns anschließen sein?
Wieso versteckt? Es gibt nur eine Kirche, die katholische, und alle nicht-katholischen Christen sind Schismatiker, und meist auch Häretiker. Die dementsprechenden Defizite habt ihr zu korrigieren, da führt keine Weg dran vorbei. Nur bedeutet das jetzt nicht, daß ihr nur Defizite habt. Ihr habt auch Stärken, und auch viel Normales. Gleichfalls bedeutet es keineswegs, daß die einzige Kirche - die katholische - keine Defizite hat in ihrer irdischen Form. Es ist ehrlich gesagt ein Wunder, daß sie nicht unter allen ihren Fehlern bereits zusammengeklappt ist. Und es ist auch klar, daß bei einer echten Wiedervereinigung wenigstens die moderne katholische Seite alles nur Erdenkliche tun würde um die Orthodoxen ihr Gesicht wahren zu lassen. Ich bin mir sicher, da würde absolut kein Wort über Schisma und Häresie fallen, das wäre salbungsvoller als eine Fettberg in der Londoner Kanalisation. Aber ich bin kein kirchlicher Realpolitiker, ich teile Dir auf Nachfrage gerne mit was eh offensichtlich ist.
Stephanie hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 21:32
Anderes Bild: Ich bin krank und gehe zum Arzt. Er stellt fest, was ich habe und was ich tun muss, um wieder gesund zu werden. Ich kann mir natürlich zusätzlich Bücher durchlesen zum Thema der Krankheit…keine Frage, aber um gesund zu werden, muss ich mich an den Ratschlag des Arztes, die Medizin und die veränderte Lebensweise halten.
Sicher. Aber... wenn Dein Knie Dich schmerzt, dann sagen Dir von der Evolution bereitgestellte Rezeptoren und Nervenfasern, daß Gefahr im Verzug ist für Dein Wohlbefinden, Deine Gesundheit und im schlimmsten Fall Dein Leben. Wenn Dein Dogma Dich schmerzt... nun, das tut es eben leider nicht, jedenfalls nicht so ohne weiteres. Du mußt Dir da die Rezeptoren und Nervenfasern erarbeiten. Und es ist schlicht nicht wahr, daß "Beten allein" da immer hilft. Ein gewisses Wissen ist nötig.
Stephanie hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 21:32
Welche Spinner nehmen wir denn auf, die bedrohlich für uns sind?
Siehe den Artikel von Yannaras, den ich oben verlinkt habe, so mal als Beispiel.

TillSchilling

Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von TillSchilling »

Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 19:12
Die unheilige Allianz ist allerdings Spekulation. Ich denke, hier rumpeltst irgendwann im Karton. Im Westen sammeln die Orthodoxen schon eine ganze Weile Schafe einer ganz bestimmten Sorte ein. Mal schauen wann die sich bemerkbar machen... ich denke die Orthodoxen züchten sich da ein Problem heran, daß die Anglikanische Kirche zerlegt hat und mit der die katholische Kirche gerade kämpft.
Ich habe folgendes verstanden:
  • Mit dem Problem, welches die Anglican Communion belastet und zereisst und mit dem gerade auch die katholische Kirche zu kämpfen hat und welches die Orthodoxie bedroht, meinst du ethische Fragen vor allem der Umgang mit Homosexuellen.
  • Als weiteres Problem, welches die Orthodoxie bedroht siehst du den Individualismus und Antiintellektualismus des Pietismus.
  • Diese Probleme importiert sich die orthodoxe Kirche im Westen mit ihren Konvertiten - ich nehme an du meinst vor allem USA, korrekt? Meines Wissens nach gibt es nur dort Konvertierungen zur Orthodoxie in nennenswerter Anzahl.
Habe ich das so richtig verstanden?

Kleine Abschweifung: Liberale Theologie (als universitäre Theologie mit wissenschaftlichem Anspruch) ist nicht gleichzusetzen mit der real exististierenden kirchlichen Praxis des aktivistischen rotgrünen Betroffenheitskults. Die hat ihre Motivation eher im Neomarxismus. Ich glaube dass zum Beispiel eben Pannenberg und seine Überlegungen zur Offenbarung für dich interessant sein könnten.

Zweite, noch weiter abschweifende Abschweifung: Nein, die Anglican Communion, hat in den letzten 10 Jahren nicht wieder zur Einheit gefunden. In USA hat sie sich weiter gespalten und es ist die ACNA entstanden.

