Seite 1 von 9

Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Mittwoch 3. Juni 2009, 01:08
von Nassos
Hallo,

nun mal eine Frage eines Orthodoxen an die römisch-katholischen Forumsbesucher:

Mit welcher Konfession fühlen sich Katholiken am ehesten verwandt, wo sehen sie am meisten Gemeinsamkeiten bzw. die stärkste emotionale Bindung?

Mit welcher Konfession können Katholiken am wenigsten was anfangen?

Und bitte auch: warum?

Sie können sich auf die RKK als ganzes beziehen, aber auch gerne Ihre eigenen "Vorlieben" beschreiben.
Ich beziehe mich mit "Konfessionen" auf die Konfessionen, mit denen hier im Forum diskutiert wird.

Danke und Gruß,
Nassos

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Mittwoch 3. Juni 2009, 08:34
von Raphael
Nassos hat geschrieben:Hallo,

nun mal eine Frage eines Orthodoxen an die römisch-katholischen Forumsbesucher:

Mit welcher Konfession fühlen sich Katholiken am ehesten verwandt, wo sehen sie am meisten Gemeinsamkeiten bzw. die stärkste emotionale Bindung?

Mit welcher Konfession können Katholiken am wenigsten was anfangen?

Und bitte auch: warum?

Sie können sich auf die RKK als ganzes beziehen, aber auch gerne Ihre eigenen "Vorlieben" beschreiben.
Ich beziehe mich mit "Konfessionen" auf die Konfessionen, mit denen hier im Forum diskutiert wird.

Danke und Gruß,
Nassos
Der Humor, den die orthodoxen Vertreter in diesem römisch-katholischen Forum an den Tag legen, gefällt mir!

My emotional two cents ................

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Mittwoch 3. Juni 2009, 10:19
von Teutonius
Nassos hat geschrieben:Mit welcher Konfession fühlen sich Katholiken am ehesten verwandt, wo sehen sie am meisten Gemeinsamkeiten bzw. die stärkste emotionale Bindung?

Mit welcher Konfession können Katholiken am wenigsten was anfangen?

Und bitte auch: warum?
Gemeinsamkeiten am ehesten:
-mit den griechisch-orthodoxen Christen, ich jedenfalls!
am wenigsten kann ich:
-mit allen Anderen, weil sie den wahen Glauben ablehnen, sich von der Kirche abgewandt haben, oder uns als Ungläubige beschimpfen (und Schlimmeres).

Ich dachte, Russen wären auch grichisch-orthodox?

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Mittwoch 3. Juni 2009, 11:12
von cantus planus
Ich fühle mich natürlich zuerst mit der römisch-katholischen Kirche verbunden, und dann mit den Unierten. Danach kommt die Orthodoxie, wegen der theologischen Übereinstimmungen und der Schönheit der Liturgie. Ein gewisses Interesse habe ich an der anglikanischen Hochkirche, wobei ich da schon Probleme mit gewissen theologischen Fragen habe. Wenig Verbindung sehe ich zu den protestantischen Denominationen, gar keine zu "Freikirchen" welcher Couleur auch immer. Da fehlen mir zu viele theologische Verbindungen, Gültigkeit der Sakramente etc. (Aber das Faß aufzumachen, ist hier im Forum nicht ungefährlich... :breitgrins: )

Das ist jetzt natürlich zwangsweise etwas grob.

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Mittwoch 3. Juni 2009, 12:56
von Ilija
"mit allen Anderen, weil sie den wahen Glauben ablehnen, sich von der Kirche abgewandt haben, oder uns als Ungläubige beschimpfen (und Schlimmeres)."


Wer ist damit gemeint? Die anderen orthodoxen Kirchen oder die Evangolen?

LG Ilija

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Mittwoch 3. Juni 2009, 13:25
von Chrysostomus
Die Katholiken hätten wohl gerne viele Bezüge und Gemeinsamkeiten mit der Orthodoxie, aber ich fürchte, die sind mit dem Protestantentum größer. ;) :kussmund:

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Mittwoch 3. Juni 2009, 13:48
von Kilianus
Mag zutreffen, wenn man die Dinge eher soziologisch betrachtet. Trifft überhaupt nicht zu, wenn man die Dinge eher theologisch betrachtet.

Zutreffend mag allerdings sein, daß die gefühlte Nähe der Katholiken zu den Orthodoxen größer ist als umgekehrt. Was vielleicht damit zusammenhängt, daß der bestehende Dissens für viele Orthodoxen kein Problem ist, weil ihnen schlicht wurscht ist, was um sie herum passiert. Zugespitzt formuliert: Entweder die Katholiken bekehren sich, oder sie landen halt in der Hölle. Pech für sie.

Dieses Denken wiederum mag damit zusammenhängen, daß den Orthodoxen aufgrund ihrer landeskirchlichen Struktur der katholische Hang zum weltumspannenden Denken fehlt.

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Mittwoch 3. Juni 2009, 23:09
von Robert Ketelhohn
Nassos hat geschrieben:nun mal eine Frage eines Orthodoxen an die römisch-katholischen Forumsbesucher:

Mit welcher Konfession fühlen sich Katholiken am ehesten verwandt, wo sehen sie am meisten Gemeinsamkeiten bzw. die stärkste emotionale Bindung?

Mit welcher Konfession können Katholiken am wenigsten was anfangen?

