Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Ostkirchliche Themen.
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Nietenolaf
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Nietenolaf »

Ich meinte eigentlich nur (über Marys Ansinnen), dass wir hier schon versucht haben, die Sache mit den Sündenstrafen zu beleuchten, so, wie sie sich darstellt. Dieser Darstellung wurde auch noch nicht widersprochen. Das hat nichts mit "unserer Lehre" zu tun. Letztendlich war es eine verkappte Aufforderung, den Thread zu lesen, bevor man wieder die gleichen Fragen auswalzt, die schon behandelt wurden.
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Quasinix
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Quasinix »

Nassos hat geschrieben:
ad-fontes hat geschrieben:
Nassos hat geschrieben:Sind auf Erden vergebene Sünden vergeben (Absolution) oder muss man deswegen trotzdem auch eine Restzeit im FF verbringen?
Die Sünden sind vergeben, nicht aber notwendigerweise die aus der Sünde resultierenden Sündenstrafen.
Das erinnert mich an die Satisfaktiondiskussion aus einem Nachbarthread. Irgendwie wird immer Sühne gefordert. Inwieweit ist dann die Sünde vergeben?
Ich glaube, hier geht es mehr als nur von dem Verständnis nach "Ort". Hier existiert ein wesentlicher Unterschied in der Soteriologie (falls ich das richtig verstanden habe).
Das ist doch schon im rein Zwischenmenschlichen so: Ich kann demjenigen verzeihen, der mein Fahrrad gestohlen hat, aber trotzdem darauf bestehen, daß er es mir zurückgibt. Zur Reue gehört notwendigerweise auch immer die Wiedergutmachung, und nach dem Tod ist diese eben nur noch in der im Fegfeuer praktizierten Form möglich.
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Nassos
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Nassos »

Wenn der Fahrradklauer Dein Kind ist, das in aufrechter Reue das Fahrrad zurückgibt, und sich dann wirklich anstrengt keinen Mist mehr zu bauen, dann wirst Du Dir das doch sicher überlegen.
Vor allem, wenn Du Dich hast vorher zu Tode prügeln lassen, um Dein Kind vor der sicheren Vollstrafe zu retten und ihm nun die Hand ausstreckst.
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Nietenolaf
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Nietenolaf »

Quasinix hat geschrieben:Das ist doch schon im rein Zwischenmenschlichen so: Ich kann demjenigen verzeihen, der mein Fahrrad gestohlen hat, aber trotzdem darauf bestehen, daß er es mir zurückgibt.
Ja, genau, und im rein Göttlichen ist es dann...
Quasinix hat geschrieben:...notwendigerweise...
...umso mehr so. Da reden wir nicht mehr von Fahrrädern, sondern von BMWs, völlig klar, daß der liebe Gott dann auf etwas "besteht" (sonst fehlte Ihm ja was im Fuhrpark!).

Für manche hört das Herumschachern nicht einmal mit dem Tod auf:
Quasinix hat geschrieben:Zur Reue gehört notwendigerweise auch immer die Wiedergutmachung, und nach dem Tod ist diese eben nur noch in der im Fegfeuer praktizierten Form möglich.

Dann erkläre mir doch bitte, woher der Verstorbene dann noch ein Fahrrad (oder einen BMW) nehmen soll. Warte, ich hab's: er kriegt so lange auf die Mappe (?), bis der Streitwert irgendwie aufgewogen ist? "Wiedergutmachung"? Der Herrgott?

Mein lieber Quasinix, das war quasi nix!
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Nassos
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Nassos »

Ich kann das Beispiel Quasinix' nachvollziehen. Aber wir werden uns vor lauter Konzentration auf den Lerneffekt oder Sühne durch juristische Bestrafung vom wesentlichen ablenken lassen: der Bezug zu Ihm als Seine Kinder (daher auch die Gegendarstellung mit dem eigenen Kind als Fahrraddieb) und Seine Liebe zu Seinem Geschöpf, die wir uns vielleicht doch nicht so einfach vorstellen können, weil sie über menschliches Ermessen hinausgeht.
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Quasinix
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Quasinix »

@NietenOlaf: Sie kam aber schnell, die übliche völlig argumentfreie Polemik der Andersgläubigen... Traurig, daß sich da auch weniger weit entfernte Konfessionen nicht aus- bzw. zurücknehmen.

Jede Sünde ist Beleidigung Gottes und damit ein viel größeres Unrecht als ein materieller Schaden, den man einem Mitmenschen zugefügt hat. Umso größer ist hier also auch die Notwendigkeit zur Wiedergutmachung: Was Gott in seiner unendlichen Barmherzigkeit verzeiht, was ja im Fall von Todsünden nichts weniger als den Nachlaß der ewigen Höllenstrafe bedeutet, ist vor dem Hintergrund seiner unendlichen Gerechtigkeit nicht einfach inexistent geworden, als wäre es nie geschehen, sondern muß auch adäquat wiedergutgemacht, also gesühnt werden. Seine Heiligkeit erfordert es schließlich, daß nur ganz reine Seelen in den Himmel aufgenommen werden (vgl. Apk 21, 27). Wer diese Weseneigenschaften Gottes isoliert betrachtet und gegeneinander ausspielt, ist immer auf dem Glatteis!

Wenn man nach seinem Tod noch zeitliche Sündenstrafen abzubüßen hat, kann dies durch den Übergang vom status viae, in dem man noch aktiv Verdienste sammeln kann, in den status termini, in dem diese Möglichkeit nicht mehr besteht, ganz zwangsläufig mangels anderer Möglichkeiten nur noch durch das geduldige Erdulden der vom Ewigen Richter auferlegten Strafe geschehen (= satispassio im Gegensatz zur satisfactio) - abgemildert durch die Zuwendung der Kirche und der Lebenden, die den Armen Seelen Gebete und Ablässe und sonstige Suffragien, jedoch allem voran das Hl. Meßopfer, zuwenden. Mit dem nach der Reinigung wieder ganz weiß gewordenen Kleid kann die Seele dann zu Gott eingehen (vgl. D 530, 693).

"Die Seelen derer, die mit wahrer Reue und in der Liebe Gottes aus dem Leben scheiden, bevor sie durch würdige Früchte der Buße für ihre Vergehen und Unterlassungen Genugtuung geleistet haben, werden nach dem Tode mit Läuterungsstrafen gereinigt." (so die Konzilien von Lyon und Florenz - D 464, D 693; vgl. D 456, D 570 f.)

Schon Tertullian (De anima 58) und Cyprian (Ep. 55, 20) verstanden Mt 5, 26 als Hinweis auf das Fegfeuer. Auch Augustinus unterscheidet zeitliche Strafen, die in diesem Leben abzubüßen sind, und solche, die nach dem Tod abzubüßen sind (Civ. Dei XXI 13); die Suffragien kommen nach ihm denen zugute, die in Christus wiedergeboren sind und nicht so gut gelebt haben, daß sie einer solchen Hilfe nach dem Tode nicht mehr bedürfen, aber auch nicht so schlecht, daß ihnen eine solche Hilfe nicht mehr nützt, somit einer mittleren Gruppe zwischen Seligen und Verdammten (Enchir. 110, Civ. Dei XXI 24, 2).

Ob du das nun glaubst oder für eine Niete hältst, ist mir so einerlei wie quasi nix anderes - nur gehört hier auch mal der authentisch christliche Standpunkt (bei Tertullian, Cyprian, Augustinus u.v.a stand nicht "rk" auf der Lohnsteuerkarte) seit ältester Zeit klar dargelegt.
Zuletzt geändert von Quasinix am Samstag 29. Januar 2011, 00:03, insgesamt 4-mal geändert.
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Quasinix
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Quasinix »

Nassos hat geschrieben:Ich kann das Beispiel Quasinix' nachvollziehen. Aber wir werden uns vor lauter Konzentration auf den Lerneffekt oder Sühne durch juristische Bestrafung vom wesentlichen ablenken lassen: der Bezug zu Ihm als Seine Kinder (daher auch die Gegendarstellung mit dem eigenen Kind als Fahrraddieb) und Seine Liebe zu Seinem Geschöpf, die wir uns vielleicht doch nicht so einfach vorstellen können, weil sie über menschliches Ermessen hinausgeht.
Bitte nicht vor dem Hintergrund der Liebe und Barmherzigkeit die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes ausblenden, s. mein zweiter Absatz - das führt uns letztlich zum protestantischen Fiduzialglauben und zur modernistischen "Liebeskirche" vs. der "drohenden Kirche" mit ihrem "alttestamentlichen Bild des strafenden Gottes".

