Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Rund um Anglikanertum, Protestantismus und Freikirchenwesen.
Evagrios Pontikos
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Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Die folgenden Beiträge stammen ursprünglich aus diesem Thread: viewtopic.php?f=1&t=1414&start=416
Niels, mod.


So ein Quatsch, dieser Wikipedia-Artikel! Da zeigt sich wieder einmal, welche Dielattanten da rumschreiben!

1. Luther hatte definitiv kein Interesse an einem geweihten römisch-katholischen Bischof. Mehrere deutsche Weihbischöfe schlossen sich der Reformation an. Auf Ihre Dienste wurde stillschweigend verzichtet. Auch wären die schwedischen Bischöfe fähig gewesen, Bischöfe für Deutschland zu weihen. Auch daran bestand kein Interesse.

2. Luther selber hielt bis in die 153er Jahre nicht viel von der Ordination. Erst in der Galatervorlesung von 1531 und dann in der späten Genesisvorlesung klingt das bei ihm anders. Er selber ordinierte übrigens Pfarramtsanwärter auch ohne Handauflegung, weil er sie als nicht so wichtig ansah. Die "Berufung" war für ihn das Entscheidende. Hier steht er in einer Spannung zu Melanchthon und der CA. Es gab sogar lutherische Kirchen ohne Ordination mit bloßer Vokation. Eine Folge Luthers! Erst im 19. Jahrhundert hatten alle lutherischen Kirchen wieder die Ordination.

3. Die lutherische Reformation tilgte bei der Ordination (auch in Schweden!) das alte Weihegebet, das nach römischer Auffassung konstitutiv ist. Deshalb anerkennt die römische auch nicht die schwedische apostolische Sukzession (und ebenso nicht die anglikanische).

Das alles waren ganz bewusste Akte gegen die kirchliche Tradition. Am Bischofsamt hatte Luther schon deshalb kein Interesse, weil für ihn die Territorialfürsten "Bischöfe" ihres Territoriums waren und so dann auch im landesherrlichen Kirchenregiment wurden.

4. Dem ganzen die Krone auf setzt die Tatsache, dass die Lutheraner die reformierte Ordination nie anerkannten und reformierte Pfarrer, die lutherisch wurden, neu ordniniert wurden. Denn die Zwinglianer hatten ja die Successio Fidei im Blick auf die Realpräsenz gebrochen. Deshalb wurden reformierte "Ordinationen" als nicht gültig angesehen. Aber plötzlich soll das keine Rolle mehr spielen, behauptet die Leuenberger Konkordie.

Man sieht, man sollte der Wikipedia nicht immer glauben. Und die römische Kirche und die orthodoxe Kirche tun gut daran, eine Abendmahls-/Eucharistiegemeinschaft genau wegen dieses Defektes der lutherischen Ordination zu verbieten.

Und dass Frau Käßmann dann ganz beleidigt tut, weil Rom bzw. die Orthodoxie Kirchesein und Amt der evangelischen Kirchen kritisieren, ist entweder pure Dummheit bzw. Unkenntnis oder ganz bewusste Verdrehung der Tatsachen. Aber vielleicht hat sie ja den Wikipedia-Artikel geschrieben... :roll:

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Petur
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Re: Moskau bricht Kontakte zur EKD wegen Frau Käßmann ab

Beitrag von Petur »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:
Es gab sogar lutherische Kirchen ohne Ordination mit bloßer Vokation. Eine Folge Luthers! Erst im 19. Jahrhundert hatten alle lutherischen Kirchen wieder die Ordination.
Welche lutherische Kirchen verzichteten auf die Ordination?

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Petur
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Re: Moskau bricht Kontakte zur EKD wegen Frau Käßmann ab

Beitrag von Petur »

Petur hat geschrieben:
Die Schweizer Reformierten haben kein verpflichtendes Glaubensbekenntnis (Credo) – und sind damit unter den Glaubensgemeinschaften weltweit ein Sonderfall. Abgeschafft wurde das reformierte Credo Mitte des 19. Jahrhunderts. Liberale Pfarrer sahen in der Bekenntnispflicht damals einen obrigkeitlichen Eingriff in die Glaubensfreiheit. Sie sprachen von überholten Glaubensbildern – dem der Jungfrauengeburt etwa –, die aufgeklärte Menschen nicht mehr verstünden. Seither leben die Reformierten in der Schweiz bekenntnisfrei. Aber nicht bekenntnislos, wie immer wieder betont wird.
http://www.reformiert.info/artikel_6379.html

(Herv. v. mir.)

???????
So ist das ein bisschen besser:
seit Mitte des 19. Jahrhunderts gibt es für die reformierten Kirchen in der Schweiz kein verpflichtendes Glaubensbekenntnis mehr. Das war das Resultat eines Richtungsstreits, der die Kirche damals fast zerrissen hätte. Wenn sich die Schweizer Kirche heute als «bekenntnisfrei» definiert, ist das aber nicht das Gleiche wie «bekenntnislos». Auch die Schweizer Reformierten stützen sich auf verbindliche Texte und orientieren sich an Glaubenszeugnissen früherer Zeiten – doch das Ja zu diesen Texten ist für die Kirchenzugehörigkeit nicht verpflichtend.
http://www.reformiert.info/artikel_669.html

Stephen Dedalus
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Re: Moskau bricht Kontakte zur EKD wegen Frau Käßmann ab

Beitrag von Stephen Dedalus »