Und bitte auch: warum?

Sie können sich auf die RKK als ganzes beziehen, aber auch gerne Ihre eigenen "Vorlieben" beschreiben.
Ich beziehe mich mit "Konfessionen" auf die Konfessionen, mit denen hier im Forum diskutiert wird.
Da muß ich doch gleich mal wieder meine (den Alteingesessenen wohlbekannte) Grundsatzerklärung auspacken:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Ich halte den Begriff der „Konfession“ für wenig hilfreich. Er ist ja seiner Herkunft nach protestantisch und suggeriert die Möglichkeit eines gleichberechtigten Nebeneinander unterschiedlicher „Bekenntnisse“. Ich hange aber keinem „Bekenntnis“ an und auch keiner „Religion“ – um diesen in gewisser Weise verwandten Begriff hier mit einzubeziehen –, sondern der Kirche. Ich bin Glied der Kirche – oder hoffe wenigstens, dies am Ende endgültig zu sein –, Teil des auserwählten Volks und Bürger der ewigen Stadt Gottes. Meine Geschichte ist Teil der Geschichte des Gottesvolks.

Als „Religion“ kann man im herkömmlichen Sinne mein Handeln als eines Gliedes der Kirche bezeichnen; der Begriff ist aber durch die Religionswissenschaft und -soziologie in einem Maße verschoben, daß ich von seiner Verwendung eher absehen möchte: Denn heute versteht man darunter fast nur noch die Gesamtheit der zu einem mehr oder weniger geschlossenen System vereinten Vorstellungen einer Gruppe von Menschen über das Göttliche, die übernatürlichen Dinge und dergleichen.

Dieser Begriff ist nicht gemeint, wenn traditionell vom »Unterricht in katholischer Religion« geredet wurde. Vielmehr war damit gemeint – und sollte heute noch gemeint sein, denn sonst würde etwas gänzlich anderes daraus –, daß der Schüler in allem unterrichtet würde, was für ihn und sein Leben aus der durch die Taufe gegebenen Zugehörigkeit zur einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche folgt: Glaube, Geschichte und Bestimmung, Gegenwart und Leben der Kirche und ihrer Glieder als zur Heiligkeit Berufener.

Mit dem Begriff der „Konfession“ ist es ähnlich. Daß damit der Inhalt eines Bekenntnisses – oder gar die Gesamtheit seiner Anhänger – bezeichnet wird, ist eine protetantische Masche, freilich mit hoher Ansteckungsgefahr. Eigentlich bezeichnet confessio eine Handlung, nämlich den Akt des Bekennens: Ich bekenne Gott, Jesus Christus, den Glauben der Kirche. (Im kirchlichen Latein ist neben der Konstruktion mit dem Akkusativ auch die mit dem Dativ möglich; mit Akk.: »confiteor te, Deum, Christum etc. – ich bekenne [und zwar laut] dich, Gott, Christus usw.«; dagegen mit Dat.: »confiteor tibi, Deo, Christo – ich „bekenne dir“, das heißt: ich preise dich, lobsinge dir, verkünde deinen, Gottes, Christi Lobpreis«.)

Wer den Glauben der Kirche nicht teilt, vor dem bin ich gerufen zu „bekennen“. Genau darin besteht mein Bekenntnis, meine „Konfession“. Ein Sammelsurium von Vorstellungen in meinem Sinn oder auf einem Papier und ein anderes in deinem Sinn und in deren Papieren, all das ist kein Bekenntnis, etwa nach dem Motto: »Mein Bekenntnis, dein Bekenntnis, Bekenntnisse haben wir alle gern.« Konfession, das heißt: Ich singe Gottes Lobpreis, Ihm und aller Welt.
Bitte um Nachsicht, daß ich dies erneut hier ausbreite. Aber es ist doch ganz wesentlich. Die gesunde Ekklesiologie soll sich auch in der Sprache widerspiegeln.

Mit dem Zitat ist wohl auch schon, ohne daß ich’s eigens betonen müßte, hinreichend klar, daß protestantische und vergleichbare Gemeinschaften ein ekklesiologisches Nullum sind und von daher auch meiner Sympathie entbehren müssen. Da kann ich bloß auf die einzelnen Individuen schauen und sie sympathisch finden – oder nicht.

Die Frage beziehe ich darum nur auf die Ortskirchen, die in der apostolischen Tradition stehen. Unter ihnen sind mir zunächst die „vorchalcedonensischen“ und „vorephesinischen“ durchaus fremd. Ich will nicht gleich von Antipathie reden, das träfe auch nicht zu – zumal die Frage ja eher auf emotionale denn doktrinäre Haltungen abzielt –, aber für Sympathie fehlt jedenfalls die Grundlage.

Ich selbst bin nun mal Lateiner. Darum steht mir die lateinische Kirche am nächsten. Allerdings trägt sie so viele Wunden, daß das Verhältnis eher als „Passion“ zu bezeichnen ist denn als Sympathie. Ich meine damit nicht nur den derzeitigen, weithin beklagenswerten Zustand, sondern auch und gerade die zahlreichen Neuerungen, welche sie im Lauf insbesondere der letzten zwölfhundert Jahre eingeführt und meist sogleich codifiziert hat, zum Schaden ihrer Bindung an die apostolische Tradition.