Wenn man den Gedanken konsequent weiterdenkt, wird auch der stellvertretende Sühnetod Christi überflüssig, denn Gott hätte ja aus dem Übermaß seiner Liebe zu uns Menschen heraus alles verzeihen können und damit gleichzeitig aus Liebe zu seinem Sohn diesem das Sühneleiden für uns ersparen können. Nicht umsonst wird der Grundgedanke des stellvertretenden Sühneleidens Christi heute ja auch immer mehr abgelehnt - "wie könnte Gott so grausam sein, seinem Sohn dies alles aufzubürden - er könnte doch mit einem Wort alles verzeihen, was jemals gesündigt wurde und werden wird"...
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Nietenolaf
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Nietenolaf »

Quasinix, vielen Dank für die Darlegung aus Sicht des römisch-katholischen Bekenntnisses. Genau das habe ich vor einigen Jahren in diesem Thread hier (Seite 2) auch getan (weil's bis dato kein Lateiner gemacht hat - Du bist der erste). Mit der Meinung, das sei die "authentisch christliche Lehre", bist Du aber natürlich vollkommen auf dem Holzweg.
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Nassos
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Nassos »

Oh, bitte nicht falsch verstehen. Wenn ich diesen Irrtum beginge, dann hätten wir das, was Atheisten den Christen manchmal vorwerfen: man kann tun und lassen was man will, am Ende bekommt man alles verziehen.

Der Kreuzigungstod Christi war zwingend notwendig: dem voraus ging die Inkarnation, um in der fleischlichen Natur für uns zu sterben, um uns dann durch die Auferstehung (die es ohne Tod nicht geben kann) "zurück zu erheben" und uns den Weg zur Theosis zu öffnen.
Wie heißt es so schön im Ostertroparion "Pascha, das uns die Pforten des Paradieses öffnet". Da steckt so viel Bedeutung dahinter.
Jesus Christus hat durch sein Leben uns das Beispiel für unser Leben gegeben. Durch den Tod und die Auferstehung unsere Natur "restauriert". Ich kann mir nicht vorstellen, dass er in den drei Tagen im Hades noch eine Reinigung für uns abgesessen hat (was ja zur Satisfaktion durchaus hätte passen können).

Dieser zwingende Tod hat aber somit nicht zwingend etwas mit Sühnetod zu tun. Und die - da sind wir uns einig - dummen Argumente "Gott hätte mit einem Fingerschnippen bla bla bla" - also ich bin mir sicher, dass Du uns da etwas mehr zutraust ;-)

Die Gerechtigkeit optimieren wir nicht weg. Sonst bräuchten wir keine Hölle zu fürchten (und wären dann bei der Nonsensargumentation der Atheisten oder Andersgläubigen). In unseren Gebeten heißt es ja "vor dem fürchterlichen Richtstuhl Christi".
Wir überbewerten sie aber nicht in dem Sinne, dass man Rachgier darunter verstehen muss.


Die Orthodoxie ist unendlich weit entfernt von irgendeiner protestantischen Vorstellung.

Gruß,
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Quasinix
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Quasinix »

Nietenolaf hat geschrieben:Mit der Meinung, das sei die "authentisch christliche Lehre", bist Du aber natürlich vollkommen auf dem Holzweg.
Das ist deine subjektive Ansicht, der leider auch andere anhängen, die in diesem Punkt irren - ich habe mich ja extra bemüht, Stimmen aus den ersten Jahrhunderten und somit der Zeit der ungeteilten Christenheit zu zitieren und nicht mit Tridentinum oder Vaticanum I zu argumentieren. Die Lehre vom Fegefeuer ist eben kein "römisch-katholisch-lateinisch-scholastisches Sondergut", wie du hier insinuieren willst, sondern der Glaube der ungeteilten Christenheit von Anfang an, den dann leider erst die Katharer, dann die Waldenser, die Reformatoren und dann eben auch viele östliche Christen aufgegeben haben.

An einer weiteren Unterhaltung mit dir bin ich übrigens nicht interessiert - eine Diskussion ist es ja nicht, da du ja keine Sachargumente beizutragen hast, sondern dich aufs Dagegensein beschränkst.
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anneke6
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von anneke6 »

Als ich die neuesten Beiträge in diesem Strang las und anfing zu denken, da kam mir der Spruch von William von Baskerville in den Sinn: "Wenn ich auf alles die richtige Antwort hätte, dann würde ich Theologie lehren in Paris."
Es gibt einige Sachen, die entziehen sich definitiv meiner Vorstellungs- und damit auch Argumentationskraft. Denn wie soll ich mit oder über etwas argumentieren, das ich mir nicht vorstellen kann? (Was nicht heißen soll, daß es andere nicht können…)
Ich glaube, daß Gott unendlich barmherzig ist, und gleichzeitig absolut gerecht. Wie das möglich ist, das kann ich nicht verstehen, aber ich glaube es. Außerdem glaube ich an das Fegefeuer als einen Reinigungsort. Wie das konkret geschieht, das können wir nicht wissen — denn Privatoffenbarungen zu diesem Thema sind für mich keine Autorität. An das Fegefeuer als einen Ort, wo Menschen grundsätzlich gequält werden, glaube ich nicht.
???

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Quasinix
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Quasinix »

Nassos hat geschrieben:Oh, bitte nicht falsch verstehen. Wenn ich diesen Irrtum beginge, dann hätten wir das, was Atheisten den Christen manchmal vorwerfen: man kann tun und lassen was man will, am Ende bekommt man alles verziehen.
Will ich dir auch keinesfalls unterstellen!
Nassos hat geschrieben:Die Gerechtigkeit optimieren wir nicht weg. Sonst bräuchten wir keine Hölle zu fürchten (und wären dann bei der Nonsensargumentation der Atheisten oder Andersgläubigen). In unseren Gebeten heißt es ja "vor dem fürchterlichen Richtstuhl Christi". Wir überbewerten sie aber nicht in dem Sinne, dass man Rachgier darunter verstehen muss.
Das ist genau wieder der Knackpunkt: Die Verwechslung von Gottes Gerechtigkeit (speziell in Zusammenhang mit seiner Heiligkeit) mit "Rachgier" - das führt wieder komplett aufs Glatteis... Wo liegt denn dann die Grenze, und wer definiert diese?

Ein Mensch, der 99 Jahre das vorbildlichste Leben geführt hat und dann einen Augenblick vor seinem Tod eine Todsünde begangen hat, wird ohne Reue seinerseits für ewig in die Hölle geworfen - das kannst du akzeptieren. Daß aber jemand, der 99 Jahre lang alle Sünden von A-Z begangen hat, sich jedoch in der Todesstunde bekehrt und seine Sünden aufrichtig bereut und gebeichtet hat, aber mangels Gelegenheit dazu noch nicht alles gesühnt hat, den vergleichsweise lächerlichen Klacks der zeitlich beschränkten Sühnestrafe im Fegefeuer "abbrummen" muß (gleichzeitig getröstet durch die absolute Gewißheit, gerettet zu sein) und nicht genauso übergangslos zur Anschauung Gottes gelangen kann wie die Mutter Christi, die Heiligen und Glaubenszeugen - das ist für dich dann "unbarmherzig" und "Rachgier"?

