Die Theologien des Westens und des Ostens

Ostkirchliche Themen.
Ralf

Die Theologien des Westens und des Ostens

Beitrag von Ralf »

Hallo.

Eigentlich sollte der Titel irgendwie ausdrücken, wie sehr die Unterschiede des Westens und des Ostens in der Art und Weise, Theologie (en gros) zu betreiben, eine Mitursache für die gegenseitigen Missverständnisse sind (bloß ist dies viel zu lang).
Und da ich das so "aus der lamäng" mal kurz hinschreibe, interessiert mich natürlich auch Eure Meinung dazu.


Die Bischöfe der Kirche des Ostens waren alle einmal Mönche, soweit ich weiß, enstammen also alle nicht nur einer Tradition des mönchischen Denkens, sondern vor allem auch des mönchischen Lebens. Und viele, wenn nicht die meisten, großen Theologen der Ostkirche der Neuzeit sind/waren Bischöfe (das vermute ich mal dreist, kann auch voll daneben sein).

Im Westen sieht das ganz anders aus, das muss ich nicht ausführen.

Aufgrund der Lebenserfahrung der Bischöfe als Mönche, besonders der Einsiedler (bspw. lebt ja der koptische "Papst" Shenouda III. immer noch als Teilzeiteinsiedler), muss die Reflexion der Theologie eine andere sein als die des Westens, wo eben nicht unbedingt die Theologie im eigenen individuellen Leben, sondern die intellektuelle, möglichst "objektive" Reflexion der theologischen Aussagen, verbunden mit zeitgenössischen Humanwissenschaften wie Psychologie, Soziologie etc. im Vordergrund steht.
Dazu kommt das Bestreben von Theologen der Anerkennung der Theologie bei den anderen Disziplinen, das Streben nach akademischer Beachtung, die dem Osten (weil es eben Mönche sind) eher fremd ist.

Ein Beispiel: Wenn die Evangelien mannigfaltig von Dämonen sprechen, Einsiedler (auch westliche!) auch noch heute keine bessere Bezeichnung dafür finden, reiche Erfahrung des Kampfes in der Auseinandersetzung mit Dämonen und dem Dämon Satan schlechthin haben, und dann einfach westliche Theologen diese Dämonen wegrationalisieren, dann kann sich (nicht nur) ein Mönch oder Bischof des Ostens einfach nur verarscht vorkommen. Da will ihm jemand erzählen, was er erlebt habe!

Insofern ist die Theologie des Ostens viel mehr eine Reflexion der eigenen Lebenserfahrung als im Westen, wo eher durch Aufnahme anderer, säkularer Meinungen es wenn, dann eher um Fremderfahrungen handelt.

Natürlich ist dies nicht immer so, viele Bereiche der westl. Theologie sind von Lebenserfahrung getränkt. Und da der Erfahrungshorizont aufgrund der größeren kulturellen Diversität der Westkirche auch ganz anders sein kann, können die theologischen Folgerungen ganz anders sein (deswegen bin ich bspw. ein Fan von der Befreiungstheologie und der Theologie der Wüstenväter und Einsiedler).

Doch spätestens seit dem Zeitpunkt, wo man (wir reden an anderer Stelle ja über Karl Rahner) erfolgreicher "Schreibtischtheologe" sein kann, ist die gemeinsame Basis mit der Kirche des Ostens nicht mehr gegeben.

Alles Stuss, oder ist das was dran?

:kratz:

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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

Was sind denn die grossen theologischen Differenzen zwischen den Orthodoxen und den Katholiken?
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Juergen
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Beitrag von Juergen »

cathol01 hat geschrieben:Was sind denn die grossen theologischen Differenzen zwischen den Orthodoxen und den Katholiken?
Ich befürche "DIE große(n) Differenz(en)" gibt es so nicht. - Aber wie man so schön sagt: "Kleinvieh macht auch Mist!"

Selbst das filioque muß nicht unbedingt als Trennunggrund verstanden werden. Gregorius Palamas z.B. kommt in seiner Theologie und Terminologie mehr als sehr stark an das heran, was das filioque aussagt.
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Man könnte vielleicht folgende These aufstellen:

Die östliche Theologie ist im Vergleich zur westlichen Theologie eine "optimistische" Theologie.
Sie ist in der Gnadenlehre z.B. weniger stark geprägt vom Gedanken der Erbsünde.
Gruß Jürgen

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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

Das sehe ich nämlich ähnlich. In den grossen theologischen Fragen ist man durchaus einer Meinung. Deshalb sagt man auch: Zwischen der orthodoxen und der katholischen Theologie ist eigentlich alles gleich, und doch ist alles anders.