Von den übrigen Ortskirchen steht mir die russische am nächsten, nicht nur aus familiären Gründen – die sind höchstens sekundär –, sondern aus Gründen des Vertrauens. Wenn ich das Wort höre: portæ inferi non prævalebunt eam (πύλαι ᾅδου οὐ κατισχύσουσιν αὐτῆς – врата ада не одолеют её – врата адова не ѹдолѣѭтъ еи), dann richtet sich mein Blick heute zuerst auf die russische Kirche.

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2009, 00:11
von Nassos
Guten Abend,

vielen Dank für Ihre Beiträge. Der Hintergrund zu dieser Frage war, dass sich die Ansicht in diesem Forum wohl etwas unterscheiden wird von der der breiten Masse. Die Orthodoxie ist hierzulande (und nicht nur) relativ unbekannt bzw. wird kaum wahrgenommen.
Mir kam es also auf Ansichten von "Insidern" an, wenn ich das so ausdrücken darf.

Herr Ketelhohn, ich finde Ihren Hinweis zum Begriff "Konfession" wichtig und nachvollziehbar. Ich werde mich danach richten.
Raphael hat geschrieben:Der Humor, den die orthodoxen Vertreter in diesem römisch-katholischen Forum an den Tag legen, gefällt mir!
Kann ich zwar nicht nachvollziehen, aber es freut mich, dass ich Sie erheitern konnte...

Nassos

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2009, 00:32
von Nassos
Teutonius hat geschrieben:Ich dachte, Russen wären auch grichisch-orthodox?
Russen sind russich-orthodox, sie "gehören" der autokephalen russisch-orthodoxen Kirche an. Ihr Oberhaupt ist der Patriarch von Moskau und ganz Russland.
Die der Griechen ist die griechisch-orthodoxe Kirche, das Oberhaupt ist der Erzbischof von Athen und ganz Hellas.

Ich bin noch nicht durch alle Stränge durch, ist das Thema "Autokephalie", "Autonomie", etc mal vorgestellt worden?

Gruß,
Nassos

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2009, 02:52
von Christiane
Robert Ketelhohn hat geschrieben: Ich selbst bin nun mal Lateiner. Darum steht mir die lateinische Kirche am nächsten. Allerdings trägt sie so viele Wunden, daß das Verhältnis eher als „Passion“ zu bezeichnen ist denn als Sympathie. Ich meine damit nicht nur den derzeitigen, weithin beklagenswerten Zustand, sondern auch und gerade die zahlreichen Neuerungen, welche sie im Lauf insbesondere der letzten zwölfhundert Jahre eingeführt und meist sogleich codifiziert hat, zum Schaden ihrer Bindung an die apostolische Tradition.

Von den übrigen Ortskirchen steht mir die russische am nächsten, nicht nur aus familiären Gründen – die sind höchstens sekundär –, sondern aus Gründen des Vertrauens. Wenn ich das Wort höre: portæ inferi non prævalebunt eam (πύλαι ᾅδου οὐ κατισχύσουσιν αὐτῆς – врата ада не одолеют её – врата адова не ѹдолѣѭтъ еи), dann richtet sich mein Blick heute zuerst auf die russische Kirche.[/color][/blocksatz]
Robert, ich schreibe ja noch nicht sehr lange hier. Allerdings lese ich schon seit mehreren Jahren mit. Und ich habe mich bei deinen Beiträgen zum Themenkomplex West- und Ostkirche schon öfters gefragt, ob du - offiziell lateinischer Katholik - im Inneren mittlerweile zur Orthodoxie konvertiert bist. Deshalb meine Frage, wo genau stehst du jetzt? Teilst du zum Beispiel noch die lateinische Auffassung vom Primat des Papstes (grundsätlich betrachtet, unabhänig von manchen überdenkenswerten Überspitzungen) - um mal einen der Hauptstreitpunkte anzuschneiden? Es geht mir nicht um Streit, ich frage nur, weil ich mich schon mehrmals in der Vergangenheit gefragt habe, woran ich bei dir bin. (Sorry, Off-Topic)

Christiane

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2009, 03:08
von Christiane
Um zum eigentlichen Thema zu kommen, ich geh jetzt mal von Sympathiewerten meinerseits aus. Also ich hege zum Beispiel Sympathien für die Koptische Kirche. Eine der ältesten christlichen Gemeinschaften überhaupt, das beeindruckt und fasziniert. Ein eher angespanntes inneres Verhältnis habe ich zum Protestantismus. Aber auch hier gibt es deutliche Unterschiede. Durchaus wohlwollend betrachte ich das traditionelle Luthertum. Einen großen Anteil daran, haben sicher die sich hier im Forum tummelnden Anhänger dieser Gemeinschaft, wie z.B. Marcus, deren Beiträge sich oft sehr katholisch lesen. Überhaupt ist mir der lutherische Protestantismus immer noch weitaus sympathischer als der Calvinismus und seine Ableger.