Zur Anschauung Gottes kann keiner gelangen, dessen Seele auch nur der leiseste Makel trübt, weil er unendlich heilig ist. Jeder kleinste Schatten muß vom durch die Taufe ursprünglich reinen Kleid der Seele getilgt werden, bevor man ihm sehend gegenübertreten kann, davon kann Gott selbst nicht dispensieren (so wenig wie er etwas Böses tun kann - das ist eine grundsätzliche Inkompatibilität). Beim Märtyrer geschieht dies schon durch die Bluttaufe, er geht direkt ins Paradies ein - und jeder andere, der immer auch das Ende im Blick hat, kann ebenfalls schon auf Erden seine Buße im übertragenen Sinn "mit wenigen Pfennigen begleichen, die er [eben mangels jenseitiger Verdienstfähigkeit] im Jenseits nur mit vielen Goldstücken abtragen kann".
Nassos hat geschrieben:Die Orthodoxie ist unendlich weit entfernt von irgendeiner protestantischen Vorstellung.
"Falsch" ist "falsch" - das ist dann nur noch ein gradueller, aber kein substantieller Unterschied, so als hielte man 2+2 für 4,1 und nicht für 3234329684...
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Nassos
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Nassos »

Da gibt es nun auch Bücher mit Argumentation dafür, dass das Purgatorium nicht in der Theologie der Lateiner existierte bis vor dem Ende des zwölften Jahrhunderts, und dass auch das Wort selber bis dahin nicht existierte. :umkuck:

Ich werde nochmal schauen, dass ich finde, welches Buch das bearbeitet. Aber jetzt nicht mehr :gaehn:
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Nassos
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Nassos »

Uargh, da kommt ja noch was...

Die "Rachgier" bezog sich nicht auf den 99-jährigen sondern auf den Kreuzestod Christi.
Dass jemand im letzten Moment den Eimer mit der soeben gefüllten Milch umtreten kann, das kann ich mir vorstellen. Dass aber der umgekehrte Fall zwingend zu einem Fegfeuer führen muss, das erscheint mir nicht zwingend logisch. Eventuell muss ich mich aber noch mit der Sühne beschäftigen (Nietenolaf hatte ja hierzu was geschrieben in der Diskussion mit Robert).
Für mich bedeutet die Vergebung der Sünde eine absolute Vergebung der Sünde, ansonsten ist sie nicht absolut und somit keine Vergebung.

Warum sollte eine Seele nach dem Tod und nachdem sie vor dem fürchterlichen Richtstuhl Christi als würdig befundet wurde nicht durch den Heiligen Geist gereinigt werden können? Vergleichbar mir der Taufe? (Das ist keine Theologie sondern ein Gedanke meinerseits).

Gruß,
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Quasinix »

anneke6 hat geschrieben:Ich glaube, daß Gott unendlich barmherzig ist, und gleichzeitig absolut gerecht. Wie das möglich ist, das kann ich nicht verstehen, aber ich glaube es.
Gott ist unendlich barmherzig und gibt dem Sünder daher immer wieder die Gnade und Gelegenheit zu Reue und Umkehr; er bricht nicht das geknickte Rohr und löscht den glimmenden Docht nicht aus. Gott ist aber auch absolut gerecht und akzeptiert daher die freie letztgültige Entscheidung seiner Geschöpfe gegen ihn.
anneke6 hat geschrieben:Außerdem glaube ich an das Fegefeuer als einen Reinigungsort. Wie das konkret geschieht, das können wir nicht wissen — denn Privatoffenbarungen zu diesem Thema sind für mich keine Autorität.
Das ist ja auch ausreichend - mehr als Existenz und Zweck dieses Reinigungsortes ist ja auch nicht definiert. Ob man dort nun mit spitzen Nadeln gestochen wird oder 999999 Folgen von "Deutschland sucht den Superstar" anschauen muß, welches "Zeitgefühl" man dort hat usw. ist völlig offen...
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Quasinix »

Nassos hat geschrieben:Da gibt es nun auch Bücher mit Argumentation dafür, dass das Purgatorium nicht in der Theologie der Lateiner existierte bis vor dem Ende des zwölften Jahrhunderts, und dass auch das Wort selber bis dahin nicht existierte. :umkuck:
Ich werde nochmal schauen, dass ich finde, welches Buch das bearbeitet. Aber jetzt nicht mehr :gaehn:
Naja, siehe dazu die o.a. Zitate von Tertullian († 230) und Cyprian († 258) sowie Augustinus († 430)... Papst Gregor der Große († 604) schrieb "Man muß glauben, daß es vor dem Gericht für gewisse leichte Sünden noch ein Reinigungsfeuer gibt" (Dial. IV, 39).

Für mehr Väterstimmen müßte ich jetzt aufstehen - auf das Niveau, daß das Fegfeuer eine katholische Erfindung ist, um den Ablaßhandel mit barer Münze anzukurbeln, begeben wir uns ja hier sicher nicht hinab? Daß dergleichen Verzerrendes mancherorts behauptet wird, steht leider außer Frage.
Nassos hat geschrieben:Für mich bedeutet die Vergebung der Sünde eine absolute Vergebung der Sünde, ansonsten ist sie nicht absolut und somit keine Vergebung.
Hier ist das gedankliche Problem die fehlende Trennung von Sündenschuld, ewigen Sündenstrafen und zeitlichen Sündenstrafen. Das Dogma lehrt: "Mit der Sündenschuld und der ewigen Strafe werden von Gott nicht immer alle zeitlichen Sündenstrafen nachgelassen".

Nur vor diesem Hintergrund macht dann ja die in der Beichte auferlegte Buße als Genugtuung gegenüber Gott Sinn. Daß der Sünder auch nach Vergebung der Sünde oft noch Strafe erleiden muß, sieht man bei Adam und Eva (Gen. 3, 16 ff.), Moses und Aaron (Num 20, 11 f.), David (2 Sam 12, 13 ff.) u.a.m. In der altkirchlichen Bußdisziplin mußte die Buße nach der Rekonziliation fortgesetzt werden, wenn diese vor Ablauf der Bußfrist erteilt wurde. Augustinus schreibt: "Die Strafe dauert länger als die Schuld. Es könnte sonst die Schuld für gering angesehen werden, wenn mit ihr auch die Strafe ein Ende hätte." (In Ioan. tr. 124, 5).

Und wie bzw. wo geschieht nun diese Genugtuung bzw. wird sie abgeschlossen, wenn man vor deren Abschluß stirbt? Da kommt dann eben nach den Gesetzen der elementaren Logik nur noch der jenseitige Reinigungsort in Frage.

Und bitte nie vergessen: Wer im Fegefeuer ist, hat die Gewißheit, in den Himmel zu kommen - vor dem Hintergrund dieser Gewißheit und in vollem Bewußtsein der Notwendigkeit der rückstandslosen Läuterung der selbstverursachten Schuld verliert das Fegfeuer doch eigentlich jeden Schrecken, es ist alles andere als eine "Hölle light" (trotzdem versuchen wir natürlich so zu leben und so zu sterben, daß es uns möglicht erspart bleiben möge und beten + opfern auch für die dort befindlichen Verstorbenen).
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Kirchenjahr »

Orthodoxer Katechismus hat geschrieben:57. Wohin kommt die Seele nach dem ersten Gericht?

Die Seele kommt nach dem ersten Gericht in einen Zwischenzustand, der entweder einen Vorgeschmack des Himmels oder der Hölle gibt. Der Zustand ist veränder­lich, und erst nach dem Endgerichte kommen die Seelen in den Himmel oder in die Hölle.
Was ist damit gemeint, dass der Zwischenzustand VERÄNDERLICH ist? Heißt das, dass der auf Erden eingeschlagene Weg unter Umständen noch nicht endgültig war?