Evagrios Pontikos hat geschrieben: 2. Luther selber hielt bis in die 1530er Jahre nicht viel von der Ordination. Erst in der Galatervorlesung von 1531 und dann in der späten Genesisvorlesung klingt das bei ihm anders. Er selber ordinierte übrigens Pfarramtsanwärter auch ohne Handauflegung, weil er sie als nicht so wichtig ansah. Die "Berufung" war für ihn das Entscheidende. Hier steht er in einer Spannung zu Melanchthon und der CA. Es gab sogar lutherische Kirchen ohne Ordination mit bloßer Vokation. Eine Folge Luthers! Erst im 19. Jahrhundert hatten alle lutherischen Kirchen wieder die Ordination.
Wie bewertest Du in diesem Fall die (mißglückten) Installationen von Nikolaus von Amsdorff und Georg von Anhalt, für die Luther ja sogar eigene Weiheliturgien entwickelte, die textlich von den Liturgien zur Ordination von Pastoren abwich?
3. Die lutherische Reformation tilgte bei der Ordination (auch in Schweden!) das alte Weihegebet, das nach römischer Auffassung konstitutiv ist. Deshalb anerkennt die römische auch nicht die schwedische apostolische Sukzession (und ebenso nicht die anglikanische).
Festzuhalten ist, daß die Anglikaner immer (!) ein Weihegebet verwendet haben (auch im BCP von 1559, das ja wesentlichen aus römischer Sicht der Stein des Anstoßes ist), jedoch der Wortlaut des Weihegebetes wegen des fehlenden Rekurs auf das Meßopfer als "ungültig" eingestuft wurde.

Es gibt also einen qualitativ deutlichen Unterschied zwischen den Entwicklungen in Schweden (wo offenbar die Kette von Weihen nicht lückenlos belegt ist) und in England, wo diese Kette nachgewiesen werden kann, allerdings römischerseits Defekte in der "Intention" festgestellt wurden. Dies ist jedoch mittlerweile hinlänglich widerlegt.
If only closed minds came with closed mouths.

Evagrios Pontikos
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Re: Moskau bricht Kontakte zur EKD wegen Frau Käßmann ab

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Petur hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben:
Es gab sogar lutherische Kirchen ohne Ordination mit bloßer Vokation. Eine Folge Luthers! Erst im 19. Jahrhundert hatten alle lutherischen Kirchen wieder die Ordination.
Welche lutherische Kirchen verzichteten auf die Ordination?
In Württemberg gab es von der Zeit der lutherischen Orthodoxie bis ins 19. Jahrhundert keine Ordination, sondern lediglich die Berufung vom Konsistorium. Erst auf Druck der Basler Mission wurde in Württemberg die Ordination eingeführt.

Zum Bischofsamt bei Luther: Luther lehnte nicht nur ein Bischofsamt als Weiheamt ab. Er lehnte zunächst ein Weiheamt überhaupt ab: "jeder, der aus der Taufe gekrochen ist, ist Bischof etc." Die Predigt bei der "Bischofsweihe" von Nikolaus von Amsdorf ist, glaube ich, das erste Zeugnis bei Luther, wo er von einem Amtscharisma spricht. Aber, und das ist dort der Bruch mit der Tradition, es hat rein subjektive Bedeutung als Stärkung für den Amtsträger, nicht objektive. (Das wird in der von Dir zitierten Passage von Karsten Bürgener nicht bedacht.) Für Luther und alle Reformatoren war ein Abendmahl, das von einem Laien eingesetzt wurde, deshalb trotzdem gültiges, wenn auch nicht rechtmäßiges Abendmahl. Denn die promissio wirkt nach Luther aus sich selber heraus und nicht aus priesterlicher Vollmacht (Dazu ausführlich: Oswald Bayer, Promissio, Mohr und Siebeck, Tübingen). Deshalb sein Desinteresse am Weiheamt. Egal, welche lutherischen Theologen man liest: das Amtscharisma bleibt bei ihnen eine Sache der subjektiven Stärkung (Bo Giertz, Joachim Heubach, Peter Brunner, Ulrich Kühn etc.). Die einzige Ausnahme scheint mir an dieser Stelle Ulrich Wilckens in seiner Stellungnahme gegen Ulrich H.J. Körtner zu sein (Kerygma und Dogma, 2006/1).

Evagrios Pontikos
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Re: Moskau bricht Kontakte zur EKD wegen Frau Käßmann ab

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Anglikanische Weihen: Die Successio Fidei ist ja (wegen der kalvinistischen Phase) unterbrochen. So urteilt doch Rom im Blick auf sie, oder?

Schweden: Die Successio Fidei und die Successio der Handauflegungen ist ungebrochen im Blick auf den Realpräsenzglauben. Aber die Weihegebete wurden getilgt.

Nikolaus von Amsdorff: Ich habe das Formular als Quelle im Moment nicht vorliegen, kenne es aber aus der Sekundärliteratur. Dort ist von einem Amtscharisma die Rede, das allerdings nur als subjektive Stärkung, nicht als objektive Weihevollmacht verstanden wird. Die Frage ist aber: Kann Luther einen Bischof weihen? Hebr 7,7: "Nun ist aber unwidersprochen, dass das Geringere vom Höheren gesegnet wird." Nur ein Bischof kann einen anderen in die Bischofswürde erheben. Das Priesteramt steht hierarchisch darunter.

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Petur
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Re: Moskau bricht Kontakte zur EKD wegen Frau Käßmann ab

Beitrag von Petur »

Lieber Evagrios, danke für die Antwort!