Christiane

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2009, 09:19
von Robert Ketelhohn
Christiane hat geschrieben:Robert, ich schreibe ja noch nicht sehr lange hier. Allerdings lese ich schon seit mehreren Jahren mit. Und ich habe mich bei deinen Beiträgen zum Themenkomplex West- und Ostkirche schon öfters gefragt, ob du - offiziell lateinischer Katholik - im Inneren mittlerweile zur Orthodoxie konvertiert bist. Deshalb meine Frage, wo genau stehst du jetzt? Teilst du zum Beispiel noch die lateinische Auffassung vom Primat des Papstes (grundsätlich betrachtet, unabhänig von manchen überdenkenswerten Überspitzungen) - um mal einen der Hauptstreitpunkte anzuschneiden? Es geht mir nicht um Streit, ich frage nur, weil ich mich schon mehrmals in der Vergangenheit gefragt habe, woran ich bei dir bin.
Erstens: Aus Gründen, die meinen obigen Anmerkungen zum Konfessionsbegriff analog sind, kann ich auch den gängigen konfessionalistischen Konversionsbegriff nicht gebrauchen. Konversion ist Bekehrung zu einem Leben nach dem Evangelium und nicht Wechsel zwischen verschiedenen christlichen oder scheinchristlichen Denominationen.

Zwischen verschiedenen auf apostolischem Fundament stehenden Ortskirchen kann man nicht wechseln wie zwischen unterschiedlichen Parteien und Faktionen des politischen Lebens.

Der Primat des Bischofs von Rom als solcher ist unbestritten. Umstritten kann allenfalls sein, was er umfaßt und worauf er sich erstreckt. Gegen Fehlentwicklungen darf man Einspruch erheben. Da ist einerseits ein übersteigerter Machtanspruch, über die Jahrhunderte unter Berufung auf die sogenannten pseudoisidorischen Dekretalen gewachsen (die urspünglich in karolingischer Zeit im Dunstkreis von Suffraganen gefälscht wurden, die den römischen Patriarchen gegen ihre Metropoliten mobilisieren wollten). Dann das Thema die „Dogmatisierungen“. Es ist mißbräuchlich, theologische Meinungen oder dergleichen über nicht eigentlich heilsrelevante Gegenstände unter Drohung mit dem Anathema zu „dogmatisieren“.

Schließlich, ganz konkret, ist die Aussage des I. Vatikanischen Konzils, nach welcher der Papst gewissermaßen von Natur aus unmittelbares bischöfliches Recht in jeder einzelnen Diözese der Ökumene habe – vor den Ortsbischöfen, denen danach nur eine abgeleitete, sekundäre Funktion bleibt – mit dem tradierten apostolischen Glauben der ersten mehr als anderthalb Jahrtausende schlechterdings nicht vereinbar.

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2009, 09:38
von cantus planus
Chrysostomus hat geschrieben:Die Katholiken hätten wohl gerne viele Bezüge und Gemeinsamkeiten mit der Orthodoxie, aber ich fürchte, die sind mit dem Protestantentum größer. ;) :kussmund:
Das kann man beim derzeitigen Zustand der Kirche leider nicht bestreiten... :traurigtaps:

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2009, 09:46
von Ralf
Ich teile selbstverständlich Roberts Auffassung des Konfessions-Begriffes und sehe die Problematik des "innerkirchlichen Übertrittes" ebenso wie er (weiß aber auch daß das manchem Neu-Orthodoxen und Neu-Katholiken nicht gefallen würde).

Das Problem der universalen päpstlichen Jurisdiktion sehe ich auch so wie er, muß aber gestehen, daß ich auch schon mal glücklich war, daß er es (wie bspw. die Debatte um die Scheine für eine Abtreibung) angewandt hat. Aber der eigene Wunsch steht nicht über der apostolischen Tradition.

Ob man das Vat I nur als abendländisch ökumenisch betrachten könnte? Andere Frage ...

Meine Sympathien sind natürlich erst einmal der lateinischen Kirche geschuldet, so wie Robert bin ich eben ein Lateiner durch und durch. Ich liebe meine Kirche, leide aber auch an ihr (sie aber nicht minder an mir!). Dann habe ich große Sympathien für die Orthodoxie, hier kenne ich ein wenig die rumänische (auch aus fam. Gründen). Die koptische Kirche wiederum bewundere ich wegen ihrer Festigkeit unter der jahrhundertelangen Unterdrückungssituation.

Die Theologie vieler Evangelikaler verstehe ich gar nicht und ist mir zu simpel apodiktisch.

Lutheraner kenne ich zu wenig.

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2009, 10:24
von Florianklaus
Es erstaunt mich in diesem Forum immer wieder, daß dieselben Teilnehmer, die sonst gerne den Großinquisitor geben und anderen Häresie und Irrglauben nachzuweisen versuchen, bei den Orthodoxen wachsweich werden und sogar verbindliche Lehrentscheidungen eines Konzils kritisieren und in Zweifel ziehen.

Seit wann kann man als Katholik einzelne Dogmen als für sich weniger verbindlich ansehen? Entscheidet jetzt jeder für sich, welche Lehrentscheidungen mit der apostolischen Tradition übereinstimmen und welche nicht? Wie sieht es denn insoweit mit den Mariendogmen des 19. und 20. Jhdt. aus?

Ein englischer Bischof hat einmal sinngemäß gesagt, der katholische Glaube ist kein Salatbüffet, man muß das ganze Menü nehmen!