Zum filioque: Hier war der Trennungsgrund auch weniger der theologische Inhalt dieses Glaubensartikels, sondern ganz einfach die Tatsache, dass das Abendland diesen Artikel eigenständig in ein gemeinsames Credo eingefügt hat. Aber heute ist das filioque sowieso kein ökumenisches Hindernis mehr. Das Problem heute ist eher, dass die Orthodoxen den Katholiken Proselytismus vorwerfen.
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Weil der (zweite) Weihnachtsbraten auf dem Tisch steht, bloß ganz kurz: Ihr verwechselt Theologie mit dem Inhalt der Lehre.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Ralf

Beitrag von Ralf »

Eben, Robert.

Thema verfehlt, setzen, sechs. ;D

Nur befürchte ich, dass die meisten westl. Theologen hier das Thema verfehlen... :(

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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

Der Theologe der Ostkirche ist Theologe, primär Gläubiger; der Theologe der Westkirche ist Theologe, (heute) primär Gelehrter, meinetwegen Wissenschafter.
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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Dipl. theol. cathol01 hat geschrieben:Was sind denn die grossen theologischen Differenzen zwischen den Orthodoxen und den Katholiken?
Das Papsttum. Die anderen theologischen Differenzen lassen sich daraus ableiten. Und was nicht, das sind die von Jürgen erwähnten Kleinigkeiten, bzw. die wahrscheinlich eher bereichernden Unterschiede zwischen lateinischer und griechischer Kirche.

N

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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

Auf den ersten Blick gibt es v.a. Gemeinsamkeiten: Wir haben denselben apostolischen Glauben, dieselben Sakramente und dieselben geweihten Ämter. Trotzdem ist alles anders - was daran liegt, dass es sich um zwei völlig unterschiedliche Kulturen handelt, die aus einem gegenseitigen "estrangement", das bereits am Ende des ersten Jahrtausends begonnen hat, resultieren. Hinzu kommt, dass das historische Gedächtnis der jeweiligen Völker noch Zeit braucht, um zu heilen. Gegenseitige Vorurteile sind noch gegenwärtig. In Osteuropa wurde wegen 2-3 kommunistischen Generationen die Gedächtnis- und Versöhnungsarbeit völlig blockiert.

Speziell auf der dogmatischen Ebene bereiten v.a. alle römischen dogmatischen Definitionen des 19. und 20. Jhs. Probleme: Unbefleckte Empfängnis, leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel, Primat und Unfehlbarkeit gemäss Vat. I.

Die Orthodoxen haben ebenfalls ein Problem mit der "uniatischen Frage", d.h. mit der Existenz von katholischen Ostkirchen, sowie mit der Errichtung von katholischen Bistümern bzw. Apostoloschen Administraturen auf orthodoxem Gebiet. Sie sehen dahinter eine falsche Ekklesiologie, ein Versuch seitens Rom, mehr Macht zu gewinnen, und sprechen von Proselytismus.

Grundsätzlich muss man sich aber fragen, ob sie bereit sind oder wären, die volle Kirchlichkeit der römisch-katholischen Kirche selbst anzuerkennen.
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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

cathol01 hat geschrieben:Grundsätzlich muss man sich aber fragen, ob sie bereit sind oder wären, die volle Kirchlichkeit der römisch-katholischen Kirche selbst anzuerkennen.
Die Anerkennung einer "vollen Kirchlichkeit" hieße eine Einheit in den Sakramenten, v.a. der Eucharistie. Diese besteht offenbar nicht - nicht ganz.
Bischofssynode der Russischen Orthodoxen Kirche, Moskau, Aug. 2000 hat geschrieben:"Beziehung mit der Römisch-Katholischen Kirche
Der Dialog mit der Römisch-Katholischen Kirche basiert und muß auch in der Zukunft basieren auf jenem grundlegenden Faktum, daß es sich bei ihr um eine Kirche handelt, in der die apostolische Sukzession der Weihen bewahrt worden ist. Gleichzeitig muß man allerdings ebenso den Charakter der Entwicklungen der Glaubenslehre und -grundlagen wie das Ethos der Römisch-Katholischen Kirche berücksichtigen, die nicht selten einen Bruch mit der Tradition und der spirituellen Erfahrung der Alten Kirche darstellen.
Der theologische Dialog mit der Römisch-Katholischen Kirche muß sich parallel entwickeln mit einer Abklärung der drängendsten Probleme in den bilateralen Beziehungen. Wichtigstes Thema des Dialogs bleibt heute das Thema der Union und des Proselytismus."
aus "Grundlegende Prinzipien der Beziehung der Russischen Orthodoxen Kirche zu den Nicht-Orthodoxen"(Quelle)

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