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lutherbeck
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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von lutherbeck »

"Nach dem heutigen Forschungsstand (Brosseder, Quadt u.a.) hat es diese historisch apostolische Sukzession, auf die die katholische Kirche so großen Wert legt und von ihr die Gültigkeit des Amtes abhängig macht, historisch nicht gegeben. Brosseder schreibt dazu:
„Die Vorstellung, Jesus habe im Abendmahlssaal das Amt der Kirche eingesetzt, die Apostel als Vorsteher künftiger Eucharistiefeiern bestimmt, die dann ihr Amt den Bischöfen weitergegeben hätten, hält dem neutestamentlichen Befund nicht stand. Hinzu kommt, daß dann zusätzlich noch eine historische Lücke von über zweihundert Jahre fehlender Bischofslisten glaubend geschlossen werden muß, wozu überhaupt kein Anlaß besteht. Der Glaube kann zwar Berge versetzen, aber nicht ohne weiteres historische Lücken überbrücken und historische Fakten schaffen, für die es nicht den geringsten Beweis gibt. Weiter kommt hinzu, daß eine lückenlose sogenannte historisch verstandene apostolische Sukzession des bischöflichen Amtes auch zum Beispiel noch in der Reformationszeit nicht bestanden hat. Mehr als die Hälfte der Kölner Erzbischöfe im 16. und zu Anfang des 17. Jahrhunderts, in anderen Bistümern sieht das nicht sehr viel anders aus, waren noch nicht einmal ordiniert, so daß auch hier eine lückenlose Kette von Handauflegungen, durch die das bischöfliche Amt ununterbrochen weitergegeben wurde, eine rein dogmatische Wunschvorstellung ist, die den geschichtlichen Fakten nicht standhält.“
Quelle: wir-sind-kirche.de

Anscheinend ist es nicht wirklich lückenlos zu beweisen - als moderner Mensch darf man doch sicher zweifeln ohne gleich als Ketzer zu gelten...

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Niels
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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von Niels »

lutherbeck hat geschrieben:Forschungsstand (...)
Quelle: wir-sind-kirche.de
Brosseder (ich habe ihn auch mal bei einem Vortrag erlebt... :breitgrins: :pfeif: ) ist - rein wissenschaftlich gesehen - kaum seriöser als Erich von Däniken oder (H)Elga Sorge...:roll:
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lutherbeck
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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von lutherbeck »

Niels hat geschrieben:
lutherbeck hat geschrieben:Quelle: wir-sind-kirche.de
Brosseder (ich habe ihn auch mal bei einem Vortrag erlebt...) ist rein wissenschaftlich ungefähr so seriös wie Erich von Däniken oder (H)Elga Sorge...
:roll:

Das kann ich leider nicht beurteilen - allerdings werden derartige Aussagen auch an anderen Stellen immer wieder gemacht - und ein wirklich schlüssiger Gegenbeweis steht ja bisher doch wohl leider aus...

So aber wird diese Sache zu einer Sache des Glaubens - und daher zu einer Gewissensfrage an jedes einzelne Kirchenmitglied - dieser und anderer Gewissensfragen müssen sich aber auch die nichtkatholischen Gläubigen im Hinblick auf ihre eigene Kirche und die Einheit der Kirche stellen!

Auf diese Weise ehrlich entstandene Entscheidungen des Einzelnen aber sollten von anderen auf der Basis gegenseitiger Wertschätzung respektiert werden - auch wenn es nicht der eigenen Meinung entspricht, denn nur so gelingt ein empathisches Zusammenleben und ein fruchtbarer Dialog!

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Lutheraner
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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von Lutheraner »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:Die folgenden Beiträge stammen ursprünglich aus diesem Thread: viewtopic.php?f=1&t=1414&start=416
Niels, mod.
lutherbeck hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:... Also, auch ich persönlich halte es für unmöglich, wenn nichtkatholische Priester als "Laien" bezeichnet werden; zum Ursprung dessen in der apostolischen Sukzession habe ich bei Wiki - ja, ich kenne die Bedenken - etwas interessantes gefunden: ...
... um Ursprung dessen in der apostolischen Sukzession habe ich bei Wiki - ja, ich kenne die Bedenken - etwas interessantes gefunden...

Bitte korrigieren - obiges Zitat stammt nicht von mir, sondern komplett von Lutherbeck !
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Niels
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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von Niels »

Lutheraner hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben:Die folgenden Beiträge stammen ursprünglich aus diesem Thread: viewtopic.php?f=1&t=1414&start=416
Niels, mod.
lutherbeck hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:... Also, auch ich persönlich halte es für unmöglich, wenn nichtkatholische Priester als "Laien" bezeichnet werden; zum Ursprung dessen in der apostolischen Sukzession habe ich bei Wiki - ja, ich kenne die Bedenken - etwas interessantes gefunden: ...
... um Ursprung dessen in der apostolischen Sukzession habe ich bei Wiki - ja, ich kenne die Bedenken - etwas interessantes gefunden...

Bitte korrigieren - obiges Zitat stammt nicht von mir, sondern komplett von Lutherbeck !
Das war nicht ich, aber ich werd's korrigieren... :blinker:
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Evagrios Pontikos
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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von Evagrios Pontikos »

lutherbeck hat geschrieben:"Nach dem heutigen Forschungsstand (Brosseder, Quadt u.a.) ...
Und nach morgigem sieht es wieder anders aus. Die historisch-kritische Methode ist ein radikalisiertes Ad-Fontes-Prinzip. Schon das reformatorische Ad Fontes war schwierig. Wenn nun die Quellen (fontes) selber nochmal auf ihre Quellen hin seziert werden... :/ Da ist dem Subjektivismus vollends Tür und Tor geöffnet. Außerdem kann eine schriftliche Quelle nie belegen, ab wann es etwas gegeben hat (z.B. die apostolische Sukzession). Schriftliche Quellen sind nur Zeugnis dafür, wann etwas das erste Mal schriftlich belegt ist. Aber das ist eine Tautologie. Mehr nicht.

Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die Kirche glaubt, dass ihr Amt, das sie von Generation zu Generation weitergibt, apostolisch ist und auf die Stiftung Jesu zurückgeht. Das tut übrigens auch die lutherische Kirche. Das ist "magruns consensus ecclesiae" (CA I). Von diesem Zeugnis der Kirche her kann nun die Schrift gelesen werden (nicht umgekehrt!). Und da entdecken wir, dass die Apostelgeschichte und die Pastoralbriefe bezeugen, dass die Apostel Presbyter einsetzten bzw. andere dazu bevollmächtigten, dies zu tun. Weiter fällt auf, dass hierin offenbar z.B. die Ordination des Josua durch Mose gewissermaßen typologisches Vorbild war etc.