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2009, 11:27
von Christiane
Danke für die Klarstellung, Robert. :)

Ich seh das im wesentlichen wie Florianklaus. Wir können uns von der katholischen Lehre nicht einfach nur aussuchen was uns passt, schon gar nicht wenn es ausgerechnet verbindliche Lehrsätze sind, die wir verwerfen. Man kann durchaus beklagen, dass nicht alles ideal gelaufen ist. Dennoch steht die Lehre nunmal und wir müssen sie annehmen, auch wenn Brocken dabei sein mögen, die weniger leicht runterflutschen. Darin zeigt sich ja übrigens erst wahrer Gehorsam, indem man auch Entscheidungen annimmt, die einem selbst nicht schmecken und die man zunächst nicht nachvollziehen kann. Dem Papst oder dem Lehramt zu folgen, wenn die meine Meinung vertreten, hat nichts mit Gehorsam zu tun. Das im Westen nach dem abendländischen Schisma auf eigene Faust fröhlich weiter Lehrsätze erlassen und Dogmen verkündet wurden, liegt doch auch in der Natur der Sache. Man musste auf diverse Häresien reagieren und da war es immer wieder notwendig gewisse Dinge klar zu stellen. Auch die frühen Konzilien waren ja im wesentlichen Antworten auf die diversen großen Irrlehren gewesen, die damals wucherten. Nur damals war vorallem der Osten betroffen. Später musste man sich halt dann im Westen der verschiedenen Irrlehren erwehren. Dass man sich da nach dem Schisma nicht jedesmal erst in Konstantinopel rückversichert hat, bevor man den Unkrautgewächsen im eigenen Revier zu Leibe rückte, kann man Rom ja nicht wirklich zum Vorwurf machen.

Christiane

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2009, 11:53
von TillSchilling
Christiane hat geschrieben: Später musste man sich halt dann im Westen der verschiedenen Irrlehren erwehren. Dass man sich da nach dem Schisma nicht jedesmal erst in Konstantinopel rückversichert hat, bevor man den Unkrautgewächsen im eigenen Revier zu Leibe rückte, kann man Rom ja nicht wirklich zum Vorwurf machen.
Bei welchen Anläßen hat man es denn getan?

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2009, 15:13
von Chrysostomus
Florianklaus hat geschrieben:Ein englischer Bischof hat einmal sinngemäß gesagt, der katholische Glaube ist kein Salatbüffet, man muß das ganze Menü nehmen!
Getreu dem Motto: "Friss oder stirb"?
Nein, wo der Verstand anfängt dem Glauben zu widersprechen, wird die Sache faul. Ein Glauben und eine Kirche muss hinterfragt werden können und dabei nach aller Prüfung bestehen bleiben - und wo sie das nicht tut, da ist die Sache nun einmal faul. Das Müllschluckerprinzip ist keines, auf das man bauen sollte.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Von den übrigen Ortskirchen steht mir die russische am nächsten, nicht nur aus familiären Gründen – die sind höchstens sekundär –, sondern aus Gründen des Vertrauens. Wenn ich das Wort höre: portæ inferi non prævalebunt eam (πύλαι ᾅδου οὐ κατισχύσουσιν αὐτῆς – врата ада не одолеют её – врата адова не ѹдолѣѭтъ еи), dann richtet sich mein Blick heute zuerst auf die russische Kirche.
Warum verdient vor allem die ROK dein Vertrauen?

Ich persönlich habe erst vor kurzem begonnen, mich mit der Orthodoxie zu beschäftigen. Bisher habe ich mich bei den Griechen am wohlsten gefühlt, ohne aber mit allen Ortskirchen bereits Kontakt gehabt zu haben - will heißen, ich erhebe keinen Anspruch auf ein vollständiges Bild.

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2009, 15:26
von Teutonius
Chrysostomus hat geschrieben:Getreu dem Motto: "Friss oder stirb"?
Unlogisch!

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2009, 16:07
von TillSchilling
Florianklaus hat geschrieben:Es erstaunt mich in diesem Forum immer wieder, daß dieselben Teilnehmer, die sonst gerne den Großinquisitor geben und anderen Häresie und Irrglauben nachzuweisen versuchen, bei den Orthodoxen wachsweich werden und sogar verbindliche Lehrentscheidungen eines Konzils kritisieren und in Zweifel ziehen.

Seit wann kann man als Katholik einzelne Dogmen als für sich weniger verbindlich ansehen? Entscheidet jetzt jeder für sich, welche Lehrentscheidungen mit der apostolischen Tradition übereinstimmen und welche nicht? Wie sieht es denn insoweit mit den Mariendogmen des 19. und 20. Jhdt. aus?
Dieses Erstauen teile ich.

Vor allem bin ich sehr, sehr erstaunt, über die Rechtfertigung dieses "für mich ist das nicht verbindlich". Die gleiche Person, die voll spürbar tiefer Verachtung Hinweise auf die Schrift als prüfende Instanz als "Buchstabenfledderei" abut, stellt einfach mal so ganz apodiktisch fest, daß Lehre X,Y, und Z nicht gelten, weil sie
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
mit dem tradierten apostolischen Glauben der ersten mehr als anderthalb Jahrtausende schlechterdings nicht vereinbar
seien.

Ach so. So ist das. Na dann.

Frage: wer sagt denn, welches der "tradierte apostolische Glauben der ersten mehr als anderthalb Jahrtausende" der christlichen Kirche ist?

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2009, 16:35
von TillSchilling
Nassos hat geschrieben: Mit welcher Konfession fühlen sich Katholiken am ehesten verwandt, wo sehen sie am meisten Gemeinsamkeiten bzw. die stärkste emotionale Bindung?