Wenn dem so ist, lesen sich auch Cyprian, Tertullian und Gregor I entsprechend anders. Aus diesen Stellen ein Purgatorum zu stricken wäre sodann äußerst spekulativ. Interessant ist auch, dass Stimmen östlicher Väter zum Thema fehlen.

Ich frage mich dann aber nur, ob es wirklich orthodoxe Lehre ist, dass zwar eine Aufteilung in Sündenfolgen und Sündenstrafen abgelehnt wird, die Vergebung von Sünden aber auch nach dem (irdischen) Tod noch möglich ist.

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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Quasinix »

Kirchenjahr hat geschrieben:Was ist damit gemeint, dass der Zwischenzustand VERÄNDERLICH ist? Heißt das, dass der auf Erden eingeschlagene Weg unter Umständen noch nicht endgültig war?
Das muß dir der beantworten, der solches behauptet... Mit dem Tod hört die Zeit des Verdienens und des Mißverdienens sowie die Möglichkeit zur Bekehrung auf! Vgl. dazu alles, was im NT über die Zeit der Arbeit (= Erdenleben) und die Zeit der Ernte, die sofortige jenseitige Vergeltung, gesagt wird. Nicht umsonst mahnt Paulus dazu, Gutes zu tun, solange wir Zeit haben (Gal 6, 10). Vgl. auch die klugen+törichten Jungfrauen, Lazarus und den reichen Prasser usw.
Kirchenjahr hat geschrieben:Wenn dem so ist, lesen sich auch Cyprian, Tertullian und Gregor I entsprechend anders. Aus diesen Stellen ein Purgatorum zu stricken wäre sodann äußerst spekulativ. Interessant ist auch, dass Stimmen östlicher Väter zum Thema fehlen.
Klar, wenn man davon ausgeht, daß ein Dreieck vier Ecken hat, haben 2 Dreiecke 8 Ecken... Die einheitlichen Gegenstimmen östlicher Väter, die obiges unterstützen, kannst du ja beibringen.

Alle Grabinschriften schon in den Katakomben, die Fürbitten für die Verstorbenen oder die Bitte um dieselben enthalten, machen ja nur vor dem Hintergrund Sinn, daß man durch diese Fürbitten sowie andere Suffragien den Verstorbenen nützen kann, und das wiederum ist nur im Kontext einer jenseitigen Reinigung der Verstorbenen sinnvoll, die dadurch abgemildert werden kann.

Nach dem Alexandriner Clemens soll der wahre Christ mit denen, die im Jenseits noch gestraft werden, Mitglied und Erbarmen haben (Strom. VII, Kap. 12, n. 78, 3). Nach Gregor von Nyssa kann ein schwerer Sünder, wenn er sich bekehrt, nach seinem Tode an der Gottheit nicht gleich Anteil haben, "wenn nicht das Feuer der Reinigung die seiner Seele beigemischte Makel gereinigt hat" (Oratio de mortuis, Rouet 1061, vgl. a. De anima et resurrect.). Johannes Chrysostomos spricht vom "großen Gewinn und Nutzen" für die Verstorbenen, wenn dieser bei der Feier der schauervollen Geheimnisse gedacht wird - "wie sollten wir da nicht durch unsere Fürbitten für sie das Herz Gottes erweichen?" (In Phil. 3, 4), ähnlich Cyrill von Jerusalem. Ephrem der Syrer sagt: "Die Priester tilgen durch ihre hh. Opfer und die Gebete ihres Mundes die Sünden der Verstorbenen" (Ed. Assemani Opera Graeca II 239, n. 78).
Kirchenjahr hat geschrieben:Ich frage mich dann aber nur, ob es wirklich orthodoxe Lehre ist, dass zwar eine Aufteilung in Sündenfolgen und Sündenstrafen abgelehnt wird, die Vergebung von Sünden aber auch nach dem (irdischen) Tod noch möglich ist.
Auch das mußt du jemanden fragen, der das eine oder das andere behauptet...

Ott schreibt in seiner Dogmatik zu dieser Frage: "Die griechisch-orthodoxe Kirche ist in ihrer Lehre über das Los der Verstorbenen auf dem ungeklärten Standpunkt der älteren Väter stehengeblieben. Sie nimmt einen Zwischenstand zwischen Tod und Auferstehung an, der jedoch für die Gerechten und die Sünder ungleich ist und dem ein besonderes Gericht vorausgeht." - es scheint also so zu sein, als hätte man sich hierzu in der GOK seit den ersten Jahrhunderten keine tieferen Gedanken mehr gemacht zu haben. Ein östlicher Thomas oder ein Äquivalent zur Scholastik/Neoscholastik ist mir auch nicht bekannt, gibt es denn überhaupt spekulative Theologenschulen nach westlichem Muster oder eine vergleichbare immer tiefere Herausarbeitung von Glaubenswahrheiten in der Art unserer lehramtlichen Definitionen? Oder sind da viele Themen einfach im Vagen?
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Nassos
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Nassos »

es wurde Augustinus genannt. Dadurch erklären sich die falschen Schlussfolgerungen und die MIssinterpretation der Väter.
Ursache dessen ist der Irrtums Augustinus', dass Wesen und Energie Gottes dasselbe sei.

Das Fegfeuer ist etwas geschaffenes. Wie kann man durch etwas Geschaffenes gereinigt oder geheiligt werden? Das ist meines Verständnisses nach absolut nicht möglich.
Dass da etwas ist, dass noch nicht endgültig Himmel oder Hölle ist, das mag wohl sein.

Ich sprach weiter oben, dass man auch durch den Heiligen Geist gereinigt werden könne. In diesem Falle nicht durch das Wesen, sondern durch Sein Wirken (Energie).

Es wird ja auch die Stelle bei 1 Kor 3, 13-15. zitiert. Ich glaube, das ist auch eine Stelle, über die man sich damals in Ferrara-Florenz unterhalten hatte.

Ich weiß, ich fasse mich hier zu kurz. Ich werde beizeiten nochmal darauf zurückkommen. Aber es bleibt spannend und interessant.

An dieser Stelle auch danke an Quasinix, für seine Mühe und sein Interesse mit uns zu diskutieren.

Lieben Gruß,
Nassos
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Mary »

Quasinix hat geschrieben: Ein östlicher Thomas oder ein Äquivalent zur Scholastik/Neoscholastik ist mir auch nicht bekannt, gibt es denn überhaupt spekulative Theologenschulen nach westlichem Muster oder eine vergleichbare immer tiefere Herausarbeitung von Glaubenswahrheiten in der Art unserer lehramtlichen Definitionen? Oder sind da viele Themen einfach im Vagen?
Vielleicht könnte Dir dieses http://www.ikq.de/shop2/buecher-cds/the ... bat-2.html Buch helfen, orthodoxes Glauben besser zu verstehen...

Lg Maria
Who is so great a God as our God? You are the God who does wonders!

Ralf

Re:

Beitrag von Ralf »

Nietenolaf hat geschrieben:
Robert hat geschrieben:
Roman, hast du den Begriff der Läuterung nicht
verstanden, oder verstehe ich dich nicht?

(Deine »Bezahlung« ist viel juristischer als meine »Läuterung«.)
Ja, Robert, es ist "Deine »Läuterung«", aber ich habe keine Anhaltspunkte dazu, die Läuterung im Purgatorium als Mittel zur Vollendung der Theosis zu erkennen. Hier ein Abriß, wie ich die "Läuterung" bzw. das Purgatorium verstehe - inkl. der Angaben darüber, worauf ich mich dabei stütze:
  1. Die Idee des Fegfeuers beruht in erster Linie auf der Aufteilung der Sündenfolgen in Schuld und für die Sünde zu tragender Strafe, bzw. allgemein dem lateinischen Verständnis davon, was genau "Sünde" ist. Dieses Verständnis findet man v.a. bei Anselm von Canterbury, cf. v.a. in seinem "Cur Deus homo": zu sündigen heißt, Gott das zu rauben, was Ihm zusteht, d.h. der Herr wird dessen beraubt, was der Knecht ihm schuldig ist (ibid., Buch I, Kap. XI). Der Sünder muß Gott das zurückgeben, was er Ihm "stahl", plus eine Kompensation (satisfactio) für die Beleidigung der Göttlichen Majestät. Jede Sünde muß von satisfactio oder von einer Strafe gefolgt sein (Buch I, Kap. 15). Daß Gott Sünden ohne Satisfaktion vergeben könne, sei lächerlich ("derisio est, ut talis misericordia Deo attribuatur", ibid. Kap. XXIV): das würde ja Gottes absoluter Gerechtigkeit widersprechen.