"Nach dem heutigen Forschungsstand..." soll Jesus ja auch nicht das Abendmahl/die Eucharistie eingesetzt haben (Streit um die Abendmahlsworte), ebenso die Taufe usw. Schaut man dann aber genauer hin, sieht man, wie die jeweilige Argumentation ideologisch vorbelastet ist. Die Historisch-Kritischen sind mir nicht kritisch genug...

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Florianklaus
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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von Florianklaus »

lutherbeck hat geschrieben:"Nach dem heutigen Forschungsstand (Brosseder, Quadt u.a.) hat es diese historisch apostolische Sukzession, auf die die katholische Kirche so großen Wert legt und von ihr die Gültigkeit des Amtes abhängig macht, historisch nicht gegeben. Brosseder schreibt dazu:
„Die Vorstellung, Jesus habe im Abendmahlssaal das Amt der Kirche eingesetzt, die Apostel als Vorsteher künftiger Eucharistiefeiern bestimmt, die dann ihr Amt den Bischöfen weitergegeben hätten, hält dem neutestamentlichen Befund nicht stand. Hinzu kommt, daß dann zusätzlich noch eine historische Lücke von über zweihundert Jahre fehlender Bischofslisten glaubend geschlossen werden muß, wozu überhaupt kein Anlaß besteht. Der Glaube kann zwar Berge versetzen, aber nicht ohne weiteres historische Lücken überbrücken und historische Fakten schaffen, für die es nicht den geringsten Beweis gibt. Weiter kommt hinzu, daß eine lückenlose sogenannte historisch verstandene apostolische Sukzession des bischöflichen Amtes auch zum Beispiel noch in der Reformationszeit nicht bestanden hat. Mehr als die Hälfte der Kölner Erzbischöfe im 16. und zu Anfang des 17. Jahrhunderts, in anderen Bistümern sieht das nicht sehr viel anders aus, waren noch nicht einmal ordiniert, so daß auch hier eine lückenlose Kette von Handauflegungen, durch die das bischöfliche Amt ununterbrochen weitergegeben wurde, eine rein dogmatische Wunschvorstellung ist, die den geschichtlichen Fakten nicht standhält.“
Quelle: wir-sind-kirche.de

Anscheinend ist es nicht wirklich lückenlos zu beweisen - als moderner Mensch darf man doch sicher zweifeln ohne gleich als Ketzer zu gelten...

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Die apostolische Sukzession ist eine Glaubenswahrheit. Ob sie sich wissenschaftlich belegen läßt, tut insoweit nichts zur Sache. Wer Glaubenswahrheiten leugnet, ist ein Ketzer.

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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Florianklaus hat geschrieben:Die apostolische Sukzession ist eine Glaubenswahrheit. Ob sie sich wissenschaftlich belegen läßt, tut insoweit nichts zur Sache. Wer Glaubenswahrheiten leugnet, ist ein Ketzer.
Das sehe ich auch so (siehe mein vorheriges Posting), wobei es aber verschiedene Grade von Ketzertum gibt. Dadurch, dass man nicht an die apostolische Sukzession glaubt, geht man noch nicht unbedingt des Heiles verlustig.

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lutherbeck
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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von lutherbeck »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:
Florianklaus hat geschrieben:Die apostolische Sukzession ist eine Glaubenswahrheit. Ob sie sich wissenschaftlich belegen läßt, tut insoweit nichts zur Sache. Wer Glaubenswahrheiten leugnet, ist ein Ketzer.
Das sehe ich auch so (siehe mein vorheriges Posting), wobei es aber verschiedene Grade von Ketzertum gibt. Dadurch, dass man nicht an die apostolische Sukzession glaubt, geht man noch nicht unbedingt des Heiles verlustig.
So würde ich das auch sehen - zudem: zweifeln ist noch nicht gleich leugnen!

Lutherbeck :|
Zuletzt geändert von lutherbeck am Dienstag 19. Januar 2010, 10:02, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von Lutheraner »

@Niels: Danke!
Evagrios Pontikos hat geschrieben:2. Luther selber hielt bis in die 1530er Jahre nicht viel von der Ordination. Erst in der Galatervorlesung von 1531 und dann in der späten Genesisvorlesung klingt das bei ihm anders. Er selber ordinierte übrigens Pfarramtsanwärter auch ohne Handauflegung, weil er sie als nicht so wichtig ansah. Die "Berufung" war für ihn das Entscheidende. Hier steht er in einer Spannung zu Melanchthon und der CA. Es gab sogar lutherische Kirchen ohne Ordination mit bloßer Vokation. Eine Folge Luthers! Erst im 19. Jahrhundert hatten alle lutherischen Kirchen wieder die Ordination.
Das kann ich mir so nicht vorstellen. Die Notwendigkeit der Ordination wurde damals wohl kaum bezweifelt (siehe auch CA). Es gibt ein Bild aus dem 16. Jahrhundert, auf dem Luther bei der Weihe eines neuen Pfarrers per Handauflegung abgebildet ist (Maler und genaues Jahr kann ich auf Wunsch nachliefern).

Was mir dazu einfällt: Wie war das eigentlich wenn ein Gebiet die Konfession wechselte und katholisch wurde. Hat man daraufhin die Weihen aller Pfarrer und Diakone sofort geprüft und diese ggf. neu geweiht?
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lutherbeck
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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von lutherbeck »

GEMEINSAME ERKLÄRUNG

ZUR RECHTFERTIGUNGSLEHRE

des Lutherischen Weltbundes

und der Katholischen Kirche

2. Die Rechtfertigungslehre als ökumenisches Problem

13. Die gegensätzliche Auslegung und Anwendung der biblischen Botschaft von der Rechtfertigung waren im 16. Jahrhundert ein Hauptgrund für die Spaltung der abendländischen Kirche, was sich auch in Lehrverurteilungen niedergeschlagen hat. Für die Überwindung der Kirchentrennung ist darum ein gemeinsames Verständnis der Rechtfertigung grundlegend und unverzichtbar. In Aufnahme von bibelwissenschaftlichen, Theologie- und dogmengeschichtlichen Erkenntnissen hat sich im ökumenischen Dialog seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine deutliche Annäherung hinsichtlich der Rechtfertigungslehre herausgebildet, so daß in dieser gemeinsamen Erklärung ein Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre formuliert werden kann, in dessen Licht die entsprechenden Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts heute den Partner nicht treffen.