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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Osthugo »

Trisagion hat geschrieben:
Mittwoch 20. Januar 2021, 04:01

Wieso versteckt? Es gibt nur eine Kirche, die katholische, und alle nicht-katholischen Christen sind Schismatiker, und meist auch Häretiker. Die dementsprechenden Defizite habt ihr zu korrigieren, da führt keine Weg dran vorbei.
Fein, dann sind wir uns in der gegenseitigen Beurteilung ja einig. Darauf kann man aufbauen. ;D :breitgrins:
"Heiliger Engel, Schützer meiner Seele und meines Leibes, verlaß mich Sünder nicht! Weiche nicht von mir wegen meiner Sünden! Umfasse meine schwache Hand und führe mich den Weg des Heiles!"
(Makarios der Ägypter)

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Re: Wie hat sich die orthodoxe Haltung zum Petrusamt bisher bewiesen?

Beitrag von Jeremias »

Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 22:51
Wenn ich geplant, im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte und kalten Blutes einen unschuldigen Menschen umbringe, dann hat kein Bischof auf Erden (und auch nicht der Papst in Rom...) Freiheit diese Sünde für mich als läßlich zu deklarieren. Wenn ich sie nicht zu Lebzeiten bereue, beichte und Buße tue, wenn ich nicht "metanoia" realisiere, dann fahre ich zur Hölle. Null Spielraum. Und wenn alle Orthodoxen Heiligen aller Zeiten Jahrtausende lang für mich beten würden, bliebe ich dennoch in der Hölle. Ende. Aus. Das ist gemeint mit Todsünde. Möchtest Du das bestreiten?
Puh, da fehlen mir jetzt die theologischen Kenntnisse. Aber rein interessehalber, wie bringst du das zusammen mit "wem auch immer ihr die Sünden erlasst, dem sind sie erlassen"? (Johannes 20,23)

Ich hatte das immer so verstanden, als ob es sehr wohl möglich sein könnte.
Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 22:51
Es gibt z.B. so gut wie sicher eine Menge kaltblütige Mörder in der Geschichte die keine ausreichende Entschuldigung haben, und auch nicht bereuten. Die sind in der Hölle. Das man als Mensch nicht mit absoluter Sicherheit sagen kann, wer dazu gehört, bedeutet nicht, daß niemand dazu gehört.
Ja, da gebe ich dir recht.
Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 22:51
Nun, ich habe selber ein Doktor in Theoretischer Physik (QCD).
Cool! Dein Fachgebiet habe ich leider nur gestreift und meine Examensklausur in TP war auch eher so meh. Aber die Lehrämtler-Vorlesung für TP endete auch weit vor QCD. Meinen Dr. habe ich in Physikdidaktik. :) Insofern wirst du fachlich den Zeitbegriff deutlich besser als ich verstehen, vermute ich.
Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 22:51
Ich denke es gibt keine Möglichkeit ewig zu sein außer man ist Gott selber. Der Grund liegt in der Unmöglichkeit von diskreten Operationen ohne Zeit, also Veränderbarkeit. In der Ewigkeit kann es nur einen einzigen Akt geben, den "actus purus", den reinen Akt. In Gott ist absolut alles eine einzige Verwirklichung, es ist ein einmal und einfach Existentes.
Diese Kategorisierung Gottes, auch wenn sie philosophisch-theologisch ist, ist ja schon in der beschränkten Art und Weise vorgenommen worden, zu dem wir eben nur fähig sind. Dass ist der zugrundeliegende Grund, warum sich die Mönche gegen solche Überlegungen verwahren und lieber die mystische Gotteserfahrung suchen: Sie wollen eben Gott nicht in ihr eigenes Denken einpressen.
Anders ausgedrückt: Immer wenn jemand "unmöglich" sagt, ist das eben nur unmöglich für unser Verständnis. Siehe auch das Beispiel "Kann Gott einen Stein schaffen...", das basiert auch darauf, dass etwas logisch unmöglich ist. Gott entzieht sich aber dieserer unserer Logik.
Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 22:51
Aber sollten wir uns im Himmel treffen, dann bin ich mir sicher, daß ich nicht nur Deine Anlitz sehe werde, sondern mich auch mit Dir für "später" verabreden kann. Irgendwie.
Nebenbemerkung: Ich hoffe, dass wir uns dort treffen! Denn offenbar glaubst du genauso wie ich, nur in einer anderen Art und Weise. Und wer bin ich, meine Art und Weise als heilsbringend für dich zu definieren. :)
Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 19. Januar 2021, 22:51
Nebenbemerkung: ich bin mir relativ sicher, daß Deine Meinung hier gegen die Lehre Deiner Kirche steht. Ob Du nun meinen Worten glauben schenkst oder nicht, ich denke du solltest da zumindest mal näher nachschauen.
Soweit ich weiß, nicht. Aber ich behalte das im Auge.
Zuletzt geändert von Jeremias am Mittwoch 20. Januar 2021, 10:57, insgesamt 1-mal geändert.
Orthodoxer. Physikdidaktiker. Rollenspieler. Liberaler. Konservativer. Modernist. Ökumenist.
Alles Titel, mit denen man mich bedenken kann, die deswegen mich trotzdem nicht gänzlich beschreiben.

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