Evagrios Pontikos hat geschrieben:Lieber Stephen, Prof. Lichtenberg sagt, weil die Homosexualität Veranlagung/Neigung etc. sei, sei sie nicht freie Wahl, deshalb keine Sünde, sondern Teil der Geschöpflichkeit. Was sind das für Kurzschlüsse? Das klingt für mich wie ein oberflächlich-moralischer Sündenbegriff. Wie anders da bei Paulus, der Sünde als versklavende Macht versteht! Wie anders bei einem Luther, z.B. in "Nun freut euch, liebe Christen gmein".
Zunächst: Der Herr heißt Lichtenberger, nicht Lichtenberg.
Dann: Sünde ist immer auch Wahl, inwieweit man bereit ist, dem einzelnen Sünder eine Wahl zuzugestehen, hängt von theologischen Vorentscheidungen ab - hierin differieren etwa die lutherische und die katholische Tradition. Dies geht auch aus dem Abschnitt bei Paulus eindeutig hervor: Die Sünde ist Folge der falschen Wahl des Menschen, selbst dann, wenn sich die Wahl infolge der Ursünde für den Einzelnen als 'unausweichlich' erweist.
Bei der Frage nach Veranlagungen und Neigungen ist sicherlich zu differenzieren. Es gibt Veranlagungen in Form von Störungen und Neigungen, die nicht als moralisch wertfrei gesehen werden und deren Praktizieren als 'Sünde' einzuordnen wäre. Im Hinblick auf Homosexualität entscheidet Lichtenberger sich dafür, sie als Variante der Schöpfung und damit als grundsätzlich positiv zu werten.
Das zweite: Natürlich spricht Paulus von der grundlegenden perversio, dass Schöpfer und Geschöpf vertauscht werden. (Aber auch hier: Ist das freie Wahl? Bei den Stammeltern Adam und Eva: ja, aber ganz anders dann bei der nachfolgenden Menschheit, vgl. Römer 5,12ff; 7,7ff etc.) Aber aus dieser Verkehrung abzuleiten, dass die Folge, die Paulus zieht, nämlich die perversio der Sexualität, gar nicht Zielpunkt der Aussage sei und somit etwas Sekundäres, das so von uns nicht mehr gefolgert werden dürfe, lässt sich am Text nicht begründen. Wird die Folgerung unrichtig, nur weil sie nicht Zielpunkt des Skopos ist?
Sie wird nicht unrichtig, aber sie wird im Kontext verständlicher, wenn man sie als das versteht, als das Paulus sie anführt: als Symptom. Es geht Paulus ja nicht darum, die Homosexualität hier zum Kernthema zu machen. Wer diese Stelle so liest, verfehlt ihre Aussage. Nicht nur die Homosexuellen sind für Paulus Sünder, sondern alle Menschen, die Gott und Geschöpf vertauschen. Würde man heute diesen Text schreiben und nach Beispielen für die
perversio suchen, von der Paulus spricht, würde man sicherlich andere Beispiele anführen: Körper- und Jugendwahn, Geldgier, Materialismus, Hedonismus. Auch Formen von Partnerschaft, in denen sich ein Partner nur um sich selbst dreht, sind im Sinne dieser Paulusstelle
perversio wie homosexuelle Akte, selbst wenn es sich um gegengeschlechtliche Partnerschaften handelt.
Und das dritte: Dein Wortlaut "nicht die Bibel, sondern Jesus Christus" war ein klarer Gegensatz. Wenn Du diesen Gegensatz jetzt relativierst, o.k.
Du solltest meine Aussage nicht absolut lesen, sondern im Kontext. Und da habe ich Barmen 1 im Wortlaut zitiert, in dem steht: Jesus Christus, wie ihn die Schrift bezeugt.
In diesem Geiste bekennt die Kirche, dass Gott Mann und Frau füreinander geschaffen und gesegnet hat. Das ewige Gesetz Gottes, das Maßstab des Jüngsten Gerichtes sein wird, deckt deshalb auch noch heute die Preisgabe der Zuordnung von Mann und Frau in der Homosexualität als Sünde auf.
Ich kann Dir nicht darin folgen, daß die Aussage, Gott habe Mann und Frau füreinander geschaffen, einen ethischen Imperativ enthält, der auf den einzlenen Menschen anwendbar wäre. Das haben wir schon diskutiert.
Daraus folgt aber noch ein fünftes: Deine Behauptung, dass Homosexualität heute ein neues Konzept sei, das es so früher nicht gegeben habe, kann ich von daher, dass Gottes Gesetz ewig ist, also die Zeiten zusammenfasst, nicht teilen.
Das ist m. E. so evident, daß sich eine Diskussion hierüber nicht lohnt. Wenn Du das nicht sehen kannst, auch gut.