Mit welcher Konfession können Katholiken am wenigsten was anfangen?

Und bitte auch: warum?
Hallo Nassos,

wie wären denn deine Antworten auf deine Fragen? Das ist, glaube ich, auch recht interessant.

Grüße,
Till

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2009, 16:50
von Florianklaus
Woher soll Nassos als Orthodoxer denn wissen, welcher Konfession sich Katholiken am meisten verbunden fühlen?

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2009, 16:58
von cantus planus
Ich sehe nicht, welche Konzilsentscheidung man als römischer Katholik beklagen müsste - abgesehen von gewissen unscharfen Formulierungen des Vaticanum II.

Ein Dogma ist eben ein Dogma, und damit glaubensverbindlich. Persönliche Schwierigkeiten mit Lehrentscheidungen sind davon unberührt.

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2009, 17:49
von TillSchilling
Florianklaus hat geschrieben:Woher soll Nassos als Orthodoxer denn wissen, welcher Konfession sich Katholiken am meisten verbunden fühlen?
Ich meinte natürlich welcher Konfession ER sich am meisten verbunden fühlt.

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2009, 21:07
von Nassos
Hallo Leute,

wow, so viele Beiträge.

Nun, vielleicht läuft das hier wachsweich ab mit uns Orthodoxen, weil ich noch Neuling bin und etwas Schonung genieße. Noch... ;-)

Ich bin zwar kein Katholik, aber ich lebe ja schon mein ganzes Leben mit ihnen zusammen. Ebenfalls zählen Katholiken zu meiner Verwandtschaft, auch wenn ich mit ihnen keine entsprechenden Diskussionen geführt habe.

Nun, ich hätte mir schon vorgestellt, dass innerhalb dieses Forums sich die "Sympathien" aufteilen einerseits auf die Orthodoxen - wegen der Ähnlichkeit, die wohl nicht abzustreiten ist - und andererseits auf die Evangelen, sind das doch sehr viele Landsleute und man teilt mit ihnen die gleiche bzw. eine ähnlichere Mentalität.

Was mich überrascht hat, und ich sehr interessant finde, ist die Nennung der Monophysiten.

Ich denke jedoch auch zugleich, dass sich die Gewichtung ändert, wenn man eine Umfrage "im Freien" betätigen würde.

Wie es bei mir aussieht? Nun, den Katholizismus empfinde ich am nächsten, aber er bereitet mir auch die meisten Gedanken, eben aufgrund der Feinheiten, die ihn von der Orthodoxie unterscheidet. Das Primat des Papstes, das Filioque, aber auch gewisse Institutionen und Handlungen in der Geschichte machen mir sehr zu schaffen. Aber die katholische Kirche ist aus meiner Sicht diejenige Kirche, die zurück zur Wahrheit finden kann - wie gesagt: aus meiner Sicht.

Mit dem Protestantismus kann ich nichts anfangen, seine Zersplitterung in 20000 weitere Gruppierungen und ihre Entfernung zur Tradition ist für mich ein Hinweis, dass da etwas schiefgelaufen ist. Andererseits muss ich gestehen, dass genau der Protestantismus eine Grundlage für die Demokratisierung im Westen war. Vollkommen abgeneigt bin ich dem Calvinismus gegenüber.

Das gleiche empfinde ich gegenüber der Anglikanischen Kirche. Zweckentfremdet.

Dies alles bezieht sich auf die Institutionen und ihre Geisteshaltung, nicht auf den Menschen selbst. Meine Empfindungen anderen Menschen gegenüber hängt in keinster Weise von diesen Parametern ab. Selbstverständlich gibt es Katholiken, Protestanten, Muslime und Atheisten, die mir sympathischer sind als so mancher Orthodoxe. Warum? Wie gesagt, weil es auf diese "Qualitäten" dabei nicht ankommt.

Ich kann nicht verschweigen, dass ich oft daran denke, wie meine Einstellung wäre, wenn ich in einen anderen Kreis hineingeboren worden wäre. Ich denke, es kann nichts schaden, sich diesen Gedanken im Hinterkopf zu bewahren. (Keine falsche Hoffnung, konvertieren werde ich deswegen auch nicht ;-) )

Einen schönen Abend,
Nassos

P.S.: falls ich jemanden vor den Kopf gestoßen haben sollte, dann tut es mir leid - war nicht meine Absicht. Außerdem, es ist ja nur meine Meinung, ne?

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2009, 23:00
von Niels
cantus planus hat geschrieben:Ich fühle mich natürlich zuerst mit der römisch-katholischen Kirche verbunden, und dann mit den Unierten. Danach kommt die Orthodoxie, wegen der theologischen Übereinstimmungen und der Schönheit der Liturgie. Ein gewisses Interesse habe ich an der anglikanischen Hochkirche, wobei ich da schon Probleme mit gewissen theologischen Fragen habe. Wenig Verbindung sehe ich zu den protestantischen Denominationen (...)
Mir geht es da ziemlich ähnlich. :ja:

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Donnerstag 4. Juni 2009, 23:28
von Robert Ketelhohn
Florianklaus hat geschrieben:Es erstaunt mich in diesem Forum immer wieder, daß dieselben Teilnehmer, die sonst gerne den Großinquisitor geben und anderen Häresie und Irrglauben nachzuweisen versuchen, bei den Orthodoxen wachsweich werden und sogar verbindliche Lehrentscheidungen eines Konzils kritisieren und in Zweifel ziehen.