    Entsprechend reicht eine Beichte nicht, um die Sünde zu glätten: es muß Satisfaktion geleistet werden. Es reicht kein Sinneswandel (metanoia), eine bloße Abkehr vom Bösen ist unzulänglich. Nun ist Anselm mit dieser Ansicht nicht allein, sondern u.a. das Tridentinum schreibt diese seine Lehre zum Dogma fest: "Wenn jemand sagt, daß ... die beste Reue nur ein neues Leben sei: der sei anathema." (Sitzung XIV, Kanon XIII). Und kurz zuvor: "Wenn jemand sagt, daß Gott immer mit der Schuld zusammen auch die Strafe erläßt..., der sei anathema." (Sitzung XIV, Kanon XII). Charakteristisch ist, daß Kanon XIII unter den Bußübungen, die für eine Sünde zu leisten sind, auch das Gebet erwähnt; das Gebet, der Dialog mit Gott, wird als Strafe gehandelt. Diese Bußübungen befreien von den Strafen und den temporalen Leiden im Fegfeuer; ebenso geht das aber auch mittels der Ablässe, was wiederum zuletzt im offiziellen KKK fixiert ist (§§1471-1479). Das heißt, die unbedingte Satisfaktion in Entsprechung der Schwere von Sünden ist in der lateinischen Kirche fester Bestandteil der Lehre. Durch die Lehre von den Ablässen gewinnt sie sogar eine gewisse ständige stoffliche Präsenz im Bewußtsein der Gläubigen.
  2. Das Fegfeuer ist nun die Konsequenz daraus, daß man im Leben gemeinhin nicht genug Satisfaktion zu "erleiden" vermag; das geht im Fegfeuer, denn die Qualen dort sind ja "schlimmer als die schlimmste Qual auf Erden, aber weniger schlimm als die geringsten Qualen der Hölle". Hier wird die zu Lebzeiten nicht geleistete Satisfaktion erbracht, bis die Seelen geläutert sind. Die Gebete der Kirche und die Ablässe helfen den Seelen dabei, die Leiden zu lindern oder zu verkürzen. "Purgatory (Lat., "purgare", to make clean, to purify) in accordance with Catholic teaching is a place or condition of temporal punishment for those who, departing this life in God's grace, are, not entirely free from venial faults, or have not fully paid the satisfaction due to their transgressions." (Catholic Encyclopedia, "On Purgatory").
Also, Robert, Deine Meinung von der Vollendung der Theosis und der Apophatie in Ehren, aber so, wie sich das mir darstellt, sieht das eben ziemlich anders aus. Es ist durchaus genau definiert, was das Fegfeuer machen soll, und das ist sicher kein Mittel zur Theosis.

PS: Die "Bezahlung" an den "Zollstationen" ist eine Analogie, und darüberhinaus kein Dogma.[/color]
Roman, das Durchleiden des Purgatorium ist keine Satisfaktion, auch wenn dies leider auch von westlicher Seite oftmals so dargestellt wird, wobei mich die formaljuristische Denkweise genauso stören wird wie Dich.

Ich kann mir die Theosis gar nicht ohne Purgatorium vorstellen (vor einigen Jahren hätte ich das noch anders gesagt und einfach nur auf die Kirche vertraut - auch nicht das Schlechteste - heute behaupte ich es mehr zu verstehen (Irttum möglich)).

Natürlich ist vorher schon die Sünde vergeben (nach Beichte), aber der Mensch ist immer noch der, der zu dieser Sünde in der Lage ist, nicht nur wesenhaft, sondern auch neigungsbedingt.

(Vielleicht würde es uns weiterbringen, wenn Du das orthodoxe Verständnis dessen darlegen kannst, was die Lateiner Konkupiszenz nennen)

Also, um mal ein banales Beispiel zu bringen: auch wenn die Sünde des Nagel-in-die-Wand-Hauens vergeben ist, selbst wenn der Nagel nicht mehr drin stecken sollte, selbst wenn da noch nicht einmal mehr ein Loch sein sollte, obwohl da vorher eins war, weil Gott das eben machen kann - trotzdem muß der Sünder einsehen, daß er zu so etwas fähig war.

Diese Ferne von Gott einzusehen und abzulegen ist ein Prozeß der Reinigung, die auch schmerzhaft sein kann.

Mehr steckt da nicht hinter.

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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Mary »

Quasinix hat geschrieben: Wenn man den Gedanken konsequent weiterdenkt, wird auch der stellvertretende Sühnetod Christi überflüssig, denn Gott hätte ja aus dem Übermaß seiner Liebe zu uns Menschen heraus alles verzeihen können und damit gleichzeitig aus Liebe zu seinem Sohn diesem das Sühneleiden für uns ersparen können. Nicht umsonst wird der Grundgedanke des stellvertretenden Sühneleidens Christi heute ja auch immer mehr abgelehnt - "wie könnte Gott so grausam sein, seinem Sohn dies alles aufzubürden - er könnte doch mit einem Wort alles verzeihen, was jemals gesündigt wurde und werden wird"...
Hallo, Quasinix,

dass der "stellvertretenden Sühnetod" Christi mit der Möglichkeit Gottes, Sünden zu verzeihen, zusammenhänge, ist "westlich" gedacht.
Schon hier gehen wir Orthodoxen nicht mit...
Deshalb auch mein Buchtipp von mir, der Dir aufzeigen könnte, dass östliche Theologie nicht vage ist im Sinne von unvollkommen oder unentwickelt, sondern anaphatisch in Ehrfurcht vor der Grösse und Unerkennbarkeit Gottes.

Lg Maria
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Mary »

Quasinix hat geschrieben:
Nietenolaf hat geschrieben:Mit der Meinung, das sei die "authentisch christliche Lehre", bist Du aber natürlich vollkommen auf dem Holzweg.
Das ist deine subjektive Ansicht, der leider auch andere anhängen, die in diesem Punkt irren
Lieber Quasinix,

ich bitte Dich, zu bedenken, dass Du hier im orthodox geprägten Unterforum bist. Du kannst gerne der Meinung sein, dass wir Irrlehren anhängen... aber auch dies ist nur deine subjektive Ansicht.
Bitte, sei doch zurückhaltender mit Qualifikationen wie Irrtum und Falschglauben.

Lg Maria
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Re: Re:

Beitrag von Mary »

Ralf hat geschrieben: Diese Ferne von Gott einzusehen und abzulegen ist ein Prozeß der Reinigung, die auch schmerzhaft sein kann.

Mehr steckt da nicht hinter.
Hallo Ralf,

wenn "Fegefeuer" heisst: Im Lichte und in der feurigen Liebe Gottes stehen und gewahr werden, wie sehr ich nicht würdig bin seiner Liebe. Wenn dies das Leiden ist, dass ich zu Gott ganz gehören möchte und einsehen muss, wie wenig ich dazu berechtigt bin. Dann kann ich es bejahen.

Wenn es allerdings heisst, Leiden zu erdulden, die Gott mir auferlegt, weil er noch von meiner Gegenwart beleidigt wird... dann verstehe ich das überhaupt nicht.

Jesus hat doch gelebt und gelehrt, dass er zu den Kranken gekommen ist, nicht zu den Gesunden, zu den Sündern, nicht zu den Gerechten. Wie sollte Gott, der Menschenliebende, vom Sünder so beleidigt werden können, dass ER seine Gegenwart nicht erträgt?

