Die Haltung, dass der Papst der Antichrist sei, wird auch heute noch von einem Teil der Lutheraner vertreten. Im deutschsprachigen Raum z. B. von der Evangelisch-Lutherischen Freikirche oder von unabhängigen lutherischen Gemeinden wie der Immanuelgemeinde St. Steeden:
http://www.elfk.de/referate/synodal/antichr.htm#Schluss
http://www.audiopredigt.de/pdf-bek/thesen-fr-pieper.pdf
Die WELS folgt ebenfalls dieser Auffassung:
http://www.wels.net/about-wels/doctrina ... t?page=,1
Ich gehe darum auch davon aus, dass diese Position ebenso von den anderen Mitgliedskirchen in der Konfessionellen Evangelisch-Lutherischen Konferenz, zu der die deutsche ELFK gehört, vertreten wird.
Auch die LCMS hat sich noch nicht so recht von dieser Auffassung distanzieren können, wobei zumindest mal eine Differenzierung zwischen dem Amt an sich und der Person des Amtsinhabers ausdrücklich vorgenommen wird. So gesehen, betrachtet man dort die Sache vielleicht schon etwas Differenzierter. Man hält aber auch an der traditionellen Sichtweise zum Papsttum fest, solange dieses das eigene Verständnis zur Rechtfertigungslehre auf Grundlage des Konzils von Trient verurteilt und ablehnt:
http://en.wikipedia.org/wiki/Lutheran_C ... Antichrist
In der SELK findet man hingegen keine offizielle Verlautbarung, in der das Papsttum ausdrücklich als Antichristus bezeichnet würde, allerdings erhebt man auch hier Zweifel an die optimistische Einschätzung von Ökumenikern, dass das Anathema vom Papsttum von der evangelischen Seite nicht mehr aufrechterhalten werden könnte, da jüngere römische Verlautbarungen eher auf eine stärkere Betonung des Papsttums hinweisen würden. Ob das jetzt auf Dominus Iesus gemünzt war, weiß ich nicht. Das Papier war auch schon ein paar Jahre alt, als ich es las. Allerdings haben sich einige Geistliche der SELK, darunter auch höhere Amtsträger, ziemlich wohlwollend gegenüber Benedikt XVI. und über dessen Buch „Jesus von Nazareth “ geäußert, das man im Grunde für durchaus evangelisch hält.
Auch wenn man heutzutage durchaus um einen freundlichen Umgangston bemüht ist und auch viel Positives an der RKK und ihrem Papst erkennen und dafür loben kann, so ist es auch den Bekenntnislutheranern nach fast 5 Jahren immer noch nicht möglich, wieder in kirchlicher Gemeinschaft mit dem römischen Bischof zu treten.
Hier gilt nach wie vor der Vorbehalt, wie er von Melanchthon nach den Schmalkaldischen Artikel formuliert wurde:
Ich, Philippus Melanchthon, halte diese oben aufgestellten Artikel auch für recht und christlich; vom Papst aber halte ich, falls er das Evangelium zulassen wollte, daß ihm um des Friedens und gemeinsamer Einigkeit willen mit denjenigen Christen, die auch unter ihm sind und künftig sein möchten, seine Superiorität über die Bischöfe, die er iure humano hat, auch von uns zuzulassen sei.
Quelle:
http://theology.co.kr/wwwb/data/koreaba ... rtikel.pdf
Solange Rom, was es sicherlich nicht tun kann und wird, nicht die Verurteilung der forensischen Rechtfertigungslehre sowie die verbindlichen Lehrmeinungen des 1. Vatikanischen Konzils zum Papsttum nachträglich aufhebt, braucht sich keine Seite ernsthafte Hoffnungen darüber zu machen, dass hier die Einheit wiederhergestellt werden könnte. Für Altlutheraner und andere Bekenntnislutheraner sollte es daher vor allem eine Herzensangelegenheit sein, untereinander wieder vollkommene Abendmahls- und Kirchengemeinschaft herzustellen. Denn, was an ökumenischen Bemühungen darüber hinaus geht, wird bis zum Jüngsten Tag zu keiner Einigung führen. Dafür sind sowohl konfessionelle Lutheraner als auch der Vatikan viel zu dogmatisch.
Ich kann mit den ganzen ökumenischen Forderungen, wie sie beispielsweise von Vertretern der Landeskirchen gestellt werden, ohnehin nichts anfangen. Fakt ist, dass weder die eine noch die andere Seite von irgendjemandem etwas zu fordern hat. Wenn jemand von den Lehren seiner Denomination überzeugt ist, dann braucht er hierfür nicht die Bestätigung der anderen Seite einzuholen und sich schon gar nicht darüber aufzuregen, wenn diese ausbleibt. Sollte man hingegen zu der Auffassung kommen, dass die andere Seite doch im Recht ist, so frage ich mich ernsthaft, weshalb man sich ihr dann nicht auch offiziell anschließen möchte?
Jesus spricht: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ (Joh. 14,6)