Lutheraner hat geschrieben:Hallo John,
John Grantham hat geschrieben:Was bringt uns eigentlich dieser Zwang, den Glauben bis ins kleinste Detail zu definieren, und auf diese Details zu beharren?
Ich sehe nur die Möglichkeit, andere Leute fleißig auszugrenzen, aber ich finde dafür kein Vorbild in den Evangelien.
Hier stimme ich Dir völlig zu. Glaubenssätze konkret neu auszuformulieren ist nur dann notwendig, wenn es Streitigkeiten über sie gibt, die die Einheit der Kirche gefährden oder wenn die Gefahr besteht, dass die Kirche ihren apostolischen Weg verlässt.
Klar, ich verstehe schon, woher diese Texte stammen, und wie gesagt mit dem Inhalt habe ich i.d.R. nur wenige Probleme (es sei denn, daß sie in eine bestimmte Richtung zu weit gehen). Allerdings denke ich, daß man zu sehr daran fest klammern kann, man beißt sich in Details fest, die an die Botschaft Jesu letztendlich vorbeigehen.
Die Entwicklung gab es ja auch im Judentum zur Zeit Jesu Geburt. Die Pharisäer, Sadducäer, und so weiter streiteten sich über immer abstruseren Dinge, die aber letztendlich mit Gottes Wort herzlich wenig zu tun hatten, bis die Botschaft bis zu Unkenntnis verkrümmt und verfremdet war. In so fern war Jesus' Ankunft eine Notwendigkeit, Gottes Botschaft zu erneuern und zu retten.
Das klassische heutige Beispiel ist Lehre bzgl. Eucharistie. Fast jeder von uns hier im Forum könnte ohne Wenn und Aber sagen, Gott ist wahrhaftig präsent in der Eucharistie, im Brot und Wein. Was in aller Welt hat die genaue Erklärung des Wie mit der Botschaft zu tun? Gott ist doch da. Während man viele Worte darüber verschwendet, ob TSL oder Konsubstantiation oder pneumatische spirituelle Präsenz richtig ist, verhungern Menschen, Kriege werden angezettelt, Kinder verwaisen und und und.
Jesus aber sagte, "Das ist mein Leib", "Das ist mein Blut". Mehr gibt es nicht zu sagen.
Rechtfertigungslehre ist auch so ein Beispiel. Daß man in erster Linie glauben muß, um mit Gott versöhnt zu werden, muß doch jeder unterschreiben können. Wie man sich mit Gott genau versöhnt dürfte wohl weniger das Problem sein.
(Wie ich gerne sage, um die Kirche erst recht zu vergeigen, braucht man Theologen.)
Lutheraner hat geschrieben:Die Dogmen der Alten Kirche und die evang.-luth. Bekenntnisschriften entstanden aus solch einer Notwendigkeit. Für die Dogmen der römischen Kirche gab es diese Gründe nicht. Vor allem bei den Dogmen der letzten beiden Jahrhunderte sollten bei jedem römischen Christen die Alarmglocken läuten. Hier sind nicht zu unterschätzende Kräfte am Werk.
Das sehe ich auch so. Man kann das auch soziologisch erklären oder darstellen: Je mehr eine Gruppe sich teilt, desto mehr bekommen die Extremisten in den jeweiligen Gruppen die Oberhand.
Speziell bei Rom sehe ich das größte Problem, sehr viele haben die Vorstellung, man hat den Papst, und gut is'. Es geht so weit, daß man sich vorstellt, der Papst hat immer Recht, was nicht mal Rom behauptet (Unfehlbarkeit gilt nur in sehr speziellen Fällen) und Kritik oder Auseinandersetzung wird dadurch zu viel unter den Teppich gekehrt.
Daß das Papsttum in der heutigen Form zu Verkrümmungen der Kirche führt, gibt man ungern zu. Die Machtstellung des heutigen Papstes hat nie und nimmer Vorbilder in der alten Kirche, auch wenn er damals eine vorsitzende Rolle hatte. Jurisdiktionsprimat? Wohl kaum. Aber das ist unfehlbar verkündet worden, also muß es doch stimmen, ad absurdum, ad nauseam.
(Roberts XII Thesen bieten einen möglichen Ausweg, aber ich sehe nicht, wie sie jemals in die Tat ungesetzt werden könnte. Leider.)
Cheers,
John
Der Beweis, dass Gott einen Sinn für Humor hat: Er hat die Menschheit geschaffen.
[ Alt-Katholisch/Anglikanisch in Hannover ]