Lg Maria
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Quasinix »

Mary hat geschrieben:
Quasinix hat geschrieben:
Nietenolaf hat geschrieben:Mit der Meinung, das sei die "authentisch christliche Lehre", bist Du aber natürlich vollkommen auf dem Holzweg.
Das ist deine subjektive Ansicht, der leider auch andere anhängen, die in diesem Punkt irren
Lieber Quasinix,

ich bitte Dich, zu bedenken, dass Du hier im orthodox geprägten Unterforum bist. Du kannst gerne der Meinung sein, dass wir Irrlehren anhängen... aber auch dies ist nur deine subjektive Ansicht.
Bitte, sei doch zurückhaltender mit Qualifikationen wie Irrtum und Falschglauben.

Lg Maria
Ach ja, ich bin auf dem Holzweg, habe aber umgekehrt nicht das Recht, das Irrtum zu nennen, was nicht nur aus meiner subjektiven Sicht, sondern nach katholischer Lehre Irrtum ist? Ein bißchen Widerspruch muß man schon aushalten, finde ich - vor allem wenn Unlogisches und Widersprüchliches sowie Definitionslücken aufgezeigt werden. Immerhin gehen Du und Nassos mit Widerspruch anders um als z.B. Nietenolaf, für den alles ja nur Schmarrn ist.

Für mich ist die Diskussion sowieso zuende an dieser Stelle, da hier nicht mehr zu erreichen ist als den katholischen Standpunkt (bzw. wie aus zahlreichen Väterstimmen nachgewiesen ist den zu dieser Zeit einhelligen gesamtkirchlichen Standpunkt) klar darzulegen, da weiter oben ja gewisses Verzerrtes als vermeintlich katholisches Glaubensgut präsentiert wurde.
Mary hat geschrieben:Deshalb auch mein Buchtipp von mir, der Dir aufzeigen könnte, dass östliche Theologie nicht vage ist im Sinne von unvollkommen oder unentwickelt, sondern anaphatisch in Ehrfurcht vor der Grösse und Unerkennbarkeit Gottes.
Das kann man natürlich so und so sehen - man strebt doch danach, das Geliebte immer tiefer zu kennen und zu erkennen? Neben der immer tieferen spekulativ-theologischen - auch mystischen - Durchdringung der Glaubensgeheimnisse seit dem Mittelalter und der in den großen theologischen Summen gipfelnden methodischen Erarbeitung einer allumfassenden Systematik waren es ja vor allem die Definitionen und Verurteilungen der Konzilien, die zum Herausschälen der einzelnen Glaubenswahrheiten beigetragen haben. Wo dies seit 787 ausgeblieben ist, ergibt sich zwangsläufig ein Mangel an klaren und eindeutigen Definitionen.

Würdest du dieser Einschätzung aus Blubberpedia zustimmen:

"Ein wichtiger Unterschied in der Mentalität ergibt sich daraus, dass im Westen fast alle Theologen Geistliche waren, während die Theologie im Osten von Laien, darunter auch Staatsbeamten und im gewissen Maße den Kaisern bestimmt wurde, wenn auch die Kaiser keineswegs alle ihre theologischen Vorstellungen in der Kirche durchsetzen konnten. Viele frühe westliche Theologen hatten die römische juristisch-rhetorische Ausbildungstradition durchlaufen und gingen mit Denkkategorien aus der Rechtspflege, wie etwa Verbrechen, Strafe und Begnadigung, an die theologischen Fragestellungen heran. In der östlichen Kirche war dies so nicht der Fall; sie hatte eine größere Anzahl von frühen „Vätern“ recht unterschiedlicher ethnischer, sozialer und beruflicher Herkunft, die je einzeln betrachtet jedoch deutlich weniger bemerkenswert und prägend waren als die westlichen. Die östliche Theologie neigt dazu, in medizinischen Kategorien zu denken, wie beispielsweise Krankheit und Heilung. Sie ist auch stärker subjektivistisch geprägt und kann mit der objektivierenden aristotelischen Methode weniger anfangen als die westliche Theologie.

Ein weiterer Hauptunterschied ist vermutlich, dass die Orthodoxen insgesamt eine weniger positive Sicht der „heidnischen“ griechischen Philosophie haben – vor allem fehlt die im Katholizismus sehr verbreitete Hochschätzung des Aristoteles – und somit auch deren Denkweise weniger als ein geeignetes Vehikel der christlichen Theologie sehen als die Katholiken, obwohl eine bedeutende orthodoxe Dogmatik vom Aristoteliker Johannes von Damaskus verfasst worden ist, der in dieser Hinsicht aber eine Ausnahme darstellt. Gegenüber der Philosophie in griechischer Tradition werden von den Orthodoxen das Erbe Israels und die direkte spirituelle Erfahrung stärker betont. Daraus ergibt sich, dass viele Bereiche der Theologie bewusst im Vagen gelassen werden; beispielsweise wird bei der Eucharistie zwar eine „Veränderung“ der Elemente bekannt, der Begriff der Transsubstantiation aber abgelehnt, und auch die Marienlehre ist in der Orthodoxie zwar in der Liturgie klar vorhanden, aber kaum formell dogmatisiert.

Der griechischstämmige amerikanische Baptist James J. Stamoolis fasste die wesentlichen theologischen Unterschiede zwischen Ost und West im Jahr 1986 in seinem Buch „Eastern Orthodox Mission Theology Today“ so zusammen: die Orthodoxe Kirche teile nicht das Menschenbild des Augustinus von Hippo, noch die Erlösungslehre des Anselm von Canterbury, noch die Methodik des Thomas von Aquin."


Viele Grüße, Q.
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Mary »

Quasinix hat geschrieben: Ach ja, ich bin auf dem Holzweg, habe aber umgekehrt nicht das Recht, das Irrtum zu nennen, was nicht nur aus meiner subjektiven Sicht, sondern nach katholischer Lehre Irrtum ist? Ein bißchen Widerspruch muß man schon aushalten, finde ich - vor allem wenn Unlogisches und Widersprüchliches sowie Definitionslücken aufgezeigt werden. Immerhin gehen Du und Nassos mit Widerspruch anders um als z.B. Nietenolaf, für den alles ja nur Schmarrn ist.
Hallo, Quasinix,

es wäre schon was gewonnen, wenn Du ebendas genau benennst... dass nämlich diese deine Sicht die des römisch-katholischen Lehramts ist.
Und gerade deswegen wohl für Dich absolut richtig und bindend... für uns jedoch keineswegs.
Quasinix hat geschrieben:Für mich ist die Diskussion sowieso zuende an dieser Stelle, da hier nicht mehr zu erreichen ist als den katholischen Standpunkt (bzw. wie aus zahlreichen Väterstimmen nachgewiesen ist den zu dieser Zeit einhelligen gesamtkirchlichen Standpunkt) klar darzulegen,
Dass Du die Lehre aus römischer Sicht dargelegt hast, dafür gebührt dir Dank. Darum wurde ja auch - unter anderem von mir - gebeten.
Nicht korrekt ist, dass du es als "gesamtkirchlichen Standpunkt" darstellst.
Sind Dir nie Zweifel gekommen, ob es sich tatsächlich so verhält, wie die römische Kirche dich lehrt?
Quasinix hat geschrieben:Das kann man natürlich so und so sehen - man strebt doch danach, das Geliebte immer tiefer zu kennen und zu erkennen? Neben der immer tieferen spekulativ-theologischen - auch mystischen - Durchdringung der Glaubensgeheimnisse seit dem Mittelalter und der in den großen theologischen Summen gipfelnden methodischen Erarbeitung einer allumfassenden Systematik waren es ja vor allem die Definitionen und Verurteilungen der Konzilien, die zum Herausschälen der einzelnen Glaubenswahrheiten beigetragen haben. Wo dies seit 787 ausgeblieben ist, ergibt sich zwangsläufig ein Mangel an klaren und eindeutigen Definitionen.
Bist Du verheiratet oder hast Du Geschwister, eine Mutter, einen Vater?
Möchtest Du lieber, dass deine Frau dich studiert und erklärt und dir Abhandlungen über ihre Liebe zur dir schreibt? Oder möchtest Du lieber einen Kuss von ihr?
Quasinix hat geschrieben:Würdest du dieser Einschätzung aus Blubberpedia zustimmen:
Wie Du selbst schon schreibst, Blubberpedia halt.
Nein, ich würde da nicht zustimmen. Es hat wohl "glimpses of truth" darin, aber nur schon der negative und urteilende Grundton gefällt mir garnicht. Weiter möchte ich nicht ins Detail gehen :neinfreu:

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Nassos
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Nassos »

Bei den Stellen, die sich auf ein Feuer beziehen, versteht die Orthodoxie nie ein gegenwärtiges Feuer (Fegfeuer), sondern stets das künftige Feuer (das endgültige).