...

43. Unser Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre muß sich im Leben und in der Lehre der Kirchen auswirken und bewähren. Im Blick darauf gibt es noch Fragen von unterschiedlichem Gewicht, die weiterer Klärung bedürfen: sie betreffen unter anderem das Verhältnis von Wort Gottes und kirchlicher Lehre sowie die Lehre von der Kirche, von der Autorität in ihr, von ihrer Einheit, vom Amt und von den Sakramenten, schließlich von der Beziehung zwischen Rechtfertigung und Sozialethik. Wir sind der Überzeugung, daß das erreichte gemeinsame Verständnis eine tragfähige Grundlage für eine solche Klärung bietet. Die lutherischen Kirchen und die römisch-katholische Kirche werden sich weiterhin bemühen, das gemeinsame Verständnis zu vertiefen und es in der kirchlichen Lehre und im kirchlichen Leben fruchtbar werden zu lassen.

44. Wir sagen dem Herrn Dank für diesen entscheidenden Schritt zur Überwindung der Kirchenspaltung. Wir bitten den Heiligen Geist, uns zu jener sichtbaren Einheit weiterzuführen, die der Wille Christi ist.

Quelle: Vatican.de

Ich will einmal den Versuch machen hier ein weiteres Thema bezüglich Luther und die Reformation aufzumachen - und ich wünsche mir eigentlich, daß wir uns jetzt nicht wieder die gegensätzlichen Standpunkte um die Ohren hauen, sondern im Dialog versuchen einen gangbaren Weg zu finden - der Vatican sollte dabei unser Vorbild sein!

Kleine Zwischenbemerkung: der Vatican spricht oben klar von "lutherischen Kirchen"!

Lutherbeck :doktor:
"Ich bin nur ein einfacher demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn".

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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von Lutheraner »

lutherbeck hat geschrieben:Kleine Zwischenbemerkung: der Vatican spricht oben klar von "lutherischen Kirchen"!
Du hast die Fußnote übersehen:

[9]In dieser Erklärung gibt das Wort „Kirche“ das jeweilige Selbstverständnis der beteiligten Kirchen wieder, ohne alle damit verbundenen ekklesiologischen Fragen entscheiden zu wollen.
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Florianklaus
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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von Florianklaus »

lutherbeck hat geschrieben:GEMEINSAME ERKLÄRUNG

ZUR RECHTFERTIGUNGSLEHRE

des Lutherischen Weltbundes

und der Katholischen Kirche

2. Die Rechtfertigungslehre als ökumenisches Problem

13. Die gegensätzliche Auslegung und Anwendung der biblischen Botschaft von der Rechtfertigung waren im 16. Jahrhundert ein Hauptgrund für die Spaltung der abendländischen Kirche, was sich auch in Lehrverurteilungen niedergeschlagen hat. Für die Überwindung der Kirchentrennung ist darum ein gemeinsames Verständnis der Rechtfertigung grundlegend und unverzichtbar. In Aufnahme von bibelwissenschaftlichen, Theologie- und dogmengeschichtlichen Erkenntnissen hat sich im ökumenischen Dialog seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine deutliche Annäherung hinsichtlich der Rechtfertigungslehre herausgebildet, so daß in dieser gemeinsamen Erklärung ein Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre formuliert werden kann, in dessen Licht die entsprechenden Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts heute den Partner nicht treffen.

...

43. Unser Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre muß sich im Leben und in der Lehre der Kirchen auswirken und bewähren. Im Blick darauf gibt es noch Fragen von unterschiedlichem Gewicht, die weiterer Klärung bedürfen: sie betreffen unter anderem das Verhältnis von Wort Gottes und kirchlicher Lehre sowie die Lehre von der Kirche, von der Autorität in ihr, von ihrer Einheit, vom Amt und von den Sakramenten, schließlich von der Beziehung zwischen Rechtfertigung und Sozialethik. Wir sind der Überzeugung, daß das erreichte gemeinsame Verständnis eine tragfähige Grundlage für eine solche Klärung bietet. Die lutherischen Kirchen und die römisch-katholische Kirche werden sich weiterhin bemühen, das gemeinsame Verständnis zu vertiefen und es in der kirchlichen Lehre und im kirchlichen Leben fruchtbar werden zu lassen.

44. Wir sagen dem Herrn Dank für diesen entscheidenden Schritt zur Überwindung der Kirchenspaltung. Wir bitten den Heiligen Geist, uns zu jener sichtbaren Einheit weiterzuführen, die der Wille Christi ist.

Quelle: Vatican.de

Ich will einmal den Versuch machen hier ein weiteres Thema bezüglich Luther und die Reformation aufzumachen - und ich wünsche mir eigentlich, daß wir uns jetzt nicht wieder die gegensätzlichen Standpunkte um die Ohren hauen, sondern im Dialog versuchen einen gangbaren Weg zu finden - der Vatican sollte dabei unser Vorbild sein!

Kleine Zwischenbemerkung: der Vatican spricht oben klar von "lutherischen Kirchen"!

Lutherbeck :doktor:

Aus reiner diplomatischer Höflichkeit übernimmt der hl. Stuhl bei derartigen Vereinbarungen die Selbstbezeichnungen der anderen Seite. Theologisch kann man da keinen Honig daraus saugen. Zum besseren Verständnis empfehle ich Dir die Lektüre von "Dominus Jesus".