Seit wann kann man als Katholik einzelne Dogmen als für sich weniger verbindlich ansehen? Entscheidet jetzt jeder für sich, welche Lehrentscheidungen mit der apostolischen Tradition übereinstimmen und welche nicht? Wie sieht es denn insoweit mit den Mariendogmen des 19. und 20. Jhdt. aus?

Ein englischer Bischof hat einmal sinngemäß gesagt, der katholische Glaube ist kein Salatbüffet, man muß das ganze Menü nehmen!
Christiane hat geschrieben:Ich seh das im wesentlichen wie Florianklaus. Wir können uns von der katholischen Lehre nicht einfach nur aussuchen was uns passt, schon gar nicht wenn es ausgerechnet verbindliche Lehrsätze sind, die wir verwerfen. Man kann durchaus beklagen, dass nicht alles ideal gelaufen ist. Dennoch steht die Lehre nunmal und wir müssen sie annehmen, auch wenn Brocken dabei sein mögen, die weniger leicht runterflutschen.
Wenn das denn mal so einfach wäre.
Chrysostomus hat geschrieben:Getreu dem Motto: "Friss oder stirb"?
Nein, wo der Verstand anfängt dem Glauben zu widersprechen, wird die Sache faul. Ein Glauben und eine Kirche muss hinterfragt werden können und dabei nach aller Prüfung bestehen bleiben - und wo sie das nicht tut, da ist die Sache nun einmal faul. Das Müllschluckerprinzip ist keines, auf das man bauen sollte.
Genau. – Ich kenne die maximalistische Position noch recht gut, ich habe sie selbst einmal vertreten. In jüngeren Jahren näherte ich mich – von einer deutschnationalen (oder besser: kleindeutsch-preußischen) Position her kommend – zunächst langsam und unmerklich, dann immer deutlicher der universalistischen römischen Sichtweise, dabei auch die über Jahrhunderte gewachsene, aber erst vor 140 Jahren „festgeklopfte“ römische Großmannssucht aufsaugend und mir aneignend.

Einige Studien der Liturgiegeschichte und insbesondere die Lektüre zahlreicher Schriften Klaus Gambers haben allerdings Einseitigkeiten bald wieder gemildert und meinen Blick für die Ostkirchen und ihre reichen Schätze geöffnet.

Die bei uns übliche Begründung des (maximalistisch verstandenen) päpstlichen Primats, die an das oben zitierte Wort von den Pforten der Hölle anknüpft (Mt 16,18) hat sich für mich mit dem zweiten Assisitreffen Johannis Pauls II. Anfang 2002 (das erste hatte ich noch nicht recht wahrgenommen) als nicht tragfähig erwiesen. Bis dahin hatte ich die Ansicht vertreten (und mitunter mühsam hochgehalten), auch die persönlich sündigsten römischen Bischöfe hätten doch stets den Glauben unversehrt bewahrt – und so würde es kraft der Verheißung des Herrn auch künftig bleiben, bis zur Parusie.

Das war nach Assisi nicht mehr möglich. Wenn durch eine einzelne Person derartiges möglich ist, welcher Hocuspocus sollte dieselbe Person daran hindern, zu ähnlich Glaubenswidrigem auch noch laut »ex cathedra loquor, ex cathedra, ex cathedra!« zu feixen? – Nein, die ganze Konstruktion mußte verkehrt sein. Jene Verheißung an eine einzige, stets der Gefahr der Häresie unterliegende Person zu binden, das geht nicht.

Dann schaue ich genauer hin: und siehe da, es steht auch gar nicht so, wie behauptet, in der Schrift. Die Verheißung des Herrn gilt der Kirche, nicht dem Petrus (und erst recht nicht dessen Nachfolgern). Dann vertiefe ich mich weiter in die Geschichte und finde – neben der ohnehin offensichtlichen Selbstwidersprüchlichkeit des ordentlichen Lehramts heutzutage – auch schwerste Selbstwidersprüche des vermeintlich höchsten, nämlich päpstlichen Lehramts, von der Honoriusfrage bis Vatikan I, II und Assisi. Und weit mehr als erwartet zwischendrin. Beispielshalber in Hildebrands und Humberts Reformpartei unter dem Einfluß der Patarener eine beinahe wiedertäuferische Radikalität.

Was nun? – Ich muß mich der Wirklichkeit stellen. Auf das gegenwärtige Lehramt allein ist kein Verlaß, da geht es drunter und drüber. Ich darf nicht bloß, ich muß, nachdem ich einmal erkannt habe, wieviel im Argen liegt in der lateinischen Kirche, mich selbst an der Tradition orientieren, notfalls im Widerspruch gegen das Lehramt, und nach der nötigen Reform an Hautp und Gliedern rufen, wobei in vielem – das habe ich dankbar von Klaus Gamber gelernt – ein Maßnehmen an der „Orthodoxie“ nottut.
Chrysostomus hat geschrieben:Warum verdient vor allem die ROK dein Vertrauen?
Das sind keine „dogmatischen“ Gründe. Hinsichtlich der lateinischen Kirche habe ich oben einiges angedeutet. Mehr könnte ich nennen. Das Maß an Desorientierung ist groß.