Die Seele kann nach dem Tod nicht verändern, aber die Kirche kann durch Gebete und Fürbitte für sie was tun und in der Hoffnung auf die Barmherzigkeit Gottes doch etwas verändern - im Sinne von Reinigen.

Warum wir die Auffassung der Lateiner als abweichend von der wahren Lehre ansehen und daher das Fegfeuer nicht als existierend betrachten hat mehrere Gründe:

- das Fehlen neptischer Theologie. Die westliche Theologie hat durch das Verlassen der orthodoxen Theologie und hauptsächlich der neptischen Tradition über die Reinigung des Herzens, der Erleuchtung des nous und der Schau Gottes, die Voraussetzungen der Entwicklung und Lehre eines Reinigungsortes geschaffen.

Aus Sicht der hesychastischen-neptischen Theologie der Orthodoxen Kirche wird gesprochen über die Energie Gottes, die wie ein Feuer den Menschen reinigt. Entsprechend dem Wirken gewinnt die Gnade Gottes einen besonderen Namen, sie heißt reinigend, erleuchtend und vergöttlichend. Anders gesagt, wenn die ungeschaffene Energie Gottes den Menschen reinigt, bzw. erleuchtet bzw. ihn vergöttlicht.

Christus selbst sagte: "Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!" (Luk 12, 49). Der Apostel Paulus schreibt: "denn unser Gott ist ein verzehrend Feuer." (Hebräer 12, 29)

Der Heilige Johannes Klimakos, drückt die ganze neptische Tradition zu diesem Thema aus, wenn er sagt, dass wir die Gnades Gottes zunächst wie ein Feuer erleben, dann aber als Licht. Das überhimmlische Licht, wenn es im Herzen wirkt, dann brennt es die einen wegen fehlender Reinheit und anderen leuchtet es aufgrund ihres Rangs der Vollendung. DiesesFeuer nennt sich "reinigendes und erleuchtendes Feuer". Deshalb kommen manche aus ihrem Gebet wie wenn sie aus einem feurigen Kamin kommen, sie spüren ein Ausgebranntsein und die anderen fühlen sich erleuchtet nach ihren Gebeten und eingekleidet im Gewand der Demut und des Jubels.

An einer anderen Stelle sagt der Heilige Johannes Klimakos, dass unsere Anstrengungen nichts zählen, bis das Feuer Gottes in unser Herz einkehrt.

Generell wird in der ganzen kirchlichen Tradition über das Feuer gesprochen, dass in das Herz einkehrt, also um die ungeschaffene Gnade Gottes, die man im Herzen empfindet und das die Leidenschaften verbrennt. Dieses Feuer ist ungeschaffen, reinigende Gnade und dies findet während des Kampfes des Menschen um seine Heilung statt. Es ist die erste Station im geistigen Leben.
Ebenfalls ist dies selbige Feuer, die reinigende Gnade Gottes, jenes, das auch bei den jenen Entschlafenen wirkt, die in den Zustand der Reinigung kamen, aber es nicht schafften sich komplett zu reinigen. Somit reinigen sich diese mit den Gebeten und den Totengedenken (Mnimosino, Panichida) der Kirche (s.o.).

Da die Lateiner die neptische Theologie verloren und somit diese Zustände nicht erfahren konnten, haben sie die Vätertexte missdeutet. Sie stellten fest, dass in den Texten der Heiligen Schrift und der Heiligen Väter von Feuer gesprochen wird, das den Menschen reinigt und dies auch nach dem Tod für jene stattfindet, die in die Reue und Wiederkehr (Metanoia) eintraten, und da sie aber nicht über die geistige Erfahrung dieser Lehre verfügten, missdeuteten sie die väterlichen Texte. So kamen sie zum Schluss, es gäbe ein geschaffenes Straffeuer, durch das die Menschen hinduch müssten.

- die Gleichsetzung des Wesens und der Energie Gottes, die aus orthodoxer Sicht vieles Falsche in die westliche Theologie brachte.

Gott verfügt in der orthodoxen Theologie über ein Wesen (ousia) und Energie. Es gibt kein Wesen ohne Energie. Wenn das Wesen ungeschaffen, dann ist auch seine Energie ungeschaffen. Ist das Wesen geschaffen, dann ist es auch seine Energie. Das Wesen Gottes ist ungeschaffen, deshalb sagen wir auch, seine Energie ist ungeschaffen. Die Liebe, die Gerechtigkeit usw. sind Energien Gottes, die natürlich nicht substanzlos sondern substantiell sind, denn es kann nicht sein, dass eine Energie ohne Substanz (Hypostase) existiert, denn der agierende (energierende) ist die Person.

Im Westen gibt es diese Unterscheidung nicht. Die scholastischen Theologen setzen in ihrem Versuch, die Einfachheit Gottes zu erhalten und gleichzeitig die Unterscheidung zwischen Gott und der Welt integer zu halten, die Energie Gottes mit Seinem Wesen gleich, sie nennen sie actus purus und fassen die rettende Energie Gottes als geschaffen auf. Auf diese Art und Weise hat gemäß der westlichen Theologie Gott keine tatsächliche Beziehung mit der Welt in Seiner ungeschaffenen Energie, sondern in Seiner geschaffenen. Diese Lehre schüttelt an den Grundfesten des ganzen Inhalts zur Rettung des Menschen.

Viele Unterschiede zwischen der Orthodoxen Kirche und der Römisch-Katholischen lassen sich auf dieses theologische Thema zurückführen, so auch das Fegfeuer. Zunächst spricht man vom Durchgehen durch das Fegfeuer, das geschaffen ist (da Gott keine unmittelbare Kommunikation mit der Schöpfung hat) und im weiteren spricht man von der Schau des ungeschaffenen Wesens Gottes. Aber diese Lehre hebt - das sie von Rettung spricht - den Unterschied zwischen Geschaffen und Ungeschaffen auf, zwischen durch Natur (kata physin) und durch Gnade (kata Charin).

- Das Fegfeuer ist eine Zusammensetzjng der ganzen frankolateinischen Tradition, die sich in der Scholastik ausdrückt. Sie ist von der empirischen, hesychastischen und neptischen Theologie der Orthodoxen Kirche getrennt. Deshalb findet sich auch kein scholastischer orthodoxer Theologe in der Geschichte. Deshalb geht auch nicht darum, dass etwas im Vagen gehalten wird, sondern dass man nicht einem Trugschluss unterliegt.

Gemäß der westlichen Theologie, die sich auf den Seligen Augustinus stützt, vererbt sich die vorväterliche Sünde von Adam auf alle seine Nachkommen und die Gerechtigkeit Gottes verurteilte die Menschheit zur Hölle und die Strafe des Todes. Gemäßd er westlichen Theologie sind Hölle und tod eine Strafe Gottes und nicht eine Krankheit, eine Schwäche, wie es die Orthodoxie lehrt.