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lutherbeck
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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von lutherbeck »

Zitat aus Dominus Jesus:

"Die kirchlichen Gemeinschaften hingegen, die den gültigen Episkopat und die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben,61 sind nicht Kirchen im eigentlichen Sinn; die in diesen Gemeinschaften Getauften sind aber durch die Taufe Christus eingegliedert und stehen deshalb in einer gewissen, wenn auch nicht vollkommenen Gemeinschaft mit der Kirche.62 Die Taufe zielt nämlich hin auf die volle Entfaltung des Lebens in Christus durch das vollständige Bekenntnis des Glaubens, die Eucharistie und die volle Gemeinschaft in der Kirche.63

»Daher dürfen die Christgläubigen sich nicht vorstellen, die Kirche Christi sei nichts anderes als eine gewisse Summe von Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften — zwar getrennt, aber noch irgendwie eine; und es steht ihnen keineswegs frei anzunehmen, die Kirche Christi bestehe heute in Wahrheit nirgendwo mehr, sondern sei nur als ein Ziel zu betrachten, das alle Kirchen und Gemeinschaften suchen müssen«.64 In Wirklichkeit »existieren die Elemente dieser bereits gegebenen Kirche in ihrer ganzen Fülle in der katholischen Kirche und noch nicht in dieser Fülle in den anderen Gemeinschaften«.65 Deswegen »sind diese getrennten Kirchen und Gemeinschaften trotz der Mängel, die ihnen nach unserem Glauben anhaften, nicht ohne Bedeutung und Gewicht im Geheimnis des Heiles. Denn der Geist Christi hat sich gewürdigt, sie als Mittel des Heiles zu gebrauchen, deren Wirksamkeit sich von der der katholischen Kirche anvertrauten Fülle der Gnade und Wahrheit herleitet«.66

Die fehlende Einheit unter den Christen ist gewiss eine Wunde für die Kirche; doch nicht in dem Sinn, dass ihre Einheit nicht da wäre, sondern »insofern es sie hindert, ihre Universalität in der Geschichte voll zu verwirklichen«.67 "



Du hast natürlich recht, aber dennoch liegt darin eine von Luther nie bezweifelte Betonung unserer gemeinsamen Wurzeln und eine nicht geringe Würdigung u. a. der lutherischen Kirche als Mittel zum Heil...

Lutherbeck :)
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Evagrios Pontikos
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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Lutheraner hat geschrieben:@Niels: Danke!
Evagrios Pontikos hat geschrieben:2. Luther selber hielt bis in die 1530er Jahre nicht viel von der Ordination. Erst in der Galatervorlesung von 1531 und dann in der späten Genesisvorlesung klingt das bei ihm anders. Er selber ordinierte übrigens Pfarramtsanwärter auch ohne Handauflegung, weil er sie als nicht so wichtig ansah. Die "Berufung" war für ihn das Entscheidende. Hier steht er in einer Spannung zu Melanchthon und der CA. Es gab sogar lutherische Kirchen ohne Ordination mit bloßer Vokation. Eine Folge Luthers! Erst im 19. Jahrhundert hatten alle lutherischen Kirchen wieder die Ordination.
Das kann ich mir so nicht vorstellen. Die Notwendigkeit der Ordination wurde damals wohl kaum bezweifelt (siehe auch CA). Es gibt ein Bild aus dem 16. Jahrhundert, auf dem Luther bei der Weihe eines neuen Pfarrers per Handauflegung abgebildet ist (Maler und genaues Jahr kann ich auf Wunsch nachliefern)...
In Württemberg gab es, wie gesagt, 200 Jahre lang keine Ordination. Erst in den 1840er Jahren wurde sie eingeführt, weil die Basler Mission sie forderte (und nicht aus Selbsterkenntnis). So habe ich es in der Literatur gelesen.

Zur Handauflegung schreibt z.B. Peter Brunner (der Luther an diesem Punkt deutlich kritisiert; Pro Ecclesia Bd. 1, S. 244): "Wenn ich recht sehe, hat Luther erst 1542 die Segnung in die Bestätigung mit hineingenommen: WA 53,257,4..." (Amsdorfs Bischofsordination).

Und Karsten Bürgener schreibt: "Wie weit sich die evangelische Kirche insgesamt von der biblischen Ordination entfernt hat, läßt sich besonders deutlich an den folgenden Tatsachen ablesen: Nach der Arnoldshainer Ordinationsagende, die in einer ganzen Reihe von Landeskirchen in Geltung steht, kann bei der Ordination die Handauflegung entfallen. Nach EKD-Gesetz werden solche Ordinationen ohne Handauflegung in allen Landeskirchen, also auch in den lutherischen, anerkannt. Das zeigt, daß es in keiner Landeskirche, auch in den lutherischen nicht, ein ausreichendes Problembewußtsein gibt, daß man sich bei der Ordination an die Bibel halten muß und daß es auch ungültige Ordinationen geben kann.

Dementsprechend nichtssagend und daher wahrscheinlich ungültig sind auch die meisten Ordinationsgebete - das ist übrigens schon seit Luther so - und entsprechend lax ist auch die jahrhundertelange Ordinationspraxis der evangelischen Kirche. Schon das Gemälde in Luthers Sterbehaus zu Eisleben, das die letzte Ordination Luthers authentisch wiedergeben soll, zeigt, wie Luther die Pfarramtskandidaten nur von ferne und nicht mit Handauflegung segnet." (Die St. Ansgar-Messe, S. 188)
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Stephen Dedalus
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Re: Moskau bricht Kontakte zur EKD wegen Frau Käßmann ab

Beitrag von Stephen Dedalus »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:Anglikanische Weihen: Die Successio Fidei ist ja (wegen der kalvinistischen Phase) unterbrochen. So urteilt doch Rom im Blick auf sie, oder?
Apostolicae Curae kam zu dem Schluß, daß aufgrund von Veränderungen in der Weiheliturgie zwischen 1559 und 1662 ein Defekt der Form und der Intention bestand.