Die Griechen kenne ich, ehrlich gesagt, nicht wirklich. Aber ich sehe in deutlich größerem Maß als bei den Russen einerseits westlich-moderne Einflüsse, auch wenn diese keineswegs bestimmend sind, andererseits aber auch eine, ich sage mal: erhöhte Wahrscheinlichkeit von Verhärtungen bis hin zur Engstirnigkeit. Nicht, daß es dergleichen in der Geschichte nicht immer wieder gegeben hätte. Aber die russische Kirche erscheint mir heute, zumal nach dem Fall Constantinopels, gelassener und verläßlicher, gleichsam als ruhigerer, breiterer Strom. Und „breiter“ ist der Strom ja wirklich längst.

Um aber noch einmal Mißverständnissen vorzubeugen: Ich sage keineswegs, daß ich andern Kirchen von vornherein mißtraue. Die Verheißung von den Pforten der Hölle gilt ja der ganzen Kirche, keiner einzelnen Ortskirche, natürlich auch nicht der russischen. Aber die russische Kirche stellt, so scheint mir, derzeit am ehesten jenen Fels dar, dessen die Kirche in der Brandung bedarf. Wenn jedenfalls was aussehen will wie ein Fels, dabei aber herumhüpft wie ein Flummi, dann ist das Ding nicht so wirklich felsig. Oder wenn andererseits eine Felsnase allzu spitz emporragt, dann bricht sie auch schnell mal unter Getöse ab (habe ich schon realiter erlebt – der Bericht lagert hier irgendwo im Untergrund).
TillSchilling hat geschrieben:Vor allem bin ich sehr, sehr erstaunt, über die Rechtfertigung dieses "für mich ist das nicht verbindlich". Die gleiche Person, die voll spürbar tiefer Verachtung Hinweise auf die Schrift als prüfende Instanz als "Buchstabenfledderei" abtut …
Sei doch einfach etwas selbstbewußter und zieh solche Diskussionen nicht auf die persönliche Schiene. :)

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Freitag 5. Juni 2009, 01:02
von anneke6
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Beispielshalber in Hildebrands und Humberts Reformpartei unter dem Einfluß der Patarener eine beinahe wiedertäuferische Radikalität.
Kannst Du das näher erklären? Wer sind diese Leute? Mit dem Namen Hildebrand verbinde ich nur zwei Sachen: Einmal das Hildebrandslied, ein seltsames Gedicht, mit dem man mich im Deutschunterricht gequält hat: ("So, anneke6, Du meinst also Du kannst Deutsch? Verstehst Du denn das? Ich gehorta dad seggen… ":nein:) und Dietrich von Hildebrand…den ich noch weniger verstehe. Zu hoch für mich. Und wer Humbert ist oder war, weiß ich gar nicht.

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Freitag 5. Juni 2009, 01:13
von Robert Ketelhohn
Hildebrand ist Gregor VII., Humbert ist Humbert von Silva Candida.
Die Patarener sind die Anhänger der Mailänder Pataria.

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Freitag 5. Juni 2009, 02:04
von Christiane
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Hildebrand ist Gregor VII., Humbert ist Humbert von Silva Candida.
Die Patarener sind die Anhänger der Mailänder Pataria.
Ersterer ist mir wohl bekannt. Für den Rest bräuchte ich eine kleine Nachhilfestunde in Kirchengeschichte.

Mehr zum Thema dann morgen (oder eigentlich heute in vielleicht 12 bis 14 Stunden)...

Re: Emotionaler Bezug zwischen den Konfessionen

Verfasst: Freitag 5. Juni 2009, 09:35
von Florianklaus
Ich habe auch mehrere Schriften von Klaus Gamber gelesen und stimme nahezu mit allen seinen Ansichten überein. Ich meine auch, daß die Begegnung mit den östlichen Traditionen eine Bereicherung darstellt. Das gilt insbesondere für den Respekt des Ostens gegenüber der liturgischen Überlieferung, an dem sich der Westen ein Beispiel nehmen sollte.

Das bedeutet aber nicht, daß man die westliche, römisch-katholische Tradition seit 1054 oder wann auch immer grundsätzlich in Frage stellen könnte.

Es bedeutet erst recht nicht, daß man als Katholik das Recht hat, verbindlich formulierte Dogmen abzulehnen. Das hat auch nichts mit "friß oder stirb" zu tun. Es ist ja jedem unbenommen, der nach sorgfältiger Prüfung für sich zu dem Ergebnis kommt, daß er verbindliche Lehrentscheidungen der Kirche nicht mittragen kann oder will, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Dies ist immer zu respektieren. Es kann aber nicht angehen, daß sich jeder aus dem Dogmenbestand das für ihn passende heraussucht und sich so seinen Glauben persönlich zusammenstellt. Das dies trotzdem geschieht, ist offensichtlich, die Folgen allerdings auch! Und: Wer wollte denn entscheiden, welche Konzilsentscheidungen und Dogmen zum unveräüßerlichen Kern des katholischen Glaubens gehören und welche nicht? Nach welchem Maßstab?

Ich habe größtes Verständnis für jeden, der mit einzelnen Lehrentscheidungen persönliche Rezeptionsprobleme hat. Ich meine aber, daß man als Katholik zumindest die innere Bereitschaft haben muß, auch diese im Rahmen der "fide implicita" anzuerkennen.