Da die Lateiner glaubten, dass die Verdammten Gott nicht schauen können, musste das Höllenfeuer geschaffen sein. Mit diesem Prisma sehen wir Dantes Hölle, wo die Sünder vom geschaffenen Feuer der Hölle gequält werden. Die Welt ist somit dreistöckig, bestehend aus dem unveränderlichen Himme für die Glückseligen, die veränderliche Erde für die Prüfung der Menschen und die veränderlichen Untergeschoss für die Verdammten und die zu Reinigenden.

Darüberhinaus haben die Lateiner die apophatische Theologie nie verstanden und betrachten sie mehr als stochastische Theologie. In der orthodoxen Theologie drückt sich der Ruhm Gottes in entgegengesetzten Termini aus: Licht und Dunkelheit, Feuer und Finsternis. Der erste Gegensatz signalisiert den Ruhm der Gerechten, der zweite den Zustand der Sünder. Die Gegensätze werden nicht verwendet, weil in Gott Gegensätze existieren, sondern um die Wahrheit auszudrücken, dass es keine Ähnlichkeit gibt zwischen dem ungeschaffenen Ruhm Gottes und der Geschöpfe.

Aus der Scholastik heraus bildet sich die Lehre des Fegfeuers.

- die politsch-ökonomische Durchdringung der westlichen Kirche. Nach dem Verlust der empirischen Theologie und der Trennung von der neptisch-hesychastischen Tradition der Orthodoxen Kirche war der Verfall in anthropozentrischen Zuständen unvermeidbar. Die feudalistische Auffassung der Gesellschaftsstruktur und - ja, es muss genannt werden - der finanzielle Charakter haben die Enttäuschung des Volkes über den Papismus verursacht. Das Fegfeuer wurde nicht erfunden, um die Menschen auszubeuten, denn es entstammt bzw. ist voller Bestandteil der scholastischen Theologie. Es wurde aber materiell ausgenutzt.

Resume:
Sicher ist eins: so wie die orthodoxe Theologie eine Einheit bildet, wie ein Kreis (und von wo immer man sich dem Kreis nähert, trifft man stets auf den ganzen Kreis), so verhält es sich auch mit der westlichen Theologie. All ihre Dogmen haben einen gegenseitigen Bezug, bilden ein System und entstammen der selben Basis. Somit auch der Bezug des Fegfeuers als Folge des Verlusts der Lehre über ungeteilte Unterscheidung zwischen Wesen und Energie Gottes. Es ist die Frucht der scholastischen Theologie, was überhaupt keinen Bezug hat mit der orthodoxen Theologie, wie sie Christus gelehrt hat, die Apostel gelebt haben und uns die Heiligen Väter übergeben haben.
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Nassos »

Das Buch, das ich weiter oben erwähnte, ist von Jacques Le Goff und heißt "The Birth of Purgatory".
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Quasinix »

Mary hat geschrieben:Sind Dir nie Zweifel gekommen, ob es sich tatsächlich so verhält, wie die römische Kirche dich lehrt?
Nein, für mich ist die Lehre vom Fegfeuer einer der am klarsten schon allein aus der elementaren Logik hervorgehenden Aspekte unseres Glaubens (Stichwort "Notwendigkeit der Reinigung vor der Anschauung Gottes").
Mary hat geschrieben:Möchtest Du lieber, dass deine Frau dich studiert und erklärt und dir Abhandlungen über ihre Liebe zur dir schreibt? Oder möchtest Du lieber einen Kuss von ihr?
Warum schließt das eine das andere aus? Interessiert dich nicht die Lieblingsfarbe, das Lieblingsessen, Hobbies, ja jeder einzelne Aspekt des Daseins einer geliebten Person? Ich glaube, du schätzt die Motivation der spekulativen Theologie und der Mystik ganz falsch ein.
Mary hat geschrieben:Es hat wohl "glimpses of truth" darin, aber nur schon der negative und urteilende Grundton gefällt mir garnicht. Weiter möchte ich nicht ins Detail gehen
Schade, eine authentische Eigendarstellung wäre interessant gewesen - aber aus dem bisher gesagten und auch aus dem längeren Beitrag von Nassos geht ja hervor, wie groß die Unterschiede doch sind, was mich doch überrascht; interessant auch die zahlreichen Unterstellungen uns gegenüber, die man so ähnlich auch bei den glaubenstechnisch ansonsten ja komplett anders aufgestellten Protestanten oder der Neuapostolischen Kirche findet (Stichwort "Untreue gegenüber der ursprünglichen Lehre Christi"). Das zeigt auch mal wieder sehr schön, daß man nicht einzelne Themen unter den Tisch kehren kann, um zu einer undefinierbar-nebulösen "Einheit in der Vielfalt" zu gelangen, da es beim Glauben (vielleicht nicht so sehr bei Disziplin oder Liturgie) selbst bei angeblichen "Randthemen" letztlich immer um die Substanz geht.

Ich wünsche euch hier noch alles Gute, war interessant!
Grüße, Q.
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Nassos »

Genau das ist ja das schmerzvolle an der Trennung. Es hat mir weder Spaß gemacht noch betrachte ich das als Ringkampf oder Fußballendspiel.

Ich versuchte, die orthodoxe Sicht darzulegen (Quelle, griechisch...) und zu erläutern, warum der menschlich-logische Ansatz des alles Erklärenmüssen (und die Gefahr damit Irrtümer zu begehen, das was die Russen Prelest nennen) nicht ganz so einfach ist, und wie hierbei bei uns die Bedeutung sowohl der Schrift und ihrer Auslegung gemäß der Kirchenväter erfolgt.
Der Beitrag steht auf jeden Fall zur Diskussion und mag gerne kritisiert werden - auch aus der orthodoxen Ecke.

Es hat mich jetzt aber überrascht, dass Quasinix jetzt so aussteigt. Ich dachte wirklich, wir können unsere Denkweisen darlegen um zu wissen, wie miteinander zu sprechen ist.
In jedem Fall lag es mir fern, irgendjemanden eine reinzuwürgen.

Lieben Gruß,
Nassos
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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von Quasinix »

Nassos hat geschrieben:Es hat mich jetzt aber überrascht, dass Quasinix jetzt so aussteigt. Ich dachte wirklich, wir können unsere Denkweisen darlegen um zu wissen, wie miteinander zu sprechen ist.
Genau diese Darlegung ist doch jetzt geschehen? Für mich ist das wahr was die Kirche lehrt, davon rücke ich auch nicht ab - dasselbe gilt umgekehrt sicher auch für dich. Durch "Dialog" kommt man zu keiner Einheit, nur durch Erkennen und Anerkennen der Wahrheit, d.h. durch Bekehrung.
Nassos hat geschrieben:In jedem Fall lag es mir fern, irgendjemanden eine reinzuwürgen.
Habe ich auch nicht so empfunden, keine Sorge - bin nur etwas überrascht, wie groß die Kluft doch auch in Glaubensfragen ist.
Haltet die Welt an, ich will aussteigen!

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Re: Orthodoxie: Ohne Fegefeuer?

Beitrag von taddeo »

Quasinix hat geschrieben:
Mary hat geschrieben:Möchtest Du lieber, dass deine Frau dich studiert und erklärt und dir Abhandlungen über ihre Liebe zur dir schreibt? Oder möchtest Du lieber einen Kuss von ihr?
Warum schließt das eine das andere aus? Interessiert dich nicht die Lieblingsfarbe, das Lieblingsessen, Hobbies, ja jeder einzelne Aspekt des Daseins einer geliebten Person? Ich glaube, du schätzt die Motivation der spekulativen Theologie und der Mystik ganz falsch ein.
Oder Du das Wesen einer Ehe.
Wenn sich die Partner nicht einen gewissen, geschützten Bereich des "Noli me tangere" bewahren können, dann ist das Scheitern vorprogrammiert. Die letzte Unnahbarkeit des Anderen ist der Punkt, an dem Vertrauen und Liebe verankert sind.

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