Dies haben die anglikanischen Erzbischöfe durch ihr Schreiben Saepius Officio widerlegt.

Im Gegensatz dazu haben m. W. die Schwedischen Lutheraner das Weihegebet durch das Vaterunser ersetzt.
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Christ86
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Re: Moskau bricht Kontakte zur EKD wegen Frau Käßmann ab

Beitrag von Christ86 »

Stephen Dedalus hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben:Anglikanische Weihen: Die Successio Fidei ist ja (wegen der kalvinistischen Phase) unterbrochen. So urteilt doch Rom im Blick auf sie, oder?
Apostolicae Curae kam zu dem Schluß, daß aufgrund von Veränderungen in der Weiheliturgie zwischen 1559 und 1662 ein Defekt der Form und der Intention bestand.

Dies haben die anglikanischen Erzbischöfe durch ihr Schreiben Saepius Officio widerlegt.
Widerlegt nicht, wohl eher bestritten, sonst wären die anglikanischen Weihen ja jetzt allgemein anerkannt :breitgrins:
Stephen Dedalus hat geschrieben:Im Gegensatz dazu haben m. W. die Schwedischen Lutheraner das Weihegebet durch das Vaterunser ersetzt.
:hae?:
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Clemens
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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von Clemens »

lutherbeck hat geschrieben: Mehr als die Hälfte der Kölner Erzbischöfe im 16. und zu Anfang des 17. Jahrhunderts, in anderen Bistümern sieht das nicht sehr viel anders aus, waren noch nicht einmal ordiniert, so daß auch hier eine lückenlose Kette von Handauflegungen, durch die das bischöfliche Amt ununterbrochen weitergegeben wurde, eine rein dogmatische Wunschvorstellung ist, die den geschichtlichen Fakten nicht standhält.“Quelle: wir-sind-kirche.de

Lutherbeck :glubsch:
Dieses Argument zeugt tatsächlich nur von der Dämlichkeit seiner Erfinder (sorry, Lutherbeck, will dir nicht zu nahe treten, du hast es ja bloß zitiert!):

In der Tat gab es in der Renaissancezeit ungeweihte Kölner "Bischöfe". Aber wer hat je behauptet, dass diese "Bischöfe" ihr geistliches Amt ausgeübt hätten? Selbstverständlich hat keiner dieser sogenannten Bischöfe je Priester geweiht oder andere Bischöfe konsekriert.
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Re: Moskau bricht Kontakte zur EKD wegen Frau Käßmann ab

Beitrag von Stephen Dedalus »

Christ86 hat geschrieben:Widerlegt nicht, wohl eher bestritten, sonst wären die anglikanischen Weihen ja jetzt allgemein anerkannt :breitgrins:
Es bringt gar nichts, die Sache auf diesem Niveau zu diskutieren. Wenn Du die römische Sicht an dieser Stelle übernehmen willst, ist das eben so.

In meinen Augen ist die römische Argumentation löchrig wie ein Käse, aufgrund der neueren historischen Erkenntnisse nicht mehr haltbar und durch Entwicklungen in der römischen Kirche selbst längst überholt (wenn die anglikanischen Liturgien des 17. Jahrhunderts defizitär gewesen wären, dann wären es nun die eigenen römischen Liturgien des NOM ebenso).
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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von Christ86 »

Wikipedia: Synkretismus hat geschrieben:Sonderform Neuheidentum (Wicca)

Eine moderne Bewegung, die vielfach synkretische Züge annimmt, ist Wicca als eine Hauptströmung des Neuheidentums, die Neo-Keltismus mit den Philosophien der mystisch-magischen Bewegung des frühen 2. Jahrhunderts verbindet. Über Wicca wird u. a. auch eine Brücke zu Thelema und Theosophie geschaffen, deren Ziel es war, eine neue Religion unter anderem basierend auf fernöstlichen Elementen aufzubauen. Bei Wicca sind auch christliche Elemente auszumachen, wie etwa die Übernahme der kirchlichen apostolischen Sukzession.
http://de.wikipedia.org/wiki/Synkretismus
:D :kugel: :freude: :kugel: :vogel:

Scheinbar ist die apostolische Sukzession an allen Orten begehrt :breitgrins:
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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von Lutheraner »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:Und Karsten Bürgener schreibt: "Wie weit sich die evangelische Kirche insgesamt von der biblischen Ordination entfernt hat, läßt sich besonders deutlich an den folgenden Tatsachen ablesen: Nach der Arnoldshainer Ordinationsagende, die in einer ganzen Reihe von Landeskirchen in Geltung steht, kann bei der Ordination die Handauflegung entfallen. Nach EKD-Gesetz werden solche Ordinationen ohne Handauflegung in allen Landeskirchen, also auch in den lutherischen, anerkannt. Das zeigt, daß es in keiner Landeskirche, auch in den lutherischen nicht, ein ausreichendes Problembewußtsein gibt, daß man sich bei der Ordination an die Bibel halten muß und daß es auch ungültige Ordinationen geben kann.
Nach evang.-luth. Auffassung ist weder die Handauflegung an sich noch eine ununterbrochene Kette von Handauflegungen, die bis zu den Aposteln zurückführt, notwendig für die Gültigkeit der Ordination (auch wenn ich persönlich die Handauflegung als Symbol für die Weitergabe des Hl. Geistes für sehr wichtig halte). Allein die Intention zählt. Mich würde aber interessieren, was Herr Bürgener unter "an die Bibel halten" in Bezug auf die Ordination versteht.
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Lutheraner hat geschrieben:Nach evang.-luth. Auffassung ist weder die Handauflegung an sich noch eine ununterbrochene Kette von Handauflegungen, die bis zu den Aposteln zurückführt, notwendig für die Gültigkeit der Ordination (auch wenn ich persönlich die Handauflegung als Symbol für die Weitergabe des Hl. Geistes für sehr wichtig halte). Allein die Intention zählt. Mich würde aber interessieren, was Herr Bürgener unter "an die Bibel halten" in Bezug auf die Ordination versteht.
Das habe ich ja oben skizziert:
Evagrios Pontikos hat geschrieben:
lutherbeck hat geschrieben:"Nach dem heutigen Forschungsstand (Brosseder, Quadt u.a.) ...
Und nach morgigem sieht es wieder anders aus. Die historisch-kritische Methode ist ein radikalisiertes Ad-Fontes-Prinzip. Schon das reformatorische Ad Fontes war schwierig. Wenn nun die Quellen (fontes) selber nochmal auf ihre Quellen hin seziert werden... :/ Da ist dem Subjektivismus vollends Tür und Tor geöffnet. Außerdem kann eine schriftliche Quelle nie belegen, ab wann es etwas gegeben hat (z.B. die apostolische Sukzession). Schriftliche Quellen sind nur Zeugnis dafür, wann etwas das erste Mal schriftlich belegt ist. Aber das ist eine Tautologie. Mehr nicht.

Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die Kirche glaubt, dass ihr Amt, das sie von Generation zu Generation weitergibt, apostolisch ist und auf die Stiftung Jesu zurückgeht. Das tut übrigens auch die lutherische Kirche. Das ist "magruns consensus ecclesiae" (CA I). Von diesem Zeugnis der Kirche her kann nun die Schrift gelesen werden (nicht umgekehrt!). Und da entdecken wir, dass die Apostelgeschichte und die Pastoralbriefe bezeugen, dass die Apostel Presbyter einsetzten bzw. andere dazu bevollmächtigten, dies zu tun. Weiter fällt auf, dass hierin offenbar z.B. die Ordination des Josua durch Mose gewissermaßen typologisches Vorbild war etc.

"Nach dem heutigen Forschungsstand..." soll Jesus ja auch nicht das Abendmahl/die Eucharistie eingesetzt haben (Streit um die Abendmahlsworte), ebenso die Taufe usw. Schaut man dann aber genauer hin, sieht man, wie die jeweilige Argumentation ideologisch vorbelastet ist. Die Historisch-Kritischen sind mir nicht kritisch genug...
Wer die Handauflegung biblisch verfolgt, wird auch schnell merken, dass es dabei um weit mehr als ein "Symbol" (woher plötzlich diese reformierte Theologie?) geht. Für die CA ist sie sogar die pars pro toto bei der Ordination, worauf Jobst Schöne, früherer Bischof der SELK, zurecht sehr massiv hinweist. Und Schöne ist gewiss ein waschechter Lutheraner. Das bedeutet: Für die CA ist die Handauflegung (und das mit ihr verbundene Wort) das unaufgebbar Entscheidende an der Ordination.

Aber genau hier sind wir wieder am Problem: Papier ist geduldig. Und die Lutheraner haben selber nicht einmal Einigkeit darin, wie sie ihre Bekenntnisse verstehen, sobald sie sie von der Kontinuität mit der Kirche und ihrem Konsens (CA I) lösen. Und dieser Konsens sieht eben anders aus als Deine persönliche Meinung und Interpretation.
Zuletzt geändert von Evagrios Pontikos am Dienstag 19. Januar 2010, 13:40, insgesamt 1-mal geändert.

Evagrios Pontikos
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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von Evagrios Pontikos »

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Florianklaus
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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von Florianklaus »

Lutheraner hat geschrieben:
Evagrios Pontikos hat geschrieben:Und Karsten Bürgener schreibt: "Wie weit sich die evangelische Kirche insgesamt von der biblischen Ordination entfernt hat, läßt sich besonders deutlich an den folgenden Tatsachen ablesen: Nach der Arnoldshainer Ordinationsagende, die in einer ganzen Reihe von Landeskirchen in Geltung steht, kann bei der Ordination die Handauflegung entfallen. Nach EKD-Gesetz werden solche Ordinationen ohne Handauflegung in allen Landeskirchen, also auch in den lutherischen, anerkannt. Das zeigt, daß es in keiner Landeskirche, auch in den lutherischen nicht, ein ausreichendes Problembewußtsein gibt, daß man sich bei der Ordination an die Bibel halten muß und daß es auch ungültige Ordinationen geben kann.
Nach evang.-luth. Auffassung ist weder die Handauflegung an sich noch eine ununterbrochene Kette von Handauflegungen, die bis zu den Aposteln zurückführt, notwendig für die Gültigkeit der Ordination (auch wenn ich persönlich die Handauflegung als Symbol für die Weitergabe des Hl. Geistes für sehr wichtig halte). Allein die Intention zählt. Mich würde aber interessieren, was Herr Bürgener unter "an die Bibel halten" in Bezug auf die Ordination versteht.
Was ist denn dann nach lutherischer Lehre die Materie der Ordination? Und wo ist diese Lehre fixiert?

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lutherbeck
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Re: Luther, die Reformation und die apostolische Sukzession

Beitrag von lutherbeck »

Das Amt der Kirche

Das geistliche Amt in der Kirche hat die Aufgabe das Wort Gottes, wie es in der Heiligen Schrift in Gesetz und Evangelium zu finden und verbindlich in den Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche dargestellt ist, zu lehren. In der Weihe oder auch Ordination zum Amt der Kirche hat der Pfarrer die Vollmacht anstatt und auf Befehl Jesu Christi an der Gemeinde zu handeln. Dieses Handeln geschieht in der Lehre durch die öffentliche Predigt und die einsetzungsgemäße Spendung der Sakramente, Heilige Taufe, Heilige Beichte, Heiliges Abendmahl, sowie im kirchlichen Unterricht und in der Seelsorge. In der Evangelisch-Lutherischen Kirche wird das geistliche Amt aus dem Apostolat, dem apostolischen Dienstamt, abgeleitet.

Quelle: http://www.lutherisch-berlin.de
"Ich bin nur ein einfacher demